rebekka bakken - Sono-Magazin
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POP, Rock & co<br />
Joe Henry<br />
„Reverie“<br />
Anti/Indigo V.Ö. 7.10.<br />
[Singer/Songwriter] Joe Henry<br />
war noch nie ein sogenannter Singer/Songwriter,<br />
der sich mit der<br />
einfachen Lösung zufrieden gegeben<br />
hätte. Seine Songs brauchen<br />
Zeit, bis sie ins Blut gehen, doch<br />
hat man sich einmal mit ihnen infiziert,<br />
gibt es keine Heilung mehr.<br />
Wie schon all seine letzten Alben<br />
hinterlässt auch sein neuester<br />
Streich wieder den Eindruck eines<br />
groß angelegten Opus. Henry<br />
ist ein Rembrandt der Americana,<br />
der in feinsten Nuancen zu kolorieren<br />
und schraffieren weiß und<br />
sich auf fein konturierte Unschärfen<br />
versteht. Er ist ein Meister der<br />
spontan anmutenden Dramatik<br />
und des präzise gesetzten musikalischen<br />
Effekts, der einmal so sitzt,<br />
dass er keiner Wiederholung bedarf.<br />
In seinen Songs ist kein Platz<br />
für Zufälle, alles ist bis ins kleinste<br />
ausgeklügelt. Und doch wirkt es<br />
niemals starr oder blutleer, denn<br />
Henry schafft Zwischenräume, in<br />
denen sich Emotionen entladen<br />
können. Eine nahezu perfekte<br />
Songlandschaft, in der man sich<br />
endlos verlieren kann.<br />
<br />
Wolf Kampmann<br />
Weiterhören: Daniel Kahn, Geoff<br />
Berner<br />
Downloadtipp: Sticks And Stones<br />
Nena<br />
„Balladen“<br />
Sony Music<br />
[Pop] Ende 2010 erschien mit<br />
„Best Of“ die erste von Nena<br />
höchst persönlich autorisierte<br />
Zusammenstellung, mit der sie<br />
sich gegen die Flut von Nena-Hit-<br />
Compilations zur Wehr setzen<br />
wollte. Nun ist die etwas lieblos<br />
benannte „Balladen“-CD zwar<br />
auch kein von ihr selber betreutes<br />
Album, aber einen Grund,<br />
sich dagegen zu wehren, hätte<br />
Deutschlands Darling-Sängerin<br />
im Grunde nicht. Denn die 18 hier<br />
versammelten Songs aus allen<br />
Abschnitten ihrer langen Karriere<br />
sind mit Bedacht und viel Einfühlungsvermögen<br />
ausgewählt<br />
worden. So unterstreichen eben<br />
diese „Balladen“, dass Nena viel<br />
mehr ist als ein NDW-Partykult.<br />
Denn gerade mit Stücken wie<br />
„Der Anfang vom Ende“, „Lass<br />
mich dein Pirat sein“ und dem<br />
berührenden „Weißen Schiff“,<br />
in dem sich Nena mit dem Tod<br />
auseinandersetzt, überzeugt sie<br />
als grandiose Sängerin, die stets<br />
die richtigen Töne für die großen<br />
Gefühle findet. Heiko Große<br />
Weiterhören: „Best Of“ und den<br />
aktuellen Konzertmitschnitt „Made<br />
In Germany Live“ auf DVD<br />
Helgi Jonsson<br />
„Big Spring“<br />
Finest Gramophone/Indigo<br />
[Independent] Es ist schwer, in<br />
einem Text über einen Künstler<br />
aus Island nicht mit den isländischen<br />
Klischees zu operieren –<br />
vor allem wenn sie wie im Fall<br />
des jungen Sängers, Songwriters<br />
und Multi-Instrumentalisten auch<br />
noch zutreffen. Denn die Musik<br />
von Helgi Jonsson, der viel mit der<br />
dänischen Sängerin Tina Disco zusammengearbeitet<br />
hat, ist tatsächlich<br />
so idyllisch und verschroben<br />
wie Island selbst. Seine mal melodisch,<br />
mal atmosphärisch ausgerichteten<br />
Kompositionen erinnern<br />
an die karge Natur des Landes,<br />
unter der es jedoch brodelt – und<br />
der nächste Vulkan- oder Geysir-<br />
Ausbruch nie weit ist. Ein Island-<br />
Klischee, das jedoch nicht auf den<br />
klassisch ausgebildeten Musiker<br />
zutrifft, ist Björk. Von den Elektronikexperimenten<br />
