Wohn(T)räume - Der Paritätische Berlin
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Ohne Räume kann sich kein<br />
Gemeinwesen entwickeln<br />
Vorwort von Oswald Menninger<br />
<strong>Der</strong> Titel »<strong>Wohn</strong>(t)<strong>räume</strong>« dieses Heftes steht in keinem Bezug<br />
zu einer Villa in Caputh in der brandenburgischen Idylle. Diese<br />
Villa prägte vor nunmehr drei Jahren die stadtpolitische Debatte<br />
über Immobilien freier Träger. Schon damals wäre es sinnvoller<br />
gewesen, die realen Probleme der Stadt, wie steigende Mieten,<br />
bezahlbarer <strong>Wohn</strong>raum für Menschen mit geringem Einkommen<br />
und bezahlbare Räume für gemeinwohlorientierte Zwecke<br />
in Angriff zu nehmen. Umso mehr wird die aktuelle politische<br />
Debatte in der Stadt von diesen Problemen bestimmt – und das<br />
ist auch gut so.<br />
Das Land <strong>Berlin</strong> ist sehenden Auges in diese Probleme hineingeschlittert.<br />
Seit Jahren wurden vorwiegend Stadtwohnungen<br />
im oberen Mietpreissegment oder Eigentumswohnungen<br />
gebaut. Eine verfehlte Liegenschaftspolitik, die ausschließlich<br />
den Verkauf an den Höchstbietenden bei landeseigenen Immobilien<br />
zum Ziel hatte, trug wesentlich zu dieser Entwicklung bei.<br />
Diese Liegenschaftspolitik konterkariert die Ziele der sozialen<br />
Stadt, die von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und<br />
Umwelt wie folgt richtig beschrieben wird: »Die soziale Differenzierung<br />
bildet sich im Stadtraum ab. Problematisch wird die<br />
Entwicklung, wenn sie zum Ausschluss ganzer Quartiere und<br />
ihrer Bewohnerinnen und Bewohner von der gesellschaftlichen<br />
Teilhabe führt.« 1 Dem braucht man nichts hinzuzufügen.<br />
Eine Liegenschaftspolitik, die nur an Höchstgeboten ausgerichtet<br />
ist, dient nicht den langfristigen fiskalischen Interessen<br />
der Stadt. Dazu ein aktuelles Beispiel, aus dem Kreise unserer<br />
Mitglieder: Um eine bestmögliche Inklusion geistig behinderter<br />
Menschen zu erreichen, versuchte eine Mitgliedsorganisation<br />
ein Grundstück vom Liegenschaftsfond zu erwerben. <strong>Der</strong> Bau<br />
einer <strong>Wohn</strong>einrichtung war geplant, um die Betreuung in einem<br />
lebendigen <strong>Wohn</strong>umfeld mit vielfältigen Teilnahmemöglichkeiten<br />
am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. <strong>Der</strong> bisherige<br />
Standort ist mit 73 Betreuten unter Inklusionsgesichtspunkten<br />
mangelhaft und sollte durch den Neubau entlastet werden. Die<br />
Sozialverwaltung war mit der Planung zwar einverstanden, hält<br />
jedoch den im Entgelt berücksichtigungsfähigen Investitionsaufwand<br />
pro Platz im Neubau seit Jahren bei 77.000 Euro gedeckelt.<br />
Obwohl der Bodenrichtwert von 290 Euro/m2 ausging<br />
und der Träger aufgrund der von der Sozialverwaltung gesetzten<br />
Rahmenbedingungen 500 Euro/m2 für den Kauf für wirtschaftlich<br />
noch vertretbar hielt, ließ der Liegenschaftsfond durchblicken:<br />
für unter 1500 Euro/m2 wäre nichts zu machen. Als Trost<br />
Oswald Menninger, Foto: Eberhard Auriga<br />
versprach der Liegenschaftsfond ein urbanes Grundstück zu<br />
suchen. Bei den Finanzierungsmöglichkeiten des Trägers wird<br />
das passende »urbane« Grundstück sicherlich jotwede liegen<br />
oder es wird sich um eine Industriefläche handeln. Inklusion à<br />
la <strong>Berlin</strong>!<br />
Vor dem Hintergrund, dass das Land <strong>Berlin</strong> für die Leistungen<br />
der Eingliederungshilfe (SGB XII) und der Kinder- und Jugendhilfe<br />
(SGB VIII) als Kostenträger zuständig ist, ist diese Liegenschaftspolitik<br />
unverständlich. Welchen Sinn ergibt es, wenn freie<br />
Träger Grundstücke und Immobilien des Landes teuer erwerben<br />
müssen und diese Investitionskosten anschließend noch in die<br />
Entgelte einzukalkulieren sind? Es ist fiskalpolitisch unsinnig,<br />
wenn die Liegenschaftspolitik eine soziale Entmischung fördert<br />
und danach die sozialen Folgen mit teuren Sonderprogrammen<br />
bekämpft werden. Die direkten und indirekten gesellschaftlichen<br />
Kosten, die durch Ausgrenzung, Verarmung und Abhängigkeit<br />
von Transferleistungen entstehen, übersteigen am Ende<br />
sicher ein Vielfaches hoher Verkaufserlöse. Und dies auch ohne<br />
dass es zu Krawallen wie jetzt in Schweden und früher in den<br />
französischen Banlieues kommen muss.<br />
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