Logbuch2011 01 - bei der Reservistenkameradschaft Marine Berlin
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sicherheit, <strong>der</strong> Klimawandel, die<br />
Piraterie, <strong>der</strong> Informationskrieg,<br />
die Menschliche Sicherheit und<br />
<strong>der</strong> Weltall gehören. Aber erklären<br />
Sie mir bitte - inwiefern stellt<br />
das Internet eine Bedrohung dar?<br />
Welche Gefahr geht von <strong>der</strong><br />
Nahrung aus? Wieso betrachtet<br />
man die Nahrung und die Energie<br />
als neue Phänomene? Die<br />
wirkliche Bedrohung geht eigentlich<br />
von den Menschen aus,<br />
die diese Verletzlichkeit ausnutzen.<br />
Im Übrigen sollten wir den Ausdruck<br />
„neue Bedrohungen“ verbieten,<br />
da es sich um einen<br />
Pseudoausdruck bzw. (beziehungsweise)<br />
Neologismus handelt.<br />
In Wirklichkeit geht es hier<br />
um „neue Verletzlichkeiten“.<br />
Dank <strong>der</strong> Globalisierung, <strong>der</strong><br />
Informatikrevolution und <strong>der</strong><br />
Zunahme <strong>der</strong> Offenheit <strong>der</strong> Gesellschaften<br />
sind wir wohlhaben<strong>der</strong>,<br />
klüger, gesün<strong>der</strong> und stärker<br />
geworden. Zugleich ist unsere<br />
Gesellschaft auch zunehmend<br />
verletzbarer geworden. Durch<br />
die globale Marktwirtschaft vergrößert<br />
sich unsere Abhängigkeit<br />
von Lebensmitteln und von<br />
<strong>der</strong> Energie, die wir von außerhalb<br />
beziehen; ferner kann die<br />
Freizügigkeit von Personen und<br />
Informationen zu den schwer zu<br />
bändigenden Flüchtlingsströmen<br />
und kulturellen Konflikten<br />
führen und die netzbasierende<br />
Wirtschaft und die<br />
Infrastruktur können zur Zielscheibe<br />
eines Cyberangriffs werd<br />
e n .<br />
Jetzt möchte ich über die Perspektive<br />
eines Staates sprechen,<br />
<strong>der</strong> dieser sogenannten „neuen<br />
Bedrohung“ bzw. dem systematischen<br />
Versuch, eine <strong>der</strong> wichtigsten<br />
Verletzlichkeiten des<br />
Staates im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t aus-<br />
LOGBUCH 1/2<strong>01</strong>1<br />
zunutzen, ausgesetzt war.<br />
Im April 2007 wurde Estland<br />
Opfer einer koordinierten und<br />
massiven Attacke, die gegen die<br />
staatliche Infrastruktur, die Anbieter<br />
von Finanzdienstleistungen<br />
und Medienunternehmen<br />
gerichtet war. Das Ziel des Angriffs<br />
war es, zu Unruhen aufzuhetzen<br />
und die Regierung zum<br />
Rücktritt zu zwingen. Zum<br />
Glück gelang es uns, das<br />
Schlimmste zu vermeiden. In<br />
gewisser Weise waren wir auf<br />
die Attacken vorbereitet, so dass<br />
durch unser schnelles Handeln<br />
<strong>der</strong> Schaden <strong>der</strong>maßen begrenzt<br />
werden konnte, dass die<br />
Internetseiten und Netz-Services<br />
<strong>der</strong> Regierung, Medien und Banken<br />
einige Tage zwar nicht<br />
durchgängig abrufbar waren,<br />
aber alles nicht gänzlich lahm<br />
gelegt wurde.<br />
Estland war eine Muster-Zielscheibe<br />
<strong>der</strong> Cyberattacken. Wir<br />
sind eine beson<strong>der</strong>s gut vernetzte<br />
und von Internet-Services abhängige<br />
Gesellschaft. 98 % <strong>der</strong><br />
Bankgeschäfte werden elektronisch<br />
abgewickelt; estnische<br />
Bürger benutzen das Internet,<br />
um Steuern zu zahlen, um die<br />
Daten ihrer Gesundheit abzurufen,<br />
zu den Arztrezepten zu gelangen<br />
sowie <strong>bei</strong> den Wahlen<br />
online abzustimmen. Wir sind<br />
ein kleines Land mit begrenzten<br />
Naturressourcen. Unsere Wirtschaft<br />
ist von Handel und von<br />
den Verbindungen zur restlichen<br />
Welt abhängig. Unsere Erfahrungen<br />
verkörpern die neue Verletzlichkeit<br />
aller entwickelten<br />
Län<strong>der</strong> im Cyberraum: die gegenseitige<br />
Vernetzung, unsere<br />
Offenheit und die Abhängigkeit<br />
von Technologie stellen zwar<br />
unsere Stärken dar, sind jedoch<br />
auch unsere Achillesferse.<br />
SICHERHEITSPOLITIK<br />
In den letzten drei Jahren sind<br />
die April-Ereignisse 2007 in aller<br />
Munde gewesen, die man<br />
heute als „Web War One“ - als<br />
den „Ersten Web-Krieg“ bezeichnet.<br />
Wir haben in unserem<br />
Land staatsintern vieles umgestellt<br />
und verän<strong>der</strong>t, um unsere<br />
Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit gegen die<br />
Internetangriffe und<br />
Internetkriminalität zu erhöhen.<br />
Ferner sind wir aber auch zu einer<br />
breiteren Schlussfolgerung<br />
gelangt:<br />
1. Innere Sicherheit und die<br />
Verteidigung gegen die Bedrohungen<br />
von außen sind miteinan<strong>der</strong><br />
eng verflochten.<br />
Für diejenigen, die auf uns<br />
Druck ausüben wollen, stellen<br />
die Cyberangriffe und die Ausnutzung<br />
<strong>der</strong> Verletzlichkeit <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en ein ideales Mittel dar.<br />
Ein Cyberangriff ist einfach<br />
durchzuführen und überschreitet<br />
mühelos geografische und politische<br />
Grenzen. Da es sehr<br />
schwer fällt, den Computerangriff<br />
einem Angreifer zuzuschreiben,<br />
fällt es auch sehr<br />
schwer, darauf zu reagieren und<br />
noch komplizierter wird es, ihn<br />
von einem Angriff abzuhalten.<br />
Ein Cyberangreifer löst innerstaatlich<br />
Chaos sowie Unordnung<br />
aus und verursacht Schaden,<br />
um auf diese Weise sein<br />
geopolitisches Ziel zu erreichen.<br />
Damit man sich gegen solche<br />
Angriffe mit Erfolg zur Wehr<br />
setzen kann, muss in erster Linie<br />
<strong>der</strong>en Einfluss auf ein Minimum<br />
gesenkt werden, indem die<br />
Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
erhöht wird. Estland<br />
hat kürzlich seine Nationale<br />
Verteidigungsstrategie verabschiedet,<br />
die auf dem Begriff ei-<br />
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