22.10.2014 Aufrufe

als PDF - Universitätsklinikum Leipzig

als PDF - Universitätsklinikum Leipzig

als PDF - Universitätsklinikum Leipzig

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

KLINIKUM INTERN 3<br />

Ausgabe 13 / 22. Juni 2012<br />

Gesundheit und mehr...<br />

■ MULTIRESISTENTE KEIME<br />

„Am UKL sind Patienten heute vermutlich sicherer <strong>als</strong> anderswo“<br />

Nach dem Auftreten des<br />

multiresistenten Darmkeims<br />

KPC hat das <strong>Universitätsklinikum</strong><br />

<strong>Leipzig</strong> umfassende<br />

und weitreichende<br />

Maßnahmen ergriffen. Dazu<br />

zählen eine spezielle Eingangsuntersuchung<br />

für jeden stationär<br />

aufgenommenen Patienten,<br />

der Aufbau von<br />

Isolierstationen und der rationelle<br />

Einsatz von Antibiotika,<br />

so Wolfgang E. Fleig, Medizinischer<br />

Vorstand, und Ekkehard<br />

Zimmer, Kaufmännischer<br />

Vorstand des <strong>Universitätsklinikum</strong>s<br />

<strong>Leipzig</strong>, im Interview.<br />

Frage: Das <strong>Universitätsklinikum</strong><br />

<strong>Leipzig</strong> kämpft seit geraumer<br />

Zeit gegen einen multiresistenten<br />

Keim namens<br />

KPC. Wie ist die Lage?<br />

Prof. Dr. Wolfgang E. Fleig:<br />

Wir kontrollieren so genau wie<br />

nirgendwo sonst in Deutschland<br />

auf den Darmkeim Klebsiella<br />

Pneumoniae Carbapenemase,<br />

kurz KPC. Bei jedem<br />

Patienten, der stationär aufgenommen<br />

wird, erfolgt ein<br />

Screening auf diesen multiresistenten<br />

Keim hin. Das betrifft<br />

immerhin rund 4000 Patienten<br />

im Monat. Diese Untersuchung<br />

wird bei Patienten, die länger<br />

im Klinikum sind, nach zehn<br />

Tagen stationären Aufenthaltes<br />

wiederholt, um auszuschließen,<br />

dass der Patient<br />

diesen Keim in sich trägt. Ich<br />

denke, durch dieses sehr konsequente<br />

und extrem aufwändige<br />

Screening können wir davon<br />

ausgehen, dass wir die<br />

Lage unter Kontrolle haben.<br />

Wenn bei monatlich mehr <strong>als</strong><br />

4000 Patienten eine spezielle<br />

Eingangsuntersuchung auf<br />

KPC vorgenommen wird – was<br />

kostet das?<br />

Ekkehard Zimmer: Wir rechnen<br />

für die zusätzlichen Untersuchungen<br />

und Medikamente<br />

sowie den Aufwand für drei<br />

extra eingerichtete Isolierstationen<br />

und dem damit verbundenen<br />

höheren Personaleinsatz<br />

mit Kosten von etwa<br />

zweieinhalb bis drei Millionen<br />

Euro bis zum Herbst. Dann<br />

wird zu entscheiden sein, ob<br />

der extreme Aufwand beibehalten<br />

werden muss oder zurückgefahren<br />

werden kann.<br />

Sollte unser komplettes KPC-<br />

Screening dauerhaft nötig sein,<br />

würde dies mächtig ins Kontor<br />

schlagen.<br />

In Ihrem Haus ist <strong>als</strong> Folge des<br />

KPC-Ausbruchs die Behandlung<br />

mit Antibiotika strikter<br />

geworden. Warum?<br />

Prof. Dr. Wolfgang E. Fleig: Obwohl<br />

wir davon ausgehen,<br />

dass am Klinikum der Einsatz<br />

von Antibiotika stets kontrolliert<br />

und sachgemäß erfolgte,<br />

haben wir jetzt tatsächlich deren<br />

Anwendung an strenge<br />

Voraussetzungen geknüpft.<br />

Denn die Entstehung von Bakterien,<br />

die gegen zahlreiche<br />

Antibiotika widerstandsfähig<br />

geworden sind, ist die Folge<br />

