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Logbuch2011 01 - bei der Reservistenkameradschaft Marine Berlin

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eson<strong>der</strong>es Verhältnis haben:<br />

Die Konfrontationen des Kalten<br />

Krieges bilden einen integralen<br />

Bestandteil unseres historischen<br />

Gedächtnisses. Ganz klar begrüßen<br />

wir den Zerfall <strong>der</strong> <strong>bei</strong>den<br />

Seiten sowie die gegenseitige<br />

Annäherung <strong>der</strong> <strong>bei</strong>den - die<br />

„Erwärmung“ <strong>der</strong> Beziehungen.<br />

Jedoch muss in Erinnerung behalten<br />

werden, dass je<strong>der</strong> einzelne<br />

mittel- und osteuropäische<br />

Staat bestrebt gewesen ist, in die<br />

EU und in die NATO aufgenommen<br />

zu werden. Es darf nicht<br />

vergessen werden, dass <strong>der</strong><br />

Zweite Weltkrieg für uns nicht<br />

im September 1939 ausbrach,<br />

son<strong>der</strong>n bereits mit dem<br />

Abschluss des Molotow-<br />

Ribbentrop-Paktes (am 23. August<br />

desselben Jahres). Für Estland<br />

ging <strong>der</strong> Zweite Weltkrieg<br />

erst im Jahre 1994 mit dem Abzug<br />

<strong>der</strong> russischen Truppen aus<br />

Estland zu Ende.<br />

Das estnische Volk ist immer ein<br />

begehrenswertes Objekt für unterschiedliche<br />

Großmächte gewesen.<br />

Die erste urkundliche<br />

Erwähnung von Esten stammt<br />

aus dem Jahre 1030 in den altrussischen<br />

Chroniken, als ein<br />

fremdes Volk von Tsuuten, dessen<br />

Land von Jaroslaw des Weisen<br />

erobert wurde. In <strong>der</strong>selben<br />

Chronik wird zum ersten Mal<br />

auf eine Siedlung, heute die<br />

Stadt Tartu, auf Deutsch Dorpat,<br />

hingewiesen. In Tartu ist die im<br />

Jahre 1632 gegründete Universität<br />

Tartu beheimatet, <strong>der</strong>en<br />

Rektor auch ich gewesen bin.<br />

Die historische Aufgabe <strong>der</strong><br />

Universität Tartu bestand darin,<br />

den Söhnen des Adels deutscher<br />

Herkunft eine gute Bildung zu<br />

geben. Im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t entwickelte<br />

sich die Universität zu<br />

einer anständigen Forschungs-<br />

LOGBUCH 1/2<strong>01</strong>1<br />

schule.<br />

Über mehr als tausend Jahre ist<br />

das estnische Volk ein gütiger<br />

Gastgeber für Deutsche, Dänen,<br />

Schweden, Polen und Russen<br />

gewesen. Hätten wir lediglich<br />

unter <strong>der</strong> Herrschaft eines Staates<br />

gestanden, könnten wir heute<br />

nicht mehr über das estnische<br />

Volk, estnische Sprache, Kultur,<br />

Lyrik o<strong>der</strong> den Gesang sprechen:<br />

Eine Regel, die nicht nur in den<br />

internationalen Beziehungen,<br />

son<strong>der</strong>n auch in jedem komplexen<br />

biologischen o<strong>der</strong> physikalischen<br />

System und unter<br />

denBedingungen des marktwirtschaftlichen<br />

Wettbewerbs ihre<br />

Gültigkeit hat, ist <strong>bei</strong> uns tief<br />

verwurzelt: Wenn die Großen<br />

miteinan<strong>der</strong> konkurrieren, finden<br />

auch die Kleinen passende<br />

Nischen zum Überleben.<br />

Dennoch ist es eine falsche Lektion<br />

für ein kleines Land im 21.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t. Das Lavieren zwischen<br />

den Blöcken o<strong>der</strong> den<br />

Großmächten stellt keine nachhaltige<br />

Strategie dar. Die Welt<br />

verän<strong>der</strong>t sich zu schnell - so<br />

bleibt man auf <strong>der</strong> Strecke.<br />

Kekkonens Finnland, die Nicht-<br />

Bestimmung seiner strategischen<br />

Zugehörigkeit, bedeutet<br />

heute nichts an<strong>der</strong>es als den Status<br />

von Moldau.<br />

Also stellen wir fest, dass die<br />

von fast ausnahmslos jedem europäischen<br />

Kleinstaat getroffene<br />

Entscheidung eine auf den Werten<br />

beruhende Herangehensweise<br />

bedeutet. Uns fehlt <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />

Realpolitik <strong>der</strong> strategische Hebel;<br />

um Realpolitik zu treiben,<br />

müssen wir einheitlicher handeln.<br />

Ohne Zweifel halten wir es<br />

im Auge, wie die Großmächte<br />

hinsichtlich ihrer Wertsetzungen<br />

Zugeständnisse machen, aber<br />

wir können uns das nicht leisten.<br />

SICHERHEITSPOLITIK<br />

Estland traf eine klare und eindeutige<br />

Entscheidung, sich dem<br />

Westen anzuschließen. Wir<br />

schlossen uns bedingungslos,<br />

von gemeinsamen Werten ausgehend,<br />

<strong>der</strong> EU an. Wir übernahmen<br />

ohne Übergangsperiode den<br />

gemeinschaftlichen Besitzstand<br />

<strong>der</strong> EU (acquis communautaire),<br />

traten: ebenfalls ohne Bedingungen<br />

<strong>der</strong> NATO <strong>bei</strong> und am<br />

1.<strong>01</strong>.11 <strong>der</strong> Eurozone, wo<strong>bei</strong> wir<br />

fast als einziger Staat alle Maastricht-<br />

Kriterien erfüllten, darunter<br />

auch das Defizitkriterium.<br />

Das ist unsere Überlebensstrategie<br />

- wir gelten als transparente,<br />

vorausschauende, gemeinsame<br />

Werte schätzende<br />

Teilnehmer und starke Befürworter<br />

Europas. Wir sind uns im<br />

Klaren, dass auch wir umso stärker<br />

sind, je stärker die Institutionen,<br />

zu <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n wir<br />

gehören.<br />

Daraus resultiert sich unser Verhalten<br />

im Bereich <strong>der</strong> Verteidigung<br />

und Sicherheit. Als Kleinstaat<br />

ist unser Beitrag quantitativ<br />

gering, deshalb ist es beson<strong>der</strong>s<br />

wichtig, dass er qualitativ<br />

herausragend ist. Wir wollen<br />

keinen Rabatt:<br />

Aus dem Grunde sind wir in Afghanistan<br />

im Süden <strong>der</strong> Provinz<br />

Helmand stationiert, wo es beson<strong>der</strong>s<br />

gefährlich ist, ohne jeglichen<br />

Vorbehalt. Daher sind wir<br />

5000 km entfernt in <strong>der</strong> Bucht<br />

von Aden an Bord einer deutschen<br />

Fregatte, um Schiffe an<strong>der</strong>er<br />

Län<strong>der</strong> vor den Angriffen<br />

<strong>der</strong> Piraten zu schützen. Daher<br />

halten wir es für wichtig, nach<br />

den Cyberangriffen nun unsere<br />

Erfahrungen in Europa weiterzugeben<br />

und im Cyberbereich eine<br />

Vorreiterrolle zu übernehmen.<br />

Deshalb haben wir trotz <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />

Rezession von 14 %<br />

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