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geliebten Herrschers längst geschlagen hat, folgte aber dessen<br />
Meinung mit der drohenden Anarchie für Mütterchen Russland<br />
nicht. Für ihn war klar, die Macht im Staate würde von einer<br />
Gruppe intelligenter Köpfe übernommen, wenn denn der Zar<br />
einmal entfernt wäre, und die Oberschicht ließe sich das Zepter<br />
nicht so einfach aus der Hand nehmen.<br />
Igor war der einzige Außenstehende, der von Boris‘ Plänen<br />
wusste und dieses Vorhaben gab immer wieder Anlass zu kontroversen<br />
Diskussionen der beiden. Immerhin folgte er Boris,<br />
indem er die Fünfzigstundenwoche einführte, und staunte, dass<br />
die Streiks im gleichen Moment stark nachließen. <strong>Die</strong>se Tatsache<br />
bekräftigte ihn, sich fortan vermehrt für Reformen einzusetzen,<br />
mit denen er aber in der Duma gegen Windmühlen<br />
kämpfte. Hinzu kam der Umstand, dass der Zar das Parlament<br />
kurzerhand aufzulösen pflegte, wenn sich dieses wieder einmal<br />
allzu reformfreudig zeigte. In einem Punkt schien er mit Boris<br />
einig, der Zar musste weg, um den Fortbestand von Russland<br />
zu sichern, doch die Gefahr, die darin bestand, verschloss sich<br />
seinem geistigen Auge und den Argumenten seines Freundes.<br />
So war es denn keineswegs verwunderlich, dass Igor die Pläne<br />
von Boris ins Reich der Absurdität verwies.<br />
Am Freitag, dem 19. Mai 1916, geschah dann das Unfassbare.<br />
Igor war auf dem Weg zu seinem Werk, als er hinter sich<br />
Schritte hörte. Er schaute sich um und sah zehn Männer, angeführt<br />
von einem Sergeanten, allesamt mit Schlagstöcken und<br />
Gewehren bewaffnet. Igor stellte sich ihnen in den Weg.<br />
»Was wollt ihr auf dem Werksgelände?«, fragte er den Anführer.<br />
»Das geht Euch einen Scheißdreck an!«, murrte der Sergeant.<br />
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