Sarah Lehmann 2013 - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
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Ist ein Duftstoff in ausreichend hoher Konzentration vorhanden, so werden komplexe<br />
physiologische Vorgänge in Gang gesetzt, die dazu führen, dass dieser wahrgenommen<br />
werden kann. Die OR gehören zur Superfamilie der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren,<br />
deren Signaltransduktion über eine second-messenger-Kaskade, also einen<br />
Signalverstärkungsmechanismus, läuft. Der Kontakt zwischen dem Duftmolekül und dem<br />
Sinnesrezeptor aktiviert intrazellulär das G-Protein, einen Rezeptor, der Guanosintriphosphat<br />
bindet. Dieser wiederum regt die Adenylatzyklase an, die die Synthese des zyklischen<br />
Adenosinmonophosphat (cAMP) katalysiert, dessen Konzentration daraufhin sehr schnell<br />
ansteigt. Dadurch öffnen sich unspezifische Ionenkanäle, durch die die Kationen Natrium<br />
und Calcium einströmen und zu einer Depolarisation der Zelle führen.<br />
Die Aktivierung eines einzigen Rezeptorproteins durch ein Duftmolekül kann bis zu 2000<br />
cAMP-Moleküle erzeugen. Dementsprechend kann sich auch eine große Anzahl von<br />
Ionenkanälen öffnen und so schon ein nur kleiner Reiz ein Aktionspotenzial generieren.<br />
Dieser Umstand ist als mögliche Erklärung für die zum Teil ungewöhnlich niedrige<br />
Reizschwelle für bestimmte Duftstoffe anzusehen. (Hatt 2010)<br />
Das entstandene Aktionspotenzial wird über die Axone der Sinneszellen fortgeleiten, welche<br />
im Bulbus olfactorius auf die Dendriten der Mitralzellen verschaltet werden. Dabei<br />
konvergieren mehr als 1.000 Axone auf eine Mitralzelle, was zu einer deutlichen Reduktion<br />
der Informationskanäle führt. Diese Konvergenz dient der Filterung der Erregung und der<br />
Verstärkung der Empfindlichkeit. (Plattig 1999)<br />
Circa 30.000 Axone der Mitralzellen leiten die Erregung als Tractus olfactorius zum<br />
ipsilateralen Riechhirn fort, zu dem der piriforme Kortex, das Tuberculum olfactorium und die<br />
Amygdala sowie die Regio entorhinalis gehören. Von diesen primär angesteuerten Gebieten<br />
werden die Informationen zu den unterschiedlichsten nachgeordneten Hirngebieten<br />
weitergeleitet, z.B. zum limbischen System, den neokortikalen Projektionszentren an der<br />
unteren Fläche des Frontalhirns und auch zu vegetativen Kernen des Hypothalamus und der<br />
Formatio reticularis. (Plattig 1999; Hatt 2006; Wilson et al. 2006; Hatt 2010)<br />
Der Mensch kann etwa 10.000 verschiedene Gerüche unterscheiden, hat aber nur circa 350<br />
unterschiedliche Rezeptortypen (Buck 2004), und jeder Rezeptor spricht auch nur auf eine<br />
kleine Anzahl verschiedener Duftstoffe an. (Malnic et al. 1999) Die Möglichkeit dieser<br />
Wahrnehmungsvielfalt kommt dabei durch unterschiedliche Kodierungsmöglichkeiten zu<br />
Stande. So kann ein OR von mehreren, verschiedenen Duftmolekülen aktiviert werden.<br />
Allerdings aktiviert ein einzelnes Duftmolekül auch nicht nur einen bestimmten Rezeptortyp.<br />
Unterschiedliche Düfte werden somit von verschiedenen Kombinationen von OR kodiert, so<br />
dass eine unfassbar große Zahl von Kombinationsmöglichkeiten entsteht. Würde jeder Duft<br />
von jeweils nur 3 verschiedenen OR wahrgenommen, würde das theoretisch nahezu eine<br />
Billion Kodierungskombinationen möglich machen. (Buck 2004)<br />
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