Betriebliches Mobilitätsmanagement ... - Clever Pendeln
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<strong>Betriebliches</strong><br />
<strong>Mobilitätsmanagement</strong><br />
Dokumentation der Veranstaltungsreihe<br />
des ACE Auto Club Europa<br />
vom 16. bis 18. September 2003<br />
1
ACE Auto Club Europa e.V.<br />
Schmidener Str. 227<br />
D-70374 Stuttgart<br />
Fon: (07 11) 53 03-0<br />
Fax: (07 11) 53 03-2 59<br />
E-Mail: ace@ace-online.de<br />
Internet: www.ace-online.de<br />
Vorsitzender: Wolfgang Rose<br />
stellvertretender Vorsitzender: Dieter Fabig<br />
Registergericht: Amtsgericht Stuttgart, VR 1733<br />
USt.-Nr. 99015 / 04876<br />
Redaktion:<br />
Matthias Knobloch<br />
ACE Auto Club Europa – Parlamentarisches Verbindungsbüro Berlin<br />
Märkisches Ufer 28<br />
D-10179 Berlin<br />
Fon: (030) 278725-0<br />
Fax: (030) 278725-5<br />
Textdokumentation der Veranstaltungsreihe:<br />
Bernd Kastner, Winzerer Strasse 7, 80797 München<br />
2
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort . . . . . . . . . 5<br />
Teil I:<br />
Allgemeine Überlegungen zum<br />
Betrieblichen <strong>Mobilitätsmanagement</strong> . . . . . 7<br />
Matthias Knobloch<br />
Mobilität effizient gestalten –<br />
<strong>Mobilitätsmanagement</strong> als Kommunikationsprozess . . . 8<br />
Dr. Thomas Zängler<br />
Lässt sich Mobilitätsverhalten managen? . . . . 10<br />
Edmund Flößer<br />
<strong>Clever</strong> mobil und fit zur Arbeit –<br />
die Klimabündniskampagne für mehr nachhaltige Mobilität . . 13<br />
Klaus Schäfer-Breede<br />
Von der Idee zum Betriebsverkehrsplan . . . . 15<br />
Lars Welk<br />
<strong>Mobilitätsmanagement</strong> bei der BGW . . . . . 19<br />
Teil II:<br />
Mobiles München, 16. September 2003 . . . . 21<br />
Bernhard Eller, Jens Mühlhaus<br />
Einführung . . . . . . . . . 22<br />
Dr. Eeva Rantama<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Mobilitätsmanagement</strong> –<br />
ein Angebot für Münchner Unternehmen . . . . 24<br />
Alexander Freitag<br />
Der ÖV als Partner im <strong>Mobilitätsmanagement</strong> . . . . 26<br />
Heinz-Jochem Hirschbrunn<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Mobilitätsmanagement</strong> beim Bayerischen Rundfunk . 28<br />
Thementalk:<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Mobilitätsmanagement</strong>:<br />
Gut für die Umwelt – gut für die Kosten? . . . . 30<br />
3<br />
Seite
Teil III:<br />
Mobiles Mainz, 17. September 2003 . . . . . 32<br />
Wolfgang Reichel<br />
Einführung . . . . . . . . . 33<br />
Sascha Müller<br />
IVM – die Organisation für<br />
integriertes Verkehrsmanagement in unserer Region . . . 34<br />
Thomas Pensel<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Mobilitätsmanagement</strong> als städtische Aufgabe . 36<br />
Jochen Erlhof<br />
Der ÖPNV als Akteur der nachhaltigen Mobilitätsgestaltung . . 38<br />
Norbert Sanden<br />
Projekt Bike + Business: Auf dem Rad zur GTZ . . . 40<br />
Eckhard Wolf<br />
Pilotprojekt Mobilitätsberatung . . . . . . 42<br />
Thementalk:<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Mobilitätsmanagement</strong>:<br />
Gut für die Umwelt – gut für die Kosten? . . . . 43<br />
Teil IV:<br />
Mobile Zukunft – <strong>Betriebliches</strong> <strong>Mobilitätsmanagement</strong> in der Region<br />
Stuttgart, 18. September 2003 . . . . . 45<br />
Dr. Walter Rogg<br />
Einführung . . . . . . . . . 46<br />
Dr. Bernd Pfeifle<br />
<strong>Mobilitätsmanagement</strong> in Baden-Württemberg . . . . 47<br />
Dr. Dirk Vallée<br />
Verkehr in der Region Stuttgart – Stand und Ausblick . . 52<br />
Holger Bach<br />
<strong>Mobilitätsmanagement</strong> aus Sicht der Wirtschaftsförderung . . 59<br />
Dr. Witgar Weber<br />
Der ÖPNV als Akteur der nachhaltigen Mobilitätsgestaltung . . 60<br />
Thementalk:<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Mobilitätsmanagement</strong>:<br />
Gut für die Umwelt – Gut für die Kosten? . . . . 61<br />
Verzeichnis und Adressen der Referenten . . . . 65<br />
Liste nützlicher Internetadressen . . . . . . 68<br />
Aktionskoffer zum betrieblichen <strong>Mobilitätsmanagement</strong> . . . 69<br />
4
Vorwort<br />
<strong>Mobilitätsmanagement</strong> ist das einfache, was einfach schwierig zu machen –<br />
diesen Satz kann man mit gutem Gewissen einer Veröffentlichung zum Thema<br />
voranstellen. Einfach, weil <strong>Mobilitätsmanagement</strong> täglich überall und bei jedem<br />
stattfindet: Nehme ich das Auto, nein ich bekomme doch keinen Parkplatz, ausnahmsweise<br />
heute mal die U-Bahn, nein doch nicht, denn abends fährt sie nur<br />
jede 30 Minuten und ich mag nicht warten... . Jeder managet seine persönliche<br />
Mobilität nach seinen eigenen Bedürfnissen. Eigene Bedürfnisse, das klingt<br />
nach Individualverkehr und die Erfüllung der eigenen Mobilitätsanforderungen<br />
bei größtmöglicher Unabhängigkeit ist damit auch der Grund für den Erfolg des<br />
motorisierten Individualverkehrs (MIV) oder kürzer gesagt des Autos.<br />
Mit dem Gleichsetzen des Autos als Synonym für Unabhängigkeit folgt auf der<br />
„anderen“ Seite ebenfalls eine Gleichsetzung: Öffentlicher Verkehr bedeutet<br />
Abhängigkeit, abhängig sein von Fahrplänen, eventuell auch von unfreundlichen<br />
Busfahrern. Auch das Fahrrad bietet nur begrenzte Alternativen. Zwar ist<br />
