Unterstützte Kommunikation - Haus Hall
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UNTER DER LUPE: Zur Selbstbestimmung assistieren?<br />
8<br />
»<br />
Ich habe hier viele Freiheiten,<br />
aber andererseits<br />
Stellen Sie sich mal vor, Sie wären<br />
erwachsen. Und ein anderer<br />
Mensch sagt Ihnen, wann Sie<br />
abends zuhause sein und ins<br />
Bett gehen sollen. Bei der Arbeit<br />
fordert Sie eine Person auf, die<br />
jünger ist als Sie es sind, zur<br />
Toilette zu gehen, obwohl Sie<br />
gar nicht müssen, und bleibt<br />
dann vor der WC-Tür stehen.<br />
Und wieder eine andere Person<br />
sagt Ihnen, wo Sie demnächst<br />
wohnen werden und mit wem<br />
und dass es leider nicht anders<br />
geht und dass nun alle gemeinsam<br />
einen schönen Spaziergang<br />
machen werden.<br />
Aus dem Leitbild<br />
von <strong>Haus</strong> <strong>Hall</strong>, 2001. Den ganzen<br />
Text finden Sie unter:<br />
www.haushall.de/Stiftung/LeitBild<br />
Lupe 63 - 2008<br />
kung erzielt (die Hand wird ergriffen,<br />
als erste gewaschen und am besten<br />
wird dies noch benannt),<br />
erhält sie auf die Dauer ihren kommunikativen<br />
Sinn und damit das<br />
Potential einer Entscheidung. Das<br />
ist Selbstbestimmung.<br />
Damit wird auch deutlich: Eine<br />
schwerste geistige Behinderung begrenzt<br />
nicht die Möglichkeit zur<br />
Selbstbestimmung; sie begrenzt nur<br />
den Entscheidungsraum, in dem<br />
Selbstbestimmung sich ereignet,<br />
sich entfaltet. Daraus ergibt sich für<br />
uns der Auftrag: Ausschau zu halten<br />
nach den kleinsten Möglichkeiten,<br />
diese Freiräume bereitzustellen und<br />
damit auch den schwerstbehinderten<br />
Menschen Entscheidungsmöglichkeiten<br />
zu eröffnen.<br />
Wer bestimmt?<br />
Ein weiteres Beispiel als selbstkritische<br />
Frage: Wer bestimmt das<br />
Tempo bei einem Spaziergang? Was<br />
ist, wenn der Bewohner zwischendurch<br />
stehen bleibt? Lässt der Mitarbeiter<br />
das zu? Was ist, wenn der<br />
Mitarbeiter einen Kollegen trifft<br />
und stehen bleibt? Muss dann der<br />
Bewohner auch stehen bleiben? Was<br />
ist, wenn er weiterzieht?<br />
Damit wird auch deutlich, dass<br />
Selbstbestimmung bei schwerstbehinderten<br />
Menschen immer ein<br />
soziales Geschehen ist, denn Abhängigkeit<br />
von anderen Personen<br />
kennzeichnet das Leben schwerst-<br />
geistig- oder schwerstmehrfachbehinderter<br />
Menschen. Sie sind abhängig<br />
auch in der Selbstbestimmung,<br />
was paradox ist.<br />
Damit Selbstbestimmung gelingt,<br />
ist eine förderliche personale Beziehung<br />
erforderlich, die sich<br />
nicht auf Dienstleistung begrenzt,<br />
die aber auch nicht durch Fürsorglichkeit<br />
erdrückt, denn Geborgenheit<br />
ohne die Chance auf<br />
selbstbestimmtes Handeln wird zum<br />
Gefängnis. Gefragt sind Einfühlungsvermögen<br />
und Achtsamkeit,<br />
das Verständnis und Ernstnehmen<br />
nonverbaler Signale und die Reflektion<br />
der Abhängigkeit. Und das<br />
ist Nächsten-Liebe im besten Sinne:<br />
„Was willst du, dass ich dir tue?“<br />
Stephanie Pohl,<br />
Bereichsleiterin<br />
Wohnen