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ausgehend hat der Stoff rasch Interesse in vielen anderen Ländern gefunden, besonders<br />

reich ist, neben der deutschen, die skandinavische Rezeption.<br />

Die Namen der beiden kindlichen Liebenden bedeuten wörtlich ‘Blume’ und ‘Weißblume’<br />

und bezeichnen Rose und Lilie.<br />

Am gleichen Tag und zur gleichen Stunde geboren, wachsen die beiden Kinder zwar<br />

gemeinsam auf, sind aber von völlig verschiedener ständischer Herkunft. Flore ist Sohn<br />

eines heidnischen Königs, Blancheflor Tochter einer christlichen Sklavin. Als der Hof ihre<br />

unstandesgemäße Liebe bemerkt, versucht man sie zu trennen. Das Mädchen wird heimlich<br />

als Sklavin verkauft, ihren Sohn aber lassen die Eltern glauben, es sei gestorben. Vor<br />

Kummer über den Verlust beginnt alles Leben aus Flore zu weichen, woraufhin ihm die<br />

Eltern schließlich die wahren Zusammenhänge nicht mehr weiter verheimlichen. Flore<br />

macht sich unverzüglich auf die Suche nach der geliebten Blancheflor. Als Kaufmann<br />

verkleidet irrt er durch die halbe Welt, bis er sie im Harem eines orientalischen Potentaten<br />

wiederfindet. Mit List und Bestechung gelingt es ihm, als Mädchen verkleidet und in einem<br />

Korb unter Rosenblättern versteckt, zu ihr zu gelangen. Nach kurzem Liebesglück werden<br />

sie entdeckt und zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Ein Zauberring könnte einen<br />

von beiden retten, doch sie werfen ihn weg. Vor Erstaunen und Rührung angesichts solch<br />

großer Liebe werden sie in letzter Minute begnadigt. Sie heiraten und kehren in Flores Reich<br />

zurück. Als dieser die Herrschaft übernimmt, läßt er sich und sein Land taufen. So wie beide<br />

im gleichen Moment zur Welt gekommen waren, sterben sie, hundertjährig, auch zur<br />

gleichen Stunde.<br />

Fand die Geschichte von Flore und Blancheflor ihre bedeutendste Ausprägung auch in der<br />

frühhöfischen Kultur Frankreichs, so unterscheidet sie sich doch deutlich von den anderen,<br />

zeitgleichen höfischen Traditionen, besonders vom eigentlichen höfisch-ritterlichen Roman.<br />

Die Geschichte, auch in der ‘version aristocratique’, ist wenig höfisch, noch weniger<br />

ritterlich, bot aber die Möglichkeiten zu einer heldenepisch beeinflußten Transformation.<br />

Ihrer Rezeption in der französischen Feudalwelt tat dies zwar keinen Abbruch, begünstigte<br />

aber andererseits ihr Fortleben in allgemein nichthöfischem, ja sogar antihöfischen<br />

Ambiente. So scheint sogar die ‘version aristocratique’ in Deutschland vor allem im<br />

klerikalen und besonders städtischen Umfeld erfolgreich gewesen zu sein. Auch Boccaccio<br />

scheint, was sich jedoch eher an anderen Texten seines Frühwerks belegen läßt, eher am<br />

Populär-Heldenepischen interessiert gewesen zu sein, als am Höfisch-Ritterlichen. Die<br />

breite Rezeption etwa in Skandinavien kann möglicherweise ebenso zum großen Teil mit<br />

der Ferne des Stoffes vom höfischen Geschmack, von höfischer Ideologie erklärbar sein.<br />

Unmittelbar nach Bekanntwerden der populären, nun sogar durchaus auch von städtischem<br />

Geschmack geprägten Version in Deutschland durch Boccaccios ‘Filocolo’, entsteht schon<br />

1499 das höchst erfolgreiche Volksbuch, auf dem wiederum eine Komödie des Hans Sachs<br />

beruht.

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