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schöner reisen

SCHÖNER REISEN DAS KREUZFAHRTMAGAZIN/Kundenmagazin/Hagen+Pollmeier Corporate Publishing

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Auf der Olympic Challenger, einem umgebauten,<br />

180 Meter langen Tanker, arbeiteten<br />

mehr als 400 Männer rund um die Uhr und<br />

in 12-Stunden-Schichten. Wir liefen das Mutterschiff<br />

an, wenn uns der Treibstoff ausging,<br />

die Munition oder die Neuigkeiten. Der Funker<br />

der Olympic Challenger hörte jeden Tag Radio<br />

Norddeich oder die Deutsche Welle und schrieb<br />

die wichtigsten Ereignisse auf eine Seite Papier,<br />

die er an die Jagdboote weitergab. Natürlich<br />

vermissten wir unsere Familien, aber immerhin<br />

wussten wir, dass es ihnen gut ging, weil die<br />

Reederei finanziell für sie sorgte, wenn wir auf<br />

See waren. Wie man mit dem Schmerz der Trennung<br />

umging Das war nun mal so, sage ich<br />

noch heute.<br />

An Bord der Olympic Challenger gab es auch<br />

ein Hospital – was mir das Leben rettete, als<br />

mich die zuckende Schwanzfl osse eines Blauwals<br />

am Kopf traf. Ich ging glücklicherweise<br />

nicht außenbords, sondern sank bewusstlos an<br />

Deck. Drei Wochen dauerte die Behandlung im<br />

Hospital. Verletzungen kamen häufi g vor; oft<br />

Schnittwunden durch die Flensmesser. Alkohol<br />

war an Bord nur in geringen Dosen erlaubt; gegen<br />

Mittag ging der Kapitän mit einer Buddel<br />

Rum durch die Reihen und schenkte aus, aber<br />

nur einen Schuss, zum Aufwärmen. Dann ging<br />

die Arbeit an Deck wieder von vorne los.<br />

Die Temperaturen waren recht erträglich,<br />

zehn Grad minus, kälter wurde es nicht im<br />

antarktischen Sommer; wir trugen dicke Unterwäsche,<br />

Rollkragenpullover und bewegten uns<br />

viel. Zog schlechtes Wetter auf, kamen die Seen<br />

acht Meter hoch, und peitschte der Wind, legte<br />

der Kapitän das Boot in den Windschatten eines<br />

Eisbergs. Wir warteten ab, ruhten uns aus<br />

und ich kam dazu, ein Buch zu lesen. Monat<br />

für Monat arbeiteten wir uns weiter, rund um<br />

die Antarktis, aus dem Weddell-Meer vorbei am<br />

Königin-Maud-Land, weiter ins Rossmeer bis in<br />

die Amundsensee. Wenn im April die Temperatur<br />

stark abfi el und die Heftigkeit der Stürme<br />

zunahm, traten wir die Heimreise an.<br />

Wir müssen ausgesehen haben wie Piraten,<br />

mit unseren Bärten und der verschmutzten<br />

An Bord verirrte sich in antarktischen Gewässern<br />

auch mal ein Pinguin.<br />

Arbeitskleidung, als wir in Hamburg oder Cuxhaven<br />

festmachten. Ich hebe einen Artikel aus<br />

dem »Hamburger Abendblatt« auf, mit einem<br />

Foto, das zeigt, wie mich meine Frau und Kinder<br />

an der Gangway abholten. Ungefähr 15.000<br />

D-Mark verdiente ich mit jeder Reise, damals<br />

ein kleines Vermögen. Wir kauften davon einen<br />

Volkswagen, einen neuen Käfer, mit dem wir ins<br />

Sauerland fuhren, sogar nach Italien, unter die<br />

Sonne der Adria. Ich meldete mich zur Seefahrtschule<br />

in Altona an, um das Kapitänspatent zu<br />

machen. 1956, nach fünf Reisen, hatte ich genug<br />

vom Walfang und musterte ab. Die Entscheidung<br />

war mein Glück, denn Onassis verkaufte seine<br />

Flotte im gleichen Jahr nach Japan. Die Geschichte<br />

des deutschen Walfangs war beendet, doch in<br />

meinem Leben begann ein neues Kapitel.<br />

Mindestens sieben Monate verbrachte die Mannschaft auf dem nur 50 Meter langen Schiff während ihrer<br />

Reise um die Welt – ohne einen Hafen anzulaufen.<br />

Buchtipp<br />

Die Geschichte von Waljäger Hermann Gerdau<br />

stammt aus dem Buch Wellenbrecher. Autor<br />

Stefan Krücken erzählt auf 248 Seiten weitere<br />

Berichte von Kapitänen und ihrem Leben auf See.<br />

Mit farbigen Porträts, Illustrationen, historischen<br />

Fotografi en, Karte und Glossar. Hardcover, 29,90<br />

Euro. Ankerherz-Verlag, www.ankerherz.de<br />

Autor: Stefan Krücken<br />

Kurzportrait<br />

Kapitän Hermann Gerdau, 1913 in<br />

einem Dorf der Lüneburger Heide geboren,<br />

fuhr nach seiner Zeit als Walfänger bis zu<br />

seiner Pensionierung 1978 ausschließlich<br />

für die Reederei Christian F. Ahrenkiel.<br />

In der Hamburger Traditionsreederei gilt<br />

er als eine Legende. 2001 verstarb seine<br />

Frau Alwine, mit der er drei Jahre zuvor<br />

Diamanthochzeit gefeiert hatte. Gerdau lebt<br />

in Schleswig-Holstein.<br />

01/2013 SCHÖNER REISEN 59

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