DER NEUE SÄCHSISCHE BERGSTEIGER - Sächsischer ...
DER NEUE SÄCHSISCHE BERGSTEIGER - Sächsischer ...
DER NEUE SÄCHSISCHE BERGSTEIGER - Sächsischer ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Zwischen böhmischen Dörfern<br />
Urlaubswetter ist Glückssache, im Sommer<br />
2005 ein Himmelsgeschenk mit Seltenheitswert.<br />
Klatschte während der Anreise noch der<br />
Regen an die Eisenbahnfenster, empfängt<br />
mich beim Aussteigen in Adršpach strahlender<br />
Sonnenschein. Ich will endlich einmal die<br />
berühmten Felsenstädte besichtigen. Natürlich<br />
ärgert es mich, wenn für ein Stück Natur<br />
Eintritt bezahlt werden muß. Doch schnell<br />
sehe ich ein, daß die Erhaltung von dreisprachigen<br />
Schildern, zahlreichen Holzleitern<br />
und ausgedehnten Knüppeldämmen meine<br />
50 Kronen durchaus rechtfertigt, ganz zu<br />
schweigen von diesen verrückten Felsformationen,<br />
die am glitzernden Steinbruchsee<br />
beginnen und hinter jeder Ecke wieder neue<br />
faszinierende Blicke bieten. Drei Stunden<br />
geht es in wildem Zickzack munter auf und<br />
ab, dann enden die Felsen so schlagartig wie<br />
sie begannen. Dafür öffnet sich plötzlich ein<br />
sagenhafter Fernblick mit Riesengebirge und<br />
Jeschken als großem Panorama. Von hier<br />
Blick zurück - zur Schneekoppe<br />
44<br />
Unterwegs - Wandern in Böhmen<br />
aus dort hin zu wandern, sah zu Hause auf<br />
der Karte ganz passabel aus. Bei aller Schönheit,<br />
jetzt wirkt der Gedanke fast beängstigend.<br />
Ohne eine Wanderkarte oder gar Ortskenntnisse<br />
zu besitzen, folge ich einfach der<br />
sinkenden Sonne über matschige Forstwege<br />
und ermüdende Straßen bis Petøikovice und<br />
bin glücklich, daß ich ein hübsches Zimmerchen<br />
für die Nacht bekomme.<br />
Der Rat meiner netten Pensionswirtin, über<br />
Trutnov zum Riesengebirge zu wandern,<br />
riecht mir zu sehr nach Asphalt. Hatte ich<br />
abends nicht am Dorfeingang ein gelbes<br />
Wanderzeichen ignoriert? Das führt mich jetzt<br />
direkt zum tschechisch-polnischen Grenzweg,<br />
der sich entlang der Staatsgrenze über<br />
zahlreiche Berge zieht. Am Mittag ist kurz die<br />
Schneekoppe zu sehen, immer noch furchtbar<br />
weit weg. Ansonsten sind Fernblicke selten,<br />
dafür gibt es romantischen Wald, beachtliche<br />
Steigungen und jede Menge Heidel- und<br />
Himbeeren. Insgesamt hat mich der durchgehend<br />
markierte Pfad enorm angestrengt,<br />
vor allem, weil er dort, wo er die nassen Wiesentäler<br />
kreuzt, über lange Strecken böse<br />
zugewachsen ist. Immer wieder muß ich mich<br />
durchschlagen wie ein Märchenprinz, das<br />
macht auf die Dauer wenig Spaß, besonders<br />
nach dem Regenguß am Nachmittag.<br />
Warme Schlafsäcke sind eine prima Erfindung.<br />
Meinen habe ich in der kleinen Schutzhütte<br />
nahe Horni Albeøice ausgerollt, gerade<br />
rechtzeitig vor Sturm und Regen, die fast die<br />
ganze Nacht anhalten. Aber bei Tagesanbruch<br />
ist der Spuk beendet. Ein Wolkenloch<br />
am Himmel und ein Danklied auf den Lippen<br />
verkünden das neue Tagesprogramm. Stellenweise<br />
ruft der Weg nach Badelatschen,<br />
eine 2-cm-Maus will nicht fotografiert sein, in<br />
Malá Úpa gibt es keinen Kaffee, und mittags<br />
auf der Schneekoppe beträgt die Sichtweite<br />
keine zehn Meter. Aber was wiegt das alles<br />
gegen die Freude, den höchsten Punkt der<br />
ganzen Tour erreicht zu haben? Auch der<br />
Massenbetrieb auf dem Hauptgipfel verliert<br />
sich schnell mit zunehmender Entfernung.<br />
Und auf der Petrova bouda komme ich gut<br />
und sehr preiswert unter.