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GESUNDHEIT TrIffT SozIalES - SMZ Liebenau

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Geschichtsbewusstsein schärfen<br />

Das Lager <strong>Liebenau</strong><br />

Das Lager <strong>Liebenau</strong><br />

Inge Zelinka-Roitner<br />

<strong>SMZ</strong> INFO Juni 2012<br />

Überaus großes Interesse bekundete die<br />

Grazer und speziell die <strong>Liebenau</strong>er Bevölkerung<br />

an der Veranstaltung zu den jüdischen<br />

Todesmärschen in der Steiermark, standen<br />

diese doch in enger Verbindung zu einem<br />

dunklen Kapitel der <strong>Liebenau</strong>er Geschichte:<br />

im Jahr 1944 waren ungarische Jüdinnen<br />

und Juden, die man zuvor für den Bau des<br />

sogenannten Südostwalls „verbraucht“ hatte,<br />

nach Graz getrieben worden, wo sie vor<br />

den <strong>Liebenau</strong>er Zwangsarbeiter – Lagern<br />

hausen mussten.<br />

Kritische Auseinandersetzung<br />

mit der Vergangenheit als Basis<br />

für Arbeit mit Menschen<br />

Rainer Possert, Arzt und Obmann des<br />

<strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong>, erklärte zu Beginn die Beweggründe<br />

des <strong>SMZ</strong>, eine derartige Veranstaltung<br />

durchzuführen: „Die Auseinandersetzung<br />

mit den nationalsozialistischen<br />

Verbrechen und insbesondere mit den Ergebnissen<br />

des Nürnberger Ärzteprozesses<br />

standen am Beginn unseres Studiums und<br />

förderten unsere kritische Haltung hinsichtlich<br />

des damaligen Medizinsystems. Außerdem<br />

sind wir seit Beginn unserer ärztlichen<br />

und psychotherapeutischen Tätigkeit mit<br />

den Lebensgeschichten von Tätern und<br />

Opfern konfrontiert - wie z.B. Kriegstraumatisierungen<br />

und Naziverbrechen in der<br />

Familie. Seit 30 Jahren arbeiten wir nun in<br />

<strong>Liebenau</strong>, betreiben hier auch Gesundheitsförderung<br />

und engagieren uns für die Barackensiedlung<br />

am Grünanger. In diesem<br />

Zusammenhang ist es uns wichtig, das Gebiet,<br />

in dem wir tätig sind, auch historisch<br />

näher zu beleuchten und die Hintergründe<br />

zu erforschen.“<br />

Possert zitierte anschließend aus einem<br />

Brief eines israelischen Arztes, der im Zuge<br />

der Veranstaltungsankündigung an das<br />

<strong>SMZ</strong> geschrieben hatte: „[…] eine Studienkollegin<br />

aus alten Zeiten hat mir vor einigen<br />

Tagen die Einladung zum Vortrag von Frau<br />

Dr. Eleonore Lappin-Eppel gesendet. Ich<br />

muss gestehen, dass ich das Blatt bestürzt<br />

und entsetzt gelesen habe. Sie können<br />

sich vielleicht meine Gefühle vorstellen, als<br />

Holocaustüberlebender plötzlich zu erfahren,<br />

dass ich Anfang der sechziger Jahre<br />

während 3 Jahren in einem Hochhaus in der<br />

Kasernstraße gewohnt habe, einige Zehnmeter<br />

vom früheren Lager entfernt, wo meine<br />

Glaubensbrüder in den finsteren Jahren<br />

umgebracht wurden. Und ich habe bis heute<br />

nichts davon gewusst. Graz ist für mich ein<br />

Ort von großer Bedeutung und hat in meiner<br />

beruflichen und persönlichen Geschichte<br />

eine wichtige Rolle gespielt. So bin ich<br />

der Stadt verbunden geblieben, habe noch<br />

mehrere alte Freunde und Kollegen und in<br />

den letzten Jahren pflege ich jeden Sommer<br />

2-3 Wochen bei Freunden in Graz zu<br />

verbringen. Ich bedauere sehr, dem Vortrag<br />

nächste Woche nicht beiwohnen zu können<br />

und wäre sehr dankbar, wenn Sie mir eine<br />

Abschrift des Vortrags senden könnten.“<br />

Verbrechen vor der Haustür<br />

Eleonore Lappin-Eppel, derzeit Mitarbeiterin<br />

der Akademie der Wissenschaften in Wien<br />

und des Centrums für jüdische Studien in<br />

Graz, verfolgte mit ihrem Vortrag die Intention,<br />

die Verbrechen rund um die jüdischen<br />

Zwangsarbeiter in der Steiermark in einen<br />

größeren historischen Kontext zu setzen.<br />

Die Verbrechen um 1944 wurden vielfach<br />

als „Endphasen-Verbrechen“ bezeichnet,<br />

eine Beschreibung, die nach Lappin-Eppel<br />

nicht ganz zutreffend ist: bei Hitlerjugend,<br />

Gendarmerie und Volkssturm kam es wohl<br />

zu Gewaltexzessen, die unter anderen Umständen<br />

vermutlich nicht passiert wären. Die<br />

Waffen-SS jedoch war eine wichtige Tätergruppe,<br />

die als eingeschulte Mordtruppe<br />

bereits seit Jahren aktiv war. Neu an dieser<br />

„Endphase“ war, dass der Nationalsozialismus<br />

mit seinen Verbrechen bis vor die<br />

Haustüre der Menschen in der Steiermark<br />

gekommen war.<br />

Dies bestätigte auch eine anwesende Zeitzeugin:<br />

„Mitten im Murfeld war auch ein<br />

Lager. Ich habe mich mit einem jüdischen<br />

Mädchen befreundet und wir haben oft zu-<br />

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