eines generellen übermäßigen<br />

Gebrauchs von Antibiotika.<br />

Werden diese hochwirksamen<br />

Medikamente zu oft, zu lang<br />

oder nicht in der erforderlichen<br />

Dosis eingesetzt, bilden<br />

sich durch natürliche Anpassungsmechanismen<br />

der zu bekämpfenden<br />

Erreger Resistenzen.<br />

Deshalb wollen wir<br />

vorangehen beim sinnvollen<br />

und gezielten Einsatz von Antibiotika,<br />

indem ein speziell<br />

geschulter Arzt sozusagen <strong>als</strong><br />

„Antibiotika-Berater“ allen<br />

Medizinern im Klinikum zur<br />

Seite steht.<br />

Ekkehard Zimmer: Dieses Vorgehen<br />

bringt natürlich mehr<br />

für die Allgemeinheit, wenn<br />

auch niedergelassene Ärzte<br />

und andere Krankenhäuser<br />

mitziehen. Der rationale Einsatz<br />

von Antibiotika stellt eine<br />

hohe Verantwortung in der<br />

Gegenwart, aber vor allem für<br />

die Zukunft dar …<br />

Prof. Dr. Wolfgang E. Fleig: …<br />

zumal die KPC-Keime nicht die<br />

einzige Bedrohung sind. Es<br />

gibt viele andere resistente<br />

Keime, die oft ein viel größeres<br />

Problem darstellen. Es gibt<br />

zwar noch einige Medikamente<br />

gegen diese multiresistenten<br />

Keime – auch gegen KPC –,<br />

aber sie haben ein größeres<br />

Risiko auf Nebenwirkungen.<br />

Dennoch scheinen sich die<br />

KPC-Keime besonders in <strong>Leipzig</strong><br />

und Sachsen wohl zu fühlen.<br />

Prof. Dr. Wolfgang E. Fleig:<br />

Nein. Diese Keime sind bundesweit,<br />

ja weltweit präsent.<br />

In Sachsen sind sie nach den<br />

aktuellen Umfragen des Sozialministeriums<br />

seit 2009 nachgewiesen.<br />

Unser Problem vor<br />

zwei Jahren war, dass es keine<br />

Eingangsuntersuchung auf<br />

diesen Keim gab. Der erste Patient,<br />

der diesen Keim bei uns<br />

einschleppte, kam aus einem<br />

Krankenhaus in Griechenland.<br />

Dort ist KPC weit verbreitet.<br />

Ehe wir im Juli 2010 das Problem<br />

erkannten, hatte der Patient<br />

schon Kontakt zu anderen<br />

Patienten und zum<br />

medizinischen Personal. Damit<br />

begann eine Übertragung, mit<br />

der wir vielleicht heute noch<br />

kämpfen. Der eigentliche Auslöser,<br />

<strong>als</strong>o der Patient, der dam<strong>als</strong><br />

aus Griechenland kam,<br />

lebt übrigens und ist keinesfalls<br />

gestorben, wie andernorts<br />

zu lesen war.<br />

Angesichts der Probleme, die<br />

multiresistente Keime bereiten,<br />

fragt man sich, ob simple<br />

Aktionen wie „Saubere Hände<br />

– Keine Chance den Krankenhausinfektionen“<br />

überhaupt<br />

Sinn machen.<br />

Prof. Dr. Wolfgang E. Fleig:<br />

Das macht durchaus Sinn. Das<br />

Händewaschen und die Händedesinfektion<br />

sind Standardroutine<br />

in der Medizin und damit<br />

eine Grundlage für Hygiene<br />

und zur Verhinderung von<br />

Krankenhausinfektionen. Es<br />

ist die einfachste und effektivste<br />

Art des Schutzes.<br />

Ekkehard Zimmer: Wir messen<br />

am Klinikum den Verbrauch<br />

von Händedesinfektionsmitteln.<br />

Und da wir wissen,<br />

wie viel Milliliter pro Anwendung<br />

nötig sind, kann man<br />

Transparenz: Journalist Uwe Niemann im Interview mit Prof. Wolfgang E. Fleig, Medizinischer Vorstand<br />

(m.) und Ekkehard Zimmer, Kaufmännischer Vorstand (r.) zur Bekämpfung multiresistenter<br />

