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Terror der Zeichen Oder - Hochschule für bildende Künste Hamburg

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Zeit- <strong>Zeichen</strong>- <strong>Terror</strong><br />

Sc h au r~l u. Handft, cr<br />

1.. 30<br />

~6 lj<br />

t<br />

r<br />

o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Vergangenheit, sie ist gekoppelt<br />

mit Wissen und Wissen-wollen. Dieses<br />

Wissen aber ist eine Frage, sonst wäre es<br />

nur Macht. Und die Macht ist auch schon<br />

soweit, daß sie annimmt, daß das <strong>Zeichen</strong><br />

(ihrer Gewalt, ihres Monopols) zum Gehorchen<br />

ausreicht.<br />

Die vorindustrielle Produktionsweise,<br />

gemeint ist hier vor allem diejenige des<br />

Handwerkers, übermittelt sich nicht in erster<br />

Linie durch <strong>Zeichen</strong> o<strong>der</strong> Symbole,<br />

son<strong>der</strong>n durch die praktische Tätigkeit<br />

selbst. Diese Vorgehensweise ist <strong>der</strong>jenigen<br />

des <strong>bildende</strong>n Künstlers nahe. Die Etymologie<br />

des Wortes Technik (als Handwerk,<br />

Kunst und Wissenschaft) vermittelt dies.<br />

Allerdings ist das Werkzeug des Handwerkers<br />

in <strong>der</strong> unmittelbaren Interaktion mit<br />

dem <strong>Zeichen</strong> identisch; von außen betrachtet,<br />

wird das Instrument und Hilfsmittel<br />

aber vom <strong>Zeichen</strong> unterschieden - das<br />

letztere bekommt eine weitere gesellschaftliche<br />

Funktion, löst sich gewissermaßen<br />

ein Stück mehr aus dem natürlichen<br />

Zusammenhang. Eine vollständige Trennung<br />

ist a priori unmöglich, es wäre die<br />

nicht überlebbare Krise des <strong>Zeichen</strong>s. Das<br />

40<br />

<strong>Zeichen</strong> tritt auf einer an<strong>der</strong>en Ebene fur<br />

sich selbst ein in den natürlichen Zusammenhangund<br />

wird materiell, insofern es ursprünglich<br />

die Trennung eliminiert hat.<br />

Und es gilt: Nur ein Paradox verdient die<br />

Bezeichnung A priori. Es ist unmöglich,<br />

Wirklichkeit in <strong>Zeichen</strong> zu übersetzen, die<br />

ihr äquivalent o<strong>der</strong> gar identisch sind. Das<br />

wären gar keine <strong>Zeichen</strong> mehr, son<strong>der</strong>n<br />

Aspekte; aber es ist uns darüber nicht an<strong>der</strong>s<br />

möglich als über und in Wirklichkeit<br />

mit <strong>Zeichen</strong> zu informieren und zu kommunizieren.<br />

Ende <strong>der</strong> funfziger Jahre gab es<br />

in <strong>der</strong> Kunsthalle Basel, gesponsert durch<br />

einen Pharma-Giganten, eine Ausstellung<br />

mit dem Titel "Kunst und Naturform". Hier<br />

wurden Plastiken von Bill mikroskopischen<br />

Aufnahmen von bestimmten Kristallen<br />

o<strong>der</strong> von Knochenbälckchen im Schienbein<br />

des Menschen- o<strong>der</strong> Pollocks spontane<br />

Aktionsmalerei Gliazellen <strong>der</strong> menschlichen<br />

Großhirnrinde gegenübergestellt.<br />

Die Analogien waren und sind verblüffend;<br />

zu welchen Gunstengehen sie aus?<br />

Viele Handwerker nun gaben den von<br />

ihnen produzierten o<strong>der</strong> sogar erfundenen<br />

Gegenständen und Werkzeugen ihre per-<br />

sönlichen <strong>Zeichen</strong> mit. Damit war schon<br />

vorgegeben (fur das industrielle und werbetechnische<br />

Zeitalter), daß die Gebrauchswertorientierung<br />

durch die Markenzeichen<br />

abgelöst werden konnten. Wir<br />

sprechen nicht mehr vom Klebestreifen,<br />

son<strong>der</strong>n von Tesafilm usw. Ebenso haben<br />

bekannt gewordene zeitgenössische Maler<br />

im Kunsthandel schon ihre (farbigen) Perioden<br />

und ihren Stil, <strong>der</strong> dann fur werdende<br />

Künstler zur Bedeutung <strong>der</strong> Reife wirddie<br />

Verhältnisse, die Relativität und Relationalität,<br />

gehen verloren.<br />

Wenn das <strong>Zeichen</strong> (wie das Werkzeug)<br />

mit <strong>der</strong> Tätigkeit zusammengesehen wird,<br />

dann könnten "erstarrte Handlungen" kurz<br />

Marken genannt werden. Die Marken sind<br />

die aus dem Ablauf entstandenen o<strong>der</strong> von<br />

ihm einfach getrennt vorliegende "Werke". ~<br />

Hier jedoch verweigert die Etymologie des 5{-:.<br />

Wortes Marke (über das französische "tim- :.:'(:<br />

bre") die Bestätigung, es kann ebensogut<br />

mit einem Klang, mit dem Erzeuger des<br />

Klangs, dem Tambour, in Verbindung gebracht<br />

werden. Übrigens wurde (von Benjamin)<br />

genauso zwischen <strong>Zeichen</strong> und Mal,<br />

dessen "Medium die Malerei" ausmache,<br />

unterschieden.<br />

Es geht also nun schon um die Abwesenheit<br />

o<strong>der</strong> Anwesenheit von Sachverhalten,<br />

um die Präsentations- o<strong>der</strong> Repräsentationsfunktion<br />

<strong>der</strong> <strong>Zeichen</strong>. Dazu kommt,<br />

daß <strong>der</strong> Körper das <strong>Zeichen</strong> begrub, subsumierte.<br />

Nachdem das Bewußtsein aber das<br />

<strong>Zeichen</strong> vom Körper, den es zuerst auch<br />

überging, löst und ebenso betrachtet o<strong>der</strong><br />

zeitweise Aufmerksamkeit schenkt, wird es<br />

praktisch identisch mit <strong>der</strong> Sprache. Ihre<br />

Voraussetzung, die Zeigegeste, und die folgenden<br />

Kombinationen von Gesten und<br />

Lauten ergeben wirkliche Ausdrücke. So<br />

vielfaltig diese auch sind, sie reduzieren inhaltliche<br />

Komplexität und bleiben mehrdeutig.<br />

Trotzdem wird/ist die Sprache das<br />

wichtigste Gefaß <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />

Realität und Geschichte.<br />

Unsere Arbeit, grundlegende Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit <strong>der</strong> Natur, stellt Kunstprodukte<br />

(Artefakte) her. Und innerhalb<br />

dieser Arbeit kommunizieren, sprechen<br />

wir, und zwar über die Tatsachen.<br />

Nun kontert, revoltiert das <strong>Zeichen</strong>, in<br />

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