Terror der Zeichen Oder - Hochschule für bildende Künste Hamburg
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Oper/Musik<br />
te. Auch die Schmuckhersteller<br />
verschmähten den Kunststoff<br />
nicht, und in herrlichen Bonbonfarben<br />
von Honiggelb bis Rosa<br />
leuchtet in <strong>der</strong> Ausstellung auch<br />
eine Music-Box.<br />
Gewiß ist es verdienstvoll,<br />
wenn sich ein Museum nicht nur<br />
darauf beschränkt, Kunst zu<br />
sammeln und auszustellen, son<strong>der</strong>n<br />
das traditionelle Museumsterrain<br />
zu erweitern sucht und<br />
sich neue Experimentier- und<br />
Arbeitsfel<strong>der</strong> erschließt, wie es<br />
das Folkwang-Museum jetzt mit<br />
<strong>der</strong> Ausstellung von Kunststoffobjekten<br />
getan hat. Es hat sich<br />
damit eines Bereichs <strong>der</strong> All <br />
tagskultur angenommen, um<br />
den unsere Museen vielfach<br />
noch einen Bogen machen und<br />
den sie eher privaten Galerien,<br />
oft allzu modisch bestimmten,<br />
und alternativen Projektmachern<br />
überlassen. Nur, man muß<br />
das Neue auch können! Die gute<br />
Absicht allein genügt nicht.<br />
., Daß diese Ausstellung in einer<br />
Zeit und an einem Platz gezeigt<br />
wird, an dem sich auch künftig<br />
Kunst und Alltagsleben berühren<br />
sollen, an jenen aufschlußreichen<br />
Nahtstellen zwischen<br />
dem Museum Folkwang und<br />
dem Ruhrlandmuseum, <strong>der</strong>en<br />
Sammlungen doch eher Gegenteiliges<br />
zu vertreten scheinen, ist<br />
kein Zufall", heißt es im Katalog.<br />
Darin stehen noch mehr kluge<br />
Absichtserklärungen, die allerdings<br />
in <strong>der</strong> Ausstellung selbst<br />
nicht eingelöst werden. Wie<br />
überhaupt <strong>der</strong> Katalog in seiner<br />
detailfreudigen Beschreibung<br />
<strong>der</strong> rund 500 Exponate (ein Drittel<br />
<strong>der</strong> Sammlung Kölsch) und in<br />
seiner plausiblen Darstellung<br />
<strong>der</strong> Bedeutung des Kuntstoffs<br />
<strong>für</strong> die Alltagskultur eine Sache<br />
ist, eine Sache <strong>für</strong> sich. Die Ausstellung<br />
ist ganz an<strong>der</strong>s; sie ist <br />
in ihrem Verzicht auf begleitende<br />
Informationen im Ausstel <br />
lungsraum selbst - eher langweilig<br />
als anregend. Sie evoziert<br />
den falschen Blick auf Gegenstände,<br />
die in ihrer Ästhetik nur<br />
als Einzelstücke in einem ganz<br />
bestimmten Kontext ihren wirklichen<br />
Aussagecharakter haben.<br />
Offenbar empfinden das<br />
auch die Besucher; die Eintra <br />
gungen im Besucherbuch kommen<br />
mir jedenfalls höchst auf-<br />
schlußreich vor. Interessant, in <br />
formativ, beeindruckend, aufschlußreich<br />
und empfehlenswert<br />
<strong>für</strong> Schulen lauten die Urteile<br />
sogenannter .,gebildeter"<br />
Erwachsenen. Die Schüler, die <br />
den Eintragungen nach- ungefragt<br />
durch die Ausstellung geschleust<br />
werden, sehen das ganz<br />
an<strong>der</strong>s . .,Ich war schnell hier,<br />
aber auch schnell wie<strong>der</strong> weg",<br />
hat ein Schüler ins Buch geschrieben.<br />
Ein an<strong>der</strong>er: .,Für so<br />
was würde unser Kunstlehrer ei <br />
ne ' 6' geben, schon Scheiße,<br />
wa? " O<strong>der</strong> auch seriöser: .. Ich<br />
kann an den meisten dieser<br />
Kunststoffobjekte nichts<br />
son<strong>der</strong>lich Schönes finden; jedenfalls<br />
sind sie nicht schön genug,<br />
als daß es allein deswegen<br />
lohnend w äre, sie bloß anzuschauen."<br />
Über solche Urteile,<br />
