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FINE Das Weinmagazin - 02/2013

FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: WEINGUT ROBERT WEIL

FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: WEINGUT ROBERT WEIL

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E U R O P E A N F I N E W I N E M A G A Z I N E<br />

Deutschland · Österreich · S chweiz · Skandinavien · Grossbritannien · USA · Australien<br />

2 / <strong>2013</strong> Deutschland € 15<br />

Österreich € 16,90<br />

Italien € 18,50<br />

Schweiz chf 30,00<br />

DAS WEINMAGAZIN<br />

Alexandra Pereyre de Nonancourt von Laurent-Perrier<br />

Jürgen Dollase bei Tim Raue<br />

spektakuläre Welt-Weinprobe<br />

Die grossen Weine der Maremma<br />

<strong>Das</strong> pfälzer Weingut Knipser<br />

Marchesi de’ Frescobaldi<br />

Château L’Evangile<br />

Weingut Grans-Fassian<br />

Château de Saint Cosme<br />

W E I N G U T R O B E R T W E I L


Wie der Vater, so die söhne<br />

Unsere wahre stärke<br />

liegt in den genen<br />

Die Geschichte von Land Rover begann 1947. Seitdem hat sich vieles<br />

verändert – und alles weiterentwickelt. Vom Design unserer Fahrzeuge<br />

bis hin zum Leistungsvermögen, das heute wie damals eine Klasse für<br />

sich darstellt. Ein Land Rover ist und bleibt eben ein Land Rover.<br />

landrover.de<br />

Verbrauchs- und Emissionswerte Neuer Range Rover Sport: Kraftstoffverbrauch (l/100 km) innerorts 18,3 – 8,3;<br />

Alle Angaben wurden nach dem Messverfahren RL 80/1268/EWG ermittelt.


außerorts 9,7 – 6,7; kombiniert 12,8 – 7,3; CO 2 -Emissionen: kombiniert 298 – 194 g/km. CO 2 -Effizienzklassen G, F, C.


E U R O P E A N F I N E W I N E M A G A Z I N E<br />

2/<strong>2013</strong><br />

DAS WEINMAGAZIN<br />

Seite 16 Louis Barruol vom Château de Saint Cosme Seite 60 Alexandra Pereyre de Nonancourt<br />

von Laurent-Perrier<br />

Seite 68 Ein Leben für den Wein: Walter Eigensatz<br />

Seite 100 Château L’Evangile<br />

Seite 126 Werner Knipser und sein Weingut in der Pfalz<br />

Seite 136 Knipser versus Cloudy Bay<br />

8<br />

F I N E 2 / <strong>2013</strong>


D I E G R O S S E N W E I N E D E R W E L T<br />

INHALT<br />

Seite 48 Gerhard Grans<br />

vom Weingut<br />

Grans- Fassian<br />

Seite 28 <strong>Das</strong> Florentiner Traditionshaus<br />

Marchesi de’ Frescobaldi<br />

Seite 108 <strong>Das</strong> Weingut Robert Weil<br />

11 <strong>FINE</strong> Editorial Thomas Schröder<br />

16 <strong>FINE</strong> Rhône Louis Barruol vom Château de Saint Cosme<br />

28 <strong>FINE</strong> Toskana <strong>Das</strong> Florentiner Traditionshaus Marchesi de’ Frescobaldi<br />

38 <strong>FINE</strong> Wein & Speisen Jürgen Dollase bei Tim Raue<br />

48 <strong>FINE</strong> Mosel Gerhard Grans vom Weingut Grans-Fassian<br />

60 <strong>FINE</strong> Frauen im Wein Alexandra Pereyre de Nonancourt von Laurent-Perrier<br />

68 <strong>FINE</strong> Weinlegende Ein Leben für den Wein: Walter Eigensatz<br />

76 <strong>FINE</strong> Wein und Zeit Aufstieg, Fall und Zukunft des Müller-Thurgau<br />

Seite 82 Die Weine<br />

der Maremma<br />

82 <strong>FINE</strong> Toskana Die Weine der Maremma<br />

90 <strong>FINE</strong> Die Pigott Kolumne Identitätskrise im Weinparadies: <strong>Das</strong> Elsass<br />

94 <strong>FINE</strong> <strong>Das</strong> Große Dutzend Domaine Armand Rousseau Chambertin Grand Cru<br />

98 <strong>FINE</strong> Die schönen Dinge <strong>Das</strong> Seidentuch<br />

100 <strong>FINE</strong> Bordeaux Château L’Evangile (III)<br />

108 <strong>FINE</strong> Rheingau <strong>Das</strong> Weingut Robert Weil<br />

116 <strong>FINE</strong> Tasting Gipfeltreffen: Eine spektakuläre Welt-Weinprobe<br />

120 <strong>FINE</strong> Reiner Wein Anne Zielke: Der Weinsputnik<br />

122 <strong>FINE</strong> Weinwissen Über Flaschenverschlüsse<br />

126 <strong>FINE</strong> Pfalz Werner Knipser und sein Weingut in der Pfalz<br />

136 <strong>FINE</strong> Tasting Blind Date: Knipser versus Cloudy Bay<br />

140 <strong>FINE</strong> <strong>Das</strong> Bier danach Bernd Fritz: Über Kristallweizen<br />

Seite 116 Eine spektakuläre<br />

Welt-Weinprobe<br />

146 <strong>FINE</strong> Abgang Ralf Frenzel<br />

F I N E<br />

I n h a l t<br />

9


Mit Gaggenau gewinnt die Kunst der Zurückhaltung Ausdruck.<br />

Der Unterschied heißt Gaggenau.<br />

Scheinbar Widersprüchliches zu verbinden, ist eine Kunst,<br />

die wir perfekt beherrschen. Unser unverwechselbares<br />

Design zeigt selbst in kompromissloser Reduktion Charakter.<br />

Wie die neue Backofen-Serie 200, eine Komposition in den<br />

Gaggenau Farbtönen Anthrazit, Metallic oder Silber, die<br />

sich stilvoll in jedes Ambiente einfügt. Ausdruck und Zurückhaltung<br />

erweisen sich nicht als Gegensatz, sondern vereinen<br />

sich in vollkommener Harmonie.<br />

Informieren Sie sich unter 01801 1122 11 (3,9 Ct./Min.<br />

a. d. Festnetz der Telekom, Mobilfunk max. 0,42 €/Min.)<br />

oder unter www.gaggenau.com.<br />

Entdecken Sie unsere neuen Backofen-Serien.


D I E G R O S S E N W E I N E D E R W E L T<br />

Verehrte Leserin, lieber Leser,<br />

ist das nicht wunderbar: Wein<br />

macht Freude – und Freunde!<br />

<strong>Das</strong> ist vielleicht seine schönste,<br />

seine schätzenswerteste Eigenschaft<br />

und Wirkung, dass er<br />

Menschen zueinander bringt, dass er menschliches wie sachliches<br />

Interesse aneinander weckt, dass er Gespräche evoziert,<br />

die ohne seine belebende Kraft wohl nie möglich wären. Dieses<br />

beglückende Erlebnis wurde uns in den letzten Wochen mehrfach<br />

zuteil.<br />

Auf Einladung von Fine hatten sich, zur Feier unseres fünfjährigen<br />

Bestehens, zwanzig Granden der Weinwelt auf dem<br />

Riesling- Weingut Robert Weil in Kiedrich eingefunden, wo<br />

zugleich die Eröffnung des Keller-Neubaus mit einem gigantischen<br />

Fest begangen wurde. Mit ihren Spitzenweinen saßen da<br />

vier Winzer aus der Wachau und dem Kamptal – Franz Hirtzberger,<br />

Emmerich Knoll, Lucas Pichler und Michael Moosbrugger –,<br />

sechs Weinmacher aus Italien – die Marchesi Piero Antinori<br />

(Solaia) und Carlo Guerrieri Gonzaga (San Leonardo), Priscilla<br />

Incisa della Rocchetta (Sassicaia), Elisabetta Geppetti (Saffredi),<br />

Axel Heinz (Ornellaia) und Georg Weber (Monteverro) –, fünf<br />

Franzosen – Amélie Chatin von Cham pagne Ruinart, Fabienne<br />

Durou von Pichon Longueville Comtesse, Remi Edange von<br />

der Domaine de Chevalier, Jean Méo von Méo-Camuzet und<br />

François Wilhelm von der Maison Trimbach – zusammen mit<br />

dem Schweizer Daniel Gantenbein, dem Amerikaner Michael<br />

Silacci (Opus One), dem Spanier Alejandro Fernández von<br />

Pesquera, dem Argentinier Gonzalo Carrasco von Terrazas de<br />

los Andes und dem Hausherrn Wilhelm Weil.<br />

Zaghaft begann das Verkosten, ernste Mienen waren noch so<br />

sehr aufgesetzt, dass der Nestor der Runde, Alejandro Fernández,<br />

verwundert-verschmitzt fragte: Warum denn alle so traurig<br />

wären – wir tränken doch Wein miteinander! <strong>Das</strong> änderte sich<br />

