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adar essay/esej/есе/эсэ<br />

10<br />

nierten Leserinnen, wie sich auf Autorentreffen zeigt,<br />

weniger am Rande des literarischen Lebens als vielmehr<br />

überhaupt außerhalb der zeitgenössischen Literatur.<br />

Jene Welten sind völlig autonom und sich selbst genug,<br />

einziges Anerkennungskriterium sind die Verkaufszahlen.<br />

Die sind aber wirklich imponierend.<br />

Zweitens und wichtiger: das literarische Feld in diesem<br />

Bereich ist dicht verwoben und wird von Jahr zu Jahr<br />

komplizierter. Wie die Expertin für Frauenliteratur und<br />

zugleich Vorsitzende der Jury für den Preis „Feder und<br />

Kralle”, Barnadetta Darska, erklärt, dass man heute beobachten<br />

könne, „wie versucht wird, Genrestereotype zu<br />

ändern“, etwa so, dass „eine Romanze ihres Happy-Ends<br />

beraubt wird und das Lebensziel nicht mehr der Mann<br />

ist“. Vor allem lässt sich jedoch eine wahre Invasion<br />

emanzipatorischer Motive beobachten, also eine Anreicherung<br />

leichter, einfacher und angenehmer Geschichten<br />

durch feministische Ideen und Postulate.<br />

Drittens wächst schließlich die Rolle des Formats, das<br />

Bewusstsein – sowohl auf Seiten der Herausgeber als<br />

auch der Autorinnen selbst – von der Differenzierung<br />

in Subgenres. Natürlich geht es darum, an die Zielgruppe<br />

zu denken, um Maßnahmen zur Profilschärfung der<br />

populären Erzählung, hauptsächlich nach dem Kriterium<br />

des Alters; natürlich müssen die Protagonistinnen der Romane<br />

und die Leserinnen das gleiche Alter haben (siehe<br />

chick-lit, bigger girl-lit, hen-lit – um sich auf Kategorien<br />

aus dem angelsächsischen Bereich zu beziehen, die<br />

übrigens mehr kommerzieller als geschlechtsspezifischer<br />

Natur sind). Dazu kommt eine bewusste Erforschung des<br />

Eigenen – daher der große Erfolg von Familiensagas, die<br />

sich auf die typisch polnische Affirmation des Familiären<br />

stützen (zum Beispiel die vierbändige, bei den Lesern<br />

sehr beliebte Cukiernia pod Amorem [Konditorei Amor]<br />

von Małgorzata Gutowska-Adamczyk).<br />

Es wird wohl hoffentlich deutlich, dass die Situation<br />

mehr als kompliziert ist. Denn Frauenliteratur funktioniert<br />

angeblich außerhalb des Mainstreams, aber jenen<br />

Mainstream prägt sie doch, da sie – ich wiederhole noch<br />

einmal das Zitat von Iwasiów – über einen klaren Vorteil<br />

gegenüber allen anderen Formen literarischer Kommunikation<br />

im heutigen Polen verfügt. Wie keine andere Form<br />

von Kreativität unterliegt sie einer weitgehenden Hybridisierung,<br />

saugt literarische Ideen, Konzepte und Techniken<br />

aus Gebieten, auf die sich populäre polnische Autorinnen<br />

noch vor wenigen Jahren überhaupt nicht gewagt<br />

haben. Oft dargestellt als Ausdruck spontaner Regungen<br />

(Schreiben als Herzensbedürfnis), erscheint Frauenliteratur<br />

heute eher als sehr bewusste Textproduktion.<br />

gemacht haben. Eben diesen Kategorien wurden häufig<br />

die Romane von Manuela Gretkowska (angefangen beim<br />

Jahr 2007, als sie ihren Roman Kobieta i mężczyźni [Frau<br />

und Männer] veröffentlichte), von Grażyna Plebanek<br />

oder Hanna Samson zugeordnet. Und das ist kein lokales<br />

Phänomen – dieselben Prozesse, basierend auf dem<br />

Aufgreifen und Aufsaugen des feministischen Diskurses<br />

durch die Pop- und Massenkultur tauchten bereits vor<br />

Jahrzehnten im Westen auf (in Amerika z.B. schon in<br />

der zweiten Hälfte der siebziger Jahre des vergangenen<br />

Jahrhunderts).<br />

Die erwähnten Massenmedien spielen eine besondere<br />

Rolle. Im kulturellen Bewusstsein existieren nur solche<br />

feministischen Autorinnen, die man nicht nur als Autorinnen<br />

vermarkten kann. Ich würde sogar die Behauptung<br />

wagen, je weniger sie Autorinnen sind, desto besser.<br />

Was aber sind sie dann<br />

Markante Persönlichkeiten, die sich eloquent, wenn auch<br />

immer im Rahmen des Korrekten (ihre Sperrigkeit ist nur<br />

eine Pose), zu jedem gesellschaftlich relevanten Thema<br />

äußern (Familienpolitik, die Ausgrenzung von Frauen,<br />

die Gewalt gegen sie, Sexualerziehung…). So funktioniert<br />

seit ein paar Jahren Sylwia Chutnik, der Liebling<br />

der bunten Blätter und des Frühstücksfernsehens.<br />

Die Medienindustrie stört das Übergewicht propagandistisch-feuilletonistischer<br />

Inhalte gegenüber dem Literarischen<br />

absolut nicht, das eine – offen gesagt – ziemlich<br />

nervige Eigenheit von Chutniks Prosa geworden ist; es<br />

stört nicht, weil sie nicht nach dem Literarischen fragen,<br />

was man ihnen natürlich nicht zum Vorwurf machen<br />

kann. An dieser Stelle trifft sich übrigens die Frauenliteratur<br />

mit der feministischen Literatur, obwohl keine der<br />

beiden dieses Treffen geplant hat. Beide Gattungen sind<br />

postliterarische, d.h. sie werden jenseits von Literatur<br />

praktiziert. Denn die Frauenliteratur blüht in einer<br />

Epoche, in der – um an die von Dubravka Ugresić in dem<br />

Band Czytanie wzbronione [Lesen verboten] gesammelten<br />

Skizzen anzuknüpfen – der Büchermarkt die Literatur<br />

als solche fast völlig verdrängt hat, und die feministische<br />

Prosa behauptet sich gar nicht schlecht in einer Welt,<br />

in der das Lesen schöner Literatur Zeitvergeudung ist.<br />

Es gibt ja so viele Dinge zu erledigen… Natürlich wichtigere<br />

als nur Belletristik.<br />

[Übersetzung: Ulrich Heisse]<br />

© Michal Aniempadystau<br />

Von den erwähnten Attributen erscheint jene Fähigkeit,<br />

emanzipatorische und politische Motive „aufzugreifen”,<br />

jenes spezifische Ausnutzen von Postulaten und Errungenschaften<br />

des Feminismus, als besonders aufschlussreich.<br />

Das Schmarotzertum, von dem hier die Rede ist,<br />

hat sich nämlich in der aktuellen Gestalt der dritten<br />

Form weiblichen Schreibens, nämlich der feministischen<br />

Literatur, deutlich niedergeschlagen. Es ist ja kein Zufall,<br />

dass in den letzten Jahren Begriffe wie „Pop-Feminismus”<br />

oder „Pseudo-Emanzipation” (beide aus der Sprache<br />

der Literaturkritik stammend) eine enorme Karriere

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