FINE Das Weinmagazin - 02/2013
FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: WEINGUT ROBERT WEIL
FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: WEINGUT ROBERT WEIL
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2 / <strong>2013</strong> Deutschland € 15<br />
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DAS WEINMAGAZIN<br />
Alexandra Pereyre de Nonancourt von Laurent-Perrier<br />
Jürgen Dollase bei Tim Raue<br />
spektakuläre Welt-Weinprobe<br />
Die grossen Weine der Maremma<br />
<strong>Das</strong> pfälzer Weingut Knipser<br />
Marchesi de’ Frescobaldi<br />
Château L’Evangile<br />
Weingut Grans-Fassian<br />
Château de Saint Cosme<br />
W E I N G U T R O B E R T W E I L
Wie der Vater, so die söhne<br />
Unsere wahre stärke<br />
liegt in den genen<br />
Die Geschichte von Land Rover begann 1947. Seitdem hat sich vieles<br />
verändert – und alles weiterentwickelt. Vom Design unserer Fahrzeuge<br />
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Alle Angaben wurden nach dem Messverfahren RL 80/1268/EWG ermittelt.
außerorts 9,7 – 6,7; kombiniert 12,8 – 7,3; CO 2 -Emissionen: kombiniert 298 – 194 g/km. CO 2 -Effizienzklassen G, F, C.
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2/<strong>2013</strong><br />
DAS WEINMAGAZIN<br />
Seite 16 Louis Barruol vom Château de Saint Cosme Seite 60 Alexandra Pereyre de Nonancourt<br />
von Laurent-Perrier<br />
Seite 68 Ein Leben für den Wein: Walter Eigensatz<br />
Seite 100 Château L’Evangile<br />
Seite 126 Werner Knipser und sein Weingut in der Pfalz<br />
Seite 136 Knipser versus Cloudy Bay<br />
8<br />
F I N E 2 / <strong>2013</strong>
D I E G R O S S E N W E I N E D E R W E L T<br />
INHALT<br />
Seite 48 Gerhard Grans<br />
vom Weingut<br />
Grans- Fassian<br />
Seite 28 <strong>Das</strong> Florentiner Traditionshaus<br />
Marchesi de’ Frescobaldi<br />
Seite 108 <strong>Das</strong> Weingut Robert Weil<br />
11 <strong>FINE</strong> Editorial Thomas Schröder<br />
16 <strong>FINE</strong> Rhône Louis Barruol vom Château de Saint Cosme<br />
28 <strong>FINE</strong> Toskana <strong>Das</strong> Florentiner Traditionshaus Marchesi de’ Frescobaldi<br />
38 <strong>FINE</strong> Wein & Speisen Jürgen Dollase bei Tim Raue<br />
48 <strong>FINE</strong> Mosel Gerhard Grans vom Weingut Grans-Fassian<br />
60 <strong>FINE</strong> Frauen im Wein Alexandra Pereyre de Nonancourt von Laurent-Perrier<br />
68 <strong>FINE</strong> Weinlegende Ein Leben für den Wein: Walter Eigensatz<br />
76 <strong>FINE</strong> Wein und Zeit Aufstieg, Fall und Zukunft des Müller-Thurgau<br />
Seite 82 Die Weine<br />
der Maremma<br />
82 <strong>FINE</strong> Toskana Die Weine der Maremma<br />
90 <strong>FINE</strong> Die Pigott Kolumne Identitätskrise im Weinparadies: <strong>Das</strong> Elsass<br />
94 <strong>FINE</strong> <strong>Das</strong> Große Dutzend Domaine Armand Rousseau Chambertin Grand Cru<br />
98 <strong>FINE</strong> Die schönen Dinge <strong>Das</strong> Seidentuch<br />
100 <strong>FINE</strong> Bordeaux Château L’Evangile (III)<br />
108 <strong>FINE</strong> Rheingau <strong>Das</strong> Weingut Robert Weil<br />
116 <strong>FINE</strong> Tasting Gipfeltreffen: Eine spektakuläre Welt-Weinprobe<br />
120 <strong>FINE</strong> Reiner Wein Anne Zielke: Der Weinsputnik<br />
122 <strong>FINE</strong> Weinwissen Über Flaschenverschlüsse<br />
126 <strong>FINE</strong> Pfalz Werner Knipser und sein Weingut in der Pfalz<br />
136 <strong>FINE</strong> Tasting Blind Date: Knipser versus Cloudy Bay<br />
140 <strong>FINE</strong> <strong>Das</strong> Bier danach Bernd Fritz: Über Kristallweizen<br />
Seite 116 Eine spektakuläre<br />
Welt-Weinprobe<br />
146 <strong>FINE</strong> Abgang Ralf Frenzel<br />
F I N E<br />
I n h a l t<br />
9
Mit Gaggenau gewinnt die Kunst der Zurückhaltung Ausdruck.<br />
Der Unterschied heißt Gaggenau.<br />
Scheinbar Widersprüchliches zu verbinden, ist eine Kunst,<br />
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D I E G R O S S E N W E I N E D E R W E L T<br />
Verehrte Leserin, lieber Leser,<br />
ist das nicht wunderbar: Wein<br />
macht Freude – und Freunde!<br />
<strong>Das</strong> ist vielleicht seine schönste,<br />
seine schätzenswerteste Eigenschaft<br />
und Wirkung, dass er<br />
Menschen zueinander bringt, dass er menschliches wie sachliches<br />
Interesse aneinander weckt, dass er Gespräche evoziert,<br />
die ohne seine belebende Kraft wohl nie möglich wären. Dieses<br />
beglückende Erlebnis wurde uns in den letzten Wochen mehrfach<br />
zuteil.<br />
Auf Einladung von Fine hatten sich, zur Feier unseres fünfjährigen<br />
Bestehens, zwanzig Granden der Weinwelt auf dem<br />
Riesling- Weingut Robert Weil in Kiedrich eingefunden, wo<br />
zugleich die Eröffnung des Keller-Neubaus mit einem gigantischen<br />
Fest begangen wurde. Mit ihren Spitzenweinen saßen da<br />
vier Winzer aus der Wachau und dem Kamptal – Franz Hirtzberger,<br />
Emmerich Knoll, Lucas Pichler und Michael Moosbrugger –,<br />
sechs Weinmacher aus Italien – die Marchesi Piero Antinori<br />
(Solaia) und Carlo Guerrieri Gonzaga (San Leonardo), Priscilla<br />
Incisa della Rocchetta (Sassicaia), Elisabetta Geppetti (Saffredi),<br />
Axel Heinz (Ornellaia) und Georg Weber (Monteverro) –, fünf<br />
Franzosen – Amélie Chatin von Cham pagne Ruinart, Fabienne<br />
Durou von Pichon Longueville Comtesse, Remi Edange von<br />
der Domaine de Chevalier, Jean Méo von Méo-Camuzet und<br />
François Wilhelm von der Maison Trimbach – zusammen mit<br />
dem Schweizer Daniel Gantenbein, dem Amerikaner Michael<br />
Silacci (Opus One), dem Spanier Alejandro Fernández von<br />
Pesquera, dem Argentinier Gonzalo Carrasco von Terrazas de<br />
los Andes und dem Hausherrn Wilhelm Weil.<br />
Zaghaft begann das Verkosten, ernste Mienen waren noch so<br />
sehr aufgesetzt, dass der Nestor der Runde, Alejandro Fernández,<br />
verwundert-verschmitzt fragte: Warum denn alle so traurig<br />
wären – wir tränken doch Wein miteinander! <strong>Das</strong> änderte sich<br />
rasch; bald war klar, dass jeder Wein, ob weiß, ob rot, ein Star,<br />
ein Weltstar für sich war, dass gewissermaßen auf Augenhöhe<br />
getrunken wurde. Schon erklang das erste Lachen, der Österreicher<br />
