LEUCHTTURM
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<strong>LEUCHTTURM</strong><br />
22<br />
Rede zum Tag der Arbeit<br />
1. Mai 2012 in Aurich<br />
Patrick<br />
Schreiner<br />
DGB Bezirk<br />
Niedersachsen<br />
– Bremen –<br />
Sachsen-Anhalt<br />
Abteilung<br />
Wirtschaft-Umwelt-Europa<br />
Liebe Kolleginnen, liebe<br />
Kollegen,<br />
... ...<br />
dies ist kein gewöhnlicher Tag<br />
der Arbeit. Wir begehen den<br />
Ersten Mai in diesem Jahr im<br />
Zeichen wichtiger und großer<br />
Tarifrunden. Und das in einem<br />
für die Unternehmen durchaus<br />
günstigen Umfeld: Die Kapitalbesitzer<br />
freuen sich über satte<br />
Gewinne. Aktionäre freuen sich<br />
über hohe Dividenden. Vorstände<br />
verdienen so gut wie noch<br />
nie. Und großzügig werden<br />
wieder Boni gezahlt.<br />
Die Löhne allerdings sind seit<br />
Beginn des Jahrtausends gesunken.<br />
Hier herrscht ein drastisches<br />
Missverhältnis. Von einer angemessenen<br />
und gerechten Verteilung<br />
der Gewinne kann schon<br />
lange nicht mehr die Rede sein.<br />
Es gibt eine Menge nachzuholen.<br />
Vor wenigen Wochen gab es ja<br />
Warnstreiks im Öffentlichen<br />
Dienst. Dort gibt es mittlerweile<br />
einen Abschluss. In diesen<br />
Tagen laufen Warnstreiks der IG<br />
Metall. ... ... Und auch verdi und<br />
andere Gewerkschaften verhandeln<br />
in verschiedenen Branchen<br />
und Betrieben. Hier geht es um<br />
sehr grundlegende Fragen von<br />
Gerechtigkeit. Es geht um eine<br />
faire Verteilung des Wohlstands,<br />
den wir erwirtschaften.<br />
u Den Kolleginnen und<br />
Kollegen in<br />
Tarifauseinandersetzungen<br />
wünschen wir daher viel Erfolg.<br />
Für uns ist klar: ... Die<br />
Forderung der Gewerkschaften<br />
nach mehr Geld ist ... mehr als<br />
berechtigt. 2011 wurde ein sattes<br />
Wachstum erzielt. 2012 wird es<br />
weiterhin Wachstum geben. Die<br />
Exporte brummen wieder. Merkels<br />
Schreihälse in der konservativen<br />
Presse berauschen sich am<br />
angeblichen Erfolg der Regierung:<br />
Die Arbeitslosenquote sinkt,<br />
die Wirtschaft wächst,<br />
das Haushaltsdefizit nimmt<br />
ab.<br />
Arroganz ist da nicht weit. In<br />
Europa spielt Deutschland den<br />
Musterschüler, aber auch gerne<br />
den Besserwisser.<br />
Aber wie so oft ist die<br />
Wirklichkeit komplexer. Denn<br />
die Zahlen gaukeln einen<br />
Wohlstand vor, von dem viele<br />
Menschen nichts haben.<br />
Deutschland liegt nämlich auch<br />
bei der Verschärfung der sozialen<br />
Ungleichheit vorn. Die Profitquote,<br />
der Anteil der Unternehmens-<br />
und Vermögenseinkommen,<br />
stieg im letzten Jahrzehnt<br />
um 15 Prozent auf heute über 33<br />
Prozent. Wir aber haben immer<br />
weniger Geld in unseren<br />
Taschen. Unsere Arbeitsbedingungen<br />
werden immer schlechter.<br />
Die Reallöhne sind seit<br />
Jahren im Sinkflug. Niedriglöhne<br />
explodieren. Und der<br />
Sozialstaat wird kaputt gekürzt.<br />
Da kann es nur eine Schlussfolgerung<br />
geben:<br />
u Es wird endlich Zeit,<br />
umzuverteilen – und zwar von<br />
oben nach unten, liebe<br />
Kolleginnen und Kollegen!<br />
Ja, wir reden davon, die<br />
wachsende Ungleichverteilung<br />
der vergangenen Jahre umzukehren.<br />
Dazu gehören gute Tarifabschlüsse.<br />
Dazu gehört aber auch<br />
das Ende prekärer Arbeit.<br />
Unsichere Beschäftigung nimmt<br />
in allen Branchen immer mehr<br />
zu. Prekäre Jobs belasten sowohl<br />
die Beschäftigten als auch die<br />
Sozialversicherungen. Die Zahl<br />
der Vollzeit-Arbeitsplätze geht<br />
immer mehr zurück. Teilzeitjobs<br />
und Befristungen hingegen<br />
steigen stark an; genauso wie die<br />
Zahl der ausschließlich im Mini-<br />
Job Beschäftigten. Die Leiharbeit<br />
ist geradezu explodiert! Aber<br />
sogar Leiharbeit ist für die<br />
Arbeitgeber inzwischen nicht<br />
mehr profitabel genug. Sie<br />
haben sich etwas Neues einfallen<br />
lassen: Werkverträge nennen sie<br />
das. Auch dort arbeiten Männer<br />
und Frauen für fünf, sechs,<br />
sieben Euro.<br />
Die Gewerkschaften fordern<br />
deshalb völlig zu Recht einen<br />
allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn.<br />
Das hat auch etwas mit