rasch; bald war klar, dass jeder Wein, ob weiß, ob rot, ein Star,<br />

ein Weltstar für sich war, dass gewissermaßen auf Augenhöhe<br />

getrunken wurde. Schon erklang das erste Lachen, der Österreicher<br />

plauderte mit dem Amerikaner, der Franzose mit dem<br />

Florentiner, der Schweizer mit dem Kollegen aus den Anden.<br />

Und als sei der Geist des Weines in sie gefahren, wurde mit<br />

eins ein herzliches Gefühl der Zusammengehörigkeit lebendig,<br />

sodass, als zum Dinner ge beten wurde, die Gespräche entspannt<br />

quer über die Tische geführt wurden, die Scherzworte hin und<br />

her gingen: Wein familie, best gelaunte Elite war da versammelt,<br />

jeder und jede voller Passion für den eigenen großen Wein – und<br />

voller Respekt vor den großen Weinen der anderen. In heiterster<br />

Stimmung präsen tierten sie am nächsten Tag ihre Weine bald<br />

fünfzig internationalen Weinjournalisten – ein beeindruckendes<br />

Fine- Tasting, über das Caro Maurer berichtet.<br />

Ähnliches hatten wir Wochen zuvor in der Maremma erlebt,<br />

wo ein von Fine initiiertes Tasting die Winzer der bedeutenden<br />

Maremma-Weine auf Monteverro zusammenführte. Erst<br />

drei Jahrgänge hat das Weingut vorgelegt, die Neugier der Etablierten<br />

auf den Newcomer war also groß – so groß, dass Piero<br />

Antinori seine Önologenlegende Renzo Cotarella mitgebracht<br />

hatte. <strong>Das</strong> Debüt gelang; am Ende eines immer angeregter<br />

werden den Abends war Monteverro von der Hohen Runde der<br />

Maremma als Mitglied akzeptiert. Monteverro-Berater Michel<br />

Rolland nahm es wie Winzer Georg Weber mit Genugtuung zur<br />

Kenntnis. »Ein neues Weingut, einen neuen Wein zu lancieren<br />

ist heute schwieriger denn je«, kommentierte Marchese Antinori,<br />

»die Qualitätsdichte ist so hoch – man kann nur reüssieren, wenn<br />

gleich der allererste Auftritt in die Spitzenklasse führt.« Kristina<br />

Bäders Verkostungsnotizen können dies bezeugen.<br />

Wein kann aber noch mehr als freundschaftliche Gefühle<br />

wecken, kann mehr als Kommunikation emotional bereichern.<br />

<strong>Das</strong> Schicksal unseres Weinfreundes Walter Eigensatz belegt<br />

es eindringlich: Wein kann Lebensmut schenken, kann gar ein<br />

Leben retten. Sein geliebter Cheval Blanc hat ihn, wie er Rainer<br />

Schäfer erzählte, ins <strong>Das</strong>ein zurückgerufen. Wein als Lebenselixier:<br />

Gut, dass man ihn hat, wenn man ihn wirklich braucht!<br />

Thomas Schröder<br />

Chefredakteur<br />

F I N E<br />

E d i t o r i a l<br />

11


»Wenn man<br />

meine Weine<br />

modern nennt,<br />

dann ist das<br />

einfach dumm«<br />

Louis Barruol vom Château de<br />

Saint Cosme im südlichen Rhônetal<br />

ist ein Mensch mit vielen Talenten<br />

Seine Weine verschmelzen die Kraft des Südens<br />

mit einer extravaganten Frische<br />

Von Rainer Schäfer<br />

Fotos Marco Grundt<br />

Louis Barruol sieht mitgenommen aus, bleich und etwas zerknittert, als wenn er mehrere Nächte<br />

kein Bett mehr gesehen hätte. Sein grüner Fleece-Pullover ist am rechten Ellenbogen löchrig.<br />

Entweder er hat es nicht bemerkt oder es stört ihn nicht. Den Kragen hat er so weit wie möglich<br />

hochgeschlagen, wie um zu signalisieren: Bitte nicht ansprechen. Louis Barruol wird Charme und<br />

Charisma nachgesagt, an diesem Morgen hält er beides hinter einer kargen Mimik ver borgen. In<br />

der ver gangenen Nacht hat es geregnet, sein Leseteam kann nicht wie geplant in die Weinberge<br />

aus rücken, um den spät reifenden Grenache und Mourvèdre zu ernten. »Es ist nicht auszu halten«,<br />

knurrt er und gähnt ausgiebig. »Dieser Marathon will einfach nicht zu Ende gehen.« Zwei lange<br />

Monate dauert er schon, er hat Spuren hinterlassen. »Ich bin müde«, sagt er entschuldigend, » wirklich<br />

sehr müde.« Aber er ist bekannt dafür, dass er höchste Ansprüche stellt, an sich, an seine Weine. Er<br />

wird noch mal alle Kräfte mobilisieren, um die perfekten Trauben ernten zu können.<br />

