deutschland & europa - lehrerfortbildung-gemeinschaftskunde ...
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50<br />
JAN-HINRIK SCHMIDT<br />
MATERIALIEN<br />
M 1<br />
Bloggerkolumne von Johnny Haeusler: »Die Jugendverdrossenen«<br />
Vor etwa zwei Jahren twitterte Max Winde alias »@343max«: »Ihr<br />
werdet euch noch wünschen, wir wären politikverdrossen.« Er<br />
erntete damit jede Menge Applaus und Weiterverbreitung. Zu<br />
Recht, denn die Aussage kehrt den ewigen Vorwurf des politischen<br />
Desinteresses der Jugend in eine mittlerweile sehr wahr<br />
gewordene Prognose um.<br />
Als jüngste Umfragen der größtenteils von jungen Menschen geprägten<br />
Piratenpartei bessere Ergebnisse vorhersagten als der<br />
FDP, vor allem aber einen möglichen Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus,<br />
da reagierte das politische Establishment mit Warnungen<br />
durch Klaus Wowereit und einem mäßig gelungenen<br />
Witzchen von Renate Künast. Die grüne Spitzenkandidatin sagte,<br />
sie wolle die Piraten »resozialisieren«. Und auch, dass in dieser<br />
Woche ein kleines Wunder in Sachen politischer Bürgerbeteiligung<br />
geschehen ist, als innerhalb weniger Tage die noch fehlenden<br />
25.000 Mitzeichner einer Petition gegen die Vorratsdatenspeicherung<br />
im Internet mobilisiert werden konnten, ruft bei der<br />
Politik keine hörbare Begeisterung hervor, sondern allenfalls betretenes<br />
Schweigen. Da wird der Bürger also aktiv, und dann ist es<br />
anscheinend auch wieder nicht richtig.<br />
Stattdessen: Debatten über Facebook-Buttons und Rufe nach<br />
mehr Kontrolle im Netz. Wenn sich beachtenswerte Teile einer<br />
Generation mithilfe ihres wichtigsten Mediums, dem Internet,<br />
politisch äußern und engagieren, dann sollte das für die Etablierten<br />
jedoch kein Anlass zur Sorge, sondern zur Begeisterung sein.<br />
Es braucht Unterstützung statt Restriktion. Man könnte fast meinen,<br />
die Politik sei jugendverdrossen.<br />
© Johnny Haeusler, 16.9.2011, Die Jugendverdrossenen, www.tagesspiegel.de/medien/<br />
bloggerkolumne-die-jugendverdrossenen/v_print/4617572.html?p=<br />
Der Autor betreibt das Weblog www.spreeblick.com und ist Mitveranstalter der jährlichen<br />
Konferenz re:publica.<br />
M 2<br />
Macmagazin: » Wer ist eigentlich Max Winde?«<br />
Max Winde ist in der Blogszene kein Unbekannter, mischt er doch beim<br />
Spreeblick mit und ist Mitbegründer von AdNation. Im Interview erzählt<br />
er, wie Twitter frischen Wind in die Szene weht und wie die Welt zum<br />
Twitter-Stoff wird.<br />
macmagazin.de: Welches aktuelle Tagesereignis hat Sie in letzter Zeit<br />
besonders bewegt?<br />
Max Winde: Ich glaube und hoffe, dass das Jahr 2009 als die Geburtsstunde<br />
einer neuen Bürgerbewegung gelten wird, die die<br />
Chancen des Übermediums Internet auch nutzt. Die Verabschiedung<br />
des »Zugangserschwerungsgesetzes« im Bundestag, aber<br />
auch Begriffe wie »Killerspiele« und der Kampf gegen die vermeintlichen<br />
»Kostenloskultur des Internet« zeigen, wie wenig die<br />
politische und wirtschaftliche Führungsschicht das Internet und<br />
die digitale Kultur bisher verstanden haben. Und es zeigt, wie<br />
