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2<br />
Im vorigen Jahr haben sich in<br />
Hamburg mehr als 70 ausländische<br />
Unternehmen neu<br />
niedergelassen – allerdings keines<br />
davon im Bezirk Harburg.<br />
Die positive Bilanz der Hamburgischen<br />
Gesellschaft für Wirtschaftsförderung<br />
HWF war aus<br />
Harburger Sicht eher frustrierend<br />
und warf die Frage auf, ob<br />
der Süden eigentlich wirklich so<br />
attraktiv ist, wie viele Akteure<br />
und Entscheider in der Politik<br />
und der Wirtschaft meinen.<br />
<strong>HAN</strong>-Redakteur Wolfgang<br />
Be cker sprach darüber mit Jutta<br />
Ludwig, Vorsitzende der Geschäftsführung<br />
der HWF Hamburgische<br />
Gesellschaft für Wirtschaftsförderung<br />
mbH.<br />
> 1<br />
B&P: Harburg ist als<br />
ehemalige „Industriestadt“<br />
ein Wirtschaftsstandort<br />
im klassischen Sinne. Wie beurteilen<br />
Sie die Attraktivität des<br />
Südbezirks für Unternehmen?<br />
Anders gefragt: Hat die HWF<br />
Harburg auf der Rechnung?<br />
Ludwig: Harburg ist eine Region,<br />
in die man gerne geht,<br />
die im Fokus steht. Ein wichtiger<br />
Hamburger Bezirk. Hier ist<br />
es interessant zu wohnen und<br />
zu arbeiten. Unsere Statistik<br />
zeigt, dass es innerhalb Hamburgs<br />
eine kräftige Wanderbewegung<br />
von Unternehmen<br />
gibt, die wachsen und dann<br />
auch nach Harburg ge hen. Das<br />
fällt bei uns allerdings unter<br />
„Entwicklung im Bestand“. Aus<br />
Harburger Sicht sind das natürlich<br />
auch Ansiedlungen. Dass<br />
im vergangenen Jahr keine ausländische<br />
Neuansiedlung in<br />
Harburg stattgefunden hat, war<br />
übrigens ein Ausreißer.<br />
> 2<br />
B&P: Wofür steht Harburg<br />
aus Ihrer Sicht?<br />
Ludwig: Ich nenne zwei wesentliche<br />
Punkte: die Technische<br />
Universität und die Zu-<br />
interview<br />
SECHS FRAGEN AN JUTTA LUDWIG<br />
„Hamburg soll die internationale<br />
Windkraft-Hauptstadt werden“<br />
So sieht die Vorsitzende der HWF-Geschäftsführung die Chancen für den Wirtschaftstandort Harburg<br />
Foto: ein<br />
sammenarbeit der TU mit der<br />
Wirtschaft. Als HWF halten wir<br />
zudem eine strategische Ausrichtung<br />
der wirtschaftlichen<br />
Aktivitäten im Süden für sinnvoll.<br />
Da sind Stichworte wie TU,<br />
Logistik und Hafen zu nennen.<br />
Außerdem haben wir die fantastische<br />
Entwicklung im Binnenhafen<br />
und auf der Schlossinsel.<br />
Hier werden die Bereiche Wohnen<br />
und Arbeiten zusammengeführt.<br />
Die HWF war und ist in<br />
vielen Projekten in Harburg beteiligt.<br />
Viele Mieter zum Beispiel<br />
in den Channel-Gebäuden oder<br />
im hit-Technopark haben wir<br />
betreut, das sind unsere Kunden.<br />
editorial<br />
VON WOLFGANG BECKER<br />
> 3<br />
B&P: Ist Harburg aus<br />
HWF-Sicht noch ein Industriestandort?<br />
Ludwig: Wenn wir an produzierendes<br />
Gewerbe und Industrie<br />
denken, fallen mir sofort<br />
Namen wie Beiersdorf/Tesa, Airbus<br />
und Mercedes ein. Natürlich<br />
auch die Harburg-Freudenberger<br />
Maschinenbau GmbH.<br />
Oder die Shell, die ja jetzt im<br />
Umbruch begriffen ist. Das sind<br />
ganz wichtige Unternehmen für<br />
Harburg und damit für Hamburg.<br />
Schauen wir nach Finkenwerder:<br />
Die Stadt hat hier eine<br />
kluge Flächenpolitik betrieben,<br />
die es einem Unternehmen wie<br />
