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deutschland & europa - lehrerfortbildung-gemeinschaftskunde ...

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70<br />

JEANNETTE BEHRINGER<br />

MATERIALIEN<br />

M 1<br />

Thomas Olk: »Topographie des freiwilligen Engagements<br />

in Deutschland«<br />

Freiwilliges beziehungsweise bürgerschaftliches Engagement hat<br />

in Deutschland eine lange Tradition. So haben etwa im Verlaufe<br />

des 19. Jahrhunderts unterschiedliche Formen des bürgerschaftlichen<br />

Engagements (bürgerliche Sozialreform, Frauenbewegung,<br />

christliche Bewegungen sowie die Stein-Hardenberg’sche Kommunalreform)<br />

zur Entstehung des deutschen Sozialstaates beigetragen.<br />

Dennoch führten Formen des freiwilligen beziehungsweise<br />

bürgerschaftlichen Engagements in der Folgezeit ein<br />

Schattendasein, was nicht zuletzt mit der Expansion des deutschen<br />

Sozialstaates zusammenhängt. Erst in der zweiten Hälfte<br />

der 1970er Jahre stieg angesichts der Grenzen des Wachstums des<br />

Wohlfahrtsstaates die Aufmerksamkeit für die unterschiedlichen<br />

Formen des freiwilligen Engagements wieder an. Mit dem Internationalen<br />

Jahr der Freiwilligen (IJF) im Jahre 2001 und der Enquete-Kommission<br />

des Deutschen Bundestages »Zukunft des<br />

bürgerschaftlichen Engagements« (1999 bis 2002) erhielt das freiwillige<br />

Engagement sogar eine prominente öffentliche Sichtbarkeit,<br />

die mit der Initiative Zivil-Engagement (IZE) des Bundesministeriums<br />

für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und<br />

dem Nationalen Forum für Engagement und Demokratie einen<br />

vorläufigen Höhepunkt erreicht hat.<br />

In Deutschland gibt es bis heute keinen Konsens hinsichtlich der<br />

Begrifflichkeit. Traditionell werden unentgeltliche und freiwillige<br />

Tätigkeiten im öffentlichen Raum mit dem Begriff des »Ehrenamtes«<br />

belegt. Inzwischen werden neben dem klassischen Begriff<br />

des Ehrenamtes insbesondere die Termini »freiwilliges Engagement«<br />

und »bürgerschaftliches Engagement« gebraucht. So verständigte<br />

sich die Enquete-Kommission im Jahr 1999 auf den Begriff<br />

des »bürgerschaftlichen Engagements«, um im Anschluss an<br />

republikanische Denktraditionen die gesellschaftspolitische Dimension<br />

freiwilligen Handelns zu betonen. Der erstmalig im Jahre<br />

1999 in Auftrag gegebene Freiwilligensurvey spricht relativ neutral<br />

von »freiwilligem Engagement«. Hinsichtlich der operativen<br />

Dimension gibt es allerdings Konsens dahingehend, dass es sich<br />

bei (freiwilligem beziehungsweise bürgerschaftlichem) Engagement<br />

um freiwillige, nicht auf materiellen Gewinn gerichtete, gemeinwohlorientierte<br />

und im öffentlichen Raum statt findende<br />

Tätigkeiten handelt, die in der Regel gemeinschaftlich beziehungsweise<br />

kooperativ ausgeübt werden. (…) International vergleichende<br />

Angaben lassen sich (…) aus dem ESS (»European Social<br />

Survey«) ableiten. Danach liegt der prozentuale Anteil<br />

ehrenamtlich Aktiver mit 24,6 Prozent in Deutschland deutlich<br />

über dem internationalen Durchschnitt (der bei 17,6 Prozent<br />

liegt). Die höchsten Beteiligungsquoten weisen Norwegen (36,6<br />

Prozent), Schweden (34,7 Prozent) und die Niederlande (30,6 Prozent)<br />

auf, die niedrigsten dagegen Italien (4,6 Prozent), Polen (5,6<br />

Prozent) und Portugal (6,1 Prozent). (…) Was die Tätigkeitsbereiche<br />

anbelangt, so bleibt der Bereich »Sport und Bewegung« nach<br />

wie vor der mit Abstand größte Bereich, gefolgt von »Schule/ Kindergarten«,<br />

»Kirche und Religion« sowie »Kultur und Musik« sowie<br />

dem »sozialen Bereich«. In dem Zeitraum zwischen 1999 und<br />

2004 sind insbesondere die Bereiche »Kindergarten/Schule«, »außerschulische<br />

