CIMA 54.pdf
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1341-42 entsteht die ‘Commedia delle ninfe fiorentine’, die bisweilen auch als ‘Ninfale<br />
d'Ameto’ oder nur ‘Ameto’ bezeichnet wird. Hier wird einerseits die Ausrichtung an Dante<br />
und damit generell die vorherrschende Orientierung an toskanischem Geschmack spürbar.<br />
In gewissen Ansätzen läßt diese Dichtung bereits den ‘Decamerone’ ahnen. 1342 entsteht<br />
dann die ‘Amorosa Visione’, eine thematisch und stilistisch ähnliche allegorische Dichtung<br />
in Terzinen, auf die kurz danach das Prosastück ‘Elegia di Madonna Fiammetta’ folgt. Auch<br />
wenn mancher hier den ersten psychologischen Roman sehen wollte, so sind die<br />
psychologisierenden Elemente doch schon für den ‘Filocolo’ und ‘Filostrato’<br />
kennzeichnend gewesen.<br />
Ebenso thematisch seiner florentinischen Heimat verhaftet ist das im allgemeinen als kleines<br />
Meisterwerk bezeichnete ‘Ninfale Fiesolano’, wohl spätestens 1346 entstanden. Alle diese<br />
dem ‘Decamerone’ vorausgehenden toskanischen Werke sind bereits von einer den ersten<br />
Werken fremden Gelehrsamkeit gekennzeichnet, die sich im ‘Decamerone’ zunächst im<br />
Hintergrund zu halten scheint, nach diesem aber das gesamte Spätwerk Boccaccios prägen<br />
wird.<br />
Die Forschung teilt für gewöhnlich Boccaccios Leben und Werk in zwei deutlich<br />
abgrenzbare Perioden ein, wobei jedoch zahlreiche Widersprüche ungelöst bestehen<br />
bleiben. In der Tat ist der ‘Decamerone’ Höhepunkt und Abschluß seines poetischen, auch<br />
zahlreiche lyrische Dichtungen umfassenden volkssprachlichen Werks, auf das nur noch der<br />
‘Corbaccio’, eine recht bittere Satire im Jahr 1365 folgen wird. Danach wird er sich<br />
ausschließlich in lateinischer Sprache und als Gelehrter, als Humanist äußern. So haben<br />
auch vor allem seine beiden Werke ‘De casibus virorum illustrium’, das 1374 in die<br />
endgültige Form gebracht wurde, ebenso wie das nur kurz danach entstandene Werk ‘De<br />
claris mulieribus’, unmittelbar auf die europäischen Kulturen des 14. und 15. Jahrhunderts<br />
gewirkt. Es ist zweifellos richtig gesehen worden, daß die gelehrte humanistische Welt seiner<br />
Zeit allein oder fast ausschließlich von seinem in Latein verfaßtem Spätwerk Notiz nahm.<br />
Das volkssprachliche Werk dagegen wurde anfangs für ein höfisch-urbanes, später allein<br />
städtisches Publikum verfaßt. In beiden Sphären jedoch lebt und entwickelt sich auch -<br />
parallel - der eigentliche wissenschaftliche Humanismus. Und es bleibt noch auf die<br />
kirchlich-monastische Lebenswelt zu verweisen, ohne deren Unterstützung der<br />
avantgardistische Humanismus kaum von Italien aus seinen Siegeszug hätte antreten<br />
können. Es wäre abwegig, in diesen komplexen Strukturen Gegensätze, gar Widersprüche<br />
sehen zu wollen, die etwa einen mittelalterlichen und einen Renaissance-geprägten<br />
Boccaccio gegeneinander ausspielen wollten, einen gottfernen, der weltlichen Liebe und<br />
dem ausschweifenden Leben zugetanen Boccaccio gegen einen weisen, humanistischen und<br />
zum Glauben bekehrten des Alterswerks. Das vermeintlich Mittelalterliche erwiese sich im<br />
Handumdrehen leicht als das eigentlich Moderne, und ohne seine Studien, deren erste<br />
Früchte sich direkt in seinen frühen, für die Entwicklung der volkssprachlichen Literatur<br />
ungemein wichtigen Werken wie eben dem ‘Filocolo’ niederschlugen, wären die späteren,<br />
lateinischen Werke undenkbar. Sie verarbeiten auf einer anderen Ebene das gleiche Material<br />
noch einmal in wissenschaftlicher und damit an das Latein gebundener Sprache. ‘De claris