man unabhängig, aber dafür tropfnass im Büro, wenn die angesagten 10% Regenwahrscheinlichkeit<br />
ausgerechnet auf der Fahrt zur Arbeit eintreffen.<br />
Das Schwierige am <strong>Mobilitätsmanagement</strong> ist es die ungeliebten und auf den<br />
ersten Blick auch unattraktiveren Alternativen beliebt zu machen. Marketing für<br />
eine neue Mobilität ist hier sicher ein Schlagwort, aber als Vorstufe zum Marketing<br />
ist es notwendig, die subjektiv wahrgenommenen Defizite von ÖV und<br />
Fahrrad auszuräumen. Natürlich kann nicht jeder Fahrradweg überdacht werden<br />
und nicht jeder Bus jeden Umweg fahren, aber Radrouten, die nicht entlang<br />
der Hauptstrasse entlang führen, vernünftige Abstellanlagen und ein ÖV, der<br />
sich an den Bedürfnissen der Menschen anpasst anstatt versucht sie zu erziehen<br />
,ist nicht unmöglich und bietet Nutzern echte Alternativen, die wirklich Nutzen<br />
bringen und auch Spaß machen können.<br />
Im weiten Feld des <strong>Mobilitätsmanagement</strong> bietet der betriebliche Bereich ein<br />
besonders hohes Potential. Denn die Nutzer sind bekannt, man weiß in etwa<br />
wann sie arbeiten, man kennt ihre Wohnorte. Optimale Voraussetzungen also,<br />
angepasste neue Angebote zu gestalten. <strong>Mobilitätsmanagement</strong> im Betrieb bedeutet<br />
aber nicht, dass der Betrieb draufzahlt, um kaum greifbare Umweltziele<br />
zu erreichen. Auch wenn natürlich Betriebe Verantwortung gegenüber Gesellschaft<br />
und Umwelt übernehmen sollen und müssen, liegt ihre Aufgabe darin ihr<br />
Kerngeschäft effizient und gewinnbringend zu betreiben. <strong>Mobilitätsmanagement</strong><br />
im Betrieb muss sich daran orientieren, um erfolgreich zu sein. Wenig bekannt<br />
ist, dass schon heute diese Effizienzkriterien erfüllt werden. <strong>Mobilitätsmanagement</strong><br />
kann bedeuten: Flächenersparnis durch Parkplatzreduzierung, ungestresste<br />
Mitarbeiter, gesündere Mitarbeiter, die mit Spaß im Sommer an Wettbewerben<br />
wie „Banker on Bike“ teilnehmen. Richtig gemacht nutzt <strong>Mobilitätsmanagement</strong><br />
Arbeitnehmern und Arbeitgebern, dass die Umwelt auch profitiert<br />
ist dann ein angenehmer und gewünschter Nebeneffekt.<br />
Trotz seiner offenkundigen Vorteile und einem wachsendem Bewusstsein dafür,<br />
dass eine nachhaltige Entwicklung nicht nur der Umwelt nutzt, sondern mehr<br />
und mehr wirtschaftliche Notwendigkeit ist, führt <strong>Mobilitätsmanagement</strong> in Betrieben<br />
oft noch ein Nischendasein. Einigen bekannten „Leuchtturmprojekten“<br />
5
stehen viele Betriebe gegenüber, die sich mit dem Thema nicht beschäftigt haben.<br />
Nicht, weil sie einem <strong>Mobilitätsmanagement</strong> ablehnen, sondern meist, weil<br />
sie keinen Zugang zum Themen finden. Es fehlt der Experte im Betrieb, es fehlt<br />
der Zugang zur wissenschaftlichen Diskussion, die zudem meist als zu abstrakt<br />
wahrgenommen wird, und es fehlen Materialien und Diskussionsforen, die den<br />
Einstieg in das Thema erleichtern.<br />
Der ACE Auto Club Europa und der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB möchten<br />
mit ihrer gemeinsamen Initiative clever-pendeln.de ihren Beitrag leisten, das<br />
betriebliche <strong>Mobilitätsmanagement</strong> zu fördern. Als Informationsbasis steht dazu<br />
das Internetportal www.clever-pendeln.de zur Verfügung. Unser Portal bietet<br />
Best-Practice-Beispiele, Leitfäden, Veranstaltungsempfehlungen, aber auch<br />
Links und Kontaktadressen für eigene Aktivitäten vor Ort.<br />
Der zweite wichtige Bestandteil der Initiative ist die Information vor Ort.<br />
Workshops und Informationsveranstaltungen bieten Informationen von Praktikern<br />
für Praktiker, aber auch den theoretischen Hintergrund für den Einstieg in<br />
das Thema. Mit dieser CD liegt jetzt die Dokumentation der ersten Veranstaltungsreihe<br />
der noch jungen Initiative vor. In der „Woche der Mobilität“ 2003<br />
wurde in München, Mainz und Stuttgart intensiv diskutiert, viele der Erfahrungen<br />
aus diesen Städten sind auch auf andere Orte übertragbar.<br />
Dank gilt allen Mitwirkenden und Mitveranstaltern. Ein ganz besonderer Dank<br />
geht an dieser Stelle an die Hans-Böckler-Stiftung für ihre Unterstützung der<br />
Workshopreihe.<br />
Viel Spaß beim „ersurfen“ der Dokumentation und viel Erfolg beim Ihren Mobilitätsaktivitäten.<br />
Berlin, im Januar 2004 Matthias Knobloch<br />
P.S. Sollten Sie durch die CD und unsere Initiative zu eigenen Aktivitäten angeregt<br />
werden, freuen wir uns über eine Rückmeldung. Im Internetportal<br />
www.clever-pendeln.de besteht unter der Rubrik „Mitmachen“ auch die Möglichkeit,<br />
eigene Best-Practice-Beispiele einzustellen.<br />
6
Teil I:<br />
Allgemeine Überlegungen zum<br />
Betrieblichen <strong>Mobilitätsmanagement</strong><br />
Im ersten Teil der Dokumentation sind die Vorträge zusammengefasst, die sich<br />
allgemein mit dem Betrieblichen <strong>Mobilitätsmanagement</strong> (BMM) auseinandersetzen<br />
und sich nicht auf die konkrete Situation in einer der drei Städte beziehen.<br />
Matthias Knobloch betont die Bedeutung der Kommunikation, wenn es darum<br />
gehe, die vielen längst vorhandenen Ideen für eine nachhaltigere Mobilität umzusetzen.<br />
