neurologisch - Ãsterreichische Gesellschaft für Neurologie
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Abb. 3: Anamnese bei Sexualfunktionsstörungen<br />
konklusiv möglich. Die nachfolgenden Untersuchungen<br />
dienen natürlich auch differenzialdiagnostischen<br />
Abwägungen, vor allem<br />
hinsichtlich urologisch, vaskulär oder häufig<br />
auch psychogen bedingter Erektionsstörungen.<br />
Der nächtliche penile Tumeszenz-Test<br />
(NPT) misst Häufigkeit, Umfang und Ausmaß<br />
nächtlicher Erektionen. Die Tatsache, dass<br />
30–50 % der MS-Patienten mit Impotenz<br />
spontane nächtliche Erektionen haben, bedeutet<br />
nicht, dass die erektile Dysfunktion<br />
psychogen ist, sondern dass ein häufiges<br />
grundlegendes Problem der Sexualfunktionsstörung<br />
die fehlende Möglichkeit ist, intrapsychische<br />
oder externe Stimuli für eine Erektion<br />
zu integrieren.<br />
Nachdem der N. pudendus (N. dorsalis penis<br />
und Nn. perineales/scrotales) die Genitalien<br />
innerviert sowie für die Tumeszenz des Penis<br />
und die Ejakulation mitverantwortlich ist, können<br />
auch spezifische elektrophysiologische<br />
Untersuchungen durchgeführt werden: Bulbus-cavernosus-Reflex;<br />
somatosensorisch evozierte<br />
Potenziale des N. pudendus; motorisch<br />
evozierte Potenziale des M. bulbocavernosus.<br />
Was sind die Symptome?<br />
direkt durch MS bedingt?<br />
indirekt durch MS bedingt?<br />
Einfluss der Symptome auf<br />
die Partnerschaft?<br />
• Ausmaß Erektion<br />
• Ausmaß nokturner Erektion<br />
• Ejakulation: normal/verfrüht/<br />
verzögert/fehlend<br />
• Vaginale Lubrikation<br />
• Orgasmusqualität<br />
• Libido<br />
• Qualität der Partnerschaft<br />
• Wünsche und Phantasien<br />
• Akzeptanz des Partners<br />
• Akzeptanz durch den Partner<br />
Therapie von<br />
Sexualfunktionsstörungen<br />
Therapeutisch stehen medikamentöse und<br />
nichtmedikamentöse Möglichkeiten zur Verfügung.<br />
MS-PatientInnen berichten oft darüber,<br />
dass das Gespräch über – existente oder<br />
potenzielle – Sexualfunktionsstörungen eine<br />
positive Erfahrung und auch Intervention darstellt.<br />
Hierbei sei noch einmal auf die wichtige<br />
Einbindung des/der Partners/-in hingewiesen.<br />
Bei Auftreten von Sexualfunktionsstörungen<br />
muss als erster therapeutischer Schritt die<br />
Möglichkeit in Betracht gezogen werden,<br />
dass laufende medikamentöse Therapien Nebenwirkungen<br />
hinsichtlich der Sexualfunktion<br />
haben können. So können Antispastika<br />
(z. B. Baclofen oder Benzodiazepine) die Libido<br />
oder auch Ejakulation beeinträchtigen<br />
und so manche Antidepressiva erektile Dysfunktionen<br />
oder Lubricatio vaginalis verursachen.<br />
Ein wesentlicher nächster Schritt in der<br />
Behandlungskaskade ist Verhinderung oder<br />
Behandlung MS-bedingter direkter oder indirekter<br />
negativer Faktoren für die Sexualfunktion<br />
bzw. das sexuelle Erleben.<br />
• Blasenfunktionsstörung<br />
• Mastdarmfunktionsstörung<br />
• Motorische Einschränkung<br />
• Sensibilitätsstörung<br />
• Behinderungsgrad<br />
• Kontrakturen, Schmerz<br />
• Psychische Faktoren<br />
• Kognitive Defizite<br />
Erektile Dysfunktion: Die medikamentöse<br />
Therapie beschränkt sich im Grunde auf die<br />
Therapie der erektilen Dysfunktion. Sildenafil,<br />
Vardenafil und Tadalafil sind Inhibitoren der<br />
cGMP-spezifischen Phosphodiesterase 5 (PDE<br />
5). Grundsätzlich führt eine Freisetzung von<br />
N0 zum Anstieg der cGMP, welche die Relaxierung<br />
der korporalen glatten Muskulatur<br />
und daher die Erektion bedingt. Der Abbau<br />
von cGMP durch PDE 5 wird durch diese Medikamente<br />
inhibiert. Der Wirkeintritt der PDE-<br />
5-Inhibitoren beträgt durchschnittlich 30 Minuten,<br />
der Effekt hält 4 (Sildenafil, Vardenafil)<br />
bis 36 (Tadalafil) Stunden an. Bis jetzt sind<br />
nur Studien mit Sildenafil bei MS-Patienten<br />
durchgeführt worden.<br />
Eine Alternative zu den PDE-5-Inhibitoren ist<br />
Apomorphin, welches ein D1/D2-Dopaminrezeptoragonist<br />
ist. Der Wirkeintritt nach sublingualer<br />
Applikation erfolgt bei einer Dosierung<br />
von 2–3 mg innerhalb von 20 Minuten.<br />
Einschränkend muss aber festgestellt werden,<br />
dass bei 7 % der Patienten Übelkeit als Nebenwirkung<br />
aufgetreten ist und dass es bislang<br />
keine Studien bei MS-Patienten gibt.<br />
Andere Therapieoptionen der erektilen Dysfunktion,<br />
wie beispielsweise die intrakavernöse<br />
Injektion vasoaktiver Substanzen und<br />
die temporäre bzw. permanente Implantation<br />
von Prothesen oder Vakuumpumpen, sind<br />
(neuro-)urologischen FachkollegInnen vorbehalten.<br />
Bei Frauen ist die medikamentöse Behandlung<br />
von Sexualfunktionsstörungen bedauerlicherweise<br />
nahezu inexistent. Therapieversuche<br />
beschränkten sich bislang auf die Applikation<br />
intravaginaler östrogenhältiger<br />
Cremen bei Lubricatio vaginalis und den probatorischen<br />
Off-Label-Gebrauch von Carbamazepin<br />
und Amitriptylin bei Dyspareunie.<br />
Studien mit Sildenafil haben nur einen Effekt<br />
auf die Lubricatio vaginalis gebracht. n<br />
Weiterführende Literatur:<br />
- Fowler CJ, Panicker JN, Drake M et al., A UK consenus<br />
on the managment of the bladder in multiple sclerosis.<br />
J NeurolNeurosurgPsych 2009; 80:470–477<br />
- Kessler TM, Fowler CJ, Panicker JN, Sexual dysfuntion in<br />
multiple sclerosis. ExpertRevNeurother 2009; 9:341–350<br />
- Madersbacher H, Berger T, Mair D et al., Management<br />
von Blasenfunktionsstörungen bei Multipler Sklerose.<br />
<strong>neurologisch</strong> 2011; Suppl 2:1–12.<br />
Spezielle Literatur beim Verfasser<br />
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