FINE Das Weinmagazin - 02/2013
FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: WEINGUT ROBERT WEIL
FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: WEINGUT ROBERT WEIL
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Quelle Bibliothek Hochschule Geisenheim<br />
Wann der Verleger der im Berliner Verlag<br />
Paul Parey erscheinenden Bibliothek an<br />
den aus Flacht bei Diez an der Lahn stammenden<br />
Nassauer herangetreten war, lässt sich nicht<br />
mehr rekonstruieren. Nur das Anliegen ist überliefert.<br />
August Dern, der als langjähriger Weinbauwander<br />
lehrer in Rheinhessen, als Adminis trator<br />
des Weinguts Prinz von Preußen im Rheingau und<br />
als oberster Weinbaufachmann in Diensten des<br />
Königs von Bayern und Mitglied in allen wichtigen<br />
Weinbaugremien seiner Zeit über einen immensen<br />
Erfahrungsschatz verfügte, sollte das Bändchen<br />
»Weinbau. Anleitung zur ratio nellen Traubenzucht«<br />
überarbeiten, das im Jahr 1894 erschienen<br />
war. Dazu sah er sich nicht in der Lage: Binnen<br />
zweier Jahrzehnte hatte sich so viel im deutschen<br />
Weinbau getan, dass eine Fortschreibung der<br />
ersten Auflage nicht in Frage kam.<br />
Höhenflug und Absturz<br />
Am Vorabend des Ersten Weltkriegs stand deutscher<br />
Wein im Zenit seines Ruhms, und das auf<br />
dem heimischen wie auf dem Weltmarkt. Riesling<br />
aus den »Edelweinbaugebieten« Rheingau, Rheinpfalz<br />
und Rheinhessen sowie von Mosel und Saar<br />
waren auf den Weltausstellungen von Paris 1900<br />
und St. Louis 1904 als die besten Weißweine mit<br />
Auszeichnungen überhäuft worden. In der Heimat<br />
wurden sie auf den jährlichen Versteigerungen in<br />
Wiesbaden, Trier, Mainz oder Neustadt an der<br />
Haardt fast mit Gold auf gewogen. In den nobelsten<br />
Hotels und Restaurants von Hamburg, Zürich<br />
oder New York durften sie auf keiner Karte fehlen,<br />
ebensowenig an den Kaiserhöfen von Berlin, Wien<br />
und St. Petersburg. August Dern hatte diese Entwicklung<br />
begleitet und nach Kräften gefördert.<br />
1908 war er in Neustadt die treibende Kraft hinter<br />
der Gründung des Vereins der Naturweinversteigerer<br />
der Rheinpfalz, zwei Jahre später stand<br />
er beim Aufbau des Verbands Deutscher Naturweinversteigerer<br />
(VDNV, heute VDP) Pate. 1912<br />
wollte er auch in Franken einen Zusammenschluss<br />
von Naturweinversteigerern ins Leben rufen, was<br />
allerdings aus heute unerfind lichen Gründen<br />
scheiterte.<br />
Doch als August Dern sich an die Neubearbeitung<br />
des Weinbau-Büchleins machte, konnte<br />
auch er nicht absehen, wie lange der Höhenflug<br />
des deutschen Weins anhalten würde. An<br />
der Kriegsgefahr lag es nicht. Auch nicht an der<br />
Aus breitung der Reblaus. Im Vergleich zu Frankreich<br />
und Österreich-Ungarn, wo der Weinbau in<br />
vielen Regionen weitgehend zum Erliegen gekommen<br />
war, hatte die Reblaus im Deutschen Reich<br />
bislang wenig Unheil anrichten können. Nur die<br />
Reb flächen um das lothringische Metz und um<br />
Naumburg an der Saale waren aufgegeben worden.<br />
In allen anderen Regionen wurden Reblausherde<br />
so früh bekämpft, dass die Verseuchung auf kleine<br />
Flächen beschränkt blieb. Zugleich hatte vor allem<br />
der preußische Staat alles darangesetzt, Methoden<br />
