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Die Zeitmacher

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den. Er ist mein bester Mann und hat für mich den Werkschutz<br />

organisiert. Seitdem hatten wir keinen Besuch mehr von der<br />

Polizei. Aber er ist Anhänger der Bolschewiki. Vielleicht weiß<br />

er mehr als du und ich?«<br />

»Mach das, aber verrate ihm nichts von meinen Plänen.«<br />

»Ich werde mich hüten.«<br />

Am nächsten Morgen ließ Igor Juri rufen.<br />

»Nehmt Platz. Ich möchte mich etwas mit Euch unterhalten.«<br />

»Ach ja, worüber denn?«<br />

Igor konnte die feindselige Haltung seines Gegenübers deutlich<br />

spüren. Es war ihm unbehaglich und er bemühte sich, Haltung<br />

zu bewahren.<br />

»Über Politik.«<br />

»Ausgerechnet Ihr wollt mit mir über Politik reden?«<br />

»Ihr steht doch den Bolschewiki nahe?«<br />

»Und wenn?«<br />

»Ich möchte Euch nur sagen, dass ich Euch teilweise verstehen<br />

kann.«<br />

»Ihr wollt mich verstehen? Kaum zu glauben. Was wisst denn<br />

Ihr schon von unserem Leben? Jeden Tag um zwei Uhr morgens<br />

aufstehen, sich in eine endlose Schlange einreihen, um dann<br />

unverrichteter Dinge wieder abzuziehen, weil wieder kein Brot<br />

da war. Ich habe zwei Kinder, die ich jeden Tag etwas weniger<br />

sehe, weil ihnen das Fleisch auf den Rippen fehlt. Wir leben<br />

zu viert in einem Zimmer, weil es an anständigen Wohnungen<br />

fehlt, und werden uns im nächsten Winter den Arsch abfrieren,<br />

weil wir nichts haben, was wir verfeuern können. Aber vielleicht<br />

ist diese Nähe von euch sogar gewollt, damit wir uns<br />

gegenseitig wärmen können. Und da fragt Ihr mich, ob ich den<br />

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