plauderte mit dem Amerikaner, der Franzose mit dem<br />
Florentiner, der Schweizer mit dem Kollegen aus den Anden.<br />
Und als sei der Geist des Weines in sie gefahren, wurde mit<br />
eins ein herzliches Gefühl der Zusammengehörigkeit lebendig,<br />
sodass, als zum Dinner ge beten wurde, die Gespräche entspannt<br />
quer über die Tische geführt wurden, die Scherzworte hin und<br />
her gingen: Wein familie, best gelaunte Elite war da versammelt,<br />
jeder und jede voller Passion für den eigenen großen Wein – und<br />
voller Respekt vor den großen Weinen der anderen. In heiterster<br />
Stimmung präsen tierten sie am nächsten Tag ihre Weine bald<br />
fünfzig internationalen Weinjournalisten – ein beeindruckendes<br />
Fine- Tasting, über das Caro Maurer berichtet.<br />
Ähnliches hatten wir Wochen zuvor in der Maremma erlebt,<br />
wo ein von Fine initiiertes Tasting die Winzer der bedeutenden<br />
Maremma-Weine auf Monteverro zusammenführte. Erst<br />
drei Jahrgänge hat das Weingut vorgelegt, die Neugier der Etablierten<br />
auf den Newcomer war also groß – so groß, dass Piero<br />
Antinori seine Önologenlegende Renzo Cotarella mitgebracht<br />
hatte. <strong>Das</strong> Debüt gelang; am Ende eines immer angeregter<br />
werden den Abends war Monteverro von der Hohen Runde der<br />
Maremma als Mitglied akzeptiert. Monteverro-Berater Michel<br />
Rolland nahm es wie Winzer Georg Weber mit Genugtuung zur<br />
Kenntnis. »Ein neues Weingut, einen neuen Wein zu lancieren<br />
ist heute schwieriger denn je«, kommentierte Marchese Antinori,<br />
»die Qualitätsdichte ist so hoch – man kann nur reüssieren, wenn<br />
gleich der allererste Auftritt in die Spitzenklasse führt.« Kristina<br />
Bäders Verkostungsnotizen können dies bezeugen.<br />
Wein kann aber noch mehr als freundschaftliche Gefühle<br />
wecken, kann mehr als Kommunikation emotional bereichern.<br />
<strong>Das</strong> Schicksal unseres Weinfreundes Walter Eigensatz belegt<br />
es eindringlich: Wein kann Lebensmut schenken, kann gar ein<br />
Leben retten. Sein geliebter Cheval Blanc hat ihn, wie er Rainer<br />
Schäfer erzählte, ins <strong>Das</strong>ein zurückgerufen. Wein als Lebenselixier:<br />
Gut, dass man ihn hat, wenn man ihn wirklich braucht!<br />
Thomas Schröder<br />
Chefredakteur<br />
F I N E<br />
E d i t o r i a l<br />
11
»Wenn man<br />
meine Weine<br />
modern nennt,<br />
dann ist das<br />
einfach dumm«<br />
Louis Barruol vom Château de<br />
Saint Cosme im südlichen Rhônetal<br />
ist ein Mensch mit vielen Talenten<br />
Seine Weine verschmelzen die Kraft des Südens<br />
mit einer extravaganten Frische<br />
Von Rainer Schäfer<br />
Fotos Marco Grundt<br />
Louis Barruol sieht mitgenommen aus, bleich und etwas zerknittert, als wenn er mehrere Nächte<br />
kein Bett mehr gesehen hätte. Sein grüner Fleece-Pullover ist am rechten Ellenbogen löchrig.<br />
Entweder er hat es nicht bemerkt oder es stört ihn nicht. Den Kragen hat er so weit wie möglich<br />
hochgeschlagen, wie um zu signalisieren: Bitte nicht ansprechen. Louis Barruol wird Charme und<br />
Charisma nachgesagt, an diesem Morgen hält er beides hinter einer kargen Mimik ver borgen. In<br />
der ver gangenen Nacht hat es geregnet, sein Leseteam kann nicht wie geplant in die Weinberge<br />
aus rücken, um den spät reifenden Grenache und Mourvèdre zu ernten. »Es ist nicht auszu halten«,<br />
knurrt er und gähnt ausgiebig. »Dieser Marathon will einfach nicht zu Ende gehen.« Zwei lange<br />
Monate dauert er schon, er hat Spuren hinterlassen. »Ich bin müde«, sagt er entschuldigend, » wirklich<br />
sehr müde.« Aber er ist bekannt dafür, dass er höchste Ansprüche stellt, an sich, an seine Weine. Er<br />
wird noch mal alle Kräfte mobilisieren, um die perfekten Trauben ernten zu können.<br />
16<br />
F I N E 2 / <strong>2013</strong>
F I N E<br />
R h ô n e<br />
17
18<br />
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Überragend: Die Kapelle des heiligen Kosmas aus dem<br />
11. Jahrhundert ist das Wahrzeichen und das Herzstück von<br />
Château de Saint Cosme. Zu ihren Füßen wachsen und<br />
reifen die Grenache-Trauben für den Gigondas Le Poste.<br />
Vom Dorf Gigondas aus windet sich die Straße noch ein<br />
paar Schleifen nach oben zum Château de Saint Cosme,<br />
das Louis Barruol leitet. Über dem Weingut steht eine Kapelle,<br />
im 11. Jahrhundert erbaut, die auf den meisten seiner Weinetiketten<br />
zu sehen ist. Sein Vater Henri hat die Skizze der<br />
Kapelle entworfen. »Sie ist das Herzstück unseres Weinguts«,<br />
sagt Barruol. Die Kapelle wurde zu Ehren des heiligen<br />
Kosmas errichtet, dem Schutzpatron der Ärzte und Heilenden.<br />
»Mein Vater behauptet, dass unser Wein von der Krankenkasse<br />
verschrieben werden müsste, weil er so gesund sei. Er<br />
macht selten Witze. Wenn er so etwas sagt, dann muss etwas<br />
daran sein.« Er lässt seinen Blick schweifen, über das grüne<br />
Tal, die gezackten Bergkämme der Dentelles de Montmirail<br />
und die knorrigen Rebstöcke, kräftig wie die Oberarme eines<br />
Bau arbeiters. Manche Reben sind mehr als hundert Jahre alt;<br />
insgesamt bewirtschaftet das Château zweiundzwanzig Hektar<br />
Weinberge. Louis Barruol hat vor allem Grenache angepflanzt,<br />
dazu noch Syrah und Mourvèdre. <strong>Das</strong> Château Saint Cosme<br />
liegt genau dort, wo zwei geologische Verwerfungen aufeinandertreffen<br />
und zwölf verschiedene Bodenarten freigeben.<br />
Im bunten Mosaik finden sich vor allem Kalk, Tonmergel und<br />
Sand. Wenn die Geologie schon so ein großzügiges Angebot<br />
mache, sagt Barruol, dann müsse er es auch nützen. Er baut<br />
auch die kleinsten Parzellen getrennt aus. Die Trauben reifen<br />
unterschiedlich auf ihrem Terroir und in ihrem Mikroklima,<br />
auch wenn die Reben manchmal nur wenige Meter voneinander<br />
entfernt stehen. »Wir fangen als Erste an zu ernten und<br />
hören als Letzte auf«, sagt er. Daran hält er fest, auch wenn es<br />
die Ernteperiode zur Tortur werden lässt.<br />
Louis Barruol zählt zu den besten und leidenschaftlichsten<br />
Winzern der Appellation Gigondas im Süden des Rhônetals.<br />
Der Weinkritiker Robert Parker adelte ihn schon Mitte<br />