Airbus ermöglicht, weiter zu<br />
wachsen. Hamburg ist die einzige<br />
Stadt in Deutschland, die bis<br />
2025 wachsen wird.<br />
> 4<br />
B&P: Welche Rolle<br />
spielt der Harburger<br />
Hafen bei Ihren Vermarktungsaktivitäten?<br />
Ludwig: Flächen, die am Wasser<br />
liegen und zugleich an das<br />
Gleissystem angeschlossen sind,<br />
werden nachgefragt. Und das<br />
nicht nur von klassischen Hafenbetrieben,<br />
sondern auch von anderen<br />
Unternehmen. Hamburg<br />
insgesamt wird die Stadt sein, in<br />
der die Offshore-Energie zu-<br />
Von wegen Kapital: Macht kommt von Machen!<br />
Die Deutschen – ein<br />
Volk von Vereins -<br />
meiern? Mag sein. Das<br />
muss allerdings nichts heißen,<br />
denn es gibt durchaus Vereine,<br />
die sich nicht selbst genügen.<br />
Das beste Beispiel: der<br />
Wirtschaftsverein für den<br />
Hamburger Süden, dem es gelungen<br />
ist, sich von einer eher<br />
introvertierten Industriellenrunde<br />
der Nachkriegszeit zu<br />
einem offenen, engagierten<br />
Verein zu wandeln. Hier ist Ein-<br />
mischung Programm. Die<br />
Wirtschaft im Hamburger Sü -<br />
den sagt, was sie denkt, und<br />
sie bringt konstruktive Vorschläge<br />
auf den Tisch.<br />
Seit Lenin und Marx hat man<br />
viel über die Macht des Kapitals<br />
gehört. Und am langen<br />
Ende geht es natürlich auch in<br />
einem Wirtschaftsverein um<br />
wirtschaftliche Interessen –<br />
alles andere wäre paradox.<br />
Längst ist aber erkannt, dass<br />
zur Bildung von Kapital nicht<br />
nur die harten Standortfaktoren<br />
stimmen müssen. Auch<br />
die so genannten weichen<br />
Standortfaktoren sind wichtig,<br />
wenn es darum geht, ein wirtschaftsfreundliches<br />
Klima zu<br />
erzeugen. Dazu zählen Freizeitmöglichkeiten,<br />
geeignete<br />
Wohnangebote, gute Schulen,<br />
Kindergärten, Gastronomie<br />
und Kultur.<br />
All jene Punkte finden sich<br />
auch in der Harburg-Vision<br />
2020/50 wieder, die das<br />
Mach(t)bare beschreibt. Da -<br />
mit wird deutlich: Das Engagement<br />
des Wirtschaftsvereins,<br />
der jetzt 65 Jahre besteht,<br />
kommt allen Menschen<br />
in Harburg und Umgegend<br />
zugute. Jeder Nichtunternehmer<br />
wird diese Punkte sofort<br />
auch für sich reklamieren. Die<br />
große Klammer Standortqualität<br />
ist ein gesellschaftliches<br />
und kommunalpolitisches<br />
Thema von großer Tragweite.<br />
Auf 24 Seiten bringt Business<br />
Vita<br />
JUTTA LUDWIG<br />
p Jutta Ludwig ist seit März 2011 Vorsitzende<br />
der Geschäftsführung der HWF<br />
Hamburgische Gesellschaft für Wirtschaftsförderung<br />
mbH und Geschäftsführerin<br />
der Hamburg Marketing GmbH.<br />
p Jutta Ludwig studierte an der<br />
Universität Hamburg und an der<br />
Taipei Universität und schloss ihr Studium<br />
Diplom-Volkswirtin 1981 und als Sinologin<br />
in Hamburg ab. 1984 nahm sie ihre<br />
Tätigkeit als Geschäftsführerin im Ost-<br />
Ausschuss der Deutschen Wirtschaft beim<br />
Bundesverband der Deutschen Industrie<br />
(BDI) mit Schwerpunkt China auf. Von<br />
1993 bis 1996 leitete sie die Abteilung<br />
China-Koordination der Karstadt AG in<br />
Essen. Ab 1997 arbeitete sie als Projektleiterin<br />
am Wuppertal-Institut für Klima,<br />
Umwelt und Energie GmbH. Von 2003<br />
bis Februar 2011 war Jutta Ludwig<br />