16<br />

F I N E 2 / <strong>2013</strong>


F I N E<br />

R h ô n e<br />

17


18<br />

F I N E 2 / <strong>2013</strong>


Überragend: Die Kapelle des heiligen Kosmas aus dem<br />

11. Jahrhundert ist das Wahrzeichen und das Herzstück von<br />

Château de Saint Cosme. Zu ihren Füßen wachsen und<br />

reifen die Grenache-Trauben für den Gigondas Le Poste.<br />

Vom Dorf Gigondas aus windet sich die Straße noch ein<br />

paar Schleifen nach oben zum Château de Saint Cosme,<br />

das Louis Barruol leitet. Über dem Weingut steht eine Kapelle,<br />

im 11. Jahrhundert erbaut, die auf den meisten seiner Weinetiketten<br />

zu sehen ist. Sein Vater Henri hat die Skizze der<br />

Kapelle entworfen. »Sie ist das Herzstück unseres Weinguts«,<br />

sagt Barruol. Die Kapelle wurde zu Ehren des heiligen<br />

Kosmas errichtet, dem Schutzpatron der Ärzte und Heilenden.<br />

»Mein Vater behauptet, dass unser Wein von der Krankenkasse<br />

verschrieben werden müsste, weil er so gesund sei. Er<br />

macht selten Witze. Wenn er so etwas sagt, dann muss etwas<br />

daran sein.« Er lässt seinen Blick schweifen, über das grüne<br />

Tal, die gezackten Bergkämme der Dentelles de Montmirail<br />

und die knorrigen Rebstöcke, kräftig wie die Oberarme eines<br />

Bau arbeiters. Manche Reben sind mehr als hundert Jahre alt;<br />

insgesamt bewirtschaftet das Château zweiundzwanzig Hektar<br />

Weinberge. Louis Barruol hat vor allem Grenache angepflanzt,<br />

dazu noch Syrah und Mourvèdre. <strong>Das</strong> Château Saint Cosme<br />

liegt genau dort, wo zwei geologische Verwerfungen aufeinandertreffen<br />

und zwölf verschiedene Bodenarten freigeben.<br />

Im bunten Mosaik finden sich vor allem Kalk, Tonmergel und<br />

Sand. Wenn die Geologie schon so ein großzügiges Angebot<br />

mache, sagt Barruol, dann müsse er es auch nützen. Er baut<br />

auch die kleinsten Parzellen getrennt aus. Die Trauben reifen<br />

unterschiedlich auf ihrem Terroir und in ihrem Mikroklima,<br />

auch wenn die Reben manchmal nur wenige Meter voneinander<br />

entfernt stehen. »Wir fangen als Erste an zu ernten und<br />

hören als Letzte auf«, sagt er. Daran hält er fest, auch wenn es<br />

die Ernteperiode zur Tortur werden lässt.<br />

Louis Barruol zählt zu den besten und leidenschaftlichsten<br />

Winzern der Appellation Gigondas im Süden des Rhônetals.<br />

Der Weinkritiker Robert Parker adelte ihn schon Mitte<br />

der neunziger Jahre zu einem der »begabtesten Weinmacher<br />

der Rhône« und beglückwünschte ihn, über ein »magisches<br />

Terroir« verfügen zu können. Mit gerade einmal dreiundvierzig<br />

Jahren hat Barruol schon zwanzig Jahrgänge verantwortet<br />

und in Gigondas neue Maßstäbe gesetzt, für Qualität, Ausdruck<br />

und Persönlichkeit der Weine. Er stammt aus einer<br />

außer gewöhnlichen Familie. <strong>Das</strong> Weingut wurde 1490 gegründet,<br />

es ist das älteste in Gigondas. »Erst zwei Jahre später hat<br />

Kolumbus Amerika entdeckt«, sagt Barruol. 1570 kam es in<br />

den Besitz seiner Familie. Sein Vater Henri, inzwischen vierundachtzig<br />

Jahre alt, hat 1957 in das Château eingeheiratet.<br />

Zuvor hatte er Möbel entworfen und angefertigt, auf Fotos<br />

sieht er aus wie ein Schauspieler. »Er hat Wein gemacht wie ein<br />

Künstler, mit ganz viel Seele«, sagt sein Sohn. Henri Barruol<br />

hatte ein anderes Verständnis von Wein als die meisten Weinbauern<br />

in Gigondas: Für ihn war er mehr als ein alkoholisches<br />

Getränk, für ihn war er ein Kulturgut. Um dem gerecht zu<br />

werden, beschloss Henri Barruol schon Anfang der siebziger<br />

Jahre, biologischen Weinbau zu betreiben. Als er 1992 schwer<br />

erkrankte, musste Louis Barruol mit zweiundzwanzig Jahren<br />

schon die Verantwortung im Château übernehmen. Weinbau<br />

hat er nie studiert. »<strong>Das</strong> war nicht nötig. Mein Vater hat mir<br />

alles über Wein beigebracht. Er ist bis heute die einzige Autorität,<br />

die ich respektiere.« Stattdessen studierte er Betriebswirtschaft.<br />

»Ich wollte in der Lage sein, ein Unternehmen zu<br />

führen.« Hat es ihn belastet, in der vierzehnten Generation<br />

in diese Weindynastie einzutreten, die über so viel Tradition<br />

und Vermächtnis verfügt »Nein, nie«, sagt er, »in unserer<br />

Familie war die Idee von Freiheit immer wichtig. Ich konnte<br />

immer so arbeiten, wie ich wollte, und war glücklich damit.«<br />

Mit Herz und mit Hand<br />

Seine Mutter Claude, schon hoch in den Siebzigern, kommt<br />

um die Ecke, in knöchelhohen Stoffturnschuhen, wie Teenager<br />

sie tragen. Barruol strahlt und herzt sie. Längst hat er verdrängt,<br />

wie erschöpft er ist. Seine Augen blitzen pfiffig hinter<br />

der ovalen Brille, er ist ins Plaudern gekommen. Louis Barruol<br />

ist eine Persönlichkeit mit vielen Talenten: Er ist Musiker –<br />

wenn Zeit dafür bleibt, spielt er Cello. Er ist weit herumgekommen<br />

– als seine Winzerkollegen Frankreich noch als<br />

allerwichtigste Tangente der Weinwelt ansahen, flog er schon<br />

um die Welt, um seine Weine vorzustellen: in perfektem Englisch.<br />

Er ist schlank und durchtrainiert – im nahe gelegenen<br />

Städtchen Vaison-la-Romaine spielt er Rugby und nimmt eine<br />

der wichtigsten Positionen im Rugby Club Vaisonnais ein. Er<br />

ist der Fly-half, der Verbindungsspieler zwischen Angriff und<br />

Verteidigung, der die meisten taktischen Entscheidungen trifft<br />

F I N E<br />

R h ô n e<br />

19


28<br />

F I N E 2 / <strong>2013</strong>


Der Gesc hm ack von Geschichte<br />

Marchese Leonardo Frescobaldi<br />

bewahrt mit seinem Florentiner Weinhaus<br />

Marchesi de’ Frescobaldi eine Familientradition<br />

von sieben Jahrhunderten<br />

Von Heinz-Joachim Fischer Fotos Thilo Weimar<br />

F I N E<br />

T o s k a n a<br />

29


Gelassene Gegenwart: Marchese Leonardo, Oberhaupt der<br />

Familie Frescobaldi in neunundzwanzigster Generation,<br />

setzt auf Costanza, auf Beständigkeit. Sein Lieblingswein<br />

ist der Edel-Toskaner Mormoreto vom Castel Nipozzano.<br />

30<br />

F I N E 2 / <strong>2013</strong>


an kann sich Marchese Leonardo Frescobaldi auch gut in einer anderen Zeit<br />

1M! vor stellen. Nicht, weil der Chef des toskanischen Weinhauses Marchesi de’<br />

Frescobaldi mit bald zweiundsiebzig Jahren irgendwie unmodern oder gar angestaubt wirkte.<br />

In tadellos aufrechter Haltung, unauffällig in land-elegantes Tuch gekleidet, steuert der<br />

Edelmann seinen Mercedes- Kombi flott, zentimetergenau durch die enge Ausfahrt seines<br />

Florentiner Stadt-Palazzos in der Via Santo Spirito Nummer 11, direkt neben der Kirche<br />

zum Heiligen Geist. Zuvor musste er schnell oben im dritten Stock einige Anweisungen<br />

geben. In den Büros schwirrte und summte es wie in einem Bienenstock. <strong>Das</strong> Wein-Reich<br />

will ordentlich verwaltet sein. <strong>Das</strong> angesehene Mailänder Geldhaus Mediobanca setzt<br />

Frescobaldi mit einem 2011 überwiegend im Premium-Sektor erwirtschafteten Umsatz<br />

von 86 Millionen Euro auf die zwölfte Stelle in der Rangliste der italienischen Aziende<br />

vinicole – mit so be rühmten Weinen wie Mormoreto, Castelgiocondo oder Giramonte.<br />

