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EUROPA<br />
Fachreise ins Baltikum<br />
Litauen: Ein modernes Land im Aufbruch<br />
Nur 60 Gemeinden, keine Bundesländer<br />
und eine starke europäische<br />
Grundhaltung. So präsentierte sich<br />
Litauen den Teilnehmern einer Kommunalreise<br />
ins Baltikum. Die litauischen<br />
Kommunen haben zwar eine<br />
gewisse Selbstständigkeit, werden jedoch<br />
immer noch vom Staat dominiert.<br />
„Positive Überraschung“ - damit beschrieben<br />
viele Teilnehmer der Fachund<br />
Bildungsreise ihre Eindrücke,<br />
die sie aus Vilnius, der Hauptstadt<br />
Litauens, mitnahmen. Das südlichste<br />
und zugleich bevölkerungsreichste der<br />
drei baltischen Staaten war Ziel der<br />
kommunalen Reise, die von 16. bis 19.<br />
Oktober 2013 dauerte, da es im zweiten<br />
Halbjahr 2013 den EU-Ratsvorsitz führt.<br />
Kurz nach der etwa zweistündigen<br />
Anreise zeigte sich die 550.000 Einwohner<br />
zählende Hauptstadt mit seinen<br />
zahlreichen barocken Kirchen, mittelalterlich<br />
engen Gassen, aber auch<br />
hochmodernen Glaspalästen im<br />
schönsten Herbstwetter. Der erwartete<br />
Staub der kommunistischen Herrschaft,<br />
die Litauen erst 1991 als unabhängigen<br />
Staat unter der Präsidentschaft Boris<br />
Jelzins anerkannte, wurde - anders als<br />
erwartet - bereits durch einen aufgeschlossenen<br />
Zeitgeist ersetzt.<br />
Europa für Entwicklung<br />
extrem wichtig<br />
Nicht nur beim offiziellen Besuch im Innenministerium,<br />
sondern auch bei einem<br />
Kurzausflug in den etwa 92 Kilometer<br />
entfernten Kurort Birštonas konnten<br />
sich die etwa 35 Teilnehmer von der Aufbruchsstimmung<br />
überzeugen. Obwohl<br />
das Land in den Jahren der Finanzkrise<br />
hart getroffen wurde, und die Staatsverschuldung<br />
bei 117,2 Prozent des<br />
BIP liegt (im Vergleich dazu Österreich:<br />
74,3 Prozent des BIP), ist ein Austritt<br />
aus Europa für die Bürger keine<br />
Alternative. Die letzte Eurobarometer-<br />
Umfrage zeigt ein eindeutiges Bild:<br />
Während Österreichs Bürger der<br />
europäischen Union mit nur 35 Prozent<br />
vertrauen, sind es bei den Litauern<br />
51 Prozent (EU-Schnitt 31 Prozent).<br />
Beim Vertrauen in die nationalen<br />
Parlamente zeigt sich dies noch<br />
deutlicher: 53 Prozent der Österreicher<br />
vertrauen dem nationalen Parlament,<br />
bei den Litauern sind es nur 13 Prozent<br />
(EU-Schnitt 26 Prozent).<br />
Kleinste Gemeinde: 2.400 Einwohner<br />
Der Aufbau des Staates unterscheidet<br />
sich zentral von jenem Österreichs. Die<br />
kleinste Gemeinde hat 2.400 Einwohner,<br />
die größte - Vilnius - 550.000. Bis zur<br />
großen Gebietsreform von 1994 gab es<br />
in Litauen 581 Verwaltungseinheiten.<br />
Heute sind es nur mehr 60. Die Mehrheit<br />
der Gemeinden, nämlich 66,7 Prozent,<br />
haben zwischen 10.000 und 50.000<br />
Einwohner. Nur jeweils 1,7 Prozent der<br />
Gemeinden liegen zwischen 1.000 und<br />
5.000 Einwohner, bzw. zwischen 5.000<br />
und 10.000 Einwohnern.<br />
Schutz im Gefüge der<br />
Gemeinschaft<br />
Litauen, das erst 2004 in die EU aufgenommen<br />
wurde, hat sich dank der Gemeinschaft<br />
nicht nur aus den Fesseln<br />
Russlands großteils befreien können<br />
(das Gas wird noch immer aus Russland<br />
bezogen), sondern schaffte auch den<br />
Sprung in die moderne Zeit.<br />
Am Beispiel der vergleichsweise<br />
„kleinen“ Gemeinde Birštonas (5.000<br />
Einwohner) zeigt sich dies ganz deutlich:<br />
In den letzten drei Jahren wurde<br />
dank der Umsetzung der Europa<br />
2020-Strategie nicht nur ein neues Kur-<br />
Sanatorium gebaut, sondern auch der<br />
Naturpark modernisiert, Straßen in<br />
Dörfern errichtet, die seit über 50 Jahren<br />
keine asphaltierten Straßen hatten,<br />
sowie ein großes Sportzentrum realisiert.<br />
Auffallend ist auch, dass, anders<br />
als oftmals in Österreich, mit großen<br />
Quelle: Österreichischer Gemeindebund<br />
Tafeln über die Mithilfe der EU bei realisierten<br />
Projekten informiert wird.<br />
Weniger kommunale Aufgaben<br />
Die kommunalen Selbstverwaltungen<br />
sind, ähnlich wie in Österreich, für die<br />
Schulerhaltung zuständig. Weitere<br />
kommunale Kompetenzen sind Kindergärten,<br />
die soziale Fürsorge, Zivilschutz,<br />
Umweltschutz, Abwasserentsorgung,<br />
Raumordnung, die lokale Entwicklung,<br />
Sport, Tourismus, Förderung des Unternehmergeists<br />
und der Wohnungsbau.<br />
Öffentlichen Verkehr gibt es in den<br />
meisten Kommunen noch nicht, erzählte<br />
Birštonas Bürgermeisterin: „Wir gehen<br />
überall zu Fuß hin.“<br />
Klare Aufgaben-Zuteilung fehlt oft<br />
Ein genauerer Blick auf die kommunale<br />
Struktur lässt die Unterschiede zu den<br />
österreichischen Strukturen erkennen.<br />
Obwohl sich die litauischen Gemeinden<br />
die Selbstverwaltung hart erkämpft haben,<br />
ist die Macht des Zentralstaats auch durch<br />
das Fehlen von Bundesländern immer<br />
noch relativ hoch. Auch viele Aufgaben in<br />
der Daseinsvorsorge wie Müllentsorgung<br />
oder Straßendienst werden durch den<br />
Zentralstaat erledigt. In der Vergangenheit<br />
haben sich die Kommunen auch mithilfe<br />
ihrer Interessensvertretung, der Vereinigung<br />
aller 60 litauischen Gemeinden,<br />
immer mehr Rechte erkämpft. So dürfen<br />
die Repräsentanten mittlerweile beim<br />
Haushalt und dem jährlichen Finanzausgleich<br />
mitreden. Probleme gibt es immer<br />
noch bei der klaren Aufgabenzuteilung.<br />
18 Die Salzburger Gemeinde 4 | 13