die nur wenig durch Prädikate<br />
wie ., Spitze" und .,Astrein" rela <br />
tiviert werden, darf man sich<br />
nicht wun<strong>der</strong>n, wenn man Jugendliche<br />
in dieser Ausstellung<br />
völlig allein läßt, ohne Infos, ohne<br />
den Kontext<strong>der</strong> ausgestellten<br />
Objekte zu illustrieren, ohne<br />
Möglichkeit, den Kunststoff, den<br />
man in all' seinerVar)abilität und<br />
Bea rbeitbarkeit präsentiert,<br />
auch einmal anfassen zu kön <br />
nen. Design aus <strong>der</strong> Frühzeit <strong>der</strong><br />
Kunststoffzeit, vor allem <strong>der</strong><br />
30er, 40er und 50er Jahre ist<br />
Jugendlichen heute eine fremde<br />
Weit. Das hätte man wissen können.<br />
Im übrigen beklagen den<br />
Mangel an Information nicht nur<br />
die Schüler, auch erwachsene<br />
Besucher äußern immer wie<strong>der</strong><br />
den Wunsch nach mehr und vertiefen<strong>der</strong><br />
Information. Viele von<br />
ihnen tun dann das, was die jüngeren<br />
Besucher nicht können :<br />
Sie geben sich ihren nostalgischen<br />
Erinnerungen hin, beson<strong>der</strong>s<br />
an die wie<strong>der</strong> in Mode kommenden<br />
Fünfziger, genießen die<br />
Ausstellung als .. herrliche Erin <br />
nerungsfahrt" und registrieren<br />
staunend, daß Plastik ., soo<br />
schön" sein kann. Für mich<br />
bleibt als Fazit: Das eigentliche<br />
Ereignis ist <strong>der</strong> Katalog, nicht die<br />
Ausstellung. Aber ist ein Museum<br />
denn ein Verlag?<br />
Alfred Paffenholz, Hemmingen<br />
Oper : Von <strong>der</strong> Sprengkraft<br />
eines Mißverständnisses<br />
Als Pierre Boulez vor bald zwei Jahrzehnten das<br />
Bonmot in Umlauf setzte, .. vor je<strong>der</strong> praktischen Arbeit<br />
im Bereich des musikalischen Theaters gelte es<br />
zunächst einmal, die bestehenden Operninstitute in<br />
die Luft zu sprengen", da mag ihm <strong>der</strong> Einzug nach<br />
<strong>der</strong> Walhall <strong>der</strong> Opernfreunde, <strong>der</strong> dann 1976 zusammen<br />
mit Patrice Chereau inszeniert wurde, noch<br />
schier unmöglich erschienen sein. Auch an<strong>der</strong>e<br />
Avantgardisten kokettierten mit ihrer Aversion gegen<br />
die Oper (und nicht bloß <strong>der</strong>en Institutionen);<br />
doch längst dienen sie den Häusern aller Größen -<br />
und vorzugsweise den feinsten - ihre Fertigkeiten,<br />
die Partituren musiktheatralischer Arbeiten an.<br />
Indem kaum ein Sektor des Kul nehmungsweisen - in die Geschichte<br />
turlebens im engeren Sinn so<br />
<strong>der</strong> Gattung vor dem<br />
selbstverständlich sein hochsubventioniertes<br />
Hintergrund <strong>der</strong> .,lebendigen<br />
Existenzrecht Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Ge <br />
behauptet wie <strong>der</strong> groß- und schichte" aus dem Geiste des<br />
mittelständische Opern- Betrieb,<br />
Regie-Theaters. Es erfor<strong>der</strong>t eine<br />
erscheint die Frage nach<br />
dem Sinn <strong>der</strong> Gattung höchlichst<br />
berechtigt.<br />
Leo Karl Gerhartz, Redakteur<br />
beim Hessischen Rundfunk, hat<br />
eine Einführung in die Problemgeschichte<br />
<strong>der</strong> Oper verfaßt :<br />
gehörige Portion Mut, in <strong>der</strong><br />
Ära <strong>der</strong> hartgesottenen Spezialisten<br />
exemplarisch Zusammenhänge<br />
über die Jahrhun<strong>der</strong>te<br />
hinweg auszuleuchten. Dabei ist<br />
Gerhartz Verdi-Spezialist, was<br />
immer wie<strong>der</strong> spürbar wird; vom<br />