Manche schreiben den Frescobaldi gar sagenhaften<br />

Einfluss unter den großen Familien<br />

der Welt zu, und unermesslichen Reichtum.<br />

Richtig ist, dass es Beziehungen der vielköpfigen<br />

Familie aus der Toskana zum englischen Königshaus<br />

gibt. Es stimmt auch, dass die Königin der<br />

Niederlande Beatrix zu Besuch in der Toskana war<br />

und sicher zu den Frescobaldi wieder kommen wird.<br />

Aber der Marchese ist diskret und macht von all<br />

dem kein Aufhebens. Vielleicht auch, weil die heutigen<br />

Royals von Rotwein nicht so begeistert sind<br />

wie etwa Heinrich VIII., dem im Reformationsjahr<br />

1517 vom Florentiner Haus eine ordentliche<br />

Ladung Rotwein nach London geliefert wurde.<br />

Nachzulesen in den Dokumenten des vom italienischen<br />

Ministerium für Kulturgüter im Internet<br />

zur Verfügung gestellten Archivio familiare. In<br />

dieser Sphäre also sind wir. Der Geschmack von<br />

Geschichte ist da.<br />

Leonardo Frescobaldis markantes Gesicht mit<br />

der ausgeprägten Nase, dem freundlichen Mund<br />

und den prüfenden Augen scheint vertraut, weil<br />

man es schon auf vielen Bildern gesehen zu haben<br />

glaubt: in Darstellungen erdverbundener Landedelleute<br />

auf den Tafeln des Mittelalters etwa oder<br />

auf den wunderschönen Fresken und Gemälden<br />

der Renaissance, die überall in den Palazzi und<br />

Kirchen von Florenz gegenwärtig sind. Die erste<br />

Frage, die amerikanische oder australische Journalisten<br />

dem Presidente Frescobaldi gewöhnlich<br />

stellen, ist, wie es sich denn anfühle, in der neunundzwanzigsten<br />

Generation – »oh my God« – die<br />

Familie zu leiten.<br />

Wir haben die schmalen Florentiner Gassen<br />

nach Osten hin verlassen und uns zum<br />

hundertsten Mal darüber gewundert, wie es die<br />

Italiener geschafft haben, um ihre wunderbaren,<br />

durch keinen Krieg zerstörten historischen Innenstädte<br />

so hässliche Vororte zu legen, als Leonardo<br />

Frescobaldi anfängt, von der Arbeit zu erzählen.<br />

F I N E<br />

T o s k a n a<br />

31


GEHEIMRAT »J«<br />

Riesling in Rheinkultur!<br />

www.wegeler.com


48<br />

F I N E 2 / <strong>2013</strong>


Mit wachem<br />

Blick fürs<br />

Wesentliche<br />

Gerhard Grans kann mit<br />

seinem Weingut Grans-Fassian<br />

an der Mosel auf eine erstaunliche<br />

Entwicklung blicken:<br />

hier entstehen feinste fruchtsüsse<br />

Rieslinge und jüngst auch<br />

erstklassige trockne Gewächse<br />

Von Till Ehrlich<br />

Fotos Christof Herdt<br />

Wer denkt, er kenne alles, was es an der Mosel an<br />

großen Rieslingen gibt, der irrt. Dafür ist das Gebiet<br />

einfach zu vielgestaltig und die Dynamik zu groß. Da<br />

öffnet sich eine ganze Welt, eigenständig, differenziert,<br />

voller geschmacklicher Finesse. Nicht nur die<br />

junge Winzergeneration macht rasante Entwicklungsschritte<br />

– auch manche Altmeister individualisieren<br />

und perfektionieren ihre Stilistik. Etwa Gerhard<br />

Grans aus Leiwen: Wenn man die einschlägige Weinliteratur<br />

der letzten zwanzig Jahre liest, zeichnet sich<br />

das Bild eines ambitionierten, engagierten Winzers<br />

aus der zweiten Reihe ab. Doch wenn man seine<br />

Weine unvoreingenommen beurteilt, bekommt man<br />

einen anderen Eindruck.<br />

F I N E<br />

M o s e l<br />

49


Angekommen: Mit einer Verkostung<br />

von vierzehn großen Bordelaisern<br />

aus dem Jahrgang 1986 wurde die<br />

Genesung von Walter Eigensatz<br />

gefeiert, darunter natürlich auch der<br />

Cheval Blanc, sein Lebenselixier.<br />

68<br />

F I N E 2 / <strong>2013</strong>


EIN LEBEN FÜR DEN WEIN: WALTER EIGENSATZ<br />

Mister Cheval Blanc<br />

und sein Gespür<br />

für Bordeaux<br />

Von Rainer Schäfer<br />

Fotos Guido Bittner<br />

<strong>Das</strong> Leben schien vorbei zu sein. Am 26. April 2012, einem Donners tag, fiel<br />

Walter Eigensatz ins Koma, ausgerechnet auf Mallorca, der Insel der Unbeschwerten.<br />

Nichts hatte darauf hingedeutet. Zwei Tage zuvor hatte er noch<br />

diniert bei Sternekoch Harald Wohlfahrt in Tonbach. Danach war er mit seiner Frau<br />

Karin auf die Mittelmeerinsel ge flogen, wo sie schon seit Ende der siebziger Jahre einen<br />

Teil ihrer Zeit verbringen. Die Ärzte hatten ihn fast schon aufgegeben, als er mit einer<br />

schweren Blutvergiftung in die Klinik ein geliefert wurde. Mit einer Infusion von sieben<br />

Litern Blut versuchten sie, sein Leben zu retten, aber er war noch zusätzlich durch einen<br />

Virus geschwächt. Nur eine winzige Chance bliebe, sagten die Ärzte: wenn er sich das<br />

rechte Bein amputieren ließe. Walter Eigensatz erinnert sich nicht daran, dass er die<br />

Ärzte beschworen haben soll: »Und wenn die Chancen eins zu fünfhunderttausend<br />

stehen, ich will leben.« <strong>Das</strong> Bein wurde amputiert, und lange Zeit sah es so aus, als ob<br />

er den Eingriff nicht überstehen würde. Erst am 8. Juli erwachte er wieder. Und wie.<br />

Gerade dem Tod von der Schippe gesprungen,<br />

verlangte Walter Eigensatz nach seinem<br />

Lieblingswein. »Ich habe davon geträumt, endlich<br />

wieder Cheval Blanc trinken zu können«, erzählt<br />

er. Vielleicht war es der Wunsch nach diesem<br />

Wein, der ihn aus dem Schattenreich zurückbrachte.<br />

Seiner Familie und den Freunden war klar:<br />

Mit Walti, wie sie ihn rufen, war wieder zu rechnen.<br />

Wenn er nach Cheval Blanc verlangte, dann musste<br />

das Schlimmste überstanden sein. Der Schweizer,<br />

Jahrgang 1939, zählt zu den ver siertesten Weinkoryphäen.<br />

Seine Kompetenz endet bei weitem<br />

nicht an den Grenzen des Bordelais. Wie kaum ein<br />

anderer Weinsammler hat er über die Jahrzehnte<br />

ein geradezu symbiotisches Verhältnis zu diesem<br />

Château in Saint-Emilion entwickelt. »Mister<br />

Cheval Blanc« wird er respektvoll in der Weinszene<br />

genannt. Walter Eigensatz hat alles darangesetzt,<br />

möglichst viele Weine aus den letzten<br />

Jahrhunderten zu verkosten. Cheval Blanc mit<br />

seiner fast schon artistischen Balance zwischen<br />

Kraft und Eleganz ist ihm dabei zum Lebenselixier<br />

geworden. Der Jahrgang 1947 mit seiner portweinähnlichen<br />

Opulenz ist für ihn der »beste Wein des<br />

letzten Jahrhunderts. Wenn ich ihn trinke, treten<br />

mir Tränen in die Augen.«<br />

Walter Eigensatz hat weltweit einige der<br />

erstaunlichsten Weinproben organisiert. Wie 1996<br />

in Luzern, wo er einhundertvierund vierzig Weine<br />

aus dem Jahrgang 1990 präsentierte. 2001 richtete<br />

er eine Verkostung auf Schloss Johannis berg aus;<br />

zur 900-Jahr-Feier des Schlossguts kamen mehr<br />

als fünfzig der renommiertesten Winzer und<br />

Weinsammler. Der Star des Abends aber war ein<br />

Riesling Goldlack aus dem Jahr 1862. Auf Mallorca<br />

ließ er vor zwei Jahren Weine aus dem Rioja<br />

von 1904 bis 1994 ausschenken. Wer an diesen<br />

Genussfeiern teilnehmen konnte, schwärmt noch<br />

heute davon. Walter Eigensatz gilt als exzellenter<br />

Verkoster, eine Fähigkeit, die man nur erringt,<br />

wenn man sich dem Wein hingibt, mit Leib und<br />

Seele. Geld ist dabei nur eine Voraussetzung, eine<br />

F I N E<br />

W e i n l e g e n d e<br />

69


DIE ERFOLGSGESCHICHTE<br />

AUS DEM RHEINGAU


AB SOFORT IM GUTEN BUCHHANDEL<br />

DER RIESLING – REBSORTE<br />

MIT VIELEN FACETTEN<br />

Der Riesling ist die spannendste, weil vielseitigste Rebsorte der Welt. Rieslingweine<br />

werden von trocken über feinherb bis edelsüß ausgebaut und sind jung als auch gereift<br />

zu genießen. Der epochale Bildband behandelt das komplexe Thema Riesling<br />

am Beispiel des Spitzen weinguts Robert Weil. Kein anderes deutsches Weingut hat<br />

in den vergangenen 20 Jahren basierend auf der Tradition solch eine beispielhafte<br />

