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ein paar nackte Glühbirnen sorgen für eine<br />
mangelhafte Innenbeleuchtung. Hier drehen<br />
muskel bepackte und Ton verschmierte<br />
männer die großen, und aus mehreren Teilen<br />
bestehenden klassischen anatolischen vorratsbehälter<br />
im Akkord. Trotz des schmalen<br />
Fußes sind einige bis zu eineinhalb meter<br />
hoch. Keine Stelle in diesem raum, die nicht<br />
mit Tonspritzern überdeckt ist. Ständig müssen<br />
wir den Arbeitern auf den engen Gängen<br />
ausweichen, die mal wieder einen dieser<br />
gigantischen Töpfe auf kleinen rollwägen<br />
nach draußen in die anatolische Sommerhitze<br />
schleppen, bei 20% Luftfeuchtigkeit<br />
ist eine Trockenkammer überflüssig. Harkan<br />
zeigt stolz auf einen Überseecontainer, der<br />
vor der Werkstatt steht. Was hier produziert<br />
wird, erklärt er uns, geht in alle Welt hinaus.<br />
ABBILDUNGEN -<br />
linke Seite oben v.l.n.r.<br />
- Mehmet dreht und formt eine Hethitervase<br />
mitte - Hethitische Sonne - Hethitisches Spiel<br />
unten v.l.n.r.<br />
- "Hethitisches Motiv als Wandrelief"<br />
- "Hethitische Votiv-Stiere "<br />
- "Wandrelief von Erdogan Gülec"<br />
rechte Seite oben<br />
- "Raku-<strong>Keramik</strong><br />
unten v.l.n.r.<br />
- Vorbereitung eines klassischen Mosaiks<br />
als Wandrelief von Erdogan Gülec<br />
- "Moderne Vasen"<br />
- "Fuß einer Tischlampe"<br />
diese historischen vorratsbehälter kauft kein<br />
mensch mehr in der Türkei, aber woanders<br />
seien seine Waren als Garten- oder Hausdekorationen<br />
sehr gefragt. Wir sollen am Abend<br />
wieder kommen und dann könnten wir beim<br />
brennen in einem der haushohen Öfen zuschauen.<br />
es ist schon dunkel, als wir den ort des<br />
Geschehens erreichen. Auch erdogan ist da<br />
und hat zur Feier des Tages eine Flasche<br />
Löwenmilch, den allseits beliebten raki,<br />
mitgebracht. vor dem ofen arbeitet Harkans<br />
bruder im wahrsten Sinne des Wortes im<br />
Schweiße seines Angesichts: nur einen meter<br />
von der Feuersbrunst im Innern entfernt<br />
hockt mehmet mit tief ins Gesicht gezogener<br />
Schirmmütze und füttert im Sekundentakt<br />
die Flammen mit Strohhäcksel, das schon in<br />
der Luft verglüht. ein Helfer<br />
sorgt mit seiner Forke dafür,<br />
dass immer genug material<br />
griffbereit um mehmet herumliegt;<br />
fast versinkt er im<br />
weichen Stroh. Schließlich<br />
gibt Harkans bruder einen<br />
Hinweis, dass er abgelöst<br />
werden will. Als er sich zu<br />
uns auf den boden setzt,<br />
unterscheidet sich seine Gesichtsfarbe<br />
nicht sonderlich<br />
vom Glanze der ofenglut;<br />
nur die Stirn blieb durch die<br />
mütze unbeschadet. der aus<br />
Tuffsteinquadern gemauerte<br />
ofen hat einen Grundriss<br />
von etwa 4 x 4m. Im erdgeschoss<br />
wird das Feuer geschürt<br />
und im obergeschoss<br />
KAPPAdoKIen KerAmIK & reISen<br />
liegen die getrockneten und nicht glasierten<br />
Töpfe scheinbar wild durcheinander, aber mit<br />
System, wie man uns versichert. Immer wieder<br />
gibt der meister zeichen und dann wird das<br />
offene dach des ofens mithilfe von blechen,<br />
Pappen und sogar Tierfellen zu- und wieder<br />
aufgedeckt. einen Abzug gibt es nicht, die<br />
rauchgase werden durch die Töpfe hindurch<br />
nach oben geleitet. Schließlich bittet mehmet<br />
um ruhe und eine erwartungsvolle Stille<br />
umgibt den leise knisternden ofen. Plötzlich<br />
knackt es fürchterlich aus dem Innern. Wir<br />
zucken zusammen, aber der meister beruhigt<br />
uns. „Ganz normaler Ausschuss“ sagt erdogan.<br />
In dieser nacht sollte uns noch so manch unangenehmes<br />
Knacken zusammenfahren lassen.<br />
nach vielen Stunden Arbeit lassen sich<br />
alle erschöpft ins noch übrige Stroh fallen.<br />
erdogan bereitet über einer Schaufel Glut<br />
einige leckere Lammspieße zu, dazu gibt es<br />
brot, Salat und natürlich Löwenmilch, die uns<br />
später ein wenig Katzenjammer bereitet. Als<br />
wir gehen, kommt die Sonne bereits glutrot<br />
über die kappadokischen berge und ausgeschlafene<br />
nachbarinnen bringen schwatzend<br />
einige Krüge, um die restglut für heißes Wasser<br />
zu nutzen.<br />
Am nachmittag wollen wir noch einmal in<br />
die Stille des Liebestals, mit seinem vogelgezwitscher<br />
und seiner unverwechselbaren<br />
Felsformen, die eigentlich ganz unverfänglich<br />
„Feenkamine“ heißen, weil die Kappadokier<br />
sie für Schornsteine einer unterirdischen<br />
Geisterwelt hielten. nur die Töpfer aus Avanos<br />
wussten es schon immer besser!<br />
Susanne Oberheu ist <strong>Keramik</strong>erin, Autorin und<br />
Reiseleiterin.<br />
Infos über Kappadokien:<br />
Geografische Lage: Kappadokien liegt inmitten der anatolischen Hochebene im Herzen<br />
der Türkei auf einer Höhe von durchschnittlich 1000 meter. die nächste Großstadt,<br />
Kayseri, liegt 60 km entfernt.<br />
Anreise: Türkisch Airlines fliegt von mehreren deutschen Städten aus über Istanbul nach<br />
Kayseri.<br />
Literatur: „Kappadokien – ein reiseführer durch das Land der Feenkamine und Felsenburgen“<br />
ISbn: 978-3-8334-8086-7 bod-verlag 05/2007<br />
Reiseanbieter: Kappadokya Travel - ricklinger Str. 44, d – 31535 neustadt<br />
reiseleiterin und Töpferin Susanne oberheu bietet 10-tägige Wander- und rundreisen im<br />
zusammenhang mit Töpferkursen vor ort an:<br />
Tel. +49 (0)157-71 42 0162<br />
www.kappadokya-travel.com email: Avanos@gmx.de<br />
november / dezember 2008 NEUE KERAMIK 63