neurologisch - Ãsterreichische Gesellschaft für Neurologie
neurologisch - Ãsterreichische Gesellschaft für Neurologie
neurologisch - Ãsterreichische Gesellschaft für Neurologie
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
GESELLSCHAFTS-<br />
NACHRICHTEN<br />
SCHWERPUNKT<br />
NEUROLOGIE IN<br />
ÖSTERREICH<br />
KONGRESS-<br />
HIGHLIGHTS<br />
FÜR DIE PRAXIS<br />
Zusätzlich wurde mit Hilfe von MRT und fMRT<br />
versucht, die zu Grunde liegenden pathologischen<br />
Vorgänge zu erfassen.<br />
Defizite in der Emotionswahrnehmung<br />
bei MS-PatientInnen<br />
In einer der ersten Untersuchungen zur Emotionserkennung<br />
bei MS-PatientInnen fanden<br />
Beatty et al. 4 nicht nur kognitive Defizite bei<br />
MS-PatientInnen, sondern auch, im Vergleich<br />
zu gesunden Kontrollpersonen, niedrigere<br />
Scores in Gesichtererkennungstests. Jehna et<br />
al. 5 fanden zwar Hinweise für kognitive Defizite<br />
bei MS-PatientInnen im Vergleich zu gesunden<br />
Kontrollen und eine längere Reaktionszeit,<br />
um die Emotionen in Gesichtern zu<br />
erkennen, aber die PatientInnen erkannten<br />
die Emotionen in Gesichtern gleich gut wie<br />
die Kontrollpersonen.<br />
Theory of Mind wurde von Henry et al. 6 mittels<br />
des Mind-in-the-Eye-Tests untersucht.<br />
MS-PatientInnen hatten signifikant schlechtere<br />
Ergebnisse als Kontrollpersonen. Zusätzlich<br />
korrelierten bei den MS-PatientInnen<br />
schlechtere Scores bei der verbalen Flüssigkeit<br />
mit schlechteren Mind-in-the-Eye-Ergebnissen<br />
und eine langsamere Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit<br />
bei der Affekterkennung<br />
in Gesichtern. Die MS-PatientInnen<br />
wiesen keine generellen Defizite bei der Emotionserkennung<br />
in Gesichtern auf, erkannten<br />
aber Zorn und Angst schlechter. In einer Studie<br />
von Ouellet et al. 7 konnte gezeigt werden,<br />
dass MS-PatientInnen mit kognitiven Defiziten<br />
im Gegensatz zu den PatientInnen ohne<br />
kognitive Defizite auch mehr Probleme hatten,<br />
den mentalen Status anderer Personen<br />
einzuschätzen. Diese schlechteren Theory-of-<br />
Mind-Fähigkeiten wurden somit nicht der MS<br />
per se zugeordnet, sondern durch die kognitiven<br />
Defizite erklärt.<br />
Eine Studie von Phillips et al. 8 konnte zeigen,<br />
dass MS-PatientInnen spezifische Defizite<br />
beim Dekodieren von statischen und dynamischen<br />
Informationen über Emotionen<br />
haben. Es fanden sich auch Hinweise darauf,<br />
dass soziale und psychologische Aspekte der<br />
Lebensqualität mit diesen Defiziten zusammenhängen.<br />
Weiters fanden auch Prochnow<br />
et al. 9 bei MS-PatientInnen Defizite in der Affekterkennung<br />
in Gesichtern und zusätzlich<br />
höhere Alexithymie-Scores als bei gesunden<br />
Kontrollpersonen. Diese höheren Alexithymie-Scores<br />
korrelierten auch mit den Defiziten<br />
in der Emotionswahrnehmung.<br />
Funktionelle Bildgebung<br />
und Emotionswahrnehmung<br />
Mehrere Arbeitsgruppen untersuchten Störungen<br />
der Emotionswahrnehmung bei MS-<br />
PatientInnen mittels fMRT. Zielregionen, die<br />
eine wesentliche Rolle bei der Erkennung von<br />
Emotionen in Gesichtern spielen, sind die<br />
RESÜMEE<br />
Es gibt Hinweise darauf, dass MS-PatientInnen<br />
Defizite bei der Emotionserkennung<br />
in Gesichtern haben. Vor allem<br />
scheint das Erkennen negativer Emotionen<br />
erschwert zu sein. Es ist aber aufgrund<br />
der bisherigen Studien nicht differenzierbar,<br />
ob diese Ergebnisse eine<br />
statistische Assoziation zwischen Läsionen<br />
in jenen Regionen der weißen Substanz,<br />
die in die Emotionsverarbeitung<br />
involviert sind, und kognitiven Prozessen<br />
widerspiegeln, oder ob die kognitiven<br />
Defizite selbst die Ursache für die Probleme<br />
bei der Emotionserkennung sind.<br />
Wenn Defizite bei der Emotionserkennung<br />
vorhanden sind, so scheinen diese<br />
sehr subtil zu sein. Inwieweit sie eine<br />
Rolle im Alltag der Patienten spielen, insbesondere<br />
in den sozialen Beziehungen<br />
oder am Arbeitsplatz, muss erst detaillierter<br />
untersucht werden.<br />
Der Zusammenhang zwischen affektiven<br />
Störungen und der Emotionswahrnehmung<br />
