Nationalpark Hohe Tauern
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Harald Stadler<br />
Zur Siedlungsgeschichte der <strong>Hohe</strong>n <strong>Tauern</strong> vom ersten Auftreten des Menschen bis<br />
zum Beginn der Neuzeit<br />
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5<br />
Die fast wie eine Stigmatisierung wirkende Scheu vor den hochalpinen vereisten Zonen<br />
fand erst mit der touristischen Erschließung des Berges bzw. dem Aufkommen des<br />
Schisports im 19. Jh. ein Ende.<br />
Der Basler Archäologie Werner Meyer bringt den Tatbestand des jähen,<br />
unvorhergesehenen Todes einerseits und der nicht vollzogenen ordnungsgemäßen<br />
Bestattung andererseits mit der Motivkomponente des Abbüßens einer bestimmten Frist<br />
als eine Art kaltes Fegefeuer in Verbindung. Ein solcher Strafvollzug erscheint<br />
allerdings auch als Folge frevelhaften Verhaltens, beispielsweise des verpönten Jagens<br />
nach der weißen Gemse oder der gotteslästerlichen Verschwendungssucht der Sennen<br />
und Sennerinnen. Allen diesen schemenhaften Figuren ist gemeinsam, daß sie im<br />
Gletschereis die den Toten grundsätzlich zustehende Ewige Ruhe nicht finden können.<br />
Die nach Ablauf der ewigen Ruhe beim Endgericht auch dem Sünder zugesicherte<br />
Auferstehung des Fleisches ist nämlich im christlichen Glauben nicht zuletzt vom<br />
regulär vollzogenen Bestattungsritual abhängig.<br />
Bergtote, die der Gletscher freigibt, finden in der Öffentlichkeit fast immer großes<br />
Interesse, wofür die berühmteste Eisleiche, der Mann vom Hauslabjoch, ein beredtes<br />
Zeugnis ablegt. Immer noch zu wenig Beachtung finden indes Gegenstände, die aus<br />
dem Gletschereis zum Vorschein kommen und von einstigen Begehungen stammen,<br />
wie neolithische Holzbögen und mittelalterliche Armbrustbolzen mit Holzschaft sowie<br />
Resten der Befiederung aus dem Lötschentalgletscher in der Schweiz oder die<br />
hallstattzeitlichen Socken und Beinlinge aus Wolle von der Rieserfernergruppe auf 2850<br />
m Seehöhe, die ins 8.-6. Jh. v. Chr. datiert werden.<br />
Doch nicht nur die Archäologie profitiert vom Rückgang der Gletscher. Die von<br />
Mitarbeitern des Instituts für Hochgebirgsforschung der Universität Innsbruck seit 1991<br />
an den Gletscherrändern von Pasterze und Gepatschferner aufgelesenen Holzreste<br />
ergaben über C 14 Datierungen überraschende Alterswerte von ca. 10 000 vor heute und<br />
damit aufschlussreiche Ergebnisse zur Erstellung der Dendrokurve und zur holozänen<br />
Gletscherentwicklung in Tirol.<br />
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<strong>Nationalpark</strong> <strong>Hohe</strong> <strong>Tauern</strong>