Erfolgsgeschichte geschrieben.<br />

Begleiten Sie uns auf eine Entdeckungsreise in die internationale Weingeschichte …<br />

Erhältlich in deutsch oder englisch.<br />

€ 49,90 (D)<br />

... überall, wo es gute Bücher gibt, oder unter www.tretorri.de


Wein und Zeit ‹viii›<br />

»Eine neue Rebsorte«<br />

<br />

Aufstieg, Fall und Zukunft des Müller-Thurgau<br />

Von Daniel Deckers<br />

Foto Christof Herdt<br />

Der Königlich Bayerische Landesinspektor für Weinbau schloss im April 1914 die Arbeit<br />

an seinem ersten und einzigen Buch ab. »Weinbau und Weinbehandlung« lautet der Titel<br />

des schmalen, nicht einmal hundertfünfzig Seiten umfassenden Bändchens. Doch auf den<br />

Umfang kam es nicht an. Denn das Werk erschien in der renommierten »Thaer-Bibliothek«,<br />

die sich seit den 1860er Jahren mit kompakten Einführungen in alle Zweige der Landwirtschaft<br />

einen herausragenden Namen gemacht hatte. In ebensolchem Ruf stand aber auch der<br />

Verfasser: August Dern.<br />

76<br />

F I N E 2 / <strong>2013</strong>


Quelle Bibliothek Hochschule Geisenheim<br />

Wann der Verleger der im Berliner Verlag<br />

Paul Parey erscheinenden Bibliothek an<br />

den aus Flacht bei Diez an der Lahn stammenden<br />

Nassauer herangetreten war, lässt sich nicht<br />

mehr rekonstruieren. Nur das Anliegen ist überliefert.<br />

August Dern, der als langjähriger Weinbauwander<br />

lehrer in Rheinhessen, als Adminis trator<br />

des Weinguts Prinz von Preußen im Rheingau und<br />

als oberster Weinbaufachmann in Diensten des<br />

Königs von Bayern und Mitglied in allen wichtigen<br />

Weinbaugremien seiner Zeit über einen immensen<br />

Erfahrungsschatz verfügte, sollte das Bändchen<br />

»Weinbau. Anleitung zur ratio nellen Traubenzucht«<br />

überarbeiten, das im Jahr 1894 erschienen<br />

war. Dazu sah er sich nicht in der Lage: Binnen<br />

zweier Jahrzehnte hatte sich so viel im deutschen<br />

Weinbau getan, dass eine Fortschreibung der<br />

ersten Auflage nicht in Frage kam.<br />

Höhenflug und Absturz<br />

Am Vorabend des Ersten Weltkriegs stand deutscher<br />

Wein im Zenit seines Ruhms, und das auf<br />

dem heimischen wie auf dem Weltmarkt. Riesling<br />

aus den »Edelweinbaugebieten« Rheingau, Rheinpfalz<br />

und Rheinhessen sowie von Mosel und Saar<br />

waren auf den Weltausstellungen von Paris 1900<br />

und St. Louis 1904 als die besten Weißweine mit<br />

Auszeichnungen überhäuft worden. In der Heimat<br />

wurden sie auf den jährlichen Versteigerungen in<br />

Wiesbaden, Trier, Mainz oder Neustadt an der<br />

Haardt fast mit Gold auf gewogen. In den nobelsten<br />

Hotels und Restaurants von Hamburg, Zürich<br />

oder New York durften sie auf keiner Karte fehlen,<br />

ebensowenig an den Kaiserhöfen von Berlin, Wien<br />

und St. Petersburg. August Dern hatte diese Entwicklung<br />

begleitet und nach Kräften gefördert.<br />

1908 war er in Neustadt die treibende Kraft hinter<br />

der Gründung des Vereins der Naturweinversteigerer<br />

der Rheinpfalz, zwei Jahre später stand<br />

er beim Aufbau des Verbands Deutscher Naturweinversteigerer<br />

(VDNV, heute VDP) Pate. 1912<br />

wollte er auch in Franken einen Zusammenschluss<br />

von Naturweinversteigerern ins Leben rufen, was<br />

allerdings aus heute unerfind lichen Gründen<br />

scheiterte.<br />

Doch als August Dern sich an die Neubearbeitung<br />

des Weinbau-Büchleins machte, konnte<br />

auch er nicht absehen, wie lange der Höhenflug<br />

des deutschen Weins anhalten würde. An<br />

der Kriegsgefahr lag es nicht. Auch nicht an der<br />

Aus breitung der Reblaus. Im Vergleich zu Frankreich<br />

und Österreich-Ungarn, wo der Weinbau in<br />

vielen Regionen weitgehend zum Erliegen gekommen<br />

war, hatte die Reblaus im Deutschen Reich<br />

bislang wenig Unheil anrichten können. Nur die<br />

Reb flächen um das lothringische Metz und um<br />

Naumburg an der Saale waren aufgegeben worden.<br />

In allen anderen Regionen wurden Reblausherde<br />

so früh bekämpft, dass die Verseuchung auf kleine<br />

Flächen beschränkt blieb. Zugleich hatte vor allem<br />

der preußische Staat alles darangesetzt, Methoden<br />

zum Wiederaufbau befallener Rebflächen zu<br />

erforschen, allen voran die Pfropfung europäischer<br />

Edelreiser auf reblaustolerante Unterlagsreben<br />

aus Amerika.<br />

Doch was die Reblaus nicht vermochte hatte,<br />

schien anderen Schädlingen zu gelingen. Im<br />

Verein mit dem Heu- und Sauerwurm vernichteten<br />

der echte (Oidium) und der falsche (Peronospora)<br />

Mehltau, wie die Reblaus im zweiten Drittel<br />

des 19. Jahrhunderts aus Amerika eingeschleppt,<br />

fast Jahr für Jahr Weinernten im Wert von vielen<br />

Millionen Reichsmark. Abhilfe war trotz aller<br />

Anstrengungen der wissenschaftlichen Forschung<br />

nicht in Sicht, jedenfalls nicht im Kampf gegen<br />

den Heu- und Sauerwurm und die Peronospora.<br />

»Deren Bekämpfung hat den Weinbau vor neue<br />

Auf gaben gestellt und sie hat ihn verteuert,« so<br />

schilderte August Dern in der Einleitung seines<br />

Werks die neuen Gefahren.<br />

»Riesling x Sylvaner«<br />

Den ranghöchsten Weinbaubeamten Bayerns<br />

plagten jedoch nicht nur Zweifel, ob der Weinbau<br />

wegen der hohen und oft vergeblichen Aufwendungen<br />

für die Schädlingsbekämpfung<br />

langfristig noch rentabel sein könne. Weitsichtige<br />

Zeitgenossen wie er hatten längst erkannt,<br />

dass die Zukunft des Weinbaus auch von dem<br />

Ersatz minderwertiger Rebsorten und minderwertiger<br />

Pflanzen abhängen sollte. »<strong>Das</strong> Klima<br />

in Deutschland zwingt uns wegen des feuchteren<br />

Herbstes, hauptsächlich weiße Sorten anzubauen«,<br />

hielt August Dern fest und fuhr fort:<br />

»Aber gerade aus weißen Sorten läßt sich mehr<br />