ACE und DGB wollen dies mit ihrer Initiative „<strong>Clever</strong> pendeln“ und<br />
dem dazugehörigen Internetportal fördern.<br />
Dr. Thomas Zängler beschäftigt sich mit der Frage, ob sich Mobilitätsverhalten<br />
überhaupt managen lasse. Er beleuchtet das Spannungsfeld zwischen Bauch-<br />
und Kopfentscheidungen und listet Faktoren auf, die sich positiv bzw. negativ<br />
auf das Gelingen eines Mobilitätsplanes auswirken.<br />
Edmund Flößer stellt die Aktion „<strong>Clever</strong> mobil und fit zur Arbeit“ vor, die im<br />
Rahmen der europäischen Woche der Mobilität bundesweit organisiert wurde.<br />
Klaus Schäfer-Breede vertritt in seinem Vortrag über die Entwicklung eines<br />
Betriebsverkehrsplanes die These, dass man eine Stellschraube benötige, um<br />
das Mobilitätsverhalten der Menschen zu beeinflussen. Die geeignetste Stellschraube<br />
sei der Parkplatz auf dem Firmengelände. Des weiteren legt er dar,<br />
wie BMM konkret umgesetzt werden kann.<br />
Lars Welk schildert die Gründe, warum sich seine Berufsgenossenschaft als<br />
Vorreiter im <strong>Mobilitätsmanagement</strong> betätigt und welche positiven Folgen für die<br />
Gesundheit dies haben kann.<br />
7
Matthias Knobloch<br />
Vorstandsreferent Verkehr des ACE Auto Club Europa, Berlin<br />
Mobilität effizient gestalten –<br />
<strong>Mobilitätsmanagement</strong> als Kommunikationsprozess<br />
Matthias Knoblochs Kernthese lautet: Im Bereich des <strong>Mobilitätsmanagement</strong>s,<br />
kurz MM, bestünden keine Defizite an Best-Practice-Beispielen oder an neuen<br />
Ideen. Vielmehr gebe es großen Nachholbedarf, die bestehenden Ideen in die<br />
Praxis umzusetzen.<br />
Der ACE strebe nicht die Vermehrung des Autoverkehrs an. Das Auto sei zwar<br />
ein wichtiges Verkehrsmittel – jedoch in Ballungsräumen „nicht das Ideale“.<br />
Deshalb müsse das MM allgemein und im Speziellen das betriebliche Mobilitäts-Management<br />
(BMM) weiter gefördert werden. Aufgabe des MM sei, „die<br />
richtigen Informationen an die richtigen Leute zu bringen.“ Mitarbeiter, die in<br />
ihrem Betrieb das MM fördern wollten, bräuchten die entsprechenden Materialien<br />
und die passenden Ansprechpartner in der Firma, in der öffentlichen Verwaltung<br />
aber auch bei Verbänden wie dem ACE.<br />
„Kümmerer“ als Motoren<br />
Häufig gingen MM-Aktivitäten von einem „Kümmerer“ im Betrieb aus, der sich<br />
auch in seiner Freizeit engagiere. Solch ein „Kümmerer“ habe aber vor allem in<br />
kleinen und mittleren Betrieben und in kleineren Verwaltungen noch viele andere<br />
Aufgaben im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit zu erledigen, so dass ihm<br />
eine wirklich intensive Beschäftigung mit dem Thema BMM nicht möglich sei.<br />
Deshalb gelte es die verschiedenen BMM-Akteure zu vernetzen, um so das<br />
Engagement des Einzelnen zu stärken. Engagierte, die ehrenamtlich oder in<br />
Teilzeit das MM voranbringen wollen, müssten unkompliziert Kontakte zu relevanten<br />
Stellen und einfach verständliche Informationen zur Verfügung gestellt<br />
bekommen.<br />
In der Realität sähen sich BMM-Aktivisten derzeit noch mit einem Wust von<br />
Ideen konfrontiert, aus dem sie kaum mehr den für das eigene Unternehmen<br />
passenden Ansatz herausfinden könnten. Selbst „triviale Kontakte“ innerhalb<br />
der Firma oder etwa zwischen Betriebsrat und dem örtlichen ÖPNV-<br />
Unternehmen über angepasste Fahrtzeiten der Busse fänden kaum statt. Notwenig<br />
seien einfache, praktische Einstiegshilfen und einfach umzusetzende<br />
Anfangsvorhaben, um die Akteure mit relativ schnellen Erfolgserlebnissen weiter<br />
zu motivieren. Hilfreich könne auch eine Startmoderation sein, um die Kontakte<br />
vor Ort zu verbessern.<br />
Initiative „<strong>Clever</strong> pendeln“<br />
Die vom ACE und dem DGB ins Leben gerufene Initiative „<strong>Clever</strong> pendeln“ habe<br />
es sich zum Ziel gesetzt, auf dem Wege eines Internetportals den Akteuren<br />
vor Ort relevante Informationen und Kontakte zu liefern. Damit wollten die beiden<br />
Organisationen ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Mobilität leisten und<br />
das Thema BMM und MM einer breiten Öffentlichkeit bewusst machen. Mit<br />
„<strong>Clever</strong> pendeln“ griffen ACE und DGB das Angebot aus dem rot-grünen Koali-<br />
8
tionsvertrag auf, „gemeinsam mit Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbänden<br />
die Mobilitätsoffensive fortzusetzen und gemeinsam Lösungen für eine mobile<br />
Zukunft zu entwickeln“.<br />
Unter der Internet-Adresse www.clever-pendeln.de finden sich zahlreiche nützliche<br />
Links, Tipps und Anregungen, die eigene Mobilität und die der Kollegen im<br />
Berieb umwelt- und nervenschonender zu gestalten. Matthias Knobloch ruft dazu<br />
auf, das Angebot des von ACE und DGB konzipierten Portals zu nutzen.<br />
„Die Idee der Initiative lebt davon, dass sich viele beteiligen.“ So könne der Erfahrungsaustausch<br />
zwischen den Betrieben voran gebracht werden. Auch<br />
Fachverbände und wissenschaftliche Institutionen und Büros sollten ihre Informationen<br />
dem Portal zur Verfügung stellen. Zugleich sollte ihnen auf diesem<br />
Wege auch die Möglichkeit geboten werden, neue Aufträge zu akquirieren.<br />
Wenn Firmen und Kommunen so genannte Best-Practice-Beispiele ins Internet<br />