Einführung in einen eben keinesfalls<br />
Verdisehen Konzept <strong>der</strong><br />
bloß .,musealen" Themen<br />
Bühnenwirksamkeit, von Verdis<br />
komplex, son<strong>der</strong>n - quergebohrt<br />
Kompositionsmethode - auf die<br />
zu eingespielten Wahr-<br />
sich <strong>der</strong> Autor wie auf eine<br />
ideal-<br />
typische Mitte bezieht - greift<br />
das Buch auf die gegenwärtigen<br />
Hauptfragen <strong>der</strong> Opern-Ästhetik<br />
aus und zurück auf die Anfänge.<br />
Die verdanken sich ja dem<br />
leidenschaftlichen Wunsch<br />
nach <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>erweckung eines<br />
vermeintlich antiken Gesamtkunstwerk-<br />
Ideals, einem<br />
geschichtsträchtigen Mißverständnis.<br />
Gerha rtz führt- Richard Alewyn<br />
fGigend - die Entstehung<br />
<strong>der</strong> Oper auf einen intellektuellen<br />
Entschluß zurück. Doch<br />
schon sehr früh und seitdem<br />
triumphierte die schöpferische<br />
Phantasie über die ordnende<br />
(und anordnende) Vernunft <strong>der</strong><br />
Gelehrten. Die Geschichte <strong>der</strong><br />
Oper ist <strong>für</strong> Gerhartz die <strong>der</strong><br />
., Selbstbehauptung <strong>der</strong> singend<br />
sich entfaltenden menschlichen<br />
Stimme, die Geschichte ihres<br />
Wi<strong>der</strong>standes gegen eine Subordination<br />
unter die Gesetze von<br />
Sprache und Philosophie." Und<br />
indem es den Opern-Werken,<br />
die überdauert haben, .,von Anbeginn<br />
zuvör<strong>der</strong>st um das Sprechen<br />
und Fühlen des Menschen"<br />
ging, war und blieb die Opern<br />
Bühne - wie sonst kein Schauplatz<br />
von Kunst - Schlachtfeld<br />
und Wohnzimmer, freie Land <br />
schaft und Garten <strong>der</strong> Gefühle.<br />
Der Wunsch <strong>der</strong> ersten Opern<br />
Komponisten, eine Art Schauspiel<br />
auf höherer, feierlicherer<br />
Ebene zu schaffen, sei .,durch die<br />
Jahrhun<strong>der</strong>te hindurch eine<br />
heimliche Sehnsucht <strong>der</strong> Oper<br />
geblieben"- auch wenn es in ihren<br />
Szenen, mit ihren Worten<br />
und schließlich durch ihre Musik<br />
ganz unfeierlich zugeht. DerWi<strong>der</strong>spruch<br />
zwischen <strong>der</strong> stärker<br />
musikbestimmten und <strong>der</strong> eher<br />
handlungs-o<strong>der</strong> wort-orientierten<br />
Oper ist früh angelegt und<br />
bis heute wesentliche Triebkraft<br />
.,ihrer wechselvollen Geschichte"<br />
geblieben.<br />
Jede Einführung in einen<br />
Stoff, zu qem es mittlerweile<br />
ganze Bibliotheken gibt, muß<br />
exemplarische operieren. Und<br />
so springt Gerhartz von <strong>der</strong><br />
Frühgeschichte und den .,Übertreibungen<br />
<strong>der</strong> Barockoper", die<br />
an den feudalen Höfen <strong>der</strong> Ko <br />
sten/ Nutzen-Rechnung enthoben<br />
war, in raschen Schritten<br />
über Mazart zu Verdi. Zitiertwird<br />
Brechts .,Arbeitsjournal" (und<br />
überhaupt immerwie<strong>der</strong> Brecht,<br />
Eisler und Weill, was dem<br />
Stammpublikum <strong>der</strong> Oper wie<br />
ordinärer, saurer Wein munden<br />
dürfte) : .. Die Opern des revolu <br />
tionären Bürgertums waren aufrührerisch"<br />
. Diese Arbeitsthese<br />
wird nun nicht nur an Verdis<br />
Werk gründlich diskutiert, son <br />
<strong>der</strong>n auch zu den vorrevolutionären<br />
bürgerlichen Komponisten<br />
verlängert und so <strong>der</strong> .. aufmüpfige<br />
Wi<strong>der</strong>spruch" bei Per-<br />
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