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Cruiser Februar 2014

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CRUISER Edition <strong>Februar</strong> <strong>2014</strong><br />

Kapitel Titel<br />

Pia<br />

Friedhof der guten Vorsätze<br />

Eine der grössten Geisseln der Menschheit ist ja das Fasnachtschüechli.<br />

Selten kommen Dinge mehr zur Unzeit daher als das Fasnachtschüechli.<br />

Genau dann, wenn man neu anfangen will, das Fitness-Abo gekauft<br />

hat, nur noch Salat und Tofu essen, den Körper mit fünf Litern Wasser<br />

pro Tag entschlacken will, genau dann packen sie überall die fettigen<br />

Krapfen aus. Genau dann. Es ist kaum möglich, sich im Januar mit Lebensmitteln<br />

zu versorgen, ohne durch dieses elende<br />

Fegefeuer der Abgrenzung zu marschieren angesichts<br />

der sich türmenden Schachteln von<br />

Fasnachtschüechli am Eingang oder an der<br />

Kasse. Ich sage jetzt etwas sehr Hartes: Es<br />

kommt nicht ganz von ungefähr, dass der<br />

<strong>Februar</strong> der Friedhof der guten Vorsätze<br />

ist. Daran sind auch die Migros und der<br />

Coop nicht unschuldig!<br />

Man ist ja schliesslich auch nur ein<br />

Mensch. Aber sobald man sich eine<br />

Schachtel ins Wägeli lädt, hat man<br />

rubbeldiekatz schon eine Jeansgrösse<br />

mehr. Vielleicht wäre es hilfreich,<br />

wenn die Jungs von Queerquit neben ihren<br />

super Rauch-Stop-Kursen auch noch<br />

einen Fress-Stop-Kurs für frittiertes saisonales<br />

Backwerk anbieten könnten. Ich<br />

werde das gleich mal anregen.<br />

Jetzt ist es ja so, dass manche Dinge wahnsinnig vorhersehbar sind. Wenn<br />

ich einen riesengros sen Hunger auf Fastnachtskrapfen habe, dann wird<br />

über kurz oder lang auch mein Arsch riesengross sein. Das ist absehbar.<br />

Wenn Larissa Marolt aus dem Dschungelcamp verschwindet, werden sich<br />

dort die gewohnte Ödnis und das langweilige Gequake ausbreiten, das<br />

wir eh schon kennen. Alles vorhersehbar.<br />

Und dann gibt es das Unvorhersehbare, die Dinge, die passieren, ohne<br />

dass wir uns darauf vorbereiten können. Und plötzlich ist von einem Tag<br />

auf den anderen alles anders. Man kann zum Beispiel ein Leben lang ohne<br />

grössere Zwischenfälle Autorennen fahren, und dann geht man kurz ein<br />

bisschen Skifahren, fällt mit der Birne unglücklich auf einen Stein, und<br />

schon hat das Leben neue Vorzeichen. Was also, wenn ein Unfall dich ins<br />

Koma ver-setzt, oder ein Hirnschlag dir die Sprache verschlägt? Treffen<br />

kann es jeden, sogar Michael Schumacher. Wenn man vorübergehend<br />

oder dauerhaft seine Urteilsfähigkeit verliert, dann ist es meistens mit<br />

der Selbstbestimmung vorbei. Mit dem neuen Erwachsenenschutzrecht,<br />

welches mehr Gewicht auf die Selbstbestimmung legt, gibt es die Möglichkeit,<br />

für solche Fälle vorzusorgen und schon beizeiten festzuhalten,<br />

was in solch einem Fall gewünscht ist und was nicht gewünscht ist. Betroffen<br />

sind folgende drei Lebensbereiche:<br />

- Die Personensorge: Dabei geht es um Entscheidungen über medizinische<br />

und pflegerische Behandlung sowie Hilfe im Alltag.<br />

- Die Vermögenssorge: Sie umfasst die Verwaltung von Einkommen und<br />

Vermögen inklusive die Betreuung des Zahlungsverkehrs.<br />

- Die Vertretung in rechtlichen Angelegenheiten: Dazu gehört im Wesentlichen<br />

das Eingehen oder Auflösen von Verträgen.<br />

Dazu gibt es zwei Instrumente: Die Patientenverfügung und den Vorsorgeauftrag.<br />

Für beide Dokumente gibt es im Internet zahlreiche Vorlagen<br />

zum Herunterladen oder Bestellen. Du kannst darin eine Person bestimmen,<br />

welche die Entscheidungen für dich treffen soll, für den Fall, dass<br />

du es selber nicht mehr kannst. Du kannst festlegen, wer die Vollmacht<br />

über dein Konto haben soll und wer sich um deine Katzen kümmern soll.<br />

Wichtig zu wissen ist: Gemäss dem neuen Erwachsenenschutzrecht muss<br />

im Falle einer Urteilsunfähigkeit der mutmassliche Wille der betroffenen<br />

Person ermittelt werden. Viele Schwule leben nicht in einer Beziehung.<br />

Wenn ihr also nicht wollt, dass eure Eltern oder Ge-schwister darüber<br />

beraten, was wohl euer Wille wäre, dann tut ihr gut daran, einen Vorsorgeauftrag<br />

auszufüllen und bei der Krankenkasse einen Vermerk zu<br />

deponieren, wo das Papier zu finden ist.<br />

Ich meinerseits lege hiermit fest, dass für den Fall, dass ich erneut beim<br />

Kauf von Fasnacht-schüechli erwischt werde, meine Urteilsunfähigkeit<br />

sofort festgestellt und mein Magen bis auf den Grund ausgepumpt wird.<br />

Eure Pia<br />

<br />

Eine Kolumne der Zürcher Aids-Hilfe<br />

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