stellten, vergrößere sich die Datenbasis und damit der Anreiz für Nachahmung.<br />
Das Portal lasse sich aber auch dazu nutzen, einschlägige Termine in der<br />
Fachöffentlichkeit bekannt zu machen. Der Newsletter solle zur Informationsverbreitung<br />
durch die Partner genutzt werden.<br />
9
Dr. Thomas Zängler<br />
Technische Universität München, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften,<br />
Lehrstuhl für Wirtschaftslehre des Haushalts – Konsumforschung und<br />
Verbraucherpolitik<br />
Lässt sich Mobilitätsverhalten managen?<br />
Thomas Zängler listet zu Beginn seiner Überlegungen die Einflussfaktoren auf<br />
das Mobilitätsverhalten auf. Es sei das persönliche Umfeld eines Menschen,<br />
etwa in der Familie, ebenso wie das weitere soziale Umfeld und die Gesellschaft,<br />
die sein Mobilitätsverhalten prägen. Die Determinanten, die dieses Verhalten<br />
bestimmen, ließen sich laut Zängler unterscheiden in psychische (aktivierende<br />
und kognitive), biologische und physiologische, soziale und ökonomische<br />
Faktoren einteilen.<br />
Bauch vs. Kopf<br />
Als Beispiel für psychische Faktoren, die oft „aus dem Bauch“ kämen, nennt<br />
Zängler „emotionale Zusatzerlebnisse“ bei der täglichen Autofahrt ins Büro. Das<br />
sei etwa das positive Wahrnehmen der edlen Zirbelholzverkleidung des Autos<br />
oder das Gefühl, sich ein teures Auto leisten zu können, was man den Kollegen<br />
auch demonstrieren wolle. Dem stünden kognitive, also „Kopf“-Entscheidungen<br />
gegenüber, die geleitet würden durch die rationale Aufnahme von Informationen<br />
beispielsweise über Kosten und Zeit des täglichen Arbeitsweges. Als Beispiel<br />
für physiologische Determinanten nennt Zängler den Rollstuhlfahrer, dem es<br />
unmöglich ist, mit dem Fahrrad zu fahren. Zu den sozialen Faktoren sei die<br />
Firmenkultur zu rechnen: So dürfte es innerhalb der Deutschen Bahn verbreiteter<br />
sein, mit dem Zug zu fahren, als etwa bei BMW, wo das Auto das übliche<br />
Verkehrmittel sein dürfte. Schließlich spielten bei der Entscheidung für ein bestimmtes<br />
Verkehrsmittel auch ökonomische Faktoren wie die staatliche Förderung<br />
mittels der Pendlerpauschale eine Rolle.<br />
Animatuer statt Dompteur<br />
Die Menschen müssten kognitiv und emotional angesprochen werden, um ihr<br />
Mobilitätsverhalten zu beeinflussen. Es sei einfacher, die Mobilität innerhalb<br />
eines Betriebs zu managen als Einfluss auf die Art des Heimwegs von Mitarbeitern<br />
zu nehmen. Hier wollten sich viele Personen nicht dreinreden lassen.<br />
Grundsätzlich gelte: Das Management des Mobilitätsverhaltens dürfe, bildhaft<br />
gesprochen, nicht mittels Peitsche ausgeübt werden. Der Mobilitätsmanager<br />
müsse Animatuer sein – nicht Dompteur.<br />
Zängler definiert wichtige Begriffe wie folgt:<br />
Management ist die Leitung soziotechnischer Systeme in personen- und sachbezogener<br />
Hinsicht mit Hilfe professioneller Methoden.<br />
<strong>Mobilitätsmanagement</strong> (MM) ist ein in erster Linie auf Information, Kommunikation,<br />
Organisation und Koordination basierender und durch freiwillige Nutzung<br />
geprägter Ansatz. Ziel des MM: Die entstehenden Mobilitätsbedarfe durch die<br />
effiziente Nutzung der vorhandenen Verkehrsmittel zu decken, ohne dass hierfür<br />
ein weiterer Ausbau der Infrastruktur notwendig ist.<br />
10
Das betriebliche <strong>Mobilitätsmanagement</strong> (BMM) versucht die Ziele des <strong>Mobilitätsmanagement</strong>s<br />
auf betrieblicher Ebene umzusetzen. Dabei zielt BMM sowohl<br />
auf die An- und Abfahrtswege der Mitarbeiter, als auch auf die innerbetrieblichen<br />
Mobilitätsvorgänge. Ziele des BMM: Durch die Entwicklung eines betrieblichen<br />
<strong>Mobilitätsmanagement</strong>systems sollen sowohl für die Unternehmen und<br />
Verwaltungen, als auch für das Gesamtverkehrssystem Reduktionspotentiale<br />
der verkehrsbedingten Belastungen erschlossen werden.<br />
Man könne das BMM durch Aktionen fördern. Ein Beispiel sei die ADFC-<br />
Mitmachaktion „Mit dem Rad zur Arbeit“, die Teil der AOK-Aktivitäten im Rahmen<br />
der betrieblichen Gesundheitsförderung sei.<br />
<strong>Mobilitätsmanagement</strong>plan<br />
Über diese singulären Aktionen hinaus gebe es den integralen Ansatz zur Förderung<br />
des BMM. Dieser bestehe im Erstellen eines vollständigen <strong>Mobilitätsmanagement</strong>planes,<br />
der für alle Unternehmensbereiche Gültigkeit hat. Um eine<br />
Mobilitätsbilanz aufzustellen, sei folgendes Vorgehen sinnvoll:<br />
Erstens: Die Analyse des Aufwands für das Unternehmen. Dieser mache sich<br />
u.a. fest am Aufwand für den Fuhrpark, an den Kosten für ÖV-Fahrten oder<br />
Dienstreisen, an den betrieblichen Anlagen für den Fuhrpark und an den Flächen<br />
für die Stellplätze.<br />
Zweitens: Die Analyse des Aufwands für die Arbeitnehmer. Hier müssten die<br />
benötigte Zeit für den täglichen Arbeitsweg berücksichtigt werden, die Kosten<br />
für ein eigenes Auto oder für die ÖV-Tickets sowie die Frage. ob sich der Arbeitswegs<br />
mit anderen Fahrtzwecken verbinden lasse.<br />
Drittens müssten die Bedeutung der Mobilität für die Arbeitnehmer ermittelt<br />
werden. Diese lasse sich messen an Faktoren wie Lebensqualität, Produktivität<br />
der Mitarbeiter, an ihrer Motivation und Zufriedenheit.<br />
