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MICHAEL DALLAPIAZZA<br />

Giovanni Boccaccios ‘Il Filocolo’<br />

Der Stoff von ‘Flore und Blancheflor’<br />

im europäischen Mittelalter<br />

Boccaccios ‘Filocolo’ ist die erfolgreichste Fassung des Romans von Flore und Blancheflor<br />

im ganzen Mittelalter und sicherlich auch ein sehr frühes Beispiel kreativer Mittelalterrezeption.<br />

Er demonstriert darüber hinaus sehr anschaulich Einfluß und Bedeutung der<br />

französischen höfischen Kultur für die Ausprägung des frühen italienischen Humanismus.<br />

Die Datierung der frühesten französischen Fassung des Florisromans hat die Forschung vor<br />

einige Probleme gestellt. Man geht heute davon aus, daß er fast gleichzeitig mit dem<br />

Tristanroman auftrat, der von einem Teil der Forschung mit guten Gründen auf die Zeit um<br />

1160 angesetzt wird. Es handelt sich zwar ebenfalls um einen Liebesroman, der aber von<br />

anderer Thematik und Ausformung als der Tristan ist und der dazu auf andere, eindeutig<br />

nicht keltische Ursprünge und Traditionen zurückgeführt werden kann. Es werden antike<br />

wie auch orientalische Quellen vorausgesetzt. Die Spuren der Erzählung weisen offenbar<br />

noch in die Zeit vor der ersten Niederschrift. Viele Anspielungen in den Liedern der<br />

Trobadors sprechen für die Bekanntheit der Geschichte, für die eine lange orale Tradition<br />

anzunehmen ist. Eine gewisse Gräfin Beatrix von Die, Ehefrau Wilhelms von Poitier und<br />

zumindest literarische Geliebte des Trobadors Raimbaut d'Orange beklagt in einem Lied,<br />

ihr Geliebter, den sie mehr liebe als Flore seine Blancheflor, habe sie verlassen.<br />

Zwei Überlieferungsstränge lassen sich deutlich unterscheiden: eine ältere, die sogenannte<br />

‘version aristocratique’ dessen ältester Text, genannt ‘Li romanz de Floire et Blancheflor’,<br />

Vorlage wohl für den größten Teil der europäischen Rezeption ist, sowie eine entschieden<br />

jüngere, die sogenannte ‘version populaire’, auf die aber gerade Boccaccio, und über ihn<br />

vermittelt auch eine deutsche, spätmittelalterliche Volksbuchfassung zurückgeht.<br />

Auch wenn der Stoff wohl immer im Schatten des Tristanromans gestanden hat, gehört die<br />

Geschichte von Flore und Blancheflor doch zu den populärsten des ganzen europäischen<br />

Mittelalters. Seine Spuren finden sich auch außerhalb der eigentlichen Überlieferung. So<br />

zählt ein deutscher Minnesänger, Ulrich von Gutenburg (wohl Anfang des 13. Jahrhunderts)<br />

Floris zu den vorbildlichen Liebenden. Schon sehr früh hat der Stoff Bearbeiter in<br />

Deutschland gefunden. Außer den Bruchstücken des sogenannten ‘Trierer Floyris’, der<br />

wohl schon um 1165/70 entstanden ist, kennen wir eine ‘Flore und Blancheflur’-Dichtung<br />

des alemannischen Dichters Konrad Fleck (um 1220) sowie, unter anderem, eine<br />

mittelniederländische (um 1260) und eine mittelniederdeutsche Fassung (Anfang 14.<br />

Jahrhundert), die allesamt in der aristokratischen Tradition stehen. Von Frankreich

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