der neunziger Jahre zu einem der »begabtesten Weinmacher<br />
der Rhône« und beglückwünschte ihn, über ein »magisches<br />
Terroir« verfügen zu können. Mit gerade einmal dreiundvierzig<br />
Jahren hat Barruol schon zwanzig Jahrgänge verantwortet<br />
und in Gigondas neue Maßstäbe gesetzt, für Qualität, Ausdruck<br />
und Persönlichkeit der Weine. Er stammt aus einer<br />
außer gewöhnlichen Familie. <strong>Das</strong> Weingut wurde 1490 gegründet,<br />
es ist das älteste in Gigondas. »Erst zwei Jahre später hat<br />
Kolumbus Amerika entdeckt«, sagt Barruol. 1570 kam es in<br />
den Besitz seiner Familie. Sein Vater Henri, inzwischen vierundachtzig<br />
Jahre alt, hat 1957 in das Château eingeheiratet.<br />
Zuvor hatte er Möbel entworfen und angefertigt, auf Fotos<br />
sieht er aus wie ein Schauspieler. »Er hat Wein gemacht wie ein<br />
Künstler, mit ganz viel Seele«, sagt sein Sohn. Henri Barruol<br />
hatte ein anderes Verständnis von Wein als die meisten Weinbauern<br />
in Gigondas: Für ihn war er mehr als ein alkoholisches<br />
Getränk, für ihn war er ein Kulturgut. Um dem gerecht zu<br />
werden, beschloss Henri Barruol schon Anfang der siebziger<br />
Jahre, biologischen Weinbau zu betreiben. Als er 1992 schwer<br />
erkrankte, musste Louis Barruol mit zweiundzwanzig Jahren<br />
schon die Verantwortung im Château übernehmen. Weinbau<br />
hat er nie studiert. »<strong>Das</strong> war nicht nötig. Mein Vater hat mir<br />
alles über Wein beigebracht. Er ist bis heute die einzige Autorität,<br />
die ich respektiere.« Stattdessen studierte er Betriebswirtschaft.<br />
»Ich wollte in der Lage sein, ein Unternehmen zu<br />
führen.« Hat es ihn belastet, in der vierzehnten Generation<br />
in diese Weindynastie einzutreten, die über so viel Tradition<br />
und Vermächtnis verfügt »Nein, nie«, sagt er, »in unserer<br />
Familie war die Idee von Freiheit immer wichtig. Ich konnte<br />
immer so arbeiten, wie ich wollte, und war glücklich damit.«<br />
Mit Herz und mit Hand<br />
Seine Mutter Claude, schon hoch in den Siebzigern, kommt<br />
um die Ecke, in knöchelhohen Stoffturnschuhen, wie Teenager<br />
sie tragen. Barruol strahlt und herzt sie. Längst hat er verdrängt,<br />
wie erschöpft er ist. Seine Augen blitzen pfiffig hinter<br />
der ovalen Brille, er ist ins Plaudern gekommen. Louis Barruol<br />
ist eine Persönlichkeit mit vielen Talenten: Er ist Musiker –<br />
wenn Zeit dafür bleibt, spielt er Cello. Er ist weit herumgekommen<br />
– als seine Winzerkollegen Frankreich noch als<br />
allerwichtigste Tangente der Weinwelt ansahen, flog er schon<br />
um die Welt, um seine Weine vorzustellen: in perfektem Englisch.<br />
Er ist schlank und durchtrainiert – im nahe gelegenen<br />
Städtchen Vaison-la-Romaine spielt er Rugby und nimmt eine<br />
der wichtigsten Positionen im Rugby Club Vaisonnais ein. Er<br />
ist der Fly-half, der Verbindungsspieler zwischen Angriff und<br />
Verteidigung, der die meisten taktischen Entscheidungen trifft<br />
F I N E<br />
R h ô n e<br />
19
28<br />
F I N E 2 / <strong>2013</strong>
Der Gesc hm ack von Geschichte<br />
Marchese Leonardo Frescobaldi<br />
bewahrt mit seinem Florentiner Weinhaus<br />
Marchesi de’ Frescobaldi eine Familientradition<br />
von sieben Jahrhunderten<br />
Von Heinz-Joachim Fischer Fotos Thilo Weimar<br />
F I N E<br />
T o s k a n a<br />
29
Gelassene Gegenwart: Marchese Leonardo, Oberhaupt der<br />
Familie Frescobaldi in neunundzwanzigster Generation,<br />
setzt auf Costanza, auf Beständigkeit. Sein Lieblingswein<br />
ist der Edel-Toskaner Mormoreto vom Castel Nipozzano.<br />
30<br />
F I N E 2 / <strong>2013</strong>
an kann sich Marchese Leonardo Frescobaldi auch gut in einer anderen Zeit<br />
1M! vor stellen. Nicht, weil der Chef des toskanischen Weinhauses Marchesi de’<br />
Frescobaldi mit bald zweiundsiebzig Jahren irgendwie unmodern oder gar angestaubt wirkte.<br />
In tadellos aufrechter Haltung, unauffällig in land-elegantes Tuch gekleidet, steuert der<br />
Edelmann seinen Mercedes- Kombi flott, zentimetergenau durch die enge Ausfahrt seines<br />
Florentiner Stadt-Palazzos in der Via Santo Spirito Nummer 11, direkt neben der Kirche<br />
zum Heiligen Geist. Zuvor musste er schnell oben im dritten Stock einige Anweisungen<br />
geben. In den Büros schwirrte und summte es wie in einem Bienenstock. <strong>Das</strong> Wein-Reich<br />
will ordentlich verwaltet sein. <strong>Das</strong> angesehene Mailänder Geldhaus Mediobanca setzt<br />
Frescobaldi mit einem 2011 überwiegend im Premium-Sektor erwirtschafteten Umsatz<br />
von 86 Millionen Euro auf die zwölfte Stelle in der Rangliste der italienischen Aziende<br />
vinicole – mit so be rühmten Weinen wie Mormoreto, Castelgiocondo oder Giramonte.<br />
Manche schreiben den Frescobaldi gar sagenhaften<br />
Einfluss unter den großen Familien<br />
der Welt zu, und unermesslichen Reichtum.<br />
Richtig ist, dass es Beziehungen der vielköpfigen<br />
Familie aus der Toskana zum englischen Königshaus<br />
gibt. Es stimmt auch, dass die Königin der<br />
Niederlande Beatrix zu Besuch in der Toskana war<br />
und sicher zu den Frescobaldi wieder kommen wird.<br />
Aber der Marchese ist diskret und macht von all<br />
dem kein Aufhebens. Vielleicht auch, weil die heutigen<br />
Royals von Rotwein nicht so begeistert sind<br />
wie etwa Heinrich VIII., dem im Reformationsjahr<br />
1517 vom Florentiner Haus eine ordentliche<br />
Ladung Rotwein nach London geliefert wurde.<br />
Nachzulesen in den Dokumenten des vom italienischen<br />
Ministerium für Kulturgüter im Internet<br />
zur Verfügung gestellten Archivio familiare. In<br />
dieser Sphäre also sind wir. Der Geschmack von<br />
Geschichte ist da.<br />
Leonardo Frescobaldis markantes Gesicht mit<br />
der ausgeprägten Nase, dem freundlichen Mund<br />
und den prüfenden Augen scheint vertraut, weil<br />
man es schon auf vielen Bildern gesehen zu haben<br />
glaubt: in Darstellungen erdverbundener Landedelleute<br />
auf den Tafeln des Mittelalters etwa oder<br />
auf den wunderschönen Fresken und Gemälden<br />
der Renaissance, die überall in den Palazzi und<br />
Kirchen von Florenz gegenwärtig sind. Die erste<br />