Gute Voraussetzungen für ein erfolgreiches BMM seien dann gegeben, wenn<br />
zu den festgeschriebenen Unternehmenszielen z.B. die Gesundheitsförderung<br />
unter den Mitarbeitern oder der Umweltschutz gehörten. Zudem sei ein großer<br />
Vorteil, wenn das BMM personell verankert sei im Betrieb. BMM müsse als<br />
Querschnittsaufgabe innerhalb eines Unternehmens verstanden werden, die<br />
alle anderen Betriebsbereiche tangiere.<br />
Konkrete Umsetzung<br />
In einem Unternehmen lasse sich das BMM mit Hilfe zahlreicher einzelnen<br />
Maßnahmen umsetzen. Beispiele sind:<br />
Durch technische Maßnahmen wie Schulungen zum energiesparenden Fahren,<br />
die Anschaffung von Hybridfahrzeugen, Navigationsgeräten und die Fahrradförderung.<br />
Sinnvolle organisatorische Maßnahmen seien Dienstleistungen, die Wege<br />
sparen, eine Shopping Box, Jobticket, Telearbeit, Telecenter, flexible Arbeitsplatzgestaltung,<br />
Hilfe bei der Suche nach einem arbeitsplatznahen Wohnort und<br />
eine Fahrgemeinschaftsbörse.<br />
Im Rahmen der internen Öffentlichkeitsarbeit nennt Zängler Maßnahmen wie<br />
eine Mobilitätsberatung, Ausstellungen, interne Veröffentlichungen, EDV-<br />
Fortbildungen und ein Handbuch zur persönlichen Mobilitätsplanung.<br />
11
Negative und positive Faktoren<br />
Ob, und wenn ja: wie sich Mobilitätsverhalten managen lasse, sei – zusammenfassend<br />
– von zahlreichen Faktoren abhängig.<br />
Negativ wirke sich aus, wenn auf der Liste der Unternehmensziele das BMM<br />
ganz unten rangiere. Oft sei auch zu beobachten, dass innerbetriebliche Konflikte,<br />
etwa zwischen Abteilungen oder einzelnen Mitarbeitern auf Kosten des<br />
BMM ausgetragen würden. Ein verbreitetes Muster sei zudem, dass Mobilität in<br />
der Arbeitswelt als etwas Positives dargestellt werde, nach dem Motto: Je länger<br />
die Dienstreisen eines Mitarbeiters, desto höher sein Prestige. Auch spiele<br />
Besitzstandswahrung eine negative Rolle, wenn etwa die Widerstände gegen<br />
den Abbau von Dienstwagen sehr hoch sind, weil ein Dienstwagen als großes<br />
Privileg gelte. Auch wenn das tägliche Vorfahren mit einem teuren Auto als Statussymbol<br />
betrachtet werde, sei dies eine Hürde auf dem Weg zum BMM. Viele<br />
Arbeitnehmer betrachteten den Weg zur Arbeit zudem als reine Privatangelegenheit,<br />
in die man sich nicht hineinreden lassen wolle. Von Nachteil sei<br />
schließlich auch die Tatsache, dass sich für das BMM niemand im Unternehmen<br />
zuständig fühle.<br />
Positiv für ein erfolgreiches MM sei generell die Tatsache, dass sich Betriebe<br />
für solch ein Vorhaben grundsätzlich gut eigneten. Dort könnten verbindliche<br />
Vereinbarungen getroffen werden, was etwa Dienstreisen oder -wagen betreffe.<br />
Zudem bestehe die Möglichkeit, dass sich Teams und Gruppen, sei es formell<br />
oder informell, entwickelten, innerhalb derer sich die Mitarbeiter gegenseitig<br />
motivierten. Mindestens ein Akteur könne verbindlich die Verantwortung für das<br />
BMM übernehmen. Sinnvoll sei es, die persönlichen Vorteile einer umweltschonenden<br />
Mobilitätsart herauszustellen: So wirke es motivierender, wenn einem<br />
Mitarbeiter die Förderung der eigenen Gesundheit durch tägliches Radeln in die<br />
Arbeit bewusst werde, als wenn nur die abstrakte Umweltschonung als Argument<br />
benutzt werde. Positiv wirkten sich auch Anreize wie etwa die Förderung<br />
des Jobtickets durch die Firma aus ebenso wie die Förderung durch die Kommunen.<br />
12
Edmund Flößer<br />
Klima-Bündnis der europäischen Städte e.V., Frankfurt<br />
<strong>Clever</strong> mobil und fit zur Arbeit –<br />
die Klimabündniskampagne für mehr nachhaltige Mobilität<br />
Im Rahmen der europäischen Woche der Mobilität vom 16. bis 22. September<br />
2003 ist eine der Schwerpunktaktionen die Aktion „<strong>Clever</strong> mobil und fit zur Arbeit“.<br />
Damit wolle das Klimabündnis, das die Aktionswoche organisiert, in ganz<br />
Deutschland BMM initiieren und fördern, so Edmund Flößer. Gründe für das<br />
Engagement des Bündnisses in diesem Bereich seien die ungebremste Zunahme<br />
der Verkehrsemissionen, die ökologische Verbesserungen in anderen<br />
Sektoren zunichte machten. Besonders in Dienstleistungsunternehmen und in<br />
Verwaltungen sei der Verkehr in der Regel der Hauptverursacher von klimaschädlichen<br />
Emissionen. Oft liege er auch im produzierenden Gewerbe noch<br />
vor der eigentlichen Produktion. Besonders Kommunen hätten eine Vorreiterrolle<br />
zu erfüllen und müssten sinnvolle Maßnahmen zur Verkehrsreduzierung im<br />
eigene Hause realisieren.<br />
65 Prozent der Menschen führen mit dem Auto zur Arbeit, und nur in jedem 15.<br />
Fahrzeug sitze mehr als eine Person. Flößer appelliert: „Man muss anfangen,<br />
mit dem Problem intelligent umzugehen.“ Es gelte, individuell passende Modelle<br />
aus einer Reihe von Angeboten umzusetzen.<br />
Vorteile für Betriebe und Mitarbeiter<br />
Das BMM bringe Vorteile für die Betriebe und ihre Mitarbeiter.<br />
Betriebe profitierten von einem Image-Gewinn, ihr Know-How verbessere sich,<br />
betriebliche Mobilitätsabläufe ließen sich optimieren, die Mitarbeiter würden fitter<br />
und leistungsbereiter, der Betrieb werde besser erreichbar für Mitarbeiter<br />
und Kunden, die Reisezeit könne im Zug besser genutzt werden, die Parkplatzsituation<br />
