Solothurn - Kirchenblatt
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Zu Fuss<br />
nach Jerusalem<br />
Bad Schönbrunn<br />
Bozen<br />
Villach<br />
Zagreb<br />
Belgrad<br />
CHRISTIAN M. RUTISHAUSER SJ, BAD SCHÖNBRUNN /<br />
RETO STAMPFLI<br />
Sofia<br />
Thema<br />
Zu Fuss Pilgern ist eine spirituelle Übung, die<br />
dem Menschen auf den Leib geschnitten ist.<br />
Er macht sich auf den Weg zu einem heiligen<br />
Ort und setzt sich dabei Wetter und Land -<br />
schaft, Mitmenschen, Tieren und Vegetation<br />
aus. Dabei stösst er an seine körperlichen<br />
Grenzen. Auch psychisch ist die Heraus -<br />
forderung nicht zu unterschätzen. In sieben<br />
Monaten von der Schweiz über den Balkan,<br />
die Türkei und Syrien nach Jerusalem zu<br />
pilgern ist ein solches geistliches Üben.<br />
Am 2. Juni 2011 startete eine kleine Pilgergruppe<br />
zu Fuss vom Lassalle-Haus in Edlisbach<br />
im Kanton Zug mit dem Ziel, an<br />
Weihnachten in Jerusalem zu sein. Die<br />
anspruchsvolle Route über die Alpen,<br />
durch den Balkan, Istanbul, die Türkei<br />
und Syrien ist geschichtsträchtig: ein Pilgerweg<br />
seit Jahrhunderten, belastet auch<br />
durch die Kreuzzüge. Da die Christen den<br />
Muslimen im Osten unterlagen, haben sie<br />
als Ersatz für die Jerusalemwallfahrt den<br />
Jakobsweg aufgewertet, Sinnbild des<br />
christlichen Siegs im Westen über Muslime<br />
und Juden in Spanien. Juden, Christen<br />
und Muslime haben die Landstriche<br />
zwischen Europa und Jerusalem jedoch<br />
weiterhin kulturell wie religiös geprägt,<br />
und die Orte wurden bis in die jüngste<br />
Geschichte hinein immer wieder auch<br />
von Kriegen heimgesucht.<br />
Ein «Friedenskreuzzug»<br />
So ist die vierköpfige Lassalle-Pilger grup pe<br />
bewusst in den Orient unterwegs, meditiert<br />
und betet für den Frieden, ist offen<br />
für Begegnungen und lernt aus den Quellen<br />
der drei abrahamitischen Traditionen.<br />
Dieser Weg ist angemessen für eine globalisierte<br />
Welt jenseits der Religionskriege.<br />
Jerusalem, den drei monotheistischen<br />
Religionen von je einzigartiger<br />
Bedeutung, in unseren Tagen von zwei<br />
Völkern umkämpft und für die Zukunft<br />
4<br />
KIRCHENBLATT 25 2011<br />
mit prophetischen Visionen der Gerechtigkeit<br />
und des Friedens belegt, ist das Ziel<br />
der Versöhnungsreise. Der Gang in der<br />
Heiligen Weihnachtsnacht nach Bethlehem<br />
und die Friedenskonferenz mit Vertretern<br />
der jüdischen, christlichen und<br />
muslimischen Tradition wird das Pilgerprojekt<br />
beschliessen. Nach der Heimkehr<br />
sollen Veröffentlichungen und eine Tagung<br />
die Frucht nachhaltig wirken lassen.<br />
Schule des Vertrauens<br />
Zu viert zu pilgern hat Vor- und Nachteile,<br />
doch die Vorteile überwiegen, da sind die<br />
Jerusalempilger gleicher Meinung. Ans<br />
Aufhören habe noch niemand gedacht,<br />
denn auch die «Gruppenwetter lage»<br />
stimme. Das persönliche Erlebnis darf jedoch<br />
nicht zu kurz kommen. So ist man<br />
sich in der Gruppe bewusst, dass Abschnitte<br />
und Wegstrecken auch individuell<br />
gestaltet werden können. Der Jesuitenpater<br />
Christian M. Rutishauser schreibt<br />
dazu: «Als Jesuit, der durch die Exerzitien<br />
geprägt ist, erhoffe ich mir davon per -<br />
sönlich geistliche Früchte: Die erfahrene<br />
Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft<br />
macht mich wohl dankbarer. Das Zulassen<br />
von Verwundbarkeit und Abhängigkeit,<br />
wie es zum Fusspilger gehört, soll<br />
meine Mitmenschlichkeit vertiefen. Und<br />
ich hoffe, dass mich diese Schule des Vertrauens<br />
weiter verwandelt.»<br />
Begleitet wird Rutishauser von den Theologinnen<br />
Hildegard Aepli und Esther<br />
Rüthemann sowie vom Grazer Priester<br />
Franz Mali, der in Fribourg Professor für<br />
alte Kirchengeschichte ist. Der Jesuit ergänzt:<br />
«Unser Pilgern ist kein zielloses Umherirren,<br />
sondern ein Sich-Ausrichten auf<br />
Gott. Ziel ist Jerusalem – und auch Beth -<br />
lehem, denn wir kommen dort an Weihnachten<br />
an. Das Pilgerprojekt ist vom<br />
Rhyth mus des Kirchenjahres und der grossen<br />
Bitte um den Heiligen Geist, der von<br />
Jerusalem aus die Völker verbinden soll,<br />
getragen. Die Friedensbotschaft des gewaltlosen<br />
und einfachen Pilgers, die jeder<br />
Mensch versteht, ist inspiriert von der Friedensbotschaft<br />
des Kindes in der Krippe:<br />
Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf<br />
Erden den Menschen guten Willens.»<br />
Keine ungefährliche Reise<br />
In diesen vielen Tagen der Pilgerreise, die<br />
quer durch Europa und Kleinasien führte,<br />
können die Pilger jeden Tag von schönen<br />
Begegnungen berichten. Dies lässt sich<br />
auch in ihrem Blog unter www.lassallehaus.org<br />
nachlesen. Nur einmal seien sie<br />
in Österreich von jemandem als «Gesindel»<br />
beschimpft und «zum Teufel gejagt»<br />
worden. Auch die Unterbringung in Hotels<br />
oder in lokalen Gasthäusern – ohne<br />
Vorreservierung – habe bis jetzt immer<br />
«blendend» geklappt, meldet Esther