der großen<br />
Exzentrikerin hat Jonsson so gut<br />
wie nichts. Helgi Jonsson ist Natur<br />
pur.<br />
Heiko Große<br />
Weiterhören: weitere großartige<br />
Musik aus Island etwa von Mugison,<br />
Pétur Ben, Lay Low, Sigur Rós oder<br />
Ólafur Arnalds<br />
Patti Smith<br />
„Outside Society“<br />
Columbia/Arista/Legacy/<br />
Sony<br />
[Rock] Das war wirklich überfällig:<br />
Verblüffenderweise erscheint<br />
erst 36 Jahre nach ihrem Albumdebüt<br />
eine Best-Of-CD, die wirklich<br />
alle Schaffensphasen der so<br />
eigenwilligen wie tapferen Rockpoetin<br />
aus Chicago abdeckt. Und<br />
wie schon der für eine solche Retrospektive<br />
ungewöhnliche Titel<br />
(ein Zitat aus „Rock’n’Roll Nigger“)<br />
andeutet, ist dies keine Routinepackung<br />
von der Stange. Smith selber<br />
hat die Zusammenstellung der<br />
CD begleitet, sie kommentiert im<br />
Booklet sehr persönlich jeden der<br />
16 Tracks. So entfaltet sich hier von<br />
den punkigen Anfängen mit ihrer<br />
düsteren Version von Van Morrisons<br />
„Gloria“ vom Debütalbum<br />
„Horses“ und dem scheppernden<br />
„Ain’t It Strange“ von „Radio<br />
Ethiopia“ (1976) über den Welthit<br />
„Because The Night“, ihr programmatisches<br />
Kampflied „Rock’n’Roll<br />
Nigger“, das bewegende „Beneath<br />
The Southern Cross“ vom 1996er<br />
Comeback-Album „Gone Again“<br />
(mit Jeff Buckley und Tom Verlaine)<br />
bis hin zu ihrer Fassung<br />
von Nirvanas „Smells Like Teen<br />
Spirit“ das musikalisch vielschichtige<br />
und faszinierende Werkporträt<br />
einer großen Künstlerin.<br />
<br />
Christian Stolberg<br />
Wissenswert: Patti Smith wurde<br />
2007 in die Rock’n’Roll Hall Of Fame<br />
aufgenommen.<br />
Info: Dies ist die erste CD, die Labelübergreifend<br />
die Highlights von<br />
Patti Smiths Karriere dokumentiert.<br />
David Sylvian<br />
„Died In The Wool – The<br />
Manafon Variations“<br />
Samadhisound/Galileo MC<br />
[Avantgardepop] David Sylvian<br />
gibt Rätsel auf. Mit Pop hat<br />
seine Musik schon lange nichts<br />
mehr zu tun. Und mit „Died In<br />
The Wool“ baut er seine akustische<br />
Welt noch ein Stückchen<br />
weiter aus und überlässt es dem<br />
Hörer, wie er sich auf die Sammlung<br />
mal finster neumusikalisch<br />
wirkender, mal elektronisch verklausulierter<br />
Soundwanderungen<br />
einlassen will. Im Zentrum<br />
steht Sylvians Bariton, der introvertiert<br />
und manchmal theatralisch<br />
poetisch verschlüsselte<br />
Botschaften unter anderem von<br />
der Dichterin Emily Dickinson<br />
verkündet. Um diesen Nukleus<br />
bauen Remixer wie Jan Bang, Eric<br />
Honoré, verschiedene Streichinstrumente<br />
und Jazzmusiker wie<br />
der Saxofonist Evan Parker irrlichternde<br />
Assoziationen. Sechs<br />
Stücke stammen von dem vorangegangenen<br />
Album „Manafon“<br />
und werden umgedeutet,<br />
die andere Hälfte ist neu, aber<br />
mindestens ebenso in sich versunken<br />
wie das frühere Material.<br />
Manches erinnert an skandinavische<br />
Soundarchitekturen nach<br />
Art des Labels rune grammofon,<br />
manches an Klanginstallationen,<br />
die Bonus-CD bietet 20 Minuten<br />
Soundscapes von einer Kunstaktion.<br />
So macht es David Sylvian<br />
seinen Hörern nicht leicht. Er<br />
fordert Zeit, Ruhe und Konzentration.<br />
Aber er bietet auch Entdeckungen<br />
voll dunkel poetischer<br />
Strahlkraft. Ralf Dombrowski<br />
Wissenswertes: David Sylvian<br />
begann seine Karriere als Sänger der<br />
Wave-Band Japan.<br />
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