Delegierte der Deutschen Wirtschaft in<br />
Beijing und Geschäftsführendes<br />
Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer<br />
in China, Beijing.<br />
p Jutta Ludwig lebt in Rissen und ist seit<br />
1980 mit Harris Tiddens verheiratet. Das<br />
Paar hat drei Söhne.<br />
sammenfließen wird. Das ist<br />
durch die Lage bestimmt. Eine<br />
große Herausforderung für<br />
Hamburg wird deshalb das<br />
Thema Energiespeicherung sein.<br />
Hamburg soll die internationale<br />
Windkraft-Hauptstadt werden,<br />
muss dazu aber die Stärken noch<br />
deutlicher herausarbeiten. Unser<br />
Ziel ist es, in der Hansestadt Forschung<br />
und Entwicklung für diesen<br />
Bereich zu etablieren und<br />
entsprechende Firmen anzusiedeln.<br />
Unternehmen kommen,<br />
weil es in einer Region einen<br />
Markt gibt. Den müssen wir aufbauen.<br />
Dabei können auch Flächen<br />
im Harburger Hafen eine<br />
Rolle spielen.<br />
& People im beiliegenden<br />
Special „65 Jahre Wirtschaftsverein“<br />
die wohl ausführlichste<br />
Zwischenbilanz der Harburg-Vision<br />
2020/50, die jemals<br />
erschienen ist. Ein Blick in<br />
die Zukunft, aber auch eine<br />
Analyse der Gegenwart. Eine<br />
interessante Lektüre wünscht<br />
> 5<br />
B&P: In Harburg soll<br />
möglicherweise ein eigenes<br />
Stadtmarketing aufgebaut<br />
werden. Wäre das eine<br />
Konkurrenz für die Hamburg<br />
Marketing GmbH?<br />
Ludwig: Ich habe die letzten<br />
Jahre in Peking gelebt. Wenn<br />
man von Asien nach Europa<br />
schaut, muss man Hamburg und<br />
die Metropolregion schon auf der<br />
Karte suchen. Die Hamburg Marketing<br />
GmbH hilft, dass wir im<br />
Ausland wahrgenommen werden.<br />
Auch unsere Partner in der<br />
Metropolregion, wie zum Beispiel<br />
die Süderelbe AG, unterstützen<br />
dies. Eine noch kleinteiligere Darstellung<br />
ist im internationalen<br />
Wettbewerb wenig wirksam. Wir<br />
konkurrieren mit anderen Ländern<br />
und bekannten Metropolen.<br />
Natürlich ist es daneben gut,<br />
wenn sich die Bezirke Gedanken<br />
über ihre Identität und ihre<br />
Selbstdarstellung machen.<br />
Schließlich sollen sich die Bürger<br />
dort wohlfühlen, und neue Bewohner<br />
müssen gewonnen werden.<br />
Das ist keine Konkurrenz.<br />
Das muss sich sinnvoll ergänzen.<br />
> 6<br />
B&P: In Harburg sorgte<br />
unlängst die Vorstellung<br />
des 200-Millionen-Euro-<br />
Projekts „Neuländer Quarree“<br />
für Aufsehen. Hat die HWF<br />
davon gehört?<br />
Ludwig: Aber ja. Gerne bringen<br />
wir auch hier unsere Erfahrungen<br />
in der Vermarktung an attraktive<br />
Unternehmen mit ein. Gespräche<br />
hierzu haben stattgefunden.<br />
Dort geht es letztendlich um 500<br />
Arbeitsplätze. Zunächst sind jedoch<br />
die Investoren und Planer<br />
gefordert. Wir sind zufrieden,<br />
wenn die Strukturen stimmen<br />
und in einem so umfangreichen<br />
Neubauprojekt bewiesen wird,<br />
dass Wohnen und Arbeiten sich<br />
nicht ausschließen, was für einen<br />
hoch entwickelten Stadtstaat wie<br />
Hamburg wichtig ist.<br />
IMPRESSUM<br />
Business<br />
&PeoPle REDAKTION & FOTOS:<br />
Wolfgang Becker (verantw.)<br />
Christian Bittcher (Fotos)<br />
Urte Michaelsen<br />
GRAFIK & LAYOUT:<br />
Gunda Schmidt<br />
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Jens Kalkowski<br />
VERLAG:<br />
Lühmanndruck