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Musikalische Bildung in Deutschland - Deutscher Musikrat

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Landesmusikrat Baden-Württemberg<br />

fordert sie da nur“. „Baden-Württemberg war bei der E<strong>in</strong>führung der Fremdsprache für Erstklässler im Schuljahr 2003/04<br />

Vorreiter. Die damalige Kultusm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Annette Schavan (CDU) sprach von e<strong>in</strong>em ,pädagogischen Meilenste<strong>in</strong>‘. Nun<br />

könnte Baden-Württemberg auch das erste Land se<strong>in</strong>, das die Reform zurückdreht.“ 1<br />

Die Studie „Mensch, Natur und Kultur – e<strong>in</strong>e Bestandsaufnahme“ des Landesmusikrats Baden-Württemberg aus dem<br />

Jahr 2008 zeichnete auf,<br />

dass nur <strong>in</strong> der Hälfte der Grundschulen e<strong>in</strong>e ausgebildete Musiklehrkraft unterrichtet, obwohl es nach Angaben<br />

des Kultusm<strong>in</strong>isteriums zum Zeitpunkt der Studie 3152 Musik-Fachkräfte an den Grundschulen gibt. Re<strong>in</strong> statistisch<br />

könnten also an jeder Grundschule 1,5 Musiklehrkräfte unterrichten,<br />

dass trotz der beachtlichen Zahl an ausgebildeten Musiklehrkräften nun 22% aller Klassen Musikunterricht<br />

durch Fachkräfte erhalten,<br />

dass nur etwa e<strong>in</strong> Drittel der Lehrkräfte die musikalische Förderung für gut bzw. sehr gut hält,<br />

dass mehr als die Hälfte der MNK-Lehrkräfte sich mit musikpädagogischen Aufgaben überfordert fühlt,<br />

dass nur ca. e<strong>in</strong> Drittel der Befragten glaubt, die musikbezogenen Standards weitgehend zu erreichen,<br />

dass die musikalische Vorbildung der Lehrkräfte e<strong>in</strong>e eher ger<strong>in</strong>ge Rolle beim E<strong>in</strong>satz der Lehrkräfte für MNK<br />

spielt, d.h. dass sie zu wenig fachspezifisch e<strong>in</strong>gesetzt werden,<br />

dass Musik im Fächerverbund MNK zu wenig <strong>in</strong> ihrer Eigengesetzlichkeit berücksichtigt wird und unter der Vielzahl<br />

heimat- und sachkundlicher Themen lediglich e<strong>in</strong>e Zubr<strong>in</strong>gerrolle zu erfüllen hat,<br />

dass die F<strong>in</strong>anzierung der musikalischen Grundversorgung offenkundig immer mehr zur Sache der Eltern wird<br />

und K<strong>in</strong>der aus bildungsfremden Schichten das Nachsehen haben,<br />

dass die musikalischen Leistungen der K<strong>in</strong>der aus der MNK-Note nicht ersichtlich werden und damit begabten<br />

K<strong>in</strong>dern e<strong>in</strong>e entsprechende Bestätigung versagt bleibt,<br />

dass die Öffentlichkeit den Fehle<strong>in</strong>druck gew<strong>in</strong>nen muss, auf Musik als Schulfach könne verzichtet werden,<br />

dass K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihrem besten Lernalter vielfach nicht h<strong>in</strong>reichend musikalisch gefördert werden.<br />

Musikunterricht an beruflichen Gymnasien <strong>in</strong> Baden-Württemberg<br />

(Landesmusikrat Baden-Württemberg <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit Dr. Philipp Ahner)<br />

Zur Situation musikalischer Angebote an beruflichen Gymnasien<br />

E<strong>in</strong> Drittel der Jugendlichen erwirbt <strong>in</strong> Baden-Württemberg die allgeme<strong>in</strong>e Hochschulreife an e<strong>in</strong>em beruflichen Gymnasium.<br />

Der Musikunterricht an den beruflichen Gymnasien ist ausgewiesen als re<strong>in</strong>es Wahlfach. Die Schüler<strong>in</strong>nen und<br />