entspanne sich und die bisher für Stellplätze verwendeten Flächen<br />
könnten anderweitig genutzt werden.<br />
Zugleich profitierten auch die Mitarbeiter von einem Arbeitsweg ohne Auto. Sie<br />
hätten nicht mit Staustress zu kämpfen und müssten sich nicht über Parkplatzsuche<br />
ärgern, man könne Geld sparen, etwa durch Fahrgemeinschaften, könne<br />
sich im Zug schon auf der Heimfahrt vom Arbeitsstress erholen oder halte sich<br />
beim Radfahren automatisch fit.<br />
Lokales Forum<br />
Ziel der Aktion „<strong>Clever</strong> mobil und fit zur Arbeit“ sei es, ein kontinuierliches <strong>Mobilitätsmanagement</strong><br />
von Unternehmen und Kommunen anzustoßen. Sinnvoll sei<br />
es, wenn Kommunen die ortsansässigen Unternehmen zur Teilnahme an der<br />
Aktion einlüden und auf diese Weise etwa ein lokales Forum gründeten. Das<br />
Klimabündnis stelle Aktions-Koffer mit Info- und Werbematerialien bereit. Die<br />
Unternehmen seien aufgerufen, die aktuelle Situation im Betrieb zu analysieren,<br />
die Mitarbeiter zu informieren und für alternative Angebote und Anreize zu sorgen.<br />
13
Förderer und Unterstützer der Aktion sind das Bundesumweltministerium, das<br />
Umweltbundesamt, der Deutsche Städtetag, die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst<br />
und Wohlfahrtspflege und der ACE.<br />
14
Klaus Schäfer-Breede<br />
Büro für Verkehrsökologie (BVÖ), Bremen<br />
Von der Idee zum Betriebsverkehrsplan<br />
Klaus Schäfer-Breedes Kernthese lautet: Man brauche „Stellschrauben“, um<br />
das betriebliche Mobilitätsverhalten der Menschen zu steuern. Die probatesten<br />
Stellschrauben seien die Parkplätze auf einem Betriebsgelände. Nur wenn man<br />
diese Parkplätze bewirtschafte und/oder deren Zahl reduziere, sei das Mobilitätsverhalten<br />
der Angestellten zu verändern. Dieser Ansatz sei wirkungsvoll,<br />
berge andererseits aber auch viel Konfliktstoff.<br />
Es gebe im innerstädtischen Bereich in Deutschland geschätzt rund 10 Millionen<br />
Pkw-Stellplätze auf privaten Betriebsarealen und auf dem Gelände von Behörden.<br />
Davon seien nur ein bis zwei Prozent gebührenpflichtig. Das bedeute,<br />
dass rund 10 Millionen Parkplätze in Deutschland „außerhalb jeglicher staatlicher<br />
Kontrolle“ und fast vollständig unbewirtschaftet seien. Dies entspreche einer<br />
volkswirtschaftlichen Ressource von mindestens 50 Milliarden Euro für die<br />
Erstellungskosten, einem Grundstückswert von 15 Milliarden oder einer Mindereinnahme<br />
von 3 Milliarden pro Jahr für nicht erfolgte Bewirtschaftung.<br />
Mehr Einfluss der Politik auf private Stellplätze<br />
Verhaltensänderungen im Pendlerverkehr könnten nur erreicht werden, wenn<br />
die Politik mehr Einfluss auf die Stellplatz-Bedingungen im privaten Sektor<br />
nehme. Dies erfordere politische Initiativen im Steuerrecht, im Straßen-, Verkehrs-<br />
und Baurecht, in der Kooperation der Kommunen mit den Betrieben und<br />
allgemein auf der Ebene der Private-Public-Partnership. Bei geringem Problemdruck,<br />
wenn also immer genügend kostenfreie Parkplätze für die Mitarbeiter<br />
zur Verfügung stünden, funktioniere das Prinzip des „Push and Pull“ nicht mehr:<br />
Der Push-Faktor falle dann weg.<br />
Die wenigsten Betriebe hätten Parkplatznot. Die Landesbauordnungen verpflichteten<br />
sie zum Bau von Parkplätzen, zudem wollten viele Firmen ihre Mitarbeiter<br />
über den Anreiz eines kostenlosen Stellplatzes an den Betrieb binden.<br />
Oftmals sei auf der grünen Wiese, wo sich viele Firmen ansiedelten, auch genügend<br />
Platz vorhanden. Weitere Hürden auf dem Weg zu einem Parkplatzabbau<br />
seien die Verteidigung von Besitzständen innerhalb der Belegschaft, sowie<br />
auf der Ebene der Betriebsleitung das Bestreben, Konflikte zu vermeiden, die<br />
ein Parkraummanagement unweigerlich nach sich ziehe. Ferner führe seit einigen<br />
Jahren der Personalabbau in vielen Firmen dazu, dass der Parkplatzdruck<br />
weiter nachlasse. Dies alles habe zur Folge, dass Maßnahmen des BMM oft<br />
wirkungslos verpufften und eine zielgenaue Planung immer schwieriger werde.<br />
Die generelle Situation in den Betrieben stelle sich im Hinblick auf ein wirkungsvolles<br />
BMM wenig positiv dar. Der Aspekt des „Mitarbeiterverkehrs“ werde zu<br />
wenig wahrgenommen und Umweltschutz in der Regel lediglich produktbezogen<br />
betrieben. Von Seiten der Verkehrsbetriebe und der Politik gebe es zu geringe<br />
Impulse, auch seien die gesetzlichen Rahmenbedingungen unzureichend.<br />
Zu beobachten sei außerdem, dass Betriebe im Rahmen des BMM lieber Service<br />
und Dienstleistungen von außen in Anspruch nähmen, also einkauften, als<br />
15
sich an einem zeitlich befristeten Projekt zu beteiligen, bei dem eigenes Mitmachen<br />
gefragt sei.<br />
Zehn Schritte zum Betriebsverkehrsplan<br />
Auf dem Weg zu einem Betriebsverkehrsplan seien zehn Schritte zu beachten.<br />
Zuerst müsse innerhalb der Firma eine koordinierende Stelle benannt und ein<br />
Ziel formuliert werden, letzteres am besten in Zusammenarbeit zwischen Geschäftsleitung<br />
und Betriebsrat. Es müsse eine Bestandsaufnahme des Ist-<br />
Zustandes erfolgen, die Probleme festgestellt und ein Lösungsschwerpunkt benannt<br />
werden. Eine Sammlung von Lösungs-Ideen müsse zu einem Kooperationskonzept<br />