Frage, die amerikanische oder australische Journalisten<br />
dem Presidente Frescobaldi gewöhnlich<br />
stellen, ist, wie es sich denn anfühle, in der neunundzwanzigsten<br />
Generation – »oh my God« – die<br />
Familie zu leiten.<br />
Wir haben die schmalen Florentiner Gassen<br />
nach Osten hin verlassen und uns zum<br />
hundertsten Mal darüber gewundert, wie es die<br />
Italiener geschafft haben, um ihre wunderbaren,<br />
durch keinen Krieg zerstörten historischen Innenstädte<br />
so hässliche Vororte zu legen, als Leonardo<br />
Frescobaldi anfängt, von der Arbeit zu erzählen.<br />
F I N E<br />
T o s k a n a<br />
31
GEHEIMRAT »J«<br />
Riesling in Rheinkultur!<br />
www.wegeler.com
48<br />
F I N E 2 / <strong>2013</strong>
Mit wachem<br />
Blick fürs<br />
Wesentliche<br />
Gerhard Grans kann mit<br />
seinem Weingut Grans-Fassian<br />
an der Mosel auf eine erstaunliche<br />
Entwicklung blicken:<br />
hier entstehen feinste fruchtsüsse<br />
Rieslinge und jüngst auch<br />
erstklassige trockne Gewächse<br />
Von Till Ehrlich<br />
Fotos Christof Herdt<br />
Wer denkt, er kenne alles, was es an der Mosel an<br />
großen Rieslingen gibt, der irrt. Dafür ist das Gebiet<br />
einfach zu vielgestaltig und die Dynamik zu groß. Da<br />
öffnet sich eine ganze Welt, eigenständig, differenziert,<br />
voller geschmacklicher Finesse. Nicht nur die<br />
junge Winzergeneration macht rasante Entwicklungsschritte<br />
– auch manche Altmeister individualisieren<br />
und perfektionieren ihre Stilistik. Etwa Gerhard<br />
Grans aus Leiwen: Wenn man die einschlägige Weinliteratur<br />
der letzten zwanzig Jahre liest, zeichnet sich<br />
das Bild eines ambitionierten, engagierten Winzers<br />
aus der zweiten Reihe ab. Doch wenn man seine<br />
Weine unvoreingenommen beurteilt, bekommt man<br />
einen anderen Eindruck.<br />
F I N E<br />
M o s e l<br />
49
Angekommen: Mit einer Verkostung<br />
von vierzehn großen Bordelaisern<br />
aus dem Jahrgang 1986 wurde die<br />
Genesung von Walter Eigensatz<br />
gefeiert, darunter natürlich auch der<br />
Cheval Blanc, sein Lebenselixier.<br />
68<br />
F I N E 2 / <strong>2013</strong>
EIN LEBEN FÜR DEN WEIN: WALTER EIGENSATZ<br />
Mister Cheval Blanc<br />
und sein Gespür<br />
für Bordeaux<br />
Von Rainer Schäfer<br />
Fotos Guido Bittner<br />
<strong>Das</strong> Leben schien vorbei zu sein. Am 26. April 2012, einem Donners tag, fiel<br />
Walter Eigensatz ins Koma, ausgerechnet auf Mallorca, der Insel der Unbeschwerten.<br />
Nichts hatte darauf hingedeutet. Zwei Tage zuvor hatte er noch<br />
diniert bei Sternekoch Harald Wohlfahrt in Tonbach. Danach war er mit seiner Frau<br />
Karin auf die Mittelmeerinsel ge flogen, wo sie schon seit Ende der siebziger Jahre einen<br />
Teil ihrer Zeit verbringen. Die Ärzte hatten ihn fast schon aufgegeben, als er mit einer<br />
schweren Blutvergiftung in die Klinik ein geliefert wurde. Mit einer Infusion von sieben<br />
Litern Blut versuchten sie, sein Leben zu retten, aber er war noch zusätzlich durch einen<br />
Virus geschwächt. Nur eine winzige Chance bliebe, sagten die Ärzte: wenn er sich das<br />
rechte Bein amputieren ließe. Walter Eigensatz erinnert sich nicht daran, dass er die<br />
Ärzte beschworen haben soll: »Und wenn die Chancen eins zu fünfhunderttausend<br />
stehen, ich will leben.« <strong>Das</strong> Bein wurde amputiert, und lange Zeit sah es so aus, als ob<br />
er den Eingriff nicht überstehen würde. Erst am 8. Juli erwachte er wieder. Und wie.<br />
Gerade dem Tod von der Schippe gesprungen,<br />
verlangte Walter Eigensatz nach seinem<br />
Lieblingswein. »Ich habe davon geträumt, endlich<br />
wieder Cheval Blanc trinken zu können«, erzählt<br />
er. Vielleicht war es der Wunsch nach diesem<br />
Wein, der ihn aus dem Schattenreich zurückbrachte.<br />
Seiner Familie und den Freunden war klar:<br />
Mit Walti, wie sie ihn rufen, war wieder zu rechnen.<br />
Wenn er nach Cheval Blanc verlangte, dann musste<br />
das Schlimmste überstanden sein. Der Schweizer,<br />
Jahrgang 1939, zählt zu den ver siertesten Weinkoryphäen.<br />
Seine Kompetenz endet bei weitem<br />
nicht an den Grenzen des Bordelais. Wie kaum ein<br />
anderer Weinsammler hat er über die Jahrzehnte<br />
ein geradezu symbiotisches Verhältnis zu diesem<br />
Château in Saint-Emilion entwickelt. »Mister<br />
Cheval Blanc« wird er respektvoll in der Weinszene<br />
genannt. Walter Eigensatz hat alles darangesetzt,<br />
möglichst viele Weine aus den letzten<br />
Jahrhunderten zu verkosten. Cheval Blanc mit<br />
seiner fast schon artistischen Balance zwischen<br />
Kraft und Eleganz ist ihm dabei zum Lebenselixier<br />
geworden. Der Jahrgang 1947 mit seiner portweinähnlichen<br />
Opulenz ist für ihn der »beste Wein des<br />
letzten Jahrhunderts. Wenn ich ihn trinke, treten<br />
mir Tränen in die Augen.«<br />
Walter Eigensatz hat weltweit einige der<br />
erstaunlichsten Weinproben organisiert. Wie 1996<br />
in Luzern, wo er einhundertvierund vierzig Weine<br />
aus dem Jahrgang 1990 präsentierte. 2001 richtete<br />
er eine Verkostung auf Schloss Johannis berg aus;<br />
zur 900-Jahr-Feier des Schlossguts kamen mehr<br />
als fünfzig der renommiertesten Winzer und<br />
Weinsammler. Der Star des Abends aber war ein<br />
Riesling Goldlack aus dem Jahr 1862. Auf Mallorca<br />
ließ er vor zwei Jahren Weine aus dem Rioja<br />
von 1904 bis 1994 ausschenken. Wer an diesen<br />
Genussfeiern teilnehmen konnte, schwärmt noch<br />
heute davon. Walter Eigensatz gilt als exzellenter<br />
Verkoster, eine Fähigkeit, die man nur erringt,<br />
wenn man sich dem Wein hingibt, mit Leib und<br />
Seele. Geld ist dabei nur eine Voraussetzung, eine<br />
F I N E<br />
W e i n l e g e n d e<br />
69
DIE ERFOLGSGESCHICHTE<br />
AUS DEM RHEINGAU
AB SOFORT IM GUTEN BUCHHANDEL<br />
DER RIESLING – REBSORTE<br />
MIT VIELEN FACETTEN<br />
Der Riesling ist die spannendste, weil vielseitigste Rebsorte der Welt. Rieslingweine<br />
werden von trocken über feinherb bis edelsüß ausgebaut und sind jung als auch gereift<br />
zu genießen. Der epochale Bildband behandelt das komplexe Thema Riesling<br />
am Beispiel des Spitzen weinguts Robert Weil. Kein anderes deutsches Weingut hat<br />
