Chefredakteur - Lbs
Chefredakteur - Lbs
Chefredakteur - Lbs
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
InTerVIew<br />
„Mehr über das<br />
Haus erfahren“<br />
Viktor Grinewitschus, Leiter des Fraunhofer-<br />
inHaus-Zentrums, erklärt, wie moderne<br />
Technik uns beim Energiesparen helfen kann.<br />
FOCUS-MONEY: Deutschlands Energieverbrauch soll bis 2020<br />
um 20 Prozent sinken. Ist das zu schaffen?<br />
Viktor Grinewitschus: Das wird eine Herausforderung, denn<br />
wir sind jetzt schon hinten dran. Von 1995 bis 2007 sank der<br />
Energieverbrauch für die Heizung von Wohngebäuden nur<br />
um 2,7 Prozent. Offenbar reichen die traditionellen Maßnahmen<br />
nicht aus. Dazu brauchen wir moderne Technik.<br />
MONEY: . . . die Sie am Fraunhofer-inHaus-Zentrum entwickeln.<br />
Wann werden wir diese Lösungen einsetzen?<br />
Grinewitschus: Hoffentlich bald. Jedes Jahr wird nur ein Prozent<br />
unseres Gebäudebestands durch Neubauten ersetzt<br />
oder saniert. Das heißt, es dauert 100 Jahre, bis eine neue<br />
Technologie vollständig ankommt. Deshalb ist es so wichtig,<br />
auch alte Gebäude aufzurüsten.<br />
MONEY: Und wo fangen wir am besten an?<br />
Grinewitschus: Wir müssen es den Bewohnern leichter machen,<br />
sich Energie sparend zu verhalten. Im Auto ist es selbstverständlich,<br />
dass ein Computer uns beim Bremsen oder Einparken<br />
hilft. Aber in meinem Haus muss ich noch jeden<br />
Thermostat von Hand regeln. Es wäre doch sinnvoll, wenn<br />
sich die Heizung vorübergehend abschaltet, sobald alle Bewohner<br />
das Haus verlassen haben.<br />
MONEY: Woher weiß sie das?<br />
Grinewitschus: Über Zeitschaltungen oder Bewegungsmelder.<br />
Eines Tages wird mein Haus auch den Wetterbericht kennen.<br />
Wird es sonnig, heizt es weniger und öffnet automatisch<br />
die Rollläden auf der Südseite. Und auch die Bewohner erfahren<br />
mehr über ihr Haus.<br />
2010 wuchs ihr Absatz um 9,3 Prozent, der von Massivhäusern<br />
nur um vier Prozent. Welcher Gebäudetyp<br />
in Sachen Dämmung die Nase vorn hat, ist<br />
umstritten. Während die Dämmung in einem Fertighaus<br />
in Holzständerbauweise von vornherein in den<br />
Wänden steckt, wird sie beim Massivhaus zusätzlich<br />
an der Außenwand angebracht. Andererseits<br />
sind Massivhäuser bessere Wärmespeicher, wenn<br />
die Heizung nachts abschaltet. Dann zählt die „thermische<br />
Masse“.<br />
Niedrigenergie- oder Passivhaus? Das ist eine Geschmacks-<br />
und eine Preisfrage. Als Niedrigenergiehaus<br />
gilt ein Haus, wenn es pro Jahr maximal<br />
sieben Liter Heizöl oder 70 Kilowattstunden (kWh)<br />
MONEY: Was denn zum Beispiel?<br />
Grinewitschus: Wir wissen oft gar nicht, wo im Gebäude wir<br />
die Energie verbrauchen. Wir wissen nicht einmal, wie viel<br />
Strom einzelne Geräte beziehen. Intelligente Stromzähler<br />
könnten uns zu jedem Gerät eine Art Einzelverbindungsnachweis<br />
ausspucken, wie beim Telefon. Auch die Art der<br />
Energieerzeugung wird sich ändern.<br />
MONEY: Warum ist das nötig?<br />
Grinewitschus: Bisher haben wir alles getrennt: Wir wohnen<br />
im Grünen und arbeiten in der Stadt. Das verursacht viel<br />
Verkehr und ist ökologisch nicht optimal, denn auch unsere<br />
Kraftwerke stehen kilometerweit entfernt. Mit dem Ausbau<br />
der erneuerbaren Energien wird immer mehr Strom dezentral<br />
erzeugt. Den sollten wir dann aber auch vor Ort verbrauchen.<br />
Und wenn wir auf Wind- und Solarstrom setzen, muss<br />
der Verbrauch dem schwankenden Angebot folgen. Da kann<br />
intelligente Haustechnik vieles managen. Wenn ich meinen<br />
Solarstrom nicht benötige, kann ihn vielleicht der Nachbar<br />
brauchen. Gebäude sind außerdem hervorragende<br />
Wärmespeicher. Das lässt sich alles nutzen.<br />
MONEY: Und bringt mehr als Dämmen?<br />
Grinewitschus: Ich habe nichts gegen Dämmen.<br />
Aber ich sehe in der Steuerungstechnik ein<br />
enormes zusätzliches Potenzial an wirtschaftlichen<br />
Maßnahmen, das wir noch gar nicht<br />
erschlossen haben.<br />
MONEY: Wie groß ist nach Ihrer Einschätzung<br />
der Einspareffekt?<br />
Grinewitschus: Allein die zeitgesteuerteEinzelraum-Regelung<br />
spart im Schnitt mehr als<br />
20 Prozent Heizkosten.<br />
Viktor Grinewitschus<br />
leitet das Fraunhofer-<br />
inHaus-Zentrum in<br />
Duisburg<br />
pro Quadratmeter verbraucht. Seit Einführung der<br />
Energieeinsparverordnung ist das Niedrigenergiehaus<br />
in Deutschland bei Neubauten der Standard.<br />
Die nächste Stufe ist das 3-Liter-Haus, dem<br />
34 kWh pro Quadratmeter und Jahr genügen.<br />
Ein Passivhaus kommt ganz ohne separates Heiz-<br />
oder Klimasystem aus. Sein Jahres-Heizwärmebedarf<br />
liegt unter 15 kWh pro Quadratmeter, der Primärenergiebedarf<br />
einschließlich Warmwasser und<br />
Haushaltstrom unter 120 kWh. Damit verbraucht<br />
das Passivhaus rund 80 Prozent weniger Heizenergie<br />
als ein Niedrigenergiehaus. Das hat allerdings<br />
seinen Preis. Passivhäuser sind in der Anschaffung<br />
gut 20 Prozent teurer als herkömmliche Häuser.<br />
9