23.01.2015 Aufrufe

FINE Das Weinmagazin - 02/2013

FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: WEINGUT ROBERT WEIL

FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: WEINGUT ROBERT WEIL

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

1I!<br />

n Boscoreale, einem einstigen Vorort der antiken Vesuvstadt Pompeji, wurde 1978 eine Villa rustica ausgegraben. Wir würden<br />

das An wesen heute als Weingut bezeichnen. Denn es lag inmitten von Weingärten, die auf den hügeligen Ausläufern des Vesuv<br />

empor kletterten. Auch dienten, wie man herausfand, zwei Drittel der Gebäude dem Keltern und der Lagerung von Wein: In einem<br />

der größten Räume des Guts wurde eine stattliche Traubenpresse freigelegt, in Nebengelassen fanden sich Hunderte säuberlich aufgestapelter<br />

Amphoren. Außer diesen unverkennbar zum Abfüllen diverser Weinsorten bereitliegenden Gefäßen entdeckte man mehrere<br />

Dutzend fass förmiger tönerner Behältnisse, sogenannte Dolia, die in das Erdreich eines weiten überdachten Hofs eingesenkt waren.<br />

Darin wiederum sichteten die Archäologen sogar noch pechartig eingedickte Reste der einstigen Flüssigkeit – den jungen, gerade gekelterten<br />

Wein des Jahrgangs 79 nach Christus, den niemand mehr trinken sollte. Denn wenige Wochen nach der Lese brach der Vulkan<br />

aus und begrub mit Pompeji und Herculaneum auch dieses Weingut unter meterhohen Asche- und Lavaschichten. Doch wer weiß –<br />

vielleicht leerten während der letzten Tage von Pompeji die Besitzer des Weinguts einige Becher mit dem, was wir heute Federweißer<br />

nennen. Was wir wissen, ist, dass nicht nur zu Füßen des Vesuv, sondern überall in den Weinbaugebieten des Imperium Romanum die<br />

reichen Besitzer von Weingütern sich luxuriöse Wohnungen in ihre Gutshöfe einbauen ließen, wo sie sommers oder zur Zeit der Weinernte<br />

ihre Besitztümer genossen, die Lese überwachten, Gäste einluden und im Schatten der Reben tafelten.<br />

Und damit kommen wir nun endlich nach Kiedrich: Zwar ist bis heute<br />

unbekannt, ob auch hier, wie in weiten Teilen des Rheingaus, die Römer<br />

Wein anbauten und Villae rusticae anlegten. Aber denkbar ist es schon, dass<br />

der Ort dank seiner idealen Lage lange vor seiner ersten urkund lichen Erwähnung<br />

im Jahr 937 römische Weinbauern angezogen hat. So könnte es statt<br />

Zufall ein Zeichen unbewusster, Jahr tausende überspannender Kontinuität<br />

sein, dass mit dem Weingut Robert Weil in Kiedrich ein Anwesen existiert,<br />

in dem das antike Miteinander von luxuriöser Villa und Winzerbetrieb einen<br />

neuzeitlichen Nachfolger gefunden hat. Eines jedenfalls steht fest: Wer einmal<br />

vor dem ausgegrabenen Eingang des Weinguts der pompejanischen Familie<br />

der Istacidii in Boscoreale gestanden hat, der wird vor dem Portal des Weinguts<br />

Robert Weil in Kiedrich unweigerlich Verwandtes erkennen. Hier wie<br />

da ein imposantes Tor in einer stattlichen Mauer, und da wie dort beschirmen<br />

höhere Mächte den Zugang – in Boscoreale sind es zwei geflügelte Sphingen<br />

aus Tuff, in Kiedrich die Nachbildung einer gotischen Madonna aus Rotsandstein.<br />

Die Gestalten mögen sich gewandelt haben, die Aussage ist die gleiche<br />

geblieben: Jede Kulturleistung bedarf neben menschlicher Tüchtigkeit auch<br />

glücklicher Fügung von oben. Ein kunstvolles schmiedeeisernes Tor am entgegengesetzten<br />

Ende der Mauer, durch das man das Weingut vom historischen<br />

Ortskern aus betreten kann, ist stolz geschmückt durch das leuchtend<br />

rote Familienwappen der Weils.<br />

Der erste Bauherr auf dem Gelände des heutigen Weilschen Anwesens,<br />

Baronet John Sutton, hatte anderes als Weinbau im Sinn, als er 1869 in Kiedrich<br />

ein winziges, verfallenes Winzer haus kaufte und zu einem kleinen Landsitz<br />

im Tudorstil umbauen ließ. Ihm ging es vorrangig darum, in Sichtweite der<br />

gotischen Sankt Valentinskirche und der herrlichen Michaelskapelle zu leben,<br />

deren Restaurierung er ebenso finanzierte wie die bald berühmte Choralschule<br />

der kleinen Stadt.<br />

Der Baronet, in dessen Heimat mit dem Sommerhaus Strawberry Hill<br />

des Schriftstellers Horace Walpole 1776 das Gothic Revival begonnen hatte,<br />

wusste, was er sich, seinem Stand und der in England geborenen Baukunst des<br />

Historismus schuldig war, die mittlerweile ganz Europa zu erobern begann:<br />

Der Umbau der Kiedricher Kate ließ ein pitto reskes Gebäude entstehen, das<br />

den Vergleich mit den originalen Tudor-Villen Englands nicht zu scheuen<br />

braucht: Selbst für Kenner ist es noch heute schwierig, die charakteristischen<br />

eselsrückenförmigen Tudorbögen und dunklen Holzvertäfelungen außen<br />

110<br />

F I N E 2 / <strong>2013</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!