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KerAmIK & reISen<br />
erdogan bringt uns zu der Werkstatt seines<br />
Freundes Harkan. Wieder stehen wir<br />
in einer der kühlen Höhlen und hier<br />
finden wir ausreichend Gelegenheit,<br />
uns in aller ruhe die traditionelle<br />
Töpferscheibe anzusehen. Wie schon<br />
zu Urzeiten ist das Schwungrad im<br />
boden verankert. darauf sind mit<br />
Ton verklebte <strong>Keramik</strong>röhren zu einer<br />
Welle übereinander montiert, welche<br />
den Scheibenkopf auf Arbeitshöhe<br />
bringen. dieser hat einen maximalen<br />
durchmesser von 15 cm und besteht<br />
vieler orts immer noch aus einem<br />
flachen Stein, der mit Ton einfach an die<br />
Welle geklebt wird; eine mehr als wackelige<br />
Angelegenheit, was äußerstes Feingefühl<br />
erfordert.<br />
der erste Freiwillige aus unserer Gruppe<br />
wagt sich an die ungewohnte Konstruktion<br />
heran. er setzt sich breitbeinig dahinter<br />
auf eine bank, tritt das Schwungrad mit dem<br />
Fuß an, erst zaghaft, dann kräftiger tretend.<br />
Schließlich verliert er so mit den beinen<br />
wedelnd und ohne Halt das Gleichgewicht<br />
und das Schwungrad sofort an Schwung.<br />
Schmunzelnd greift Harkan dem Aspiranten<br />
unter die Arme, bzw. ersetzt ihm die beine,<br />
indem er die wacklige maschinerie mit ge-<br />
zielten Tritten auf Touren bringt. der Kopf<br />
macht dabei beängstigende Schlenker und<br />
das zentrieren, zumindest für den Ungeübten<br />
zu einem Glücksspiel mit zweifelhaftem<br />
Ausgang. Harkan will uns zeigen, dass<br />
das doch gar nicht so schwierig ist und<br />
dreht in minutenschnelle eine komplette<br />
Teekanne mit Griff, Tülle und<br />
deckel und setzt alles noch feucht<br />
zusammen – „Fertig!“, grinst er.<br />
Auch ohne „Phallusnummer“ beim<br />
zentrieren ist das staunende Publikum<br />
begeistert. das war auch<br />
der Sinn der Übung und die<br />
frisch gedrehte Teekanne landet<br />
zum entsetzen der Touristen im<br />
Schlickereimer.<br />
„Hier in weniger exponierter<br />
Lage laufe das Geschäft nicht so gut“,<br />
klagt uns der meister sein Leid. das eigentliche<br />
Geschäft, von dem er und sein<br />
bruder leben können, spielt sich vor den Toren<br />
der Stadt ab. dort will er uns dann morgen<br />
hinführen.<br />
Als wir morgens um neun Uhr im "Gewerbegebiet"<br />
von Avanos ankommen, hat<br />
die Sonne schon wieder ihre volle Kraft erreicht.<br />
die Luft ist staubig, und während ein<br />
mit Töpfen beladener Lastwagen die Piste<br />
zwischen trostlosen betonhütten entlang<br />
rast, gehen wir, mund und nase zuhaltend<br />
in deckung. Harkan führt uns in eine dieser<br />
wenig romantischen zweckbauten. nur<br />
62 NEUE KERAMIK november / dezember 2008