54 SCHÖNER REISEN 01/2013 Fotos: Ankerherz-Verlag
SEEMANNSGARN Kapitäne erzählen Der Waljäger aus Hamburg Sieben Monate sind die Walfänger aus Hamburg auf hoher See, ohne einen Hafen anzulaufen. Sie kämpfen gegen Eiseskälte, gegen Erschöpfung, gegen Schiffskoller auf den engen Jagdbooten und gegen die Stürme der Antarktis. Es ist ein gefährlicher Beruf, der Hermann Gerdau beinahe das Leben kostet. der schwimmenden Fabrik, um Treibstoff oder Munition aufzunehmen, und konnten Funkstille halten, was wichtig war, weil die anderen Jäger mithörten, die Fänger aus Japan, Norwegen oder Russland. Wenn überhaupt, unterhielten wir uns mit der Olympic Challenger, unserem Mutterschiff, in geheimen Codes, mit denen wir die Positionen durchgaben, wo geschossene Wale auf dem Meer trieben. Mein Jagdboot hieß Olympic Hunter, Nummer 15 in einer Flotte von 16 Booten, die aus dem Hamburger Hafen auslief, Anfang der 1950er Jahre. Offi ziell Schiffe der Deutschen Walfanggesellschaft, gehörten sie in Wahrheit der Olympic Line des griechischen Reeders Arisx s obald sich das Meer grünlich färbte, vom Blut und vom Fett, wussten wir, dass die Olympic Challenger in der Nähe sein musste. Wir folgten dann der Spur toteles Onassis. Meist begannen die Reisen Anfang September; drei Wochen weit ging es quer über den Atlantik und durch den Panamakanal zur Küste von Peru. Mit langsamer Fahrt, um Treibstoff zu sparen. Vor Peru jagten wir Pottwale, an deren Haut manchmal noch die Saugnäpfe von großen Kraken klebten, dann gingen wir auf einen südlichen Kurs und fuhren bis weit hinunter ins Weddell-Meer vor dem antarktischen Kontinent. Für jeden Wal gab es eine »Schwanzprämie« Mindestens sieben Monate blieben wir ununterbrochen auf See. Unsere Heimat waren umgebaute Korvetten der amerikanischen Navy, schnelle, robuste Schiffe, denen die Stürme des Atlantiks oder schwere See in der Antarktis wenig anhaben konnten. Auf 50 Metern Schiff lebten wir mit 20 Mann Besatzung, was dazu führte, dass es, je länger die Reise dauerte, auch zu Meinungsverschiedenheiten kam. Dass sich jemand eine blutige Nase holte, gehörte dazu, aber im Allgemeinen kamen wir gut miteinander aus, was auch an unserem Arbeitspensum lag: Zum Streiten fehlte die Zeit; sogar die Weihnachtsfeiern fielen meistens aus. Was mich betraf, war ich nach meinen Erfahrungen auf U-Boot 406 im Zweiten Weltkrieg ganz andere Lebensumstände gewohnt. Wenn der Ausguck am Mast einen Blas ausrief, eine Art Nebelfontäne, die aufsteigt, wo die Atemluft des Tieres kondensiert, steuerten wir mit voller Fahrt, mit bis zu 20 Knoten, darauf zu. Der Schießer, der im Fanggebiet gleichzeitig als Kapitän des Bootes diente, besetzte die Kanone auf der Back. Schützen an der Harpune waren immer Norweger. Was Brasilianer im Fußball sind, bedeuten Norweger für den Walfang: Sie kennen alle Tricks und schießen am besten. Sie wurden behandelt wie Stars und wurden auf 01/2013 SCHÖNER REISEN 55