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Terror der Zeichen Oder - Hochschule für bildende Künste Hamburg

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Zeit <strong>Zeichen</strong> <strong>Terror</strong><br />

fenen endlich selbst einsehen, daß ein System<br />

nichts taugt, schaffen sie es nicht ab,<br />

son<strong>der</strong>n versuchen, es noch zu vervollständigen.<br />

Da wird auf den Unfug, als i-Tüpfelchen,<br />

noch mehr Unfug gesetzt."<br />

Mausoleum Stammheim<br />

An diesem Punkt hat sich <strong>der</strong> Zyklus geschlossen.<br />

Wie in Panik versucht die Ordnung,<br />

ihre "Realität" durch immer neue<br />

und immer größere Datenspeicher, durch<br />

immer schneller und effektiver arbeitende<br />

Programme zu definieren, die diese Datenspeicher<br />

durchqueren, die gespeicherte<br />

<strong>Zeichen</strong> aufrufen, bearbeiten und wie<strong>der</strong><br />

einschreiben können. Am Ende steht <strong>der</strong><br />

Aberwitz, <strong>der</strong> nfug, die Blindheit. Die Apparate<br />

kollabieren. Analog zum Kapitalprozeß,<br />

in dem die Profitrate mit wachsen<strong>der</strong><br />

Akkumulation sinkt, obwohl die Masse<br />

des Mehrwerts ins Schwindelerregende<br />

steigt, ist auch die Akkumulation digitaler<br />

<strong>Zeichen</strong> einer Bedrohung ausgesetzt, <strong>der</strong><br />

sie nicht unendlich entgeht. Das System<br />

des ubiquitären Zugriffs kippt um; es stirbt<br />

am zu Kleinen, das die Logik <strong>der</strong> Akkumulation<br />

matt setzt. "Auch unsere Führer suchen<br />

vergeblich danach, wo die Macht geblieben<br />

ist." Goseph Weizenbaum, Die<br />

Macht <strong>der</strong> Computer und die Ohnmacht<br />

<strong>der</strong> Vernunft, S.337)<br />

In den letzten Wochen wurde <strong>der</strong> Vorschlag<br />

heftig diskutiert, vom Staat eine Amnestie<br />

<strong>der</strong> gefangenen Aktivisten <strong>der</strong> RAF,<br />

<strong>der</strong> Bewegung 2.Juni und an<strong>der</strong>er zu erlangen,<br />

um sodann das Projekt einer militanten<br />

Linken in aller symbolischen Form aufzulösen.<br />

Der Vorschlagarbeitet mit <strong>der</strong> Hy-<br />

pothese, <strong>der</strong> "Sieg" des Staatsapparates sei<br />

ebenso evident wie die "Nie<strong>der</strong>lage" <strong>der</strong><br />

militanten Aktivisten. Dem wäre durch die<br />

Hypothese zu antworten, daß diese Oppositionen<br />

längst ihren Sinn verloren haben.<br />

Das Stammheimer Denkmal ist kein Siegeszeichen;<br />

es ist ein Grab, ein gewaltiges<br />

Mausoleum, in dem beides mumifiziert<br />

wird: die revolutionäre Moral <strong>der</strong> Aktivisten<br />

wie auch <strong>der</strong> Sinn dieses Staatswesens.<br />

Betroffen, hilflos, gleichgültig, in jedem Fall<br />

ohnmächtig erleben jene, die noch an den<br />

geschichtlichen Sinn einer Revolution<br />

glauben, daß nichts <strong>der</strong> Inflation entgeht,<br />

nicht einmal die Macht- die ihre wie die ihrer<br />

Feinde. Es wäre daher die an<strong>der</strong>e Möglichkeit<br />

ins Auge zu fassen: die Revolution<br />

gegen diesen "Sinn".Jede Inflation erlebt ihr<br />

Ende in einer völligen Entwertung<strong>der</strong> kursierenden<br />

<strong>Zeichen</strong>, und erst dies wäre auch<br />

das mögliche Ende ihres <strong>Terror</strong>s. Die Aktivisten<br />

<strong>der</strong> RAF, <strong>der</strong>en revolutionäre Moral<br />

einmal dieser Inflation begegnen wollte,<br />

haben sie im Gegenteil beschleunigt und<br />

noch in den Apparaten hervorgerufen. Dies<br />

ist, wenn schon in solchen Begriffen gesprochen<br />

werden soll, ihr "Sieg".<br />

Eine Entwertung aber hieße, das Unwahrscheinliche<br />

zu verlangen: von dieser<br />

Gesellschaft zu erwarten, ins Stammheimer<br />

Mausoleum als ihr eigenes Gesicht zu<br />

sehen und daran zu erschrecken. Unmöglicher<br />

Ausweg, fur die Freiheit <strong>der</strong> Militanten<br />

einzutreten, und doch <strong>der</strong> einzige, <strong>der</strong><br />

geblieben ist.<br />

Michel Leiris beschrieb den Mann in<br />

<strong>der</strong> Metro: "Er war ein Mann von etwas<br />

über dreißig, sehr dunkelhaarig, mit einem<br />

blassen Gesicht, das glattrasiert war bis auf<br />

die dichten Koteletten, die ihm halb über<br />

die Ohren reichten, zweifellos von sehr hohem<br />

Wuchs (daher sein selbstbewußtes<br />

Gehabe), und keineswegs häßlich, wenn er<br />

auch ein wenig vulgär wirkre. War er besof~<br />

fen? O<strong>der</strong> einfach ein Witzbold, <strong>der</strong> dem alten<br />

Herren, <strong>der</strong> ich bin, Angst einjagen<br />

wollte? Ich werde es nie erfahren, und zwar<br />

umso weniger, als ich nach unserem kurzen<br />

Wortwechsel unseren Wagen zum Umsteigen<br />

verlassen mußte."<br />

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