CRUISER08
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CRUISER 0508<br />
Szene<br />
Seite 21<br />
Zoff um Mr. Gay<br />
Der schwule Beauty-<br />
Contest ist schon<br />
spannend, bevor die<br />
Kandidaten feststehen<br />
Party-Veranstalter Oliver Eschler<br />
will wieder einen Mr. Gay wählen lassen.<br />
Über die ersten Wahlen seit vier<br />
Jahren tobt jetzt aber in Zürich der<br />
Zickenkrieg: Die früheren Organisatoren<br />
Farah de Tomi und Luis Pestana<br />
fühlen sich übergangen.<br />
Am 29. November 2008 soll in der<br />
alten Börse in Zürich wieder ein<br />
Mr. Gay gewählt werden. Organisieren<br />
wird den Event Oliver Eschler,<br />
Geschäftsführer und Inhaber der<br />
Kommunikations- und Eventmarketing-Agentur<br />
Be Loved. Das Finale<br />
soll eine grosse Gala mit Jubeira<br />
Bachmann und Luca Papini werden.<br />
Bereits im Oktober sind Vorwahlen<br />
im Berner Liquid Club anberaumt.<br />
Dafür hat Eschler den früheren Culture-Club-Sänger<br />
Boy George als DJ<br />
verpflichten können.<br />
Verworrene Situation<br />
Doch jetzt tobt in der Zürcher<br />
Szene der Zickenkrieg. Luis Pestana<br />
von Gay.ch, der die Gay-Wahlen vor<br />
rund 10 Jahren ins Leben gerufen<br />
hat, erklärt, «in keinster Weise mit<br />
den angekündigten Wahlen und deren<br />
Veranstalter» in Verbindung zu<br />
stehen. Er sei seit 1998 Inhaber der<br />
geschützten Bildmarke «Mistergay».<br />
Um langwierige juristische Auseinandersetzungen<br />
zu vermeiden, verzichte<br />
er jetzt aber auf rechtliche<br />
Schritte gegen den neuen Organisator.<br />
Markenrechte an «Mr. und Miss<br />
Swiss Gay» behauptet auch Farah<br />
de Tomi, eine der beiden Organisatorinnen<br />
der letzten Wahlen, die<br />
2004 im Kongresshaus als perfekter<br />
Gross-Event über die Bühne gegangen<br />
waren, im Nachhinein aber für<br />
einige Misstöne gesorgt hatten.<br />
Die Verwirrung um allfällige Rechte<br />
an Mr. Gay wird aber noch grösser,<br />
denn auch Eschler sagt, dass er «die<br />
Marke Mr. Gay umfassend geschützt»<br />
habe. Das ist natürlich unzutreffend,<br />
wie ein Blick in die Datenbank des<br />
Bundesamtes für geistiges Eigentum<br />
zeigt. Eschler hat zwar im April<br />
dieses Jahres drei Gesuche um die<br />
Eintragung verschiedener Wortmarken<br />
eingereicht. Die se Gesuche sind<br />
aber hängig und es ist sehr fraglich,<br />
Daniel Broughton, Mr. Gay UK 07.<br />
Rund um gibt’s jedes Jahr einen<br />
Mr. Gay. Die Schweiz tut sich schwer.<br />
ob die Rechte jemals erteilt werden.<br />
Die Chancen auf die Eintragung einer<br />
Wortmarke «Mr. Gay» sind verschwindend<br />
klein, weil es sich bei<br />
diesen Wörtern um so genanntes<br />
Allgemeingut handelt, das nicht<br />
markenrechtlich geschützt werden<br />
kann. Auch Farah de Tomi kämpft<br />
seit mehr als zwei Jahren um die<br />
Eintragung von «Mr. und Miss Swiss<br />
Gay» und ist noch nicht am Ziel angelangt<br />
– ihr Gesuch aus dem Jahr<br />
2005 ist ebenfalls hängig.<br />
Niemand hat die Rechte<br />
Rechtlich präsentiert sich die Situation<br />
