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Der Wohnführerschein – bessere Chancen für Jugendliche auf dem Berliner Wohnungsmarkt Von Roland Bohr, Frieder Moritz, Mathias Riester Seit gut einem Jahr gibt es in Berlin die Möglichkeit, einen Wohnführerschein abzulegen. Noch ist er nicht Pflicht wie beim Autofahren, aber er hilft, sich auf eine erfolgreiche Wohnungssuche und die erste eigene Wohnung vorzubereiten. Angesichts des immer enger werdenden Wohnungsmarktes in der Hauptstadt wird die Wohnungssuche immer schwieriger – für Jugendliche aus Jugendhilfeeinrichtungen umso mehr. Aufbauend auf einer Idee von drei in der Großsiedlung Marzahn agierenden Wohnungsunternehmen – allod GmbH & Co. KG, degewo Marzahner Wohnungsgesellschaft mbH, Wohnungsgenossenschaft Marzahner Tor eG – und dem dortigen von Senat und Bezirk beauftragten Quartiersmanagement Mehrower Allee führt der Verein Jugendarbeit, Kultur und soziale Dienste, kurz Jakus, Kurse zur Erlangung des Wohnführerscheins durch. Jakus hat die Idee zu einem praxisnahen Programm weiterentwickelt. Es geht darum, die benachteiligten Jugendlichen aus Einrichtungen der Jugendhilfe fit für die Wohnungssuche zu machen und ihnen den Zugang zur ersten eigenen Wohnung zu vereinfachen. Das erweist sich als besonders notwendig, da sie oft als »potentielle Problemverursacher« stigmatisiert werden und zum anderen in der Regel wenig wissen, was für die Suche und die Bewirtschaftung der eigenen Wohnung wichtig ist. Kennen Sie die Farbe des stromführenden Kabels? Wissen Sie was die Reparaturklausel im Mietvertrag beinhaltet? Wissen Sie wo sich der Hauptabsperrhahn für Wasser in Ihrer Wohnung befindet? Kennen Sie den Unterschied zwischen Nettokalt- und Bruttowarmmiete? Wie sollte ich bei der Wohnungssuche in einem Bewerbungsgespräch auftreten? Diese und viele andere Themen werden mit den Jugendlichen erarbeitet, damit sie wissen, auf welches große Projekt sie sich mit der ersten eigenen Wohnung einlassen und welche Verantwortung sie übernehmen müssen, eine eigene Wohnung zu erhalten und auch zu behalten. Aber auch, welche Pflichten und Rechte sie haben und wie sie sich – mit dem Wissen des Kurses ausgestattet – bei einer Hausverwaltung vorstellen, damit sie eine Chance auf die erste eigene Wohnung bekommen. Einfache Reparaturen in der Wohnung lernen, Foto: Michael Janda 16
Vom Mietrecht bis zum Bewerbungstraining Der Wohnführerschein Jugendhilfe besteht aus sechs Schulungsmodulen. Es geht dabei um Mietrecht, Wohnungs- und Energiekosten und bauliche Belange der Wohnung. Die Jugendlichen machen auch praktische Übungen und Rollenspiele beispielsweise zur Einrichtung der Wohnung oder »Wie vermeide beziehungsweise löse ich nachbarschaftliche Konflikte? Wie bewerbe ich mich?« Die Beteiligung der Wohnungsunternehmen an den Kursen ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Themen mit großer Ernsthaftigkeit und in realistischen Kontexten behandelt werden. So gehen beispielsweise den Rollenspielen der Jugendlichen beim Thema »Nachbarschaftliches Zusammenleben« Vorstellungen von echten Fällen voraus, die die Konfliktmanager der Wohnungsgesellschaften mit den Jugendlichen erläutern. Und auch das Bewerbungstraining findet nach der Vorbereitung direkt in den Vermietungsbüros der Wohnungsunternehmen statt. Mit dem Wohnführerschein knüpfen die Organisatoren an der unmittelbaren Lebenswirklichkeit der Jugendlichen an. Die Suche nach der eigenen Wohnung steht in der Regel nach Abschluss der bisherigen Hilfen an. Der Weg in diese Art der Selbstständigkeit stellt für viele dieser Jugendlichen fast eine Bedrohung dar. Daher ist die Motivation, das Angebot wahrzunehmen, für die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer sehr hoch. Der Nutzen ist direkt erkennbar. Die Absolventen können mit dem Zertifikat am Ende zeigen, dass sie ihren Teil geleistet haben. Sich als erwachsene Mieter verhalten lernen Diese Motivation wird von den Projektbeteiligten – den Wohnungsunternehmen, den Jugendämtern und dem durchführenden Träger – dadurch unterstützt, dass dem Kurs ein bedeutsamer und wertschätzender Rahmen gegeben wird: Begrüßung der Jugendlichen und Verleihung der Zertifikate erfolgen jeweils in einer kleinen offiziellen Zeremonie. Die Unternehmen stellen hochwertige Schulungsunterlagen zur Verfügung. Der Träger achtet auf kleine Lerngruppen und gute räumliche Bedingungen. Mit diesem Setting gelingt es den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, sich den großen inhaltlichen und disziplinarischen Herausforderungen erfolgreich zu stellen: wenn sie als zukünftige erwachsene Mieter angesprochen werden, können sie sich auch als solche verhalten und sich ernsthaft mit den auf sie zukommenden Ansprüchen auseinandersetzen. Die Erfahrungen der ersten Kurse zeigen, dass die Jugendlichen an Selbstbewusstsein und Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten gewonnen haben. Auch wenn von einem achtwöchigen Kurs keine Wunderdinge zu erwarten sind und mit dem Wohnführerschein die Wohnungssuche am Ende nicht zwangsläufig erfolgreich sein muss, so können die Absolventen mit dem Zertifikat am Ende aber doch zeigen, dass sie ihren Teil geleistet haben, in ein tragfähiges und verlässliches Mietverhältnis einzusteigen und dass sie zugleich eine bereichernde Lernerfahrung und Wissen mitgenommen haben, was Lust macht auf mehr. Der Nutzen für die Wohnungsunternehmen Kerstin Karasch vom Wohnungsunternehmen allod ist überzeugt, dass es von Vorteil ist, wenn die Jugendlichen auf alle Fragen rund um das Wohnen, Kautionszahlung, Schufa-Auskunft und Wohnverhalten, gut vorbereitet sind. Denn gerade die finanziellen Sicherheiten und ein eigenes Einkommen der Mietinteressenten seien wichtige Entscheidungskriterien für die Wohnungsunternehmen, wenn sie eine Wohnung vergeben. Als Mitarbeiterin in einem der Wohnungsunternehmen, die sich am Wohnführerschein beteiligen, gefällt ihr, dass sie mehr darüber lernt, wie »junge Leute ticken«. Dies trage zum Verständnis für deren Situation bei und führe zu Ideen, wie man den Jugendlichen auf die Füße helfen könne. »Denn neben kleinen positiven und überraschenden Anekdoten bleibt vor allem in Erinnerung, wie sich die Jugendlichen in den Kursen entwickeln und wie sichtbar stolz sie sind, wenn sie den Kurs bestanden haben und den Wohnführerschein überreicht bekommen.« i Kontakt und Kooperationspartner Jakus e. V. Bülowstr. 52 | 10783 Berlin Tel 030–521 34 84 60 info@jakus.org www.jakus.org Wohnproblematik aus Sicht Paritätischer Träger 17
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