dringend es nötig ist, dass netzaffine Menschen sich stärker in<br />
die aktuellen Diskussionen einmischen, um für Verständnis zu<br />
werben und für die eigenen Ziele zu kämpfen. Wenn ich zum Beispiel<br />
im Wahlprogramm der CDU das Internet nur als Gefahr und<br />
nie als Chance erwähnt finde, dann ist dies ein Zeichen für mich,<br />
dass wir uns dringend einmischen müssen.<br />
macmagazin.de: Gezwitscher auf allen Kanälen – Hand auf’s Herz, wie<br />
viel Zeit verbringen Sie mit Twitter und Blogs?<br />
Max Winde: Twitter ist für mich der Kommunikationskanal Nummer<br />
Eins. Ich habe meinen Job über Twitter gefunden und meine<br />
Freundin über Twitter kennengelernt. Sogar eine von meinen beiden<br />
Katzen habe ich über Twitter adoptiert. Gerade an diesem<br />
Wochende habe ich ein paar Freunde auf eine Geburtstagssause<br />
M 3<br />
Twitter-Profil von Max Winde, Pionier der »Social media«<br />
© Max Winde,@343max, 2013<br />
in Brandenburg eingeladen: Gerade mal 3 von 17 Leuten habe ich<br />
nicht direkt oder indirekt über Blogs und Twitter kennengelernt.<br />
Wenn ich also betrachte, wie mein gesamtes Leben von Blogs und<br />
Twitter zusammengehalten wird, dann muss ich sagen: Ja, ich verbringe<br />
immer noch viel zu wenig Zeit mit Twitter und Blogs.<br />
macmagazin.de: Sie haben die technische Leitung beim Spreeblick, eines<br />
der großen Blogs im deutschen Sprachraum. Vor einigen Jahren konnte<br />
man von Blogprominenz sprechen, der Begriff A-Blogger geisterte umher.<br />
Wie ist die Situation heute, hat sie sich – vielleicht durch Twitter – entspannt?<br />
Max Winde: Und ob sich die Lage entspannt hat! Bis vor wenigen<br />
Jahren gab es eine handvoll A-Blogger, die die gesamte Aufmerksamkeit<br />
absorbierten wie ein schwarzes Loch das Licht. Dank<br />
Rivva und Twitter finden nun auch viele der kleineren Blogs endlich<br />
die Beachtung, die sie verdienen. Endlich können wir sehen,<br />
dass der ganze Himmel voll mit kleinen Sternen ist und nicht nur<br />
von einigen wenigen großen Sonnen dominiert wird. Die deutsche<br />
Blogosphäre hat sich viel zu lange nur als Gegenpol der klassischen<br />
Medien gesehen und konnte ihr wirkliches Potential nicht<br />
entfalten – dies wird jetzt nachgeholt.<br />
macmagazin.de: Verändert das Bloggen und Twittern die Sicht auf die<br />
Welt, wird sie zum Stoff für (Micro-)Blogging?<br />
Max Winde: Oh ja! Es gibt diese Tage, an denen ich alles auf Twitterbarkeit<br />
abscanne. Kleine Banalitäten des Alltags werden zu<br />
kleinen Geschichten im Netz.<br />
macmagazin.de: Mit AdNation habt Ihr die Werbung in Blogs professionalisiert<br />
und bildet auch Rücklagen für Rechtsstreitigkeiten. Davon haben<br />
auch einige Blogger Gebrauch gemacht, wie ist die Tendenz? Wie gefährlich<br />
ist es, derzeit ein Blog zu führen? Und wann können sich Blogs<br />
wieder bei Euch bewerben?<br />
Max Winde: Nach meinem Gefühl hat die Zahl der Abmahnungen<br />
in letzter Zeit etwas abgenommen. Zum einen hat sich vielleicht<br />
bei vielen Unternehmen langsam mal herumgesprochen, dass ein<br />
Soziale Medien und das Partizipationsparadox<br />
D&E<br />
Heft 65 · 2013