in den vergangenen 20 Jahren basierend auf der Tradition solch eine beispielhafte<br />
Erfolgsgeschichte geschrieben.<br />
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Wein und Zeit ‹viii›<br />
»Eine neue Rebsorte«<br />
<br />
Aufstieg, Fall und Zukunft des Müller-Thurgau<br />
Von Daniel Deckers<br />
Foto Christof Herdt<br />
Der Königlich Bayerische Landesinspektor für Weinbau schloss im April 1914 die Arbeit<br />
an seinem ersten und einzigen Buch ab. »Weinbau und Weinbehandlung« lautet der Titel<br />
des schmalen, nicht einmal hundertfünfzig Seiten umfassenden Bändchens. Doch auf den<br />
Umfang kam es nicht an. Denn das Werk erschien in der renommierten »Thaer-Bibliothek«,<br />
die sich seit den 1860er Jahren mit kompakten Einführungen in alle Zweige der Landwirtschaft<br />
einen herausragenden Namen gemacht hatte. In ebensolchem Ruf stand aber auch der<br />
Verfasser: August Dern.<br />
76<br />
F I N E 2 / <strong>2013</strong>
Quelle Bibliothek Hochschule Geisenheim<br />
Wann der Verleger der im Berliner Verlag<br />
Paul Parey erscheinenden Bibliothek an<br />
den aus Flacht bei Diez an der Lahn stammenden<br />
Nassauer herangetreten war, lässt sich nicht<br />
mehr rekonstruieren. Nur das Anliegen ist überliefert.<br />
August Dern, der als langjähriger Weinbauwander<br />
lehrer in Rheinhessen, als Adminis trator<br />
des Weinguts Prinz von Preußen im Rheingau und<br />
als oberster Weinbaufachmann in Diensten des<br />
Königs von Bayern und Mitglied in allen wichtigen<br />
Weinbaugremien seiner Zeit über einen immensen<br />
Erfahrungsschatz verfügte, sollte das Bändchen<br />
»Weinbau. Anleitung zur ratio nellen Traubenzucht«<br />
überarbeiten, das im Jahr 1894 erschienen<br />
war. Dazu sah er sich nicht in der Lage: Binnen<br />
zweier Jahrzehnte hatte sich so viel im deutschen<br />
Weinbau getan, dass eine Fortschreibung der<br />
ersten Auflage nicht in Frage kam.<br />
Höhenflug und Absturz<br />
Am Vorabend des Ersten Weltkriegs stand deutscher<br />
Wein im Zenit seines Ruhms, und das auf<br />
dem heimischen wie auf dem Weltmarkt. Riesling<br />
aus den »Edelweinbaugebieten« Rheingau, Rheinpfalz<br />
und Rheinhessen sowie von Mosel und Saar<br />
waren auf den Weltausstellungen von Paris 1900<br />
und St. Louis 1904 als die besten Weißweine mit<br />
Auszeichnungen überhäuft worden. In der Heimat<br />
wurden sie auf den jährlichen Versteigerungen in<br />
Wiesbaden, Trier, Mainz oder Neustadt an der<br />
Haardt fast mit Gold auf gewogen. In den nobelsten<br />
Hotels und Restaurants von Hamburg, Zürich<br />
oder New York durften sie auf keiner Karte fehlen,<br />
ebensowenig an den Kaiserhöfen von Berlin, Wien<br />
und St. Petersburg. August Dern hatte diese Entwicklung<br />
begleitet und nach Kräften gefördert.<br />
1908 war er in Neustadt die treibende Kraft hinter<br />
der Gründung des Vereins der Naturweinversteigerer<br />
der Rheinpfalz, zwei Jahre später stand<br />
er beim Aufbau des Verbands Deutscher Naturweinversteigerer<br />
(VDNV, heute VDP) Pate. 1912<br />
wollte er auch in Franken einen Zusammenschluss<br />
von Naturweinversteigerern ins Leben rufen, was<br />
allerdings aus heute unerfind lichen Gründen<br />
scheiterte.<br />
Doch als August Dern sich an die Neubearbeitung<br />
des Weinbau-Büchleins machte, konnte<br />
auch er nicht absehen, wie lange der Höhenflug<br />
des deutschen Weins anhalten würde. An<br />
der Kriegsgefahr lag es nicht. Auch nicht an der<br />
Aus breitung der Reblaus. Im Vergleich zu Frankreich<br />
und Österreich-Ungarn, wo der Weinbau in<br />
vielen Regionen weitgehend zum Erliegen gekommen<br />
war, hatte die Reblaus im Deutschen Reich<br />
bislang wenig Unheil anrichten können. Nur die<br />
Reb flächen um das lothringische Metz und um<br />
Naumburg an der Saale waren aufgegeben worden.<br />
In allen anderen Regionen wurden Reblausherde<br />
so früh bekämpft, dass die Verseuchung auf kleine<br />
Flächen beschränkt blieb. Zugleich hatte vor allem<br />
der preußische Staat alles darangesetzt, Methoden<br />
zum Wiederaufbau befallener Rebflächen zu<br />
erforschen, allen voran die Pfropfung europäischer<br />
Edelreiser auf reblaustolerante Unterlagsreben<br />
aus Amerika.<br />
Doch was die Reblaus nicht vermochte hatte,<br />
schien anderen Schädlingen zu gelingen. Im<br />
Verein mit dem Heu- und Sauerwurm vernichteten<br />
der echte (Oidium) und der falsche (Peronospora)<br />
Mehltau, wie die Reblaus im zweiten Drittel<br />
des 19. Jahrhunderts aus Amerika eingeschleppt,<br />
fast Jahr für Jahr Weinernten im Wert von vielen<br />
Millionen Reichsmark. Abhilfe war trotz aller<br />
Anstrengungen der wissenschaftlichen Forschung<br />
nicht in Sicht, jedenfalls nicht im Kampf gegen<br />
den Heu- und Sauerwurm und die Peronospora.<br />
»Deren Bekämpfung hat den Weinbau vor neue<br />
Auf gaben gestellt und sie hat ihn verteuert,« so<br />
schilderte August Dern in der Einleitung seines<br />
Werks die neuen Gefahren.<br />
»Riesling x Sylvaner«<br />
Den ranghöchsten Weinbaubeamten Bayerns<br />
plagten jedoch nicht nur Zweifel, ob der Weinbau<br />
wegen der hohen und oft vergeblichen Aufwendungen<br />
für die Schädlingsbekämpfung<br />
langfristig noch rentabel sein könne. Weitsichtige<br />
Zeitgenossen wie er hatten längst erkannt,<br />
dass die Zukunft des Weinbaus auch von dem<br />
Ersatz minderwertiger Rebsorten und minderwertiger<br />
Pflanzen abhängen sollte. »<strong>Das</strong> Klima<br />
in Deutschland zwingt uns wegen des feuchteren<br />
Herbstes, hauptsächlich weiße Sorten anzubauen«,<br />
hielt August Dern fest und fuhr fort:<br />
»Aber gerade aus weißen Sorten läßt sich mehr<br />
Qualität heraus holen, besonders dann, wenn sie<br />
sorgfältig ausgewählt sind.« Der Landesinspektor<br />
dachte an Riesling, roten Traminer, Sylvaner,<br />
weißen Gutedel, Elbling, Ortlieber, weißen und<br />
grauen Burgunder und Ruländer, an gelben, roten<br />
und blauen Muskateller, roten Veltliner, Rotgipfler,<br />
Orleans, Heunisch, Silberweiß, Welschriesling<br />
und sogar gelben Mosler. Für die Erwähnung einer<br />
neuen Rebsorte namens »Riesling x Sylvaner«, die<br />