zum Wiederaufbau befallener Rebflächen zu<br />
erforschen, allen voran die Pfropfung europäischer<br />
Edelreiser auf reblaustolerante Unterlagsreben<br />
aus Amerika.<br />
Doch was die Reblaus nicht vermochte hatte,<br />
schien anderen Schädlingen zu gelingen. Im<br />
Verein mit dem Heu- und Sauerwurm vernichteten<br />
der echte (Oidium) und der falsche (Peronospora)<br />
Mehltau, wie die Reblaus im zweiten Drittel<br />
des 19. Jahrhunderts aus Amerika eingeschleppt,<br />
fast Jahr für Jahr Weinernten im Wert von vielen<br />
Millionen Reichsmark. Abhilfe war trotz aller<br />
Anstrengungen der wissenschaftlichen Forschung<br />
nicht in Sicht, jedenfalls nicht im Kampf gegen<br />
den Heu- und Sauerwurm und die Peronospora.<br />
»Deren Bekämpfung hat den Weinbau vor neue<br />
Auf gaben gestellt und sie hat ihn verteuert,« so<br />
schilderte August Dern in der Einleitung seines<br />
Werks die neuen Gefahren.<br />
»Riesling x Sylvaner«<br />
Den ranghöchsten Weinbaubeamten Bayerns<br />
plagten jedoch nicht nur Zweifel, ob der Weinbau<br />
wegen der hohen und oft vergeblichen Aufwendungen<br />
für die Schädlingsbekämpfung<br />
langfristig noch rentabel sein könne. Weitsichtige<br />
Zeitgenossen wie er hatten längst erkannt,<br />
dass die Zukunft des Weinbaus auch von dem<br />
Ersatz minderwertiger Rebsorten und minderwertiger<br />
Pflanzen abhängen sollte. »<strong>Das</strong> Klima<br />
in Deutschland zwingt uns wegen des feuchteren<br />
Herbstes, hauptsächlich weiße Sorten anzubauen«,<br />
hielt August Dern fest und fuhr fort:<br />
»Aber gerade aus weißen Sorten läßt sich mehr<br />
Qualität heraus holen, besonders dann, wenn sie<br />
sorgfältig ausgewählt sind.« Der Landesinspektor<br />
dachte an Riesling, roten Traminer, Sylvaner,<br />
weißen Gutedel, Elbling, Ortlieber, weißen und<br />
grauen Burgunder und Ruländer, an gelben, roten<br />
und blauen Muskateller, roten Veltliner, Rotgipfler,<br />
Orleans, Heunisch, Silberweiß, Welschriesling<br />
und sogar gelben Mosler. Für die Erwähnung einer<br />
neuen Rebsorte namens »Riesling x Sylvaner«, die<br />
Dern aus der Schweiz nach Franken gebracht hatte,<br />
war es im April 1914 noch zu früh.<br />
Dabei war sich August Dern seiner Sache<br />
sicher. »Unter den vielen Betriebsfaktoren, die<br />
für den Erfolg des Weinbaus maßgebend sind,<br />
ist jedenfalls die Rebe selbst der wichtigste, und<br />
gerade darum hat man sich seither ganz allgemein<br />
viel zu wenig bekümmert«, monierte er in dem<br />
»Bericht des Königlichen Landesinspektors für<br />
Weinbau über seine Tätigkeit in den Jahren 1911,<br />
1912 und 1913«. Seine Mahnungen verhallten nicht<br />
ungehört. »1912 wurde eine bayerische Hauptstelle<br />
für die züchterische Behandlung der Weinrebe<br />
unter Leitung des Landesinspektors geschaffen,<br />
die erste derartige Organisation«, konnte er Ende<br />
Ein weiter Weg: Zwischen dem Weinbau-<br />
Büchlein von August Dern, der nach<br />
Lösungen für die Weinbaukrise Anfang<br />
des 20. Jahrhunderts suchte, und den<br />
Weinbergen des badischen Spitzenwinzers<br />
Bernhard Huber, der heute auch mit<br />
seinem Müller-Thurgau von sich reden<br />
macht, liegen hundert Jahre.<br />
F I N E<br />
W e i n u n d Z e i t<br />
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