führen. Auf Grundlage dessen müsse eine Kosten-Nutzen-<br />
Rechnung und ein Finanzierungskonzept erstellt werden. Anschließend sei für<br />
die Mitarbeiter ein Maßnahmen-, Aktions- und Motivationsprogramm zusammenzustellen,<br />
begleitet von einem Vermarktungs- und Imagekonzept, nach innen<br />
wie nach außen. Am Ende eines Betriebsverkehrsplanes stehe die Erfolgskontrolle.<br />
Jeder Berieb unterscheide sich von anderen in bestimmten Merkmalen, weshalb<br />
es kein Pauschalrezept für solche Pläne gebe. Entscheidend für die Lösungen<br />
seien die Größe des Betriebs (Einzelbetrieb oder Filialist), der Standort<br />
(zentral gelegen oder peripher, womöglich in einem Gewerbegebiet), das Arbeitszeitmuster<br />
und die Schichtpläne innerhalb der Firma, sowie weitere lokale<br />
Rahmenbedingungen, etwa das Angebot des ÖPNV, die kommunale Parkraumpolitik<br />
und die Kooperationsmöglichkeiten der Firma mit anderen Institutionen.<br />
Rationales Verhalten der Angestellten bei der Verkehrmittelwahl<br />
Alle Untersuchungen zeigten, dass sich die Angestellten bei ihrer Verkehrsmittelwahl<br />
rational verhielten: Sobald ein gutes ÖPNV-Angebot vorhanden sei,<br />
werde es auch genutzt. Die Liebe zum Auto dominiere also nicht die eigene<br />
Mobilitätsentscheidung auf dem Arbeitsweg.<br />
Eine Analyse der Betriebe in Deutschland habe ergeben, dass 84 Prozent aller<br />
Arbeitsstätten weniger als zehn Mitarbeiter beschäftigten, 14 Prozent bewegten<br />
sich im Bereich zwischen zehn und 100 Mitarbeitern, 1,5 Prozent hätten zwischen<br />
100 und 900 Mitarbeiter und nur jeder tausendste Betrieb habe mehr als<br />
900 Beschäftigte. Daraus sei zu folgern, dass sich als Ansatzpunkt für ein BMM<br />
am besten die Betriebe mit mehr als 100 Mitarbeiter eigneten, da man in dieser<br />
Kategorie mit nur 1,5 Prozent der Betriebe 30 Prozent der Beschäftigten in<br />
Deutschland erreiche. Bei den kleinsten Firmen anzusetzen wäre unsinnig, da<br />
man in dieser Kategorie 84 Prozent der Arbeitsstätten abdecken müsste, um<br />
lediglich 24 Prozent der Beschäftigten zu erreichen.<br />
Hilfe zur Selbsthilfe<br />
„Die Betriebe brauchen Hilfe zur Selbsthilfe“, so Schäfer-Breede. Dies gelte vor<br />
allem für mittelgroße Firmen, die kein Potenzial für eigene Planungsstäbe hätten.<br />
Die ganz großen Konzerne wiederum benötigten lediglich einen Anstoß von<br />
außen und könnten dann aufgrund ihres Potenzials ein BMM selbst planen und<br />
umsetzen.<br />
Folgender Lösungsbedarf in den Betrieben sei festzustellen: Man brauche Konzepte<br />
zur Parkraumbewirtschaftung sowie Service für Fahrgemeinschaften und<br />
16
deren Betreuung. Der Firmen-Fuhrpark müsse reduziert und umstrukturiert, der<br />
Werkverkehr neu geordnet werden. Die Verkehrsabläufe zwischen nahe gelegenen<br />
Betriebsstandorten müssten organisiert und optimiert werden, Fahrradbotendienste<br />
eingesetzt und die Infrastruktur für Mitarbeiter, die per Rad in die<br />
Arbeit fahren, verbessert werden. Auch das Dienstreisemanagement bedürfe<br />
der Optimierung. Betriebsübergreifende BMM-Ansätze müssten koordiniert, und<br />
die Vorbereitung der betrieblichen Verkehrskonzepte unterstützt werden. Nicht<br />
zu vergessen seien auch Kampagnen zur Mitarbeitermotivation, sich an neuen<br />
Konzepten zu beteiligen.<br />
Konkret sollte BMM-Plan beginnen mit der Erfassung der Wohnorte der Mitarbeiter.<br />
Diese müssten dann auf einer Landkarte eingetragen und hinterlegt werden<br />
mit dem Verkehrsnetz aus Straßen und ÖPNV-Linien. Die Wohnort-Daten<br />
ließen sich problemlos aus den Stammdaten der Personalabteilung gewinnen,<br />
eine spezielle Befragung sei dafür nicht nötig. Schäfer-Breede warnt in diesem<br />
Zusammenhang davor, die Mitarbeiter mit zu vielen Befragungen zu überfordern.<br />
Es bestehe die Gefahr, dass dann abgeblockt werde. Dabei lasse sich mit<br />
Hilfe der Stammdaten auf einfache Weise erkennen, in welcher Region etwa<br />
eine zusätzliche Buslinie viele Mitarbeiter zum Umsteigen bewegen könnte.<br />
Aktions-Koffer mit Umwelt-Kosten-Rechner<br />
Hilfreich sei für die Ausarbeitung eines Mobilitätsplanes ein Aktions-Koffer, der<br />
zahlreiche Materialien, von einer CD-ROM über Handlungs- und Aktionsleitfaden<br />
bis hin zu Plakaten, Flugblättern und Druckvorlagen enthalte. (Bestellmöglichkeiten:<br />
Seite 66)<br />
Enthalten sei im Koffer auch eine Anleitung zu einem Betriebs-Checkup. Dieser<br />
sei nötig, um am Ende die Spielräume für einen Mobilitätsplan auszuloten und<br />
Fragen zu beantworten wie: Was ist relevant für den Standort? Welche Aktivitäten<br />
lohnen sich? Ein solcher Checkup umfasse Fragen nach den Standortbedingungen,<br />
wie der Betrieb etwa an den ÖV angebunden ist, nach den betrieblichen<br />
Aktivitäten (etwa Betriebsvereinbarungen) und nach der Verkehrmittelwahl<br />
der Mitarbeiter.<br />
Auf der CD im Aktions-Koffer befinde sich auch ein „Umwelt-Kosten-Rechner“,<br />
mit dem auf vereinfachte Weise sehr schnell und leicht die Umweltbelastungen<br />
durch den betrieblichen Verkehr grob klassifiziert werden könnten.<br />
Zusammenfassend stellt Schäfer-Breede fest, dass es an vielen Betriebsstandorten<br />
an elementaren Transportdienstleistungen fehle, vor allem in der Peripherie.<br />
Wichtig sei in erster Linie die Verbesserung der ÖPNV-Angebots, um die<br />