Dern aus der Schweiz nach Franken gebracht hatte,<br />
war es im April 1914 noch zu früh.<br />
Dabei war sich August Dern seiner Sache<br />
sicher. »Unter den vielen Betriebsfaktoren, die<br />
für den Erfolg des Weinbaus maßgebend sind,<br />
ist jedenfalls die Rebe selbst der wichtigste, und<br />
gerade darum hat man sich seither ganz allgemein<br />
viel zu wenig bekümmert«, monierte er in dem<br />
»Bericht des Königlichen Landesinspektors für<br />
Weinbau über seine Tätigkeit in den Jahren 1911,<br />
1912 und 1913«. Seine Mahnungen verhallten nicht<br />
ungehört. »1912 wurde eine bayerische Hauptstelle<br />
für die züchterische Behandlung der Weinrebe<br />
unter Leitung des Landesinspektors geschaffen,<br />
die erste derartige Organisation«, konnte er Ende<br />
Ein weiter Weg: Zwischen dem Weinbau-<br />
Büchlein von August Dern, der nach<br />
Lösungen für die Weinbaukrise Anfang<br />
des 20. Jahrhunderts suchte, und den<br />
Weinbergen des badischen Spitzenwinzers<br />
Bernhard Huber, der heute auch mit<br />
seinem Müller-Thurgau von sich reden<br />
macht, liegen hundert Jahre.<br />
F I N E<br />
W e i n u n d Z e i t<br />
77
»Wir müssen zu den<br />
Besten gehören.<br />
Wenn wir das<br />
heute noch nicht<br />
sind, dann sicher<br />
morgen.«<br />
Jean Pascal Vazart kann sich grosse Ambitionen leisten – als<br />
Leiter von Château L’Evangile, das im Norden das legendäre<br />
Château Pétrus zum Nachbarn hat und im Süden Château<br />
Cheval Blanc, das Spitzengut von Saint-Emilion. Sein Ziel ist es,<br />
L’Evangile nach Jahren des Stillstands zum Pomerol-Referenz-<br />
Weingut neben Pétrus und Château Lafleur zu machen.<br />
Von Christian Volbracht<br />
Fotos Camilo Rui<br />
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F I N E<br />
B o r d e a u x<br />
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,das0weingut0robert0weil<<br />
Ein Bauwerk wie eine Erzählung<br />
»Dieses Gebäudeensemble ist über Generationen gewachsen.<br />
Es wird nie unmodern werden, weil es nie modern war«<br />
Von Dieter Bartetzko<br />
Fotos Jürgen Nogai, Alex Habermehl<br />
F I N E<br />
R h e i n g a u<br />
109
1I!<br />
n Boscoreale, einem einstigen Vorort der antiken Vesuvstadt Pompeji, wurde 1978 eine Villa rustica ausgegraben. Wir würden<br />
das An wesen heute als Weingut bezeichnen. Denn es lag inmitten von Weingärten, die auf den hügeligen Ausläufern des Vesuv<br />
empor kletterten. Auch dienten, wie man herausfand, zwei Drittel der Gebäude dem Keltern und der Lagerung von Wein: In einem<br />
der größten Räume des Guts wurde eine stattliche Traubenpresse freigelegt, in Nebengelassen fanden sich Hunderte säuberlich aufgestapelter<br />
Amphoren. Außer diesen unverkennbar zum Abfüllen diverser Weinsorten bereitliegenden Gefäßen entdeckte man mehrere<br />
Dutzend fass förmiger tönerner Behältnisse, sogenannte Dolia, die in das Erdreich eines weiten überdachten Hofs eingesenkt waren.<br />
Darin wiederum sichteten die Archäologen sogar noch pechartig eingedickte Reste der einstigen Flüssigkeit – den jungen, gerade gekelterten<br />
Wein des Jahrgangs 79 nach Christus, den niemand mehr trinken sollte. Denn wenige Wochen nach der Lese brach der Vulkan<br />
aus und begrub mit Pompeji und Herculaneum auch dieses Weingut unter meterhohen Asche- und Lavaschichten. Doch wer weiß –<br />
vielleicht leerten während der letzten Tage von Pompeji die Besitzer des Weinguts einige Becher mit dem, was wir heute Federweißer<br />
nennen. Was wir wissen, ist, dass nicht nur zu Füßen des Vesuv, sondern überall in den Weinbaugebieten des Imperium Romanum die<br />
reichen Besitzer von Weingütern sich luxuriöse Wohnungen in ihre Gutshöfe einbauen ließen, wo sie sommers oder zur Zeit der Weinernte<br />
ihre Besitztümer genossen, die Lese überwachten, Gäste einluden und im Schatten der Reben tafelten.<br />
Und damit kommen wir nun endlich nach Kiedrich: Zwar ist bis heute<br />
unbekannt, ob auch hier, wie in weiten Teilen des Rheingaus, die Römer<br />
Wein anbauten und Villae rusticae anlegten. Aber denkbar ist es schon, dass<br />
der Ort dank seiner idealen Lage lange vor seiner ersten urkund lichen Erwähnung<br />
im Jahr 937 römische Weinbauern angezogen hat. So könnte es statt<br />
Zufall ein Zeichen unbewusster, Jahr tausende überspannender Kontinuität<br />
sein, dass mit dem Weingut Robert Weil in Kiedrich ein Anwesen existiert,<br />
in dem das antike Miteinander von luxuriöser Villa und Winzerbetrieb einen<br />
neuzeitlichen Nachfolger gefunden hat. Eines jedenfalls steht fest: Wer einmal<br />
vor dem ausgegrabenen Eingang des Weinguts der pompejanischen Familie<br />
der Istacidii in Boscoreale gestanden hat, der wird vor dem Portal des Weinguts<br />
Robert Weil in Kiedrich unweigerlich Verwandtes erkennen. Hier wie<br />
da ein imposantes Tor in einer stattlichen Mauer, und da wie dort beschirmen<br />
höhere Mächte den Zugang – in Boscoreale sind es zwei geflügelte Sphingen<br />
aus Tuff, in Kiedrich die Nachbildung einer gotischen Madonna aus Rotsandstein.<br />
Die Gestalten mögen sich gewandelt haben, die Aussage ist die gleiche<br />
geblieben: Jede Kulturleistung bedarf neben menschlicher Tüchtigkeit auch<br />
glücklicher Fügung von oben. Ein kunstvolles schmiedeeisernes Tor am entgegengesetzten<br />
Ende der Mauer, durch das man das Weingut vom historischen<br />
Ortskern aus betreten kann, ist stolz geschmückt durch das leuchtend<br />
rote Familienwappen der Weils.<br />
Der erste Bauherr auf dem Gelände des heutigen Weilschen Anwesens,<br />
Baronet John Sutton, hatte anderes als Weinbau im Sinn, als er 1869 in Kiedrich<br />
ein winziges, verfallenes Winzer haus kaufte und zu einem kleinen Landsitz<br />
im Tudorstil umbauen ließ. Ihm ging es vorrangig darum, in Sichtweite der<br />
gotischen Sankt Valentinskirche und der herrlichen Michaelskapelle zu leben,<br />
deren Restaurierung er ebenso finanzierte wie die bald berühmte Choralschule<br />
der kleinen Stadt.<br />
Der Baronet, in dessen Heimat mit dem Sommerhaus Strawberry Hill<br />
des Schriftstellers Horace Walpole 1776 das Gothic Revival begonnen hatte,<br />
wusste, was er sich, seinem Stand und der in England geborenen Baukunst des<br />