Qualität heraus holen, besonders dann, wenn sie<br />

sorgfältig ausgewählt sind.« Der Landesinspektor<br />

dachte an Riesling, roten Traminer, Sylvaner,<br />

weißen Gutedel, Elbling, Ortlieber, weißen und<br />

grauen Burgunder und Ruländer, an gelben, roten<br />

und blauen Muskateller, roten Veltliner, Rotgipfler,<br />

Orleans, Heunisch, Silberweiß, Welschriesling<br />

und sogar gelben Mosler. Für die Erwähnung einer<br />

neuen Rebsorte namens »Riesling x Sylvaner«, die<br />

Dern aus der Schweiz nach Franken gebracht hatte,<br />

war es im April 1914 noch zu früh.<br />

Dabei war sich August Dern seiner Sache<br />

sicher. »Unter den vielen Betriebsfaktoren, die<br />

für den Erfolg des Weinbaus maßgebend sind,<br />

ist jedenfalls die Rebe selbst der wichtigste, und<br />

gerade darum hat man sich seither ganz allgemein<br />

viel zu wenig bekümmert«, monierte er in dem<br />

»Bericht des Königlichen Landesinspektors für<br />

Weinbau über seine Tätigkeit in den Jahren 1911,<br />

1912 und 1913«. Seine Mahnungen verhallten nicht<br />

ungehört. »1912 wurde eine bayerische Hauptstelle<br />

für die züchterische Behandlung der Weinrebe<br />

unter Leitung des Landesinspektors geschaffen,<br />

die erste derartige Organisation«, konnte er Ende<br />

Ein weiter Weg: Zwischen dem Weinbau-<br />

Büchlein von August Dern, der nach<br />

Lösungen für die Weinbaukrise Anfang<br />

des 20. Jahrhunderts suchte, und den<br />

Weinbergen des badischen Spitzenwinzers<br />

Bernhard Huber, der heute auch mit<br />

seinem Müller-Thurgau von sich reden<br />

macht, liegen hundert Jahre.<br />

F I N E<br />

W e i n u n d Z e i t<br />

77


»Wir müssen zu den<br />

Besten gehören.<br />

Wenn wir das<br />

heute noch nicht<br />

sind, dann sicher<br />

morgen.«<br />

Jean Pascal Vazart kann sich grosse Ambitionen leisten – als<br />

Leiter von Château L’Evangile, das im Norden das legendäre<br />

Château Pétrus zum Nachbarn hat und im Süden Château<br />

Cheval Blanc, das Spitzengut von Saint-Emilion. Sein Ziel ist es,<br />

L’Evangile nach Jahren des Stillstands zum Pomerol-Referenz-<br />

Weingut neben Pétrus und Château Lafleur zu machen.<br />

Von Christian Volbracht<br />

Fotos Camilo Rui<br />

100<br />

F I N E 2 / <strong>2013</strong>


F I N E<br />

B o r d e a u x<br />

101


108<br />

F I N E 2 / <strong>2013</strong>


,das0weingut0robert0weil<<br />

Ein Bauwerk wie eine Erzählung<br />

»Dieses Gebäudeensemble ist über Generationen gewachsen.<br />

Es wird nie unmodern werden, weil es nie modern war«<br />

Von Dieter Bartetzko<br />

Fotos Jürgen Nogai, Alex Habermehl<br />

F I N E<br />

R h e i n g a u<br />

109


1I!<br />

n Boscoreale, einem einstigen Vorort der antiken Vesuvstadt Pompeji, wurde 1978 eine Villa rustica ausgegraben. Wir würden<br />

das An wesen heute als Weingut bezeichnen. Denn es lag inmitten von Weingärten, die auf den hügeligen Ausläufern des Vesuv<br />

empor kletterten. Auch dienten, wie man herausfand, zwei Drittel der Gebäude dem Keltern und der Lagerung von Wein: In einem<br />

der größten Räume des Guts wurde eine stattliche Traubenpresse freigelegt, in Nebengelassen fanden sich Hunderte säuberlich aufgestapelter<br />

Amphoren. Außer diesen unverkennbar zum Abfüllen diverser Weinsorten bereitliegenden Gefäßen entdeckte man mehrere<br />

Dutzend fass förmiger tönerner Behältnisse, sogenannte Dolia, die in das Erdreich eines weiten überdachten Hofs eingesenkt waren.<br />

Darin wiederum sichteten die Archäologen sogar noch pechartig eingedickte Reste der einstigen Flüssigkeit – den jungen, gerade gekelterten<br />

Wein des Jahrgangs 79 nach Christus, den niemand mehr trinken sollte. Denn wenige Wochen nach der Lese brach der Vulkan<br />

aus und begrub mit Pompeji und Herculaneum auch dieses Weingut unter meterhohen Asche- und Lavaschichten. Doch wer weiß –<br />

vielleicht leerten während der letzten Tage von Pompeji die Besitzer des Weinguts einige Becher mit dem, was wir heute Federweißer<br />

nennen. Was wir wissen, ist, dass nicht nur zu Füßen des Vesuv, sondern überall in den Weinbaugebieten des Imperium Romanum die<br />

reichen Besitzer von Weingütern sich luxuriöse Wohnungen in ihre Gutshöfe einbauen ließen, wo sie sommers oder zur Zeit der Weinernte<br />

ihre Besitztümer genossen, die Lese überwachten, Gäste einluden und im Schatten der Reben tafelten.<br />

Und damit kommen wir nun endlich nach Kiedrich: Zwar ist bis heute<br />

unbekannt, ob auch hier, wie in weiten Teilen des Rheingaus, die Römer<br />

Wein anbauten und Villae rusticae anlegten. Aber denkbar ist es schon, dass<br />

der Ort dank seiner idealen Lage lange vor seiner ersten urkund lichen Erwähnung<br />

im Jahr 937 römische Weinbauern angezogen hat. So könnte es statt<br />

Zufall ein Zeichen unbewusster, Jahr tausende überspannender Kontinuität<br />

sein, dass mit dem Weingut Robert Weil in Kiedrich ein Anwesen existiert,<br />

in dem das antike Miteinander von luxuriöser Villa und Winzerbetrieb einen<br />

neuzeitlichen Nachfolger gefunden hat. Eines jedenfalls steht fest: Wer einmal<br />

vor dem ausgegrabenen Eingang des Weinguts der pompejanischen Familie<br />

der Istacidii in Boscoreale gestanden hat, der wird vor dem Portal des Weinguts<br />

Robert Weil in Kiedrich unweigerlich Verwandtes erkennen. Hier wie<br />

da ein imposantes Tor in einer stattlichen Mauer, und da wie dort beschirmen<br />

höhere Mächte den Zugang – in Boscoreale sind es zwei geflügelte Sphingen<br />

aus Tuff, in Kiedrich die Nachbildung einer gotischen Madonna aus Rotsandstein.<br />

Die Gestalten mögen sich gewandelt haben, die Aussage ist die gleiche<br />

geblieben: Jede Kulturleistung bedarf neben menschlicher Tüchtigkeit auch<br />

glücklicher Fügung von oben. Ein kunstvolles schmiedeeisernes Tor am entgegengesetzten<br />