Beschäftigten zu einer umweltschonenderen Mobilität zum und vom Arbeitsplatz<br />
zu bewegen. Dieses Angebot müsse auch auf die jeweiligen Arbeits-<br />
Schichten in den Betrieben abgestimmt sein und dem Spitzenbedarf zu bestimmten<br />
Tageszeiten Rechnung tragen.<br />
Geschäftsleitung und Betriebsrat müssen kooperieren<br />
Ein Betriebsverkehrsplan stelle neue Anforderungen an die Unternehmen: Man<br />
müsse sich innerhalb der Firma entsprechend qualifizieren, um ihn effizient umzusetzen.<br />
Zudem müssten Besitzstandsaspekte und Gewohnheitsrechte über<br />
Bord geworfen werden. Wichtig sei, dass das BMM an einer ganz bestimmten<br />
Stelle im Betrieb, am besten bei einer Person oder einer kleinen Gruppe, ver-<br />
17
ankert sei. Geschäftsleitung und Betriebsrat müssten bei der Umsetzung kooperieren,<br />
sonst sei ein Scheitern wahrscheinlich.<br />
Neben den betriebsinternen Faktoren seien auch die Rahmenbedingungen elementar<br />
wichtig. Auf gesetzlicher Ebene seien dies die steuerliche Gleichbehandlung<br />
des betrieblichen Stellplatzangebots, das Reisekostenrecht und Steuerpauschalen.<br />
Auf kommunaler Ebene müssten die Parkraumregelungen im<br />
Umfeld des Betriebs ebenso angepasst werden wie Stellplatzbegrenzungssatzungen<br />
und Verkehrskonzeptionen zu erarbeiten seien. Wichtig sei auch eine<br />
Kooperation des jeweiligen Betriebs mit anderen Akteuren, etwa mit dem örtlichen<br />
ÖPNV-Anbieter, um beispielsweise einen halböffentlichen Werkverkehr<br />
einzurichten als Alternative zur Einstellung aufgrund geringer Nachfrage; oder<br />
eine Kooperation mit Car-Sharing-Unternehmen, um deren Angebot für den<br />
Dienstverkehr oder für die Mitarbeiter privat zu nutzen.<br />
Parking Cash-Out<br />
Innerhalb des Betriebs müsse ein Umdenken erfolgen, so dass Alternativen zur<br />
Pkw-Nutzung attraktiver würden. Am wichtigsten sei dabei das betriebliche<br />
Parkraummanagement, von der Dimensionierung der Stellplätze über die Vergabe<br />
von Berechtigungen bis hin zur Bewirtschaftung der Stellplätze. Zu prüfen<br />
sei auch das so genannte „Parking Cash Out“, wie es in den USA häufig betrieben<br />
werde: Firmen zahlten dabei ihren Mitarbeitern eine Art Ablösesumme für<br />
den bisher von ihnen genutzten Parkplatz, um auf der frei werdenden Fläche<br />
den Betrieb zu erweitern. Generell müsse innerhalb der Unternehmen eine<br />
Neubewertung der Pkw-Stellplätze und der Parkraumregelungen erfolgen: Dies<br />
müsse gerecht geschehen (ein Autofahrer dürfe über die Subventionierung des<br />
Stellplatzes nicht gegenüber einem Radfahrer bevorzugt werden), steuerungswirksam<br />
und finanzierungswirksam.<br />
Drei positive Beispiele für BMM<br />
Schäfer-Breede nennt abschließend drei positive Beispiele von BMM: Ein effektiv<br />
umgesetztes BMM-Konzept in den 90-er Jahren bei BASF habe zu 2,5 bis 3<br />
Millionen weniger Geh- und Fahrbewegungen pro Jahr auf dem Betriebgelände<br />
geführt. Die Zahl der Verkehrsunfälle auf dem Werksgelände habe sich um 44<br />
Prozent verringert, die der Verletzten um 47 Prozent. Bei Lufthansa in Frankfurt<br />
habe ein Carpool-System, das die Umnutzung von 1400 Stellplätzen auf dem<br />
Werksgelände beinhaltet habe, zu einer realen Kostenersparnis von 3,5 Millionen<br />
Euro pro Jahr geführt. Der Gesamtwert der eingesparten Parkplätze belaufe<br />
sich auf 15 bis 30 Millionen Euro. Sinnvoll könne auch das System sein, das<br />
Siemens umgesetzt habe: Nur Teilnehmer an einem Carpool dürften einen<br />
Parkplatz in privilegierter Lage benutzen.<br />
18
Lars Welk<br />
Referent Gesundheits- und <strong>Mobilitätsmanagement</strong>, Berufsgenossenschaft für<br />
Gesundheit und Wohlfahrtspflege (BGW)<br />
<strong>Mobilitätsmanagement</strong> bei der BGW<br />
In der BGW sei 1996 der Bereich <strong>Mobilitätsmanagement</strong> ins Leben gerufen<br />
worden. Dreieinhalb Stellen seien dafür vorgesehen. Hintergrund des Engagements<br />
für das BMM sei, dass Unfälle auf dem Weg zur und von der Arbeit mit<br />
etwa 33 Prozent einen bedeutenden Teil der Versicherungsleistungen aller Berufsgenossenschaften<br />
ausmachten. Der Anteil der Entschädigungsleistungen<br />
aufgrund solcher Unfälle liege bei der BGW sogar bei rund 40 Prozent.<br />
Ziel der BGW sei, die Unfälle auf arbeitsbedingten Wegen zu reduzieren. Dafür<br />
sei es nötig, die betriebliche Eigeninitiative zu stärken und das sicherheitsbewusste<br />
Verhalten der Beschäftigten im Straßenverkehr zu fördern.<br />
Am wirkungsvollsten ließen sich Unfälle reduzieren, wenn die Beschäftigten<br />
verstärkt öffentliche Verkehrsmittel benutzten. Denn Autofahren sei nachweislich<br />
gefährlicher als Bus- und Bahn-Fahren. Man müsse also Anreize zum Umsteigen<br />
in öffentliche Verkehrsmittel schaffen, fordert Lars Welk.<br />
Die BGW versuche, diese Gedanken über Informationsmedien und spezielle<br />
Schulungen in die Betriebe zu tragen. Dort, in den Betrieben, brauche man<br />
„Kümmerer“, die sich für das BMM engagierten.<br />
Engagement erst bei ernsten Problemen<br />
Die Erfahrung zeige, dass die Beschäftigten und die Firmen in der Regel nur<br />
dann das Angebot der Beratung annähmen, wenn sie „ernste Probleme“ mit der<br />
betrieblichen Mobilität hätten. Beispiele für Betriebe, welche die betriebliche<br