also so, dass gar niemand Rechte<br />
an einem Wahl-Event für den Mister<br />
Gay geltend machen kann. Die se<br />
Ausgangslage macht sich Eschler<br />
jetzt zunutze, denn wenn niemand<br />
ein Recht an der Wahl hat, kann<br />
die se auch niemand verhindern. Im<br />
Gespräch mit dem Cruiser betont<br />
der umtriebige Organisator, mit<br />
dem Event durchaus wichtige Ziele<br />
zu verfolgen: «Die Gay Community<br />
braucht nach all den Negativ-<br />
Schlagzeilen mit Darkrooms und<br />
Drogen endlich wieder gute Presse<br />
und einen Repräsentanten, der die<br />
verschiedenen Splittergruppen eint<br />
und als Sympathieträger gegenüber<br />
der Öffentlichkeit vertritt», sagt er.<br />
Da sich in den letzten Jahren niemand<br />
für die Durchführung der<br />
Wahlen interessiert habe, habe er<br />
das Zepter an sich gerissen. Er habe<br />
aber im Vorfeld sowohl Luis Pestana<br />
als auch Farah de Tomi für eine Zusammenarbeit<br />
angefragt. Die beiden<br />
hätten jedoch kein Interesse gezeigt.<br />
Pestana sieht das anders: «Man hat<br />
mir kein richtiges Angebot gemacht,<br />
sondern mich vor vollendete Tatsachen<br />
gestellt», erklärt er. Auch er<br />
habe geplant, noch in diesem Jahr<br />
Wahlen zu organisieren. Darauf verzichte<br />
er jetzt.<br />
Schlauer Partyfuchs<br />
Wenn man Eschler den Vorwurf<br />
macht, dass er in der Gay-Szene<br />
nichts bewirken könne und nichts<br />
zu sagen habe, wie dies de Tomi im<br />
Artikel auf 20 Minuten online getan<br />
hat, dann trifft das bestimmt nicht<br />
zu. Eschlers Agentur Be Loved hat<br />
sich in den vergangenen Jahren als<br />
Spezialist für Gay-Marketing positionieren<br />
können. Eschler versteht<br />
es hervorragend, mit seinen Parties<br />
Plattformen für Sponsoren zu schaffen.<br />
Rund 60 Anlässe hat er im vergangenen<br />
Jahr organisiert, darunter<br />
die Lovelife-Parties und das PG an der<br />
Pfingstweidstrasse. Jüngst machte<br />
Eschler mit Events im Nobel-Club St.<br />
Germain an der Bahnhofstrasse und<br />
im Marvin an der Sihlporte von sich<br />
reden. Weil Schwule und Lesben in<br />
Marketingkreisen immer noch als<br />
interessante Zielgruppe gelten, geht<br />
es bei einem Event in der Grössenordnung<br />
der Gay-Wahlen natürlich<br />
auch um Sponsoren und damit um<br />
viel Geld. Es versteht sich von selbst,<br />
dass Eschlers Agentur mit diesem<br />
Grossanlass im Portfolio für viele<br />
potentielle Partner noch attraktiver<br />
wird.<br />
In diesselbe Kerbe haut auch Farah<br />
de Tomi: «Ich habe einfach Angst,<br />
dass man jetzt wieder von ganz vorne<br />
anfangen muss und dass es bei<br />
diesen Wahlen nicht wirklich um<br />
die Community, sondern vor allem<br />
um die geschäftlichen Interessen<br />
von Eschler geht», sagt sie zum Cruiser.<br />
Bei wem auch immer die eigenen<br />
Sympathien liegen: Man wünscht<br />
der Szene, dass die Gay-Wahlen im<br />
Herbst zu einem Erfolg werden. Die<br />
Hoffnung besteht ja, dass sich der<br />
Zürcher Zickenkrieg spätestens mit<br />
der Ankunft des Sommers in warme<br />
Luft auflöst.