Angekommen: Mit einer Verkostung von vierzehn großen Bordelaisern aus dem Jahrgang 1986 wurde die Genesung von Walter Eigensatz gefeiert, darunter natürlich auch der Cheval Blanc, sein Lebenselixier. 68 F I N E 2 / <strong>2013</strong>
EIN LEBEN FÜR DEN WEIN: WALTER EIGENSATZ Mister Cheval Blanc und sein Gespür für Bordeaux Von Rainer Schäfer Fotos Guido Bittner <strong>Das</strong> Leben schien vorbei zu sein. Am 26. April 2012, einem Donners tag, fiel Walter Eigensatz ins Koma, ausgerechnet auf Mallorca, der Insel der Unbeschwerten. Nichts hatte darauf hingedeutet. Zwei Tage zuvor hatte er noch diniert bei Sternekoch Harald Wohlfahrt in Tonbach. Danach war er mit seiner Frau Karin auf die Mittelmeerinsel ge flogen, wo sie schon seit Ende der siebziger Jahre einen Teil ihrer Zeit verbringen. Die Ärzte hatten ihn fast schon aufgegeben, als er mit einer schweren Blutvergiftung in die Klinik ein geliefert wurde. Mit einer Infusion von sieben Litern Blut versuchten sie, sein Leben zu retten, aber er war noch zusätzlich durch einen Virus geschwächt. Nur eine winzige Chance bliebe, sagten die Ärzte: wenn er sich das rechte Bein amputieren ließe. Walter Eigensatz erinnert sich nicht daran, dass er die Ärzte beschworen haben soll: »Und wenn die Chancen eins zu fünfhunderttausend stehen, ich will leben.« <strong>Das</strong> Bein wurde amputiert, und lange Zeit sah es so aus, als ob er den Eingriff nicht überstehen würde. Erst am 8. Juli erwachte er wieder. Und wie. Gerade dem Tod von der Schippe gesprungen, verlangte Walter Eigensatz nach seinem Lieblingswein. »Ich habe davon geträumt, endlich wieder Cheval Blanc trinken zu können«, erzählt er. Vielleicht war es der Wunsch nach diesem Wein, der ihn aus dem Schattenreich zurückbrachte. Seiner Familie und den Freunden war klar: Mit Walti, wie sie ihn rufen, war wieder zu rechnen. Wenn er nach Cheval Blanc verlangte, dann musste das Schlimmste überstanden sein. Der Schweizer, Jahrgang 1939, zählt zu den ver siertesten Weinkoryphäen. Seine Kompetenz endet bei weitem nicht an den Grenzen des Bordelais. Wie kaum ein anderer Weinsammler hat er über die Jahrzehnte ein geradezu symbiotisches Verhältnis zu diesem Château in Saint-Emilion entwickelt. »Mister Cheval Blanc« wird er respektvoll in der Weinszene genannt. Walter Eigensatz hat alles darangesetzt, möglichst viele Weine aus den letzten Jahrhunderten zu verkosten. Cheval Blanc mit seiner fast schon artistischen Balance zwischen Kraft und Eleganz ist ihm dabei zum Lebenselixier geworden. Der Jahrgang 1947 mit seiner portweinähnlichen Opulenz ist für ihn der »beste Wein des letzten Jahrhunderts. Wenn ich ihn trinke, treten mir Tränen in die Augen.« Walter Eigensatz hat weltweit einige der erstaunlichsten Weinproben organisiert. Wie 1996 in Luzern, wo er einhundertvierund vierzig Weine aus dem Jahrgang 1990 präsentierte. 2001 richtete er eine Verkostung auf Schloss Johannis berg aus; zur 900-Jahr-Feier des Schlossguts kamen mehr als fünfzig der renommiertesten Winzer und Weinsammler. Der Star des Abends aber war ein Riesling Goldlack aus dem Jahr 1862. Auf Mallorca ließ er vor zwei Jahren Weine aus dem Rioja von 1904 bis 1994 ausschenken. Wer an diesen Genussfeiern teilnehmen konnte, schwärmt noch heute davon. Walter Eigensatz gilt als exzellenter Verkoster, eine Fähigkeit, die man nur erringt, wenn man sich dem Wein hingibt, mit Leib und Seele. Geld ist dabei nur eine Voraussetzung, eine F I N E W e i n l e g e n d e 69