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Die Zeitmacher

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Boris Michailow 1916 – 1945<br />

Wie ein riesiges undurchlässiges Tuch lag der Dunst über<br />

der Stadt und drückte die kohlegeschwängerten Gase<br />

der Großindustrie ins Innere der Häuser. Es schien, als sei gar<br />

nichts mehr in Ordnung, als Boris Michailow im Frühjahr 1916<br />

in St. Petersburg in seiner Werkstatt saß und seinen neuesten<br />

Chronometer betrachtete, den er soeben fertig zusammengebaut<br />

hatte. Immer, wenn er seine Werke betrachtete, hing er<br />

seinen Gedanken nach. Gedanken über den Sinn des Lebens und<br />

seines eigenen Daseins.<br />

Plötzlich zerbarst eine Fensterscheibe und ein in Papier gewickelter<br />

Stein lag vor ihm. Vorsichtig griff er danach, wickelte<br />

den Stein aus und erblickte Geschriebenes. Er klemmte das<br />

Monokel vors Auge und las: Ihr solltet allesamt vor die Hunde<br />

gehen. Angst hing in der Luft und sie schien mit riesigen<br />

Tentakeln nach ihm zu greifen. Er kam sich vor wie auf einem<br />

Vulkan sitzend, in dessen Inneren es brodelte und dampfte und<br />

die Eruption kurz bevorstand. Aber noch konnte er sich retten.<br />

Seit 1914 hieß die Stadt eigentlich Petrograd, aber damit<br />

wollte sich niemand so richtig anfreunden, auch Boris nicht.<br />

Obwohl er über vierhundert Mitarbeiter beschäftigte, ließ er<br />

es sich nicht nehmen, ab und zu selbst Hand anzulegen. <strong>Die</strong><br />

Uhrenmanufaktur der Michailows war denn auch die größte im<br />

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