Ende der Mauer, durch das man das Weingut vom historischen<br />

Ortskern aus betreten kann, ist stolz geschmückt durch das leuchtend<br />

rote Familienwappen der Weils.<br />

Der erste Bauherr auf dem Gelände des heutigen Weilschen Anwesens,<br />

Baronet John Sutton, hatte anderes als Weinbau im Sinn, als er 1869 in Kiedrich<br />

ein winziges, verfallenes Winzer haus kaufte und zu einem kleinen Landsitz<br />

im Tudorstil umbauen ließ. Ihm ging es vorrangig darum, in Sichtweite der<br />

gotischen Sankt Valentinskirche und der herrlichen Michaelskapelle zu leben,<br />

deren Restaurierung er ebenso finanzierte wie die bald berühmte Choralschule<br />

der kleinen Stadt.<br />

Der Baronet, in dessen Heimat mit dem Sommerhaus Strawberry Hill<br />

des Schriftstellers Horace Walpole 1776 das Gothic Revival begonnen hatte,<br />

wusste, was er sich, seinem Stand und der in England geborenen Baukunst des<br />

Historismus schuldig war, die mittlerweile ganz Europa zu erobern begann:<br />

Der Umbau der Kiedricher Kate ließ ein pitto reskes Gebäude entstehen, das<br />

den Vergleich mit den originalen Tudor-Villen Englands nicht zu scheuen<br />

braucht: Selbst für Kenner ist es noch heute schwierig, die charakteristischen<br />

eselsrückenförmigen Tudorbögen und dunklen Holzvertäfelungen außen<br />

110<br />

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Malerisches Capriccio in Kiedrich: Gemeinsam mit der pittoresken gotischen<br />

Kirche Sankt Valentin bietet das sorgsam restaurierte, vom englischen Baronet<br />

John Sutton 1879 im gotisierenden Tudor stil erbaute Haupthaus des Riesling-<br />

Weinguts Robert Weil mit Spitztürmchen, Erker und hölzernen Galerien das<br />

Prachtbild eines romantischen Ensembles. Links schließen sich die moderne<br />

Vinothek, rechts die Verbindungsbauten zur spektakulären neuen Kellerei an.<br />

oder die Balkendecken, Intarsien, Dielen böden und reich geschnitzten Türblätter<br />

und Fensternischen im Innern der Sutton-Villa von den Originalen<br />

in Chester oder London zu unterscheiden. In stillen Momenten meint man,<br />

jederzeit könnten Königin Elizabeth I. oder William Shakespeare eintreten.<br />

<strong>Das</strong> Haus des Baronet hat sich fast unversehrt erhalten. Vom beweglichen<br />

Mobiliar allerdings ist nur ein elegant geschweifter Lehnstuhl geblieben.<br />

Doch auf ihm hätte auch die anspruchsvolle Good Queen Bess ohne Zaudern<br />

Platz genommen, so täuschend echt ist er den Originalen des 16. Jahr hunderts<br />

nachgestaltet. Heute dient das Sitzmöbel, dessen Holz mehr als einhundertfünfzig<br />

Jahre einen unvergleichlichen Seidenschimmer verliehen haben, als<br />

Ehrenplatz intimer Weinproben, die im Hauptraum in der geschichts trächtigen<br />

Atmosphäre des Sutton-Hauses stattfinden.<br />

Aus kunsthistorischer Perspektive ist der anglophile Kernbau des heutigen<br />

Weinguts der Pionier eines spezifischen Historismus-Zweigs in Deutschland.<br />

Ein beeindruckendes Beispiel dafür hat sich im nahen Kronberg er halten:<br />

Schloss Friedrichshof, das die Witwe des deutschen Kaisers Friedrich III.,<br />

eine Tochter Queen Victorias, 1889 im Tudorstil errichten ließ. Um ein vergleichbar<br />

pompöses Anwesen zu finden, muss man rund sechshundert Kilometer<br />

nach Osten reisen. Nach Potsdam nämlich, wo das fast jedem Deutschen<br />

bekannte Schloss Cecilienhof steht, das 1914, gleichfalls im Tudorstil gestaltet,<br />

Wilhelm II. als Wohnsitz des Kronprinzen und im Andenken an seine englischen<br />

Verwandten in Auftrag gab. Während der Cecilienhof geplant wurde –<br />

und bereits davor –, trank man in Berlin bei Kaisers gern eine 1893er Kiedricher<br />

Auslese aus dem Weingut Robert Weil.<br />

Auch an das österreichische Kaiserhaus, an die englischen Könige und den<br />

russischen Zarenhof lieferte das Gut seinen berühmten Riesling – und an die<br />

Stätten des Geldadels: die Luxushotels diverser Großstädte, allen voran das<br />

legendäre Hotel Adlon in Berlin. Was Wunder also, dass das Weingut unter<br />

diesen Voraussetzungen rund um das vergleichsweise winzige Tudor-Haus<br />

des Baronet zweimal erweitert wurde: Bauherr war beide Male Dr. Robert<br />

Weil, der 1879 das Anwesen käuflich erworben hatte. Eine seiner ersten Maßnahmen<br />