Keime am <strong>Universitätsklinikum</strong> <strong>Leipzig</strong>.<br />

Foto: Stefan Straube<br />

leicht Rückschlüsse ziehen,<br />

wie oft die Mitarbeiter ihre<br />

Hände desinfizieren müssten<br />

und wie oft sie es tatsächlich<br />

tun. Bei uns im Klinikum ist<br />

durch expansive Schulungen<br />

der Mitarbeiter in den letzten<br />

Jahren und den Einsatz von<br />

Hygieneschwestern, die die<br />

Einhaltung der Hygienerichtlinien<br />

vor Ort überprüfen der<br />

Verbrauch an Desinfektionsmittel<br />

gestiegen – und das ist<br />

in diesem Zusammenhang eine<br />

gute Nachricht. Belegbar ist<br />

der Erfolg, da die Häufigkeit<br />

nosokomialer Infektionen mit<br />

anderen Keimen deutlich zurückgegangen<br />

ist.<br />

Gegen den KPC-Keim geht das<br />

Klinikum auch mit speziellen<br />

Isolierstationen vor – sind sie<br />

schon in Betrieb?<br />

Prof. Dr. Wolfgang E. Fleig: Ja,<br />

wir nehmen jetzt auch die dritte<br />

in Betrieb. Damit stehen<br />

Isolierstationen für beatmungspflichtige<br />

Patienten, für<br />

nicht beatmungspflichtige Patienten<br />

und für Kontaktpatienten<br />

zur Verfügung. Zusammen<br />

mit unserem KPC-Eingangsscreening<br />

haben wir damit<br />

Maßnahmen ergriffen, die sicherstellen,<br />

dass die Wahrscheinlichkeit,<br />

diese Keime<br />

unerkannt einzuschleppen, extrem<br />

gering geworden ist.<br />

Wurden beim Eingangsscreening<br />

wieder KPC-Keime gefunden?<br />

Prof. Dr. Wolfgang E. Fleig: Ja,<br />

während der insgesamt vorgenommenen<br />

mehr <strong>als</strong> 1500 Eingangsuntersuchungen<br />

wurden<br />

bisher bei acht Patienten der<br />

Darmkeim KPC gefunden. Es<br />

handelt sich dabei um Patienten,<br />

die aus anderen Krankenhäusern<br />

Sachsens und Thüringens<br />

zu uns verlegt wurden.<br />

Wir haben diesen Krankenhäusern<br />

Rückmeldung gegeben,<br />

damit sie informiert sind,<br />

dass ihre Patienten mit KPC zu<br />

uns kamen. Diese Patienten<br />

tragen diese resistenten Keime<br />

im Darm, sie sind <strong>als</strong>o, wie wir<br />

sagen, „besiedelt“, die Bakterien<br />

machen sie aber nicht<br />

krank. Es ist ganz wichtig, diese<br />

Unterscheidung zwischen<br />

Infektion und Besiedelung zu<br />

machen.<br />

Wird der Patient im <strong>Leipzig</strong>er<br />

<strong>Universitätsklinikum</strong> <strong>als</strong>o genauer<br />

untersucht <strong>als</strong> an anderen<br />

Krankenhäusern?<br />

Prof. Dr. Wolfgang E. Fleig:<br />

Das will ich so absolut nicht<br />

sagen. Fest steht aber, dass bei<br />

uns im Moment auf den KPC-<br />

Keim genauer kontrolliert wird<br />

<strong>als</strong> anderswo. Ich kenne in<br />

Deutschland keine medizinische<br />

Einrichtung, die ein solches<br />

Eingangsscreening<br />

macht. Auch das Gesundheitsamt<br />

hat bestätigt, dass unser<br />

Vorgehen weit über das Normierte<br />

hinausgeht. Also: In<br />

<strong>Leipzig</strong> ist aus meiner Sicht<br />

das Risiko am geringsten, sich<br />

zu infizieren.<br />

Ekkehard Zimmer: Wir haben<br />

hier eine sehr spezielle Situation,<br />

die wir sehr schnell und<br />

sehr gut beherrschen wollen.<br />

Wir lernen gerade extrem viel<br />

und haben uns zum Ziel gesetzt<br />

in wenigen Monaten so viel<br />

know how im Umgang mit diesem<br />

Problem zu generieren,<br />

dass wir andere an unseren Erfahrungen<br />

teilhaben lassen können.<br />

Ich denke <strong>als</strong>o, es geht hier<br />

nicht nur um <strong>Leipzig</strong>. Deshalb<br />

soll unser Vorgehen – auch in<br />

seiner Konsequenz und bezüglich<br />

des jetzt getriebenen Aufwands<br />

– anderen Einrichtungen<br />

ein Beispiel geben.<br />

Das Interview führte<br />

Uwe Niemann.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!