Logbuch2011 01 - bei der Reservistenkameradschaft Marine Berlin
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wahl unsere Verbündeten zuzuschreiben<br />
ist. Würden Sie zum<br />
Beispiel Ihre geheime Spionageinformation<br />
China o<strong>der</strong> die Liste<br />
ihrer Schlüsselinfrastruktur<br />
Russland preisgeben? Nein, weil<br />
Sie es nicht wissen, wie diese Information<br />
eventuell gegen Sie<br />
verwendet werden könnte. An<strong>der</strong>erseits<br />
aber vertrauen wir diese<br />
Information unseren europäischen<br />
und transatlantischen Verbündeten<br />
an; da wir dessen<br />
bewusst sind, dass die Unteilbarkeit<br />
<strong>der</strong> Sicherheit den Missbrauch<br />
ausschließt.<br />
3. Als Letztes ist uns klar geworden,<br />
dass <strong>bei</strong> den neuen<br />
Verletzlichkeiten von den<br />
Staaten selbst die größte Bedrohung<br />
ausgeht.<br />
Dank <strong>der</strong> Globalisierung besitzen<br />
die nicht-staatlichen Akteure<br />
mehr Möglichkeiten als vor<br />
über 20 Jahren, ihren Einfluss<br />
wirksamer einzubringen (ganz<br />
gleich, ob es sich da<strong>bei</strong> um einen<br />
Terroristen, um eine große<br />
Korporation o<strong>der</strong> einen<br />
Cyberkriminellen handelt). Dennoch<br />
spielen die Staaten in ihrer<br />
eigenen Liga - durch ihr Geld<br />
und Humankapital, durch den<br />
breiteren Geschichtshorizont<br />
und ihre strategischen Ziele sind<br />
sie in <strong>der</strong> Lage, neue<br />
Verletzlichkeiten effizienter auszunutzen.<br />
Dieselben Staaten, die<br />
in <strong>der</strong> heutigen Welt keine<br />
Furcht vor Konflikten und Gewaltanwendung<br />
spüren, haben<br />
auch keine Scheu, die neuen<br />
Verletzlichkeiten zur Erfüllung<br />
ihrer politischen Zielvorgaben<br />
einzusetzen. Dafür liefert die<br />
Sicherheitsdoktrin von China<br />
ein Beispiel, in <strong>der</strong><br />
Cyberattacken gegen zivile Zie<br />
LOGBUCH 1/2<strong>01</strong>1<br />
le nicht verpönt werden, um sich<br />
gegen die militärische Übermacht<br />
<strong>der</strong> USA und ihrer Verbündeten<br />
behaupten zu können.<br />
Nun hat <strong>der</strong> Diskurs <strong>der</strong> „neuen<br />
Bedrohungen“ wohl den Eindruck<br />
hinterlassen, als ob sich<br />
unpersönliche Mächte anstelle<br />
des Nationalstaates als Hauptgefahrenquelle<br />
gestellt hätten.<br />
Eine realistische Bewertung<br />
macht deutlich, dass die heutige<br />
Welt neue Möglichkeiten für die<br />
Anwendung von Gewalt für die<br />
nicht-staatlichen als auch für die<br />
staatlichen Akteure zur Verfügung<br />
stellt. Bis jetzt konnten wir<br />
sehr offen und direkt miteinan<strong>der</strong><br />
reden. Jetzt allerdings kommen<br />
wir zu einem Thema, das<br />
in den Diskussionen um die europäische<br />
Sicherheit und den gegenwärtigen<br />
Konflikt zu den<br />
meisten Meinungsverschiedenheiten<br />
führt:<br />
Russland:<br />
Russland ist für den Westen ein<br />
Staat von strategischer Bedeutung.<br />
Von allen wachsenden<br />
Staaten steht uns Russland - bezogen<br />
auf die Sprache, Kultur<br />
und den religiösen Hintergrund<br />
am nächsten. Auf seinem Territorium<br />
befinden sich riesige Bodenschätze.<br />
Nord-Amerika und<br />
Europa bilden die eine Hälfte <strong>der</strong><br />
Nördlichen Erdhalbkugel und<br />
Russland die an<strong>der</strong>e davon.<br />
Unsere allgemeinen geopolitischen<br />
Interessen sind identisch.<br />
Wir wollen eine Welt ohne Kriege<br />
und mit konstanten Grenzen.<br />
Ein umfassen<strong>der</strong> und stabiler<br />
Energiemarkt liegt in unserem<br />
Interesse. Wir sind gemeinsam<br />
vom Frieden und von Sauberkeit<br />
<strong>der</strong> Ostsee, des Mittelmeeres,<br />
des Schwarzen Meeres und des<br />
SICHERHEITSPOLITIK<br />
Arktischen Ozeans abhängig.<br />
Wir machen uns Sorgen um den<br />
Terrorismus, den Iran, islamischen<br />
Extremismus, Drogen und<br />
Aufschwung Chinas. Wir sind<br />
<strong>der</strong> Auffassung, dass Russland in<br />
Zukunft definitiv Mitglied des<br />
Westens sein wird.<br />
Bedauerlicherweise aber haben<br />
<strong>der</strong> Westen und Russland diese<br />
Konformität <strong>der</strong> Interessen verkannt.<br />
Wir haben es 20 Jahre<br />
versucht, Russland in die europäischen<br />
und atlantischen Institutionen<br />
und in eine Gemeinschaft,<br />
die auf gleichen Werten<br />
beruht, zu integrieren. Die Einstellung<br />
Russlands hat sich aber<br />
ständig geän<strong>der</strong>t und unterscheidet<br />
sich somit stark von seiner<br />
Einstellung <strong>der</strong> 1990er Jahre.<br />
Keiner kann vorhersehen, welche<br />
Meinung Russland in 10<br />
Jahren vertreten wird.<br />
Aufgrund seiner Natur und seinen<br />
Beziehungen zum Westen<br />
ist Russland schon immer ein<br />
sehr wi<strong>der</strong>sprüchliches Land<br />
gewesen:<br />
Es ist eines <strong>der</strong> leistungsstärksten<br />
Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Welt und besitzt<br />
ein riesiges Atomwaffenarsenal.<br />
Zugleich räumt er in seinen Doktrinen<br />
ein, dass durch den Besitz<br />
<strong>der</strong> Atomwaffen an<strong>der</strong>e Defizite<br />
in seiner Verteidigungsfähigkeit<br />
verdeckt werden. Russland<br />
ist immer noch nicht in <strong>der</strong> Lage,<br />
seine Armee, in <strong>der</strong> noch heute<br />
alte sowjetische Klischees herrschen,<br />
zu reformieren und zu<br />
mo<strong>der</strong>nisieren.<br />
In <strong>der</strong> Energetik verfügt<br />
Russland über ein unglaubliches<br />
Potenzial, zugleich hat man wenig<br />
unternommen, um seine Infrastruktur<br />
auszubauen, was<br />
dazu geführt hat, dass seine Bürger<br />
unter den gewaltigen Energiekrisen<br />
zu leiden haben und<br />
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