war im gleichen Jahr der Ankauf weiterer Weinberge und die prächtige<br />

Erweiterung des Tudor-Hauses in Gestalt einer großräumigen Villa mit<br />

weitem Blick in die umgebenden Weinberge und über die Dächer Kiedrichs.<br />

Hauptmerkmale des ersten Erweiterungsbaus wurden ein monumentales<br />

steiles Satteldach mit ortstypischer Schieferdeckung, üppiges, mit<br />

Kennzeichen der Gotik versehenes Fachwerk im sogenannten fränkischen<br />

Stil und ein seitlich angefügter Wohnturm mit umlaufendem Altan. Dieser<br />

gipfelt in einer kühn verschachtelten<br />

Schiefer haube mit steiler Achteckspitze,<br />

deren Umriss die gotische<br />

Himmelstürmerei des nahen Turms<br />

von St. Valentin zitiert; das Ganze ist<br />

ein malerisches Capriccio aus behaglichem<br />

Patrizierhaus und gotischem<br />

Herrensitz. Als Bauherr orientierte<br />

sich Robert Weil damit weniger an<br />

England als vielmehr an den historischen<br />

Bauten der Landschaften<br />

ringsum. Aufmerksame Betrachter<br />

finden so manches Bürgerhaus des<br />

Rheingaus in den Lauben gängen,<br />

Erkern, Altanen, Zwerchhäusern<br />

und gotischen Lanzettfenstern der<br />

F I N E<br />

R h e i n g a u<br />

111


»Man muss offen<br />

bleiben. Es gibt<br />

immer wieder<br />

Lektionen.«<br />

126<br />

F I N E 2 / <strong>2013</strong>


Gewissenhaft und beharrlich hat Werner Knipser aus dem<br />

pfälzischen Laumersheim den traditionellen Rebsortenspiegel<br />

um rote wie weisse Trauben erweitert. Er wurde damit zum Vorreiter<br />

und Ideengeber nicht nur der Pfalz. Doch ein Einzelkämpfer<br />

ist der heimat verbundene Familien mensch nicht.<br />

Von Martin Wurzer-Berger<br />

Fotos Johannes Grau<br />

Alle packen an: Zum Wohl<br />

ihres Weinguts arbeiten<br />

Werner Knipser, sein jüngerer<br />

Bruder Volker und sein Sohn<br />

Stephan gern Hand in Hand.<br />

Seine Tochter Sabine amüsiert<br />

sich am Steuer des piekfeinen<br />

Oldtimer-Lieferwagens über das<br />

schöne Bild des Familienfleißes.<br />

F I N E<br />

P f a l z<br />

127


Die Einfahrt zum Weingut Knipser liegt direkt an der Hauptstraße<br />

von Laumersheim. Die beiden Torflügel sind einladend ge öffnet. Auf<br />

der Hoffläche spielen zwei Kinder in der Sonne, die kurz zwischen<br />

den Wolken hervorlugt. Der Frühling lässt sich in diesem Jahr<br />

reichlich Zeit. Vor der Probierstube warten Tische und Bänke auf<br />

kundige Gäste. Doch die Besucher ziehen heute die großzügige,<br />

unauf dringlich modern gestaltete Probierstube vor. Lachen liegt in<br />

der Luft. Wein beschwingt auch an kühlen Tagen.<br />

Sabine Knipser, die Tochter des Hauses, führt uns zu ihrem<br />

Vater. Durch ältere Gebäudeteile, wo ein betagter Lanz<br />

Bulldog auf seine Restaurierung wartet und Gitterboxen mit<br />

allerlei Bau- und Arbeitsmaterial und hohe Stapel mit Weinkartonagen<br />

lagern. Schließlich öffnet sich ein großes Tor auf<br />

eine schmale Straße. Der Blick fällt auf eine hell verputzte, mit<br />

roten Ziegeln gedeckte Halle. Seit knapp zehn Jahren schon<br />

steht sie hier auf dem ehemaligen Kirchenacker. Bald soll sie<br />

für die Geräte und Maschinen des Außenbetriebs erweitert<br />

werden. »Am Weingut werden wir dann den Garten schöner<br />

machen und einen Barrique-Keller zum Vorzeigen bauen«,<br />

freut sich Sabine Knipser.<br />

Mit den schlanken Rundbogenfenstern in der Stirnseite<br />

und den niedrigeren Seitenschiffen wirkt die Halle fast wie<br />

eine Basilika. Eine sakrale Stimmung wird in ihrem zweckmäßigen<br />

Innern dennoch kaum aufkommen: zahllose Gärbehälter<br />

aus Edelstahl und aus mächtigem Holz, teilweise in<br />

zwei Etagen, in der Mitte eine große Filterpresse, die offensichtlich<br />

gerade noch im Einsatz war, betriebsame Menschen<br />

allenthalben. Weiter hinten liegen die Barriques. Mitten durch<br />

das Gewimmel technischer Armaturen und hallenhoher Tanks<br />

geht es in den Mannschaftsraum. Ein langer Tisch steht in<br />

der Mitte.<br />

Den Raum erfüllt ein voller Bratenduft. Werner Knipser,<br />

angetan mit einer kleidsamen Schürze, kommt mit<br />

einem breiten Lachen aus der Küche dahinter. Gerade bereitet<br />

er Ochsen backen für das abendliche Essen vor. Nur Zwiebeln,<br />

Tomaten, Lorbeer, Wacholder, Salz und Pfeffer kommen an<br />

das Fleisch. »Und für die Bindung eine große Kartoffel. Die<br />

fehlt noch.« Sagt es und verschwindet wieder. Die Bäckchen<br />

werden wunderbar schmecken. Die Knipsers kochen und<br />

genießen gern. Am Tisch wird spätabends zur allgemeinen<br />

Erheiterung im schönsten Pfälzisch der Spruch »Wammer<br />

wach sin, hammer Hunger, wammer satt sin, simmer mied –<br />

Wenn wir wach sind, haben wir Hunger, wenn wir satt sind,<br />

sind wir müde« zum Besten gegeben. Aber da haben alle,<br />

Werner, Volker, Stephan und Sabine, schon einen sehr langen<br />

Arbeitstag und eine ausgedehnte Probierrunde im Barrique-<br />

Lager hinter sich.<br />

128<br />

F I N E 2 / <strong>2013</strong>


Alles sieht gut aus: Als ein pfälzisches Vorzeigegut<br />

präsentieren sich Haus und Hof der Knipsers.<br />

Prächtig gelungen erscheint Volker Knipser auch<br />

der Spätburgunder, den er prüfend betrachtet.<br />

Der alte Holzweg, der von Laumersheim in den Pfälzerwald<br />

führt, ist lehmig und aufgeweicht. Auch mit zugeschaltetem<br />

Allradantrieb müht sich der Pickup redlich. Die Regenfront,<br />

die gerade noch die Tropfen aufs Wagendach prasseln<br />

ließ, zieht Richtung Rhein. Ein voller Regenbogen, ein stiller<br />

Moment angesichts seiner duftigen Vergänglichkeit, dann lebt<br />

das angeregte Gespräch wieder auf. Werner Knipser lenkt<br />

den Wagen, im Fond sitzt sein jüngerer Bruder Volker. Sie<br />

kennen hier jeden Quadratmeter. Durch ihre Erzählungen und<br />

Be schreibungen gewinnen die Weinberge, die ganze Landschaft<br />

ein klar konturiertes Profil. Jetzt meint auch der Ortsfremde,<br />

ein riesiges Amphitheater zu erkennen.<br />

Im Westen zeichnet sich der Höhenzug der Haardt ab, der<br />

fast parallel zum Rhein verläuft. An seiner Ostflanke –<br />

in seinem Regenschatten – gibt es verhältnismäßig geringe<br />

Nieder schläge. Die reichen aus, um die Reben zu versorgen,<br />

und lassen die Trauben trocken und gesund zu hoher Reife<br />

finden, besonders um die Weinorte Großkarlbach, Laumersheim<br />

und Dirmstein. Zwei flache Hügelketten ziehen sich vom<br />

F I N E<br />

P f a l z<br />

129


Abgang<br />

Wie alles begann …<br />

Fünf Jahre Fine – Anlass für eine kleine Feier mit einigen der renommiertesten<br />

Winzer der Welt. Sie und viele andere waren gern unserer<br />

Einladung auf das Weingut Robert Weil gefolgt, um im kleineren und im<br />

größeren Kreis einige ihrer besten Weine zu verkosten.<br />

Fünf Jahre Fine – Anlass auch für einen Rückblick, nicht nur auf den<br />

Erfolg dieses Magazins, sondern vor allem auf den des deutschen Weins<br />

und seiner Protagonisten.<br />

Vor dreißig Jahren gehörte die Ente vom Lehel im Nassauer Hof in<br />

Wiesbaden zu den wenigen Spitzenrestaurants, die sich für deutsche<br />

Weine engagierten und sie auf der Weinkarte anboten. <strong>Das</strong> war revolutionär,<br />

aber konsequent, denn in der sich wandelnden Restaurantszene<br />

wurde nach trocknen Weinen verlangt, die zum Essen passten.<br />

Und die kamen hauptsächlich aus Frankreich. Die 1983er Hattenheimer<br />

Nussbrunnen Spätlese, eine Exklusivabfüllung des Weinguts Langwerth<br />

von Simmern, wurde so zum Referenzwein und zum Vorläufer für viele<br />

Weine, die heute in Deutschland entstehen.<br />

Die Zahl der engagierten Winzer wächst, die eine hervorragende<br />

Arbeit machen und dafür sorgen, dass sich der deutsche Wein heute international<br />

wieder mit den größten Weinen der Welt messen kann. Während<br />

der Vorbereitung zu unserem kleinen Jubiläum fiel immer wieder ein<br />

Name, der auch von den Winzerkollegen als einer der führenden in<br />

Deutschland anerkannt wird: Wilhelm Weil vom Weingut Robert Weil.<br />

<strong>Das</strong> freut mich umso mehr, als wir vor zwei Jahren beschlossen haben,<br />

gemeinsam ein Buch über den Riesling und das Weingut Weil zu machen.<br />

Zur Einweihung der neuen Kellerei in Kiedrich konnten wir den Band<br />

präsen tieren. <strong>Das</strong> Weingut, das sich in seiner fast einhundertfünfzigjährigen<br />

Geschichte einen einzigartigen Ruf für vollendete edelsüße<br />

Rieslinge erworben hat, war auch an der internationalen Reputation<br />

trockner Weißweine aus Deutschland erheblich beteiligt. Bei unserer<br />

Jubiläumsverkostung musste Wilhelm Weil mit seinem 2004er Kiedricher<br />

Gräfen berg Riesling Erstes Gewächs den Vergleich mit großen Rieslingen<br />

aus Österreich und dem Elsass wahrhaftig nicht scheuen.<br />

Vor hundert Jahren genossen deutsche Weine im In- und Ausland<br />

enormes Ansehen und erzielten höchste Preise. Um wieder dahin zu<br />

kommen, ist es noch ein weiter Weg. Ein Weg, auf dem wir die Winzer<br />

gern begleiten.<br />

Ralf Frenzel<br />

Herausgeber<br />

146<br />

F I N E 2 / <strong>2013</strong>


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