Schüler können jedoch diese Wahlfreiheit nicht nutzen, da nur wenige Schulstandorte Musikunterricht anbieten. E<strong>in</strong>e<br />

Studie im Rahmen der Dissertation von Philipp Ahner über Musik an beruflichen Gymnasien beschreibt den IST-Zustand<br />

im Schuljahr 2009/10 an öffentlichen Schulen im Regierungsbezirk Tüb<strong>in</strong>gen: Von den 37 Schulen bieten lediglich 12<br />

Musikunterricht an der eigenen Schule an. Von der Gesamtheit der Schüler an diesen 12 beruflichen Gymnasien belegen<br />

durchschnittlich etwa 8% Musikunterricht. Fünf Schulstandorte bieten ihren Schülern den Besuch des Musikunterrichts<br />

an der Nachbarschule an. Der Anteil der Schüler, die <strong>in</strong> diesem Fall Musik belegen, bewegt sich zwischen 0,2% und 5%.<br />

An den 20 Standorten ohne Musikunterricht und ohne Kooperation s<strong>in</strong>d 6.808 der 9.587 Schüler an beruflichen Gymnasien<br />

im Regierungsbezirk Tüb<strong>in</strong>gen. Damit haben mehr als 70% der dortigen Schüler nicht die Möglichkeit, Musik als<br />

Unterrichtsfach zu wählen. Außerdem gibt es nur wenig ausgebildete Lehrkräfte für den Musikunterricht, kaum Räume für<br />

Musik und nur wenige Schulen, die sich trotz des Unterrichtsdefizits und der momentanen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für Musikunterricht<br />

e<strong>in</strong>setzen. Am stärksten s<strong>in</strong>d davon die Schüler der technischen Gymnasien betroffen. Damit werden die Ziele<br />

der Landesregierung für die künstlerisch-ästhetische <strong>Bildung</strong> an den beruflichen Gymnasien nicht umgesetzt und die<br />

Jugendlichen können e<strong>in</strong>e versprochene und wesentliche <strong>Bildung</strong>schance nicht nutzen. Umso erstaunlicher ist jedoch,<br />

dass an e<strong>in</strong>zelnen Schulen der Musikunterricht se<strong>in</strong>en festen Platz im Fächerkanon der beruflichen Gymnasien e<strong>in</strong>nimmt.<br />

In e<strong>in</strong>er Podiumsdiskussion im Rahmen des Landeskongresses Musikpädagogik am 20. Oktober 2011 <strong>in</strong> Mannheim zum<br />

Thema „Musik an beruflichen Gymnasien“ wurde deutlich, dass die für das RP Tüb<strong>in</strong>gen aufgezeigte Situation des Musikunterrichts<br />

auch <strong>in</strong> den anderen drei Regierungsbezirken <strong>in</strong> ähnlicher Weise anzutreffen ist.<br />

Die Ursachen<br />

Die Ursachen für den derzeitigen Zustand liegen zum e<strong>in</strong>en dar<strong>in</strong>, dass 1998 die künstlerisch-ästhetischen Fächer <strong>in</strong> den<br />

beruflichen Gymnasien vom Wahlpflichtfach zum Wahlfach heruntergestuft wurden. Dadurch gehörte die künstlerischästhetische<br />

<strong>Bildung</strong> nicht mehr zum Pflichtcurriculum zur Erlangung der allgeme<strong>in</strong>en Hochschulreife an Gymnasien <strong>in</strong><br />

Baden-Württemberg. Die Unterrichtsstunden für Musik wurden oft <strong>in</strong> Randzeiten am Nachmittag gelegt und konnten von<br />

den Schülern nur durch erhebliche zusätzliche zeitliche Belastung belegt werden. Zum anderen besteht e<strong>in</strong> erhebliches<br />

Defizit <strong>in</strong> der adm<strong>in</strong>istrativen Betreuung des Faches sowie <strong>in</strong> der Lehrerbildung. So gibt es für Musik an den beruflichen<br />

1 Süddeutsche Zeitung, 21.09.2011, „Fremdeln mit der Fremdsprache“ von Roman De<strong>in</strong><strong>in</strong>ger und Tanjev Schultz.<br />

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