Jugendarbeit und Erwachsenenbildung« sowie<br />

der »soziale Bereich« gewachsen. Dabei geht diese Zunahme in<br />

den beiden erstgenannten Bereichen auf das Konto der jungen<br />

Leute (14 bis 30 Jahre), während das Wachstum des »sozialen Bereichs«<br />

vor allem durch Menschen ab 40 Jahre getragen wird. (…)<br />

Das quantitative Ausmaß des freiwilligen Engagements ist in<br />

Deutschland mit 36 Prozent durchaus (für manche überraschend)<br />

hoch; mit dieser Engagementquote befindet sich Deutschland im<br />

internationalen Vergleich im oberen Mittelfeld. Allerdings gibt es<br />

eine hohe soziale Selektivität nach Bildungsstand, sozialer Vernetzung,<br />

ethnischer Zugehörigkeit, beruflicher Tätigkeit, etc.;<br />

M 2<br />

(…) Viele Organisationen klagen dennoch über einen Rückgang<br />

ehrenamtlicher Beteiligung und schwindender Bereitschaft zur<br />

Ausübung langfristig bindender Engagements etwa im Führungsund<br />

Leitungsbereich; hier erweist sich ein weiteres Mal, dass freiwilliges<br />

Engagement eine schwer zu bindende Ressource ist, die<br />

entsprechender Rahmenbedingungen bedarf<br />

© Thomas Olk: »Topographie des freiwilligen Engagements in Deutschland«, in: Grenzen-<br />

Los!, a. a. O., S. 22ff., www.lpb-bw.de/6014.html<br />

M 3<br />

Organisatorinnen, Organisatoren, Referentinnen und Referenten des Kongresses<br />

»Grenzen-Los!« in Konstanz 2009: (von links): Dr. Jeannette<br />

Behringer, Dr. Isabelle Stadelmann-Steffen, Professor Dr. Thomas Olk, Eva<br />

More-Hollerweger, Lothar Frick, Direktor der LpB Baden-Württemberg<br />

© Andreas Kaier, Esslingen<br />

Isabelle Stadelmann-Steffen: »Topographie des<br />

freiwilligen Engagements in der Schweiz«<br />

Rund ein Viertel der Schweizer Wohnbevölkerung ist innerhalb<br />

von Vereinsstrukturen freiwillig engagiert. Hierbei können die bereits<br />

in früheren Untersuchungen festgestellten Unterschiede<br />

zwischen der Romandie beziehungsweise dem Tessin und der<br />

Deutschschweiz bestätigt werden. In der Deutschschweiz sind<br />

substantiell mehr Personen freiwillig tätig, als dies in der lateinischen<br />

Schweiz der Fall ist. Dies gilt nicht nur für freiwillige Tätigkeiten<br />

im Allgemeinen, sondern ebenso für die Übernahme von<br />

Ehrenämtern im Besonderen. Mit einem Bevölkerungsanteil von<br />

gut zehn Prozent sind die meisten der formell Freiwilligen in<br />

Sport- und Freizeitvereinen tätig. Umgekehrt engagieren sich weniger<br />

als zwei Prozent in politischen Parteien oder in Menschenrechts-<br />

und Umweltverbänden.<br />

Darüber hinaus ist ein hoher sozialer Status, das heißt eine hohe<br />

Bildung, ein hohes Haushaltseinkommen und eine gute beru iche<br />

Stellung dem freiwilligen Engagement grundsätzlich förderlich.<br />

Demgegenüber ist die verfügbare Zeit nicht das wesentliche<br />

Merkmal formell Freiwilliger (…). Gerade Bevölkerungsgruppen,<br />

die im Prinzip über zeitliche Ressourcen verfügen, um sich in Vereinen<br />

und Organisationen freiwillig zu betätigen, wie etwa Rentner,<br />

Arbeitslose oder Teilzeiterwerbstätige, engagieren sich nicht<br />

so stark wie erwartet. Vielmehr ist die soziale Integration – sei es<br />

über den Beruf oder über familiäre Beziehungen und Freunde –<br />

von zentraler Bedeutung für ein freiwilliges oder ehrenamtliches<br />

Engagement. (…)<br />

In der Schweiz sind insgesamt über 37 Prozent der Bevölkerung<br />

informell, also außerhalb von Vereinen und Organisationen, freiwillig<br />

tätig. Ähnlich wie beim formell freiwilligen Engagement ergeben<br />

sich dabei erhebliche regionale Unterschiede. Vor allem in<br />

den Kantonen der Ost- und Zentralschweiz ist das informelle En-<br />

»Projekt Grenzen-Los!« Trinationale Zusammenarbeit für eine Engagement kultur<br />

D&E<br />

Heft 65 · 2013

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