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SCHÖNER REISEN DAS KREUZFAHRTMAGAZIN/Kundenmagazin/Hagen+Pollmeier Corporate Publishing

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+++75 o 3'S,47 o 15'W+++imWeddell-Meer,Antarktis+++<br />

Walfangboot 15, das Schiff<br />

von Hermann Gerdau.<br />

der Rückreise vor Kapstadt abgesetzt und durften<br />

nach Europa zurückfliegen.<br />

Ich bin überzeugt, dass es niemand fertigbrächte,<br />

einen Wal zu töten, wenn der Wal seinen<br />

Schmerz herausschreien könnte. Die ersten<br />

Abschüsse haben mich irritiert. Wenn die erste<br />

Harpune nicht das Herz traf, tauchte das Tier<br />

hinab in die Tiefe; ein Wal besitzt unglaubliche<br />

Kräfte und es war beeindruckend, mit welchem<br />

Tempo die Leine abspulte. 30 Kilo wog eine Harpune,<br />

auf die wir eine Granate aufschraubten;<br />

an der Harpune hing eine etwa 50 Meter lange<br />

Schießleine aus Nylon, die an eine starke, besonders<br />

belastbare Manila-Leine angespleißt wurde.<br />

Das Manila-Tau führte über den Mast zur Walwinde<br />

und weiter unter Deck. Durch Bootsmanöver<br />

machten wir den Wal an der Leine müde,<br />

dann setzten wir den tödlichen Schuss.<br />

Anschließend wurde der Kadaver an der<br />

Bordwand vertäut und mit Pressluft gefüllt, damit<br />

er an der Oberfläche trieb; wir steckten eine<br />

Flagge mit der Fangbootnummer hinein und beschnitten<br />

die Schwanzflosse, denn diese konnte<br />

auch das tote Tier wie ein Propeller antreiben<br />

und den Kadaver ganz langsam abtreiben lassen.<br />

Für jeden Wal gab es eine »Schwanzprämie«,<br />

zusätzlich zum Anteil am Fang der Reise<br />

und der täglichen Heuer. Jeden Abend sammelten<br />

vier Transportboote die Beute des Tages ein<br />

und schleppten sie zum Fabrikschiff, wo man<br />

die Wale auf das Schlachtdeck zog, in Würfel<br />

zerlegte und den Speck auskochte. Hauptsächlich<br />

für Waschmittel, für Seife oder Margarine.<br />

Über Tierschutz machte sich damals niemand<br />

Gedanken, Greenpeace gab es nicht und selbst,<br />

wenn man Mitleid mit dem Tier empfinden<br />

mochte, schob man solche Gefühle bei Seite. Ich<br />

war dankbar, eine Arbeit zu haben, ein Einkommen,<br />

mit dem ich meine Familie ernähren konnte.<br />

Ich war froh, für Onassis arbeiten zu dürfen,<br />

der den »Angehörigen aller Besatzungen meiner<br />

Walflotte« zu Weihnachten eine Grußkarte<br />

schicken ließ, inklusive eines gelben Umschlags,<br />

in dem ein Scheck lag. Obwohl ich über eine<br />

bessere Qualifi kation verfügte und schon 38<br />

Jahre alt war, heuerte ich auf meiner ersten Reise<br />

als Matrose an; auf meiner fünften Fahrt in<br />

die Antarktis, also fünf Jahre später, diente ich<br />

als Erster Offizier.<br />

1947, als ich aus dem Krieg nach Hause zurückkehrte,<br />

nach Winsen, einer Kleinstadt im<br />

Süden von Hamburg, hatten schwere Zeiten begonnen.<br />

Ich war stark abgemagert nach mehreren<br />

Wochen Gefangenschaft in einem belgischen<br />

Lager, in dem Dutzende Männer qualvoll<br />

verhungert waren. Mein Frau Alwine und ich<br />

mussten zwei kleine Jungen durchbringen; es<br />

mangelte uns an allem, an Geld, an Kleidung,<br />

an einer Perspektive. Zum Glück besaßen wir<br />

einen kleinen Garten, Kaninchen und Hühner,<br />

sonst hätten wir es nicht geschafft. Ich hatte<br />

meine Seefahrtspatente zu Kriegszeiten erworben,<br />

weshalb sie von den Behörden nicht anerkannt<br />

wurden. Erst nach einem Jahr fand ich<br />

eine Anstellung als Hilfsarbeiter; ich schleppte<br />

Kannen in einer Molkerei oder schaufelte Steinkohle<br />

aus Eisenbahnwaggons in Loren, die ich<br />

über einen Rangierbahnhof schob. Zimperlich<br />

bin ich nicht, das ist nicht meine Art, aber es<br />

war extrem harte Arbeit, für die ich weniger als<br />

eine Mark in der Stunde bekam.<br />

Eines Nachts, als ich wieder restlos erschöpft<br />

nach Hause kam, sagte meine Frau zu mir:<br />

»Hermann, so geht das nicht weiter.« Sie kannte<br />

jemanden im Hamburger Hafen, einen gewissen<br />

Doktor Schubert, der jemanden in der<br />

Deutschen Walfanggesellschaft kannte. Es war<br />

eine kleine Chance. Ich fuhr nach Hamburg und<br />

meldete mich bei einem Kapitän der Fangflotte,<br />

der gerade in der Hohwaldtswerft inspizierte,<br />

wie eines der Schiffe umgebaut wurde. Nach<br />

einigen Fragen zu meiner Laufbahn sagte er:<br />

»Ming Jong, du kommst auf Boot 15. Im September<br />

geht es los.« Dann drückte er mir 50<br />

Mark in die Hand. Ein Vorschuss von 50 Mark!<br />

Ich mochte es nicht glauben. Noch nie hatte ich<br />

einen solchen Geldschein besessen.<br />

Wir arbeitete rund um die Uhr<br />

und sahen aus wie die Piraten<br />

Wir lebten in den Jahren nach dem Krieg so<br />

entbehrungsreich, dass es sich mancher aus der<br />

Sicht des 21. Jahrhunderts kaum vorstellen mag.<br />

Niemandem an Bord des Walfangbootes Olympic<br />

Hunter wäre es eingefallen, sich zu beschweren<br />

über Monate auf einem engen Schiff. Über<br />

Eis, über Sturm, über Heimweh. Oder darüber,<br />

dass die Arbeit kein Ende zu nehmen schien,<br />

weil die Sonne im antarktischen Sommer nicht<br />

untergeht, und wir jagten, solange der Blas eines<br />

Wales gesichtet wurde. Blauwale, Finnwale, Buckelwale<br />

schossen wir, an manchen Tagen bis zu<br />

acht Tiere. Am brutalsten gingen die Japaner vor,<br />

die entgegen den Schutzbestimmungen auch<br />

Muttertiere töteten; ich glaube aber nicht, dass<br />

sich irgendeine Nation um Regeln scherte.<br />

56 SCHÖNER REISEN 01/2013

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