GESUNDHEIT TrIffT SozIalES - SMZ Liebenau
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Geschichtsbewusstsein schärfen<br />
Das Lager <strong>Liebenau</strong><br />
»<br />
Jene Juden,<br />
die in besonders schlechtem Zustand waren,<br />
wurden zurückgelassen und ermordet.<br />
<strong>SMZ</strong> INFO Juni 2012<br />
mannschafen sagte man zynischerweise<br />
nicht: ‚tötet die Juden!’, sondern: ‚jüdisches<br />
Leben hat keinen Wert, ihr müsst sie einfach<br />
dazu bringen, zu arbeiten!’“<br />
Die Grazer Morde und<br />
das Lager <strong>Liebenau</strong><br />
Anfang April 1945 erreichten die jüdischen<br />
„Arbeitstransporte“ die Grenze von Graz.<br />
Die Juden wurden auf die so genannten<br />
„Ausländerlager“ Andritz, Wetzelsdorf und<br />
<strong>Liebenau</strong> aufgeteilt. In diesen Lagern waren<br />
zuvor osteuropäische Zivilarbeiter und<br />
Kriegsgefangene interniert gewesen, die zur<br />
Zwangsarbeit in der Grazer Rüstungsindustrie<br />
verpflichtet worden waren. Die Juden<br />
mussten bei kühlem, feuchtem Frühlingswetter<br />
vor den Lagern im Freien übernachten,<br />
wurden jedoch von der Lagerküche verpflegt.<br />
Der Aufenthalt in Graz diente dazu,<br />
neue Transporte zusammenzustellen, die<br />
dann in Richtung Obersteiermark in Marsch<br />
gesetzt wurden. Die „Rast“ in Graz wurde<br />
ebenfalls dazu benützt, Selektionen durchzuführen.<br />
Jene Juden, die in besonders<br />
schlechtem Zustand waren, wurden zurückgelassen<br />
und ermordet. Im Wetzelsdorfer<br />
Lager entdeckte man später die Überreste<br />
von 15 ungarischen Juden, man geht aber<br />
davon aus, dass die Zahl der Opfer wesentlich<br />
höher war.<br />
Bereits im Mai 1947 berichteten mehrere<br />
Zeitungen über die Morde in Graz-<strong>Liebenau</strong>.<br />
Im Mai 1947 schrieben die beiden Grazer<br />
Zeitungen Wahrheit und Österreichische<br />
Volksstimme von 150 Opfern. Bei den Exhumierungen<br />
im Mai wurden 30 Leichen<br />
entdeckt, bis Juni hatte man insgesamt 53<br />
Opfer gefunden, darunter auch die Leichen<br />
von drei Säuglingen. Der Zuständige für die<br />
Grazer Ausländerlager, Nikolaus Pichler,<br />
und der Leiter des Lagers Graz-<strong>Liebenau</strong>,<br />
Alois Frühwirth, hatten bei dem Verfahren<br />
der britischen Militärregierung angegeben,<br />
es hätte Fleckfieberverdacht unter den Gefangenen<br />
gegeben, daher hatte man die<br />
Erschöpften und Kranken erschossen. Es<br />
wurde jedoch im Rahmen des Verfahrens<br />
bekannt, dass das Lager <strong>Liebenau</strong> über<br />
genügend Medikamente verfügte, Pichler<br />
jedoch verboten hatte, diese den Juden zu<br />
verabreichen. Er forderte dagegen den Sanitäter<br />
des Lagers, Hans Fugger, dazu auf,<br />
die Kranken mittels Morphiumspritzen zu liquidieren.<br />
Dieser weigerte sich jedoch und<br />
so wurden die Erschöpften und Ausgehungerten<br />
durch Mordkommandos des Werkschutzes<br />
in mehreren Aktionen erschossen.<br />
Pichler und Frühwirth führten ein Terrorregime<br />
im Lager <strong>Liebenau</strong>: Obwohl die Lagerbaracken<br />
leer standen, mussten die Juden<br />
vor den Lagern übernachten und wurden<br />
bei einem Versuch, Decken aus einer Baracke<br />
zu holen, wegen Plünderung erschossen.<br />
Die tägliche Verpflegung bestand aus<br />
wässriger Suppe und einer Scheibe Brot.<br />
Frühwirth und Pichler wurden im September<br />
1947 wegen Mordes zum Tod durch den<br />
Strang verurteilt.<br />
Die <strong>Liebenau</strong>er Prozesse stießen auf sehr<br />
großes Interesse auf Seiten der Bevölkerung,<br />
vor allem viele Gegner des NS-Regimes<br />
befanden sich im Publikum. Die eigentlichen<br />
Befehlsgeber, die hinter Pichler<br />
und Frühwirth standen, wurden jedoch nie<br />
vor Gericht gestellt!<br />
Wie viele Opfer nun tatsächlich im Lager<br />
<strong>Liebenau</strong> erschossen worden waren, kann<br />
man heute nicht mehr genau nachvollziehen.<br />
Die Briten gingen zwar bei der Exhumierung<br />
sehr sorgfältig vor, es könnte allerdings<br />
sein, dass ihnen die erste Zahl der<br />
Entdeckten bereits für eine Verurteilungen<br />
reichte. Die Grazer Zeitschrift „Wahrheit“<br />
sah sich als Aufdecker-Zeitung der NS-<br />
Verbrechen und schrieb von 150 Opfern in<br />
<strong>Liebenau</strong>, war jedoch in der Angabe ihrer<br />
Zahlen nicht immer ganz seriös.<br />
Auf die Frage aus dem Publikum, ob die<br />
aufklärerischen Zeitungen ebenfalls Quellen<br />
für ihre Zahlenangaben nannten, antwortete<br />
Lappin-Eppel, dass lediglich Menschen<br />
befragt worden waren, die die Massaker<br />
beobachtet hatten. Wahrscheinlich<br />
ist auch, dass die Reporter mit Bestattern<br />
gesprochen hatten.<br />
Gustav Mittelbach wies darauf hin, dass es<br />
ziemlich genaue Zahlen darüber gab, wie<br />
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