Historismus schuldig war, die mittlerweile ganz Europa zu erobern begann:<br />
Der Umbau der Kiedricher Kate ließ ein pitto reskes Gebäude entstehen, das<br />
den Vergleich mit den originalen Tudor-Villen Englands nicht zu scheuen<br />
braucht: Selbst für Kenner ist es noch heute schwierig, die charakteristischen<br />
eselsrückenförmigen Tudorbögen und dunklen Holzvertäfelungen außen<br />
110<br />
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Malerisches Capriccio in Kiedrich: Gemeinsam mit der pittoresken gotischen<br />
Kirche Sankt Valentin bietet das sorgsam restaurierte, vom englischen Baronet<br />
John Sutton 1879 im gotisierenden Tudor stil erbaute Haupthaus des Riesling-<br />
Weinguts Robert Weil mit Spitztürmchen, Erker und hölzernen Galerien das<br />
Prachtbild eines romantischen Ensembles. Links schließen sich die moderne<br />
Vinothek, rechts die Verbindungsbauten zur spektakulären neuen Kellerei an.<br />
oder die Balkendecken, Intarsien, Dielen böden und reich geschnitzten Türblätter<br />
und Fensternischen im Innern der Sutton-Villa von den Originalen<br />
in Chester oder London zu unterscheiden. In stillen Momenten meint man,<br />
jederzeit könnten Königin Elizabeth I. oder William Shakespeare eintreten.<br />
<strong>Das</strong> Haus des Baronet hat sich fast unversehrt erhalten. Vom beweglichen<br />
Mobiliar allerdings ist nur ein elegant geschweifter Lehnstuhl geblieben.<br />
Doch auf ihm hätte auch die anspruchsvolle Good Queen Bess ohne Zaudern<br />
Platz genommen, so täuschend echt ist er den Originalen des 16. Jahr hunderts<br />
nachgestaltet. Heute dient das Sitzmöbel, dessen Holz mehr als einhundertfünfzig<br />
Jahre einen unvergleichlichen Seidenschimmer verliehen haben, als<br />
Ehrenplatz intimer Weinproben, die im Hauptraum in der geschichts trächtigen<br />
Atmosphäre des Sutton-Hauses stattfinden.<br />
Aus kunsthistorischer Perspektive ist der anglophile Kernbau des heutigen<br />
Weinguts der Pionier eines spezifischen Historismus-Zweigs in Deutschland.<br />
Ein beeindruckendes Beispiel dafür hat sich im nahen Kronberg er halten:<br />
Schloss Friedrichshof, das die Witwe des deutschen Kaisers Friedrich III.,<br />
eine Tochter Queen Victorias, 1889 im Tudorstil errichten ließ. Um ein vergleichbar<br />
pompöses Anwesen zu finden, muss man rund sechshundert Kilometer<br />
nach Osten reisen. Nach Potsdam nämlich, wo das fast jedem Deutschen<br />
bekannte Schloss Cecilienhof steht, das 1914, gleichfalls im Tudorstil gestaltet,<br />
Wilhelm II. als Wohnsitz des Kronprinzen und im Andenken an seine englischen<br />
Verwandten in Auftrag gab. Während der Cecilienhof geplant wurde –<br />
und bereits davor –, trank man in Berlin bei Kaisers gern eine 1893er Kiedricher<br />
Auslese aus dem Weingut Robert Weil.<br />
Auch an das österreichische Kaiserhaus, an die englischen Könige und den<br />
russischen Zarenhof lieferte das Gut seinen berühmten Riesling – und an die<br />
Stätten des Geldadels: die Luxushotels diverser Großstädte, allen voran das<br />
legendäre Hotel Adlon in Berlin. Was Wunder also, dass das Weingut unter<br />
diesen Voraussetzungen rund um das vergleichsweise winzige Tudor-Haus<br />
des Baronet zweimal erweitert wurde: Bauherr war beide Male Dr. Robert<br />
Weil, der 1879 das Anwesen käuflich erworben hatte. Eine seiner ersten Maßnahmen<br />
war im gleichen Jahr der Ankauf weiterer Weinberge und die prächtige<br />
Erweiterung des Tudor-Hauses in Gestalt einer großräumigen Villa mit<br />
weitem Blick in die umgebenden Weinberge und über die Dächer Kiedrichs.<br />
Hauptmerkmale des ersten Erweiterungsbaus wurden ein monumentales<br />
steiles Satteldach mit ortstypischer Schieferdeckung, üppiges, mit<br />
Kennzeichen der Gotik versehenes Fachwerk im sogenannten fränkischen<br />
Stil und ein seitlich angefügter Wohnturm mit umlaufendem Altan. Dieser<br />
gipfelt in einer kühn verschachtelten<br />
Schiefer haube mit steiler Achteckspitze,<br />
deren Umriss die gotische<br />
Himmelstürmerei des nahen Turms<br />
von St. Valentin zitiert; das Ganze ist<br />
ein malerisches Capriccio aus behaglichem<br />
Patrizierhaus und gotischem<br />
Herrensitz. Als Bauherr orientierte<br />
sich Robert Weil damit weniger an<br />
England als vielmehr an den historischen<br />
Bauten der Landschaften<br />
ringsum. Aufmerksame Betrachter<br />
finden so manches Bürgerhaus des<br />
Rheingaus in den Lauben gängen,<br />
Erkern, Altanen, Zwerchhäusern<br />
und gotischen Lanzettfenstern der<br />
F I N E<br />
R h e i n g a u<br />
111
»Man muss offen<br />
bleiben. Es gibt<br />
immer wieder<br />
Lektionen.«<br />
126<br />
F I N E 2 / <strong>2013</strong>
Gewissenhaft und beharrlich hat Werner Knipser aus dem<br />
pfälzischen Laumersheim den traditionellen Rebsortenspiegel<br />
um rote wie weisse Trauben erweitert. Er wurde damit zum Vorreiter<br />
und Ideengeber nicht nur der Pfalz. Doch ein Einzelkämpfer<br />
ist der heimat verbundene Familien mensch nicht.<br />
Von Martin Wurzer-Berger<br />
Fotos Johannes Grau<br />
Alle packen an: Zum Wohl<br />
ihres Weinguts arbeiten<br />
Werner Knipser, sein jüngerer<br />
Bruder Volker und sein Sohn<br />
Stephan gern Hand in Hand.<br />
Seine Tochter Sabine amüsiert<br />
sich am Steuer des piekfeinen<br />
Oldtimer-Lieferwagens über das<br />
schöne Bild des Familienfleißes.<br />
F I N E<br />
P f a l z<br />
127
Die Einfahrt zum Weingut Knipser liegt direkt an der Hauptstraße<br />
von Laumersheim. Die beiden Torflügel sind einladend ge öffnet. Auf<br />
der Hoffläche spielen zwei Kinder in der Sonne, die kurz zwischen<br />
den Wolken hervorlugt. Der Frühling lässt sich in diesem Jahr<br />
reichlich Zeit. Vor der Probierstube warten Tische und Bänke auf<br />
kundige Gäste. Doch die Besucher ziehen heute die großzügige,<br />
unauf dringlich modern gestaltete Probierstube vor. Lachen liegt in<br />
der Luft. Wein beschwingt auch an kühlen Tagen.<br />
Sabine Knipser, die Tochter des Hauses, führt uns zu ihrem<br />
Vater. Durch ältere Gebäudeteile, wo ein betagter Lanz<br />
Bulldog auf seine Restaurierung wartet und Gitterboxen mit<br />
allerlei Bau- und Arbeitsmaterial und hohe Stapel mit Weinkartonagen<br />
