FINE Das Weinmagazin - 02/2013
FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: WEINGUT ROBERT WEIL
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EIN LEBEN FÜR DEN WEIN: WALTER EIGENSATZ<br />
Mister Cheval Blanc<br />
und sein Gespür<br />
für Bordeaux<br />
Von Rainer Schäfer<br />
Fotos Guido Bittner<br />
<strong>Das</strong> Leben schien vorbei zu sein. Am 26. April 2012, einem Donners tag, fiel<br />
Walter Eigensatz ins Koma, ausgerechnet auf Mallorca, der Insel der Unbeschwerten.<br />
Nichts hatte darauf hingedeutet. Zwei Tage zuvor hatte er noch<br />
diniert bei Sternekoch Harald Wohlfahrt in Tonbach. Danach war er mit seiner Frau<br />
Karin auf die Mittelmeerinsel ge flogen, wo sie schon seit Ende der siebziger Jahre einen<br />
Teil ihrer Zeit verbringen. Die Ärzte hatten ihn fast schon aufgegeben, als er mit einer<br />
schweren Blutvergiftung in die Klinik ein geliefert wurde. Mit einer Infusion von sieben<br />
Litern Blut versuchten sie, sein Leben zu retten, aber er war noch zusätzlich durch einen<br />
Virus geschwächt. Nur eine winzige Chance bliebe, sagten die Ärzte: wenn er sich das<br />
rechte Bein amputieren ließe. Walter Eigensatz erinnert sich nicht daran, dass er die<br />
Ärzte beschworen haben soll: »Und wenn die Chancen eins zu fünfhunderttausend<br />
stehen, ich will leben.« <strong>Das</strong> Bein wurde amputiert, und lange Zeit sah es so aus, als ob<br />
er den Eingriff nicht überstehen würde. Erst am 8. Juli erwachte er wieder. Und wie.<br />
Gerade dem Tod von der Schippe gesprungen,<br />
verlangte Walter Eigensatz nach seinem<br />
Lieblingswein. »Ich habe davon geträumt, endlich<br />
wieder Cheval Blanc trinken zu können«, erzählt<br />
er. Vielleicht war es der Wunsch nach diesem<br />
Wein, der ihn aus dem Schattenreich zurückbrachte.<br />
Seiner Familie und den Freunden war klar:<br />
Mit Walti, wie sie ihn rufen, war wieder zu rechnen.<br />
Wenn er nach Cheval Blanc verlangte, dann musste<br />
das Schlimmste überstanden sein. Der Schweizer,<br />
Jahrgang 1939, zählt zu den ver siertesten Weinkoryphäen.<br />
Seine Kompetenz endet bei weitem<br />
nicht an den Grenzen des Bordelais. Wie kaum ein<br />
anderer Weinsammler hat er über die Jahrzehnte<br />
ein geradezu symbiotisches Verhältnis zu diesem<br />
Château in Saint-Emilion entwickelt. »Mister<br />
Cheval Blanc« wird er respektvoll in der Weinszene<br />
genannt. Walter Eigensatz hat alles darangesetzt,<br />
möglichst viele Weine aus den letzten<br />
Jahrhunderten zu verkosten. Cheval Blanc mit<br />
seiner fast schon artistischen Balance zwischen<br />
Kraft und Eleganz ist ihm dabei zum Lebenselixier<br />
geworden. Der Jahrgang 1947 mit seiner portweinähnlichen<br />
Opulenz ist für ihn der »beste Wein des<br />
letzten Jahrhunderts. Wenn ich ihn trinke, treten<br />
mir Tränen in die Augen.«<br />
Walter Eigensatz hat weltweit einige der<br />
erstaunlichsten Weinproben organisiert. Wie 1996<br />
in Luzern, wo er einhundertvierund vierzig Weine<br />
aus dem Jahrgang 1990 präsentierte. 2001 richtete<br />
er eine Verkostung auf Schloss Johannis berg aus;<br />
zur 900-Jahr-Feier des Schlossguts kamen mehr<br />
als fünfzig der renommiertesten Winzer und<br />
Weinsammler. Der Star des Abends aber war ein<br />
Riesling Goldlack aus dem Jahr 1862. Auf Mallorca<br />
ließ er vor zwei Jahren Weine aus dem Rioja<br />
von 1904 bis 1994 ausschenken. Wer an diesen<br />
Genussfeiern teilnehmen konnte, schwärmt noch<br />
heute davon. Walter Eigensatz gilt als exzellenter<br />
Verkoster, eine Fähigkeit, die man nur erringt,<br />
wenn man sich dem Wein hingibt, mit Leib und<br />
Seele. Geld ist dabei nur eine Voraussetzung, eine<br />
F I N E<br />
W e i n l e g e n d e<br />
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