ist bisher nicht ausreichend untersucht.<br />
Gesichert ist, dass viele MS-PatientInnen<br />
durch Depressionen, bipolare<br />
Erkrankungen und auch durch Psychosen<br />
beeinträchtigt sind. Daher ist bei der Anamnese<br />
und in der regelmäßigen Betreuung<br />
der PatientInnen darauf besondere<br />
Aufmerksamkeit zu legen. Diese Erkrankungen<br />
sind mit bewährten Medikamenten<br />
und psychotherapeutischer Unterstützung<br />
gut behandelbar, und es können<br />
somit der Leidensdruck für die<br />
PatientInnen und die Beeinträchtigung<br />
im Alltag deutlich gemindert werden.<br />
Amygdala und der orbitofrontale Kortex. Zum<br />
Teil wurden jedoch widersprüchliche Aktivierungsmuster<br />
gefunden. Krause et al. 10 fanden<br />
bei PatientInnen, die Defizite beim Erkennen<br />
von Emotionen in Gesichtern hatten, eine verminderte<br />
Aktivierung in frontalen Kortexregionen<br />
und in der anterioren Inselregion, aber<br />
eine normale Aktivierung bei PatientInnen<br />
ohne solche Defizite. Allerdings fanden sich<br />
diese Unterschiede nur für die Dimensionen<br />
Angst, Trauer und Zorn und nicht bei glücklichen<br />
Gesichtern. Bemerkenswert scheint jedoch,<br />
dass sich die PatientInnen mit Defiziten<br />
in der Emotionswahrnehmung hinsichtlich des<br />
T2-Läsionsvolumens nicht von jenen ohne<br />
diese Defizite unterschieden, und dass auch<br />
die Läsionslast nicht mit den Aktivierungsmus -<br />
tern während des Tests korrelierte 11 . Während<br />
der Beurteilung negativer Emotionen in Gesichtern<br />
im fMRT wurden bei MS-PatientInnen<br />
der ventrolaterale präfrontale Kortex und der<br />
superiore parietale Kortex deutlicher aktiviert<br />
als bei Gesunden. Zusätzlich zeigte sich eine<br />
verminderte funktionale Konnektivität zwischen<br />
ventrolateralem sowie medialem präfrontalen<br />
Kortex und linker Amygdala. Dies<br />
könnte die Demyelinisierung dieser Verbindungen<br />
widerspiegeln 11 .<br />
n<br />
1 Feinstein A, Neuropsychiatric syndromes associated<br />
with multiple sclerosis. J Neurol 2007;<br />
254(Suppl 2);II/73–II/76<br />
2 Paparrigopoulos T, Ferentinos P, Kouzoupis A, Koutsis<br />
G, Papadimitriou GN, The neuropsychiatry of multiple<br />
sclerosis: focus on disorders of mood, affect and<br />
behaviour. Int Rev Psychiatry 2010; 22(1):14–21<br />
3 Chiaravalloti ND, DeLuca J, Cognitive impairment in<br />
multiple sclerosis. Lancet Neurol 2008; 7:1139–1151<br />
4 Beatty WW, Goodkin DE, Monson N, Beatty PA, Cognitive<br />
disturbances in patients with relapsing remitting<br />
multiple sclerosis. Arch Neurol 1989; 46:1113–1119<br />
5 Jehna M, Neuper C, Petrovic K, Wallner-Blazek M,<br />
Schmidt R, Fuchs S, Fazekas F, Enzinger C, An ex -<br />
ploratory study on emotion recognition in patients with<br />
clinically isolated syndrome and multiple sclerosis. Clin<br />
Neurol Neurosurg 2010:482–484<br />
6 Henry JD; Phillips LH, Beatty WW, McDonald S, Longley<br />
WA, Joscelyne A, Rendell PG, Evidence for deficits in<br />
facial affect recognition and theory of mind in multiple<br />
sclerosis. JINS 2009; 15:277–285<br />
7 Ouellet J, Scherzer PB, Rouleau I, Metras P, Bertrand-<br />
Gauvin C, Djerroud N, Blisseau E, Duquette P,<br />
Assessment of social cognition in patients with multiple<br />
sclerosis. JINS 2010; 16:287–296<br />
8 Phillips LH, Henry JD, Scott C, Summers F, Whyte M,<br />
Cook M, Specific impairments of emotion perception in<br />
multiple sclerosis. Neuropsychology 2011; 25(1):131–136<br />
9 Prochnow D, Donell J, Schäfer R, Jörgens S, Hartung<br />
HP, Franz M, Seitz RJ, Alexithymia and impaired facial<br />
affect recognition in multiple sclerosis. J Neurol<br />
2011:doi10.1007/s00415-011-6002-4<br />
10 Krause M, Wendt J, Dressel A, Berneiser J, Kessler C,<br />
Hamm AO, Lotze M, Prefrontal function associated<br />
with impaired emotion recognition in patients with<br />
multiple sclerosis. Behav Brain Res 2009; 205(1):280–285<br />
11 Passamonti L, Cerasa A, Liguori M, Gioia MC, Valentino<br />
P, Nistico R, Quattrone A, Fera F, Neurobiological<br />
mechanisms underlying emotional processing in<br />
relapsing-remitting multiple sclerosis. Brain 2009;<br />
132:3380–3391<br />
26