lagern. Schließlich öffnet sich ein großes Tor auf<br />
eine schmale Straße. Der Blick fällt auf eine hell verputzte, mit<br />
roten Ziegeln gedeckte Halle. Seit knapp zehn Jahren schon<br />
steht sie hier auf dem ehemaligen Kirchenacker. Bald soll sie<br />
für die Geräte und Maschinen des Außenbetriebs erweitert<br />
werden. »Am Weingut werden wir dann den Garten schöner<br />
machen und einen Barrique-Keller zum Vorzeigen bauen«,<br />
freut sich Sabine Knipser.<br />
Mit den schlanken Rundbogenfenstern in der Stirnseite<br />
und den niedrigeren Seitenschiffen wirkt die Halle fast wie<br />
eine Basilika. Eine sakrale Stimmung wird in ihrem zweckmäßigen<br />
Innern dennoch kaum aufkommen: zahllose Gärbehälter<br />
aus Edelstahl und aus mächtigem Holz, teilweise in<br />
zwei Etagen, in der Mitte eine große Filterpresse, die offensichtlich<br />
gerade noch im Einsatz war, betriebsame Menschen<br />
allenthalben. Weiter hinten liegen die Barriques. Mitten durch<br />
das Gewimmel technischer Armaturen und hallenhoher Tanks<br />
geht es in den Mannschaftsraum. Ein langer Tisch steht in<br />
der Mitte.<br />
Den Raum erfüllt ein voller Bratenduft. Werner Knipser,<br />
angetan mit einer kleidsamen Schürze, kommt mit<br />
einem breiten Lachen aus der Küche dahinter. Gerade bereitet<br />
er Ochsen backen für das abendliche Essen vor. Nur Zwiebeln,<br />
Tomaten, Lorbeer, Wacholder, Salz und Pfeffer kommen an<br />
das Fleisch. »Und für die Bindung eine große Kartoffel. Die<br />
fehlt noch.« Sagt es und verschwindet wieder. Die Bäckchen<br />
werden wunderbar schmecken. Die Knipsers kochen und<br />
genießen gern. Am Tisch wird spätabends zur allgemeinen<br />
Erheiterung im schönsten Pfälzisch der Spruch »Wammer<br />
wach sin, hammer Hunger, wammer satt sin, simmer mied –<br />
Wenn wir wach sind, haben wir Hunger, wenn wir satt sind,<br />
sind wir müde« zum Besten gegeben. Aber da haben alle,<br />
Werner, Volker, Stephan und Sabine, schon einen sehr langen<br />
Arbeitstag und eine ausgedehnte Probierrunde im Barrique-<br />
Lager hinter sich.<br />
128<br />
F I N E 2 / <strong>2013</strong>
Alles sieht gut aus: Als ein pfälzisches Vorzeigegut<br />
präsentieren sich Haus und Hof der Knipsers.<br />
Prächtig gelungen erscheint Volker Knipser auch<br />
der Spätburgunder, den er prüfend betrachtet.<br />
Der alte Holzweg, der von Laumersheim in den Pfälzerwald<br />
führt, ist lehmig und aufgeweicht. Auch mit zugeschaltetem<br />
Allradantrieb müht sich der Pickup redlich. Die Regenfront,<br />
die gerade noch die Tropfen aufs Wagendach prasseln<br />
ließ, zieht Richtung Rhein. Ein voller Regenbogen, ein stiller<br />
Moment angesichts seiner duftigen Vergänglichkeit, dann lebt<br />
das angeregte Gespräch wieder auf. Werner Knipser lenkt<br />
den Wagen, im Fond sitzt sein jüngerer Bruder Volker. Sie<br />
kennen hier jeden Quadratmeter. Durch ihre Erzählungen und<br />
Be schreibungen gewinnen die Weinberge, die ganze Landschaft<br />
ein klar konturiertes Profil. Jetzt meint auch der Ortsfremde,<br />
ein riesiges Amphitheater zu erkennen.<br />
Im Westen zeichnet sich der Höhenzug der Haardt ab, der<br />
fast parallel zum Rhein verläuft. An seiner Ostflanke –<br />
in seinem Regenschatten – gibt es verhältnismäßig geringe<br />
Nieder schläge. Die reichen aus, um die Reben zu versorgen,<br />
und lassen die Trauben trocken und gesund zu hoher Reife<br />
finden, besonders um die Weinorte Großkarlbach, Laumersheim<br />
und Dirmstein. Zwei flache Hügelketten ziehen sich vom<br />
F I N E<br />
P f a l z<br />
129
Abgang<br />
Wie alles begann …<br />
Fünf Jahre Fine – Anlass für eine kleine Feier mit einigen der renommiertesten<br />
Winzer der Welt. Sie und viele andere waren gern unserer<br />
Einladung auf das Weingut Robert Weil gefolgt, um im kleineren und im<br />
größeren Kreis einige ihrer besten Weine zu verkosten.<br />
Fünf Jahre Fine – Anlass auch für einen Rückblick, nicht nur auf den<br />
Erfolg dieses Magazins, sondern vor allem auf den des deutschen Weins<br />
und seiner Protagonisten.<br />
Vor dreißig Jahren gehörte die Ente vom Lehel im Nassauer Hof in<br />
Wiesbaden zu den wenigen Spitzenrestaurants, die sich für deutsche<br />
Weine engagierten und sie auf der Weinkarte anboten. <strong>Das</strong> war revolutionär,<br />
aber konsequent, denn in der sich wandelnden Restaurantszene<br />
wurde nach trocknen Weinen verlangt, die zum Essen passten.<br />
Und die kamen hauptsächlich aus Frankreich. Die 1983er Hattenheimer<br />
Nussbrunnen Spätlese, eine Exklusivabfüllung des Weinguts Langwerth<br />
von Simmern, wurde so zum Referenzwein und zum Vorläufer für viele<br />
Weine, die heute in Deutschland entstehen.<br />
Die Zahl der engagierten Winzer wächst, die eine hervorragende<br />
Arbeit machen und dafür sorgen, dass sich der deutsche Wein heute international<br />
wieder mit den größten Weinen der Welt messen kann. Während<br />
der Vorbereitung zu unserem kleinen Jubiläum fiel immer wieder ein<br />
Name, der auch von den Winzerkollegen als einer der führenden in<br />
Deutschland anerkannt wird: Wilhelm Weil vom Weingut Robert Weil.<br />
<strong>Das</strong> freut mich umso mehr, als wir vor zwei Jahren beschlossen haben,<br />
gemeinsam ein Buch über den Riesling und das Weingut Weil zu machen.<br />
Zur Einweihung der neuen Kellerei in Kiedrich konnten wir den Band<br />
präsen tieren. <strong>Das</strong> Weingut, das sich in seiner fast einhundertfünfzigjährigen<br />
Geschichte einen einzigartigen Ruf für vollendete edelsüße<br />
Rieslinge erworben hat, war auch an der internationalen Reputation<br />
trockner Weißweine aus Deutschland erheblich beteiligt. Bei unserer<br />
Jubiläumsverkostung musste Wilhelm Weil mit seinem 2004er Kiedricher<br />
Gräfen berg Riesling Erstes Gewächs den Vergleich mit großen Rieslingen<br />
aus Österreich und dem Elsass wahrhaftig nicht scheuen.<br />
Vor hundert Jahren genossen deutsche Weine im In- und Ausland<br />
enormes Ansehen und erzielten höchste Preise. Um wieder dahin zu<br />
kommen, ist es noch ein weiter Weg. Ein Weg, auf dem wir die Winzer<br />
gern begleiten.<br />
Ralf Frenzel<br />
Herausgeber<br />
146<br />
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