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P.T MAGAZIN 01/2010

Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

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Politik<br />

Döpfner liegt „unglaublich falsch“<br />

Warum wir keine Massenmedien mehr brauchen und die Umerziehung von Online-Nutzern<br />

anmaßend ist<br />

CARTA-Blogger Robin Meyer-Lucht<br />

hat über ein Rededuell geschrieben,<br />

das wir wohl noch lange in Erinnerung<br />

behalten werden. Meyer-Lucht<br />

beschreibt es als eine Inszenierung<br />

des ideengeschichtlichen Konflikts<br />

zwischen alteuropäischem Inhalteproduzentenmodell<br />

und neuamerikanischem<br />

Netzwerkpubliziermodell.<br />

Nachrichten kuratieren<br />

Urheber mit Bezahlinhalten contra Nachrichten-Kuratorin<br />

Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, mit Huffington Post-<br />

Herausgeberin Arianna Huffington, „Königin der Blogger“ (SPIEGEL), beim Rededuell<br />

Es geht um einen Disput zwischen<br />

dem Axel Springer-Chef Mathias<br />

Döpfner und Huffington Post-<br />

Herausgebern Arianna Huffington<br />

auf dem Monaco Media Forum. „Mit<br />

Döpfner vs. Huffington prallten instruktive<br />

Gegensätze aufeinander.<br />

Auf der einen Seite Döpfner, der<br />

darauf besteht, dass nur mit Bezahlinhalten<br />

und einem ‚verlässlichen<br />

Urheberrecht‘ in Zukunft ‚Qualitätsjournalismus‘<br />

finanzierbar sei. Auf<br />

der anderen Seite Arianna Huffington,<br />

die dafür steht, Nachrichten zu<br />

‚kuratieren‘, indem sie eigene Redaktionsinhalte,<br />

mit Links auf andere<br />

Axel-Springer-Haus in Berlin<br />

Sites und Blog-Beiträgen kombiniert.<br />

Döpfner und Huffington verkörpern<br />

archetypisch diese Ansätze“, so<br />

Meyer-Lucht. Huffington sei beim<br />

Streitgespräch wacher, schneller und<br />

gewitzter gewesen. „Als Döpfner von<br />

‚Inhaltediebstahl‘ sprach, sprang ihm<br />

Huffington ins Wort. Sie bestand darauf,<br />

dass ihre Publikation sich strikt<br />

an das Urheberrecht halte, noch nie<br />

eine Auseinandersetzung darüber geführt<br />

habe und im Gegenteil ständig<br />

von klassischen Medien gebeten werde,<br />

doch auf diese zu verlinken“, führt<br />

der CARTA-Blogger weiter aus.<br />

Huffington weiter: „Obwohl Sie unglaublich<br />

überzeugend klingen, Herr<br />

Döpfner, wird es sich zeigen, dass Sie<br />

unglaublich falsch liegen...Sie können<br />

nicht zweimal in den gleichen Fluss<br />

steigen. Und den Fluss, in den Sie steigen<br />

möchten, den gibt es nicht mehr.“<br />

Nachhilfe für Döpfner<br />

(Fotos: www.monacomediaforum.org)<br />

(Foto: Wikipedia/GFDL/Johann H. Addicks)<br />

„In einem grandiosen Moment gab<br />

Huffington dem Springer-Chef Nachhilfe<br />

in der neuen Link-Ökonomie:<br />

‚Ubiquität ist die neue Exklusivität.‘<br />

Wer im Netz Geld mit Inhalten verdienen<br />

wolle, müsse diese möglichst<br />

umfassend über das Netz verteilen.<br />

Plötzlich sah der europäische Mathias<br />

neben der quirligen Neuamerikanerin<br />

Arianna eher alt, verstockt<br />

und uninspiriert aus“, meint Meyer-<br />

Lucht. Huffington: „Herr Döpfner, Sie<br />

wollen Konsumenten umerziehen,<br />

die gerade die neuen Möglichkeiten<br />

der Online-Nachrichten entdecken.<br />

Das ist anmaßend.“ Punktsieger in<br />

diesem Schwergewichtskampf der<br />

Medienstrukturlenker soll wohl die<br />

amerikanische Online-Pionierin gewesen<br />

sein. Amerikanischer Innovationsgeist<br />

siegte über europäischen<br />

Geschäftsmodellkonservatismus. Und<br />

dieser Sieg trifft die traditionellen<br />

Medien im Mark.<br />

Der Niedergang der analogen<br />

Industriekultur<br />

Das Internet sei das erste moderne<br />

Kommunikationsmedium, das seine<br />

Reichweite dadurch vergrößert, dass<br />

es die wesentlichen Strukturen der<br />

Produktion und Distribution von Information,<br />

Kultur und Wissen dezentralisiert.<br />

Die Social Media-Welt ist<br />

nicht nur technisch determiniert. Es<br />

ist immer mehr eine Wechselwirkung<br />

von technischem Fortschritt und<br />

kultureller Aneignung zu beobachten.<br />

Was jeder an seinem eigenen Verhalten<br />

auf Plattformen wie Youtube,<br />

Facebook oder Twitter ablesen kann.<br />

Der technische Prozess der Digitalisierung<br />

erscheint als kulturelles<br />

Phänomen: „Längst hat der digital<br />

turn in Umfang und Geschwindigkeit<br />

vorangegangene Umbrüche wie die<br />

Erfindung des Buchdrucks oder die<br />

industrielle Revolution in den Schatten<br />

gestellt“, urteilt Stefan Münker,<br />

Uni Basel. Erfolgreich behaupten werden<br />

sich am Ende online nur Medien,<br />

die die Logik des Netzes verstehen<br />

und ihre Geschäftsmodelle darauf abstellen.<br />

Gebühren für Inhalte zählen<br />

nicht dazu, Herr Döpfner. Die digitale<br />

Öffentlichkeit belohnt Öffnungen mit<br />

Integration, und sie bestraft Abschottungen<br />

mit Ignoranz. n<br />

Gunnar Sohn<br />

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