Praxisbericht 31 - ERCIS - European Research Center for ...
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6 •<br />
• Unterrichtsvideos bieten unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten. Sie können beispielsweise<br />
Demonstrationsmittel, Analysemittel oder Mittel für die Reflexion des eigenen Unterrichts<br />
sein.<br />
• Schließlich sind sie archivierbar.<br />
• Hinzugefügt werden kann, dass Unterrichtsvideos das tatsächliche Unterrichtsgeschehen<br />
von der Anschauung, der Analyse, der Reflexion etc. trennen. Sie machen damit Unterrichtsdemonstration,<br />
-analyse und -reflexion zeit- und ortsunabhängig von der tatsächlichen<br />
Unterrichtssituation.<br />
Unter diesem Blickwinkel scheint es nicht verwunderlich, dass videografierte Unterrichtssequenzen<br />
zunehmend und mit unterschiedlichen Zielsetzungen Anwendung in der Aus- und Weiterbildung<br />
von Lehrkräften finden [He + 04]. Bei der Nutzung von Unterrichtsvideos müssen Entscheidungen<br />
über das Wie? des Einsatzes getroffen werden. Sie beziehen sich auf vier Dimensionen:<br />
(a) das Format des Videos, (b) den Inhalt der Videos, (c) das Lernsetting und (d) die<br />
Ziele und Funktionen des Einsatzes [Kr + 05].<br />
Die zentrale Frage bei der Nutzung von Unterrichtsvideos bezieht sich auf die vierte Dimension<br />
„Was sind Ziele und Funktionen der Nutzung?“. Das Ziel des vorliegenden Projekts kann als<br />
„problemorientierte und fallbasierte Analyse von Unterrichtsvideos“ [Re05, S. 12] beschrieben<br />
werden. Dabei wird alltäglicher, nicht idealer Unterricht unter Aspekten unterrichtlicher Qualität<br />
beschrieben und analysiert. Der Austausch über die beobachteten Unterrichtsprozesse, Wirkungen<br />
von und Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Unterrichtsvariablen wird angeregt.<br />
Schließlich werden (alternative) Handlungsstrategien entwickelt. Angestrebt wird die tiefgehende<br />
und sorgfältige Auseinandersetzung mit Unterrichtsprozessen und ein differenziertes<br />
und bewegliches Wissen über die Beziehung von Unterrichtshandeln und Unterrichtsqualität.<br />
2.3 Klassenführung von Lehrkräften<br />
Jacob S. Kounin ging in den 1970er Jahren der Frage nach, ob die Art und Weise der Zurechtweisung<br />
einer Schülerin bzw. eines Schülers (d. h. das Ansprechen von Schülern bei mangelnder<br />
Mitarbeit und Fehlverhalten) einen Effekt auf das Schülerverhalten habe [Ko70]. Er konnte<br />
keine bedeutsamen Effekte feststellen. In einer offenen Analyse videografierten Unterrichts<br />
machte er jedoch die Entdeckung, dass es andere Lehrkraftverhaltensweisen gibt, die mit der<br />
Mitarbeit und dem Fehlverhalten der Schülerinnen und Schüler zusammenhängen. Kounin bezeichnet<br />
diese Verhaltensweisen als Dimensionen der Klassenführung.<br />
Durch eine weitere Studie, in der er den Unterricht von 49 ersten und zweiten Klassen in und<br />
um Detroit videografierte und auswertete, konnte er die Bedeutung dieser Klassenführungsdimensionen<br />
für das Schülerverhalten bzw. für einen störungsfreien Unterricht zeigen [Ko06].<br />
Die Klassenführungsdimensionen korrelierten positiv mit der Mitarbeit und negativ mit dem<br />
Fehlverhalten der Schüler – insbesondere in Übungsphasen. Tabelle 1 gibt einen Überblick<br />
über die Dimensionen.<br />
Weitere Studien konnten seitdem die Relevanz der Klassenführung für einen „guten“ Unterricht<br />
bestätigen [He92; He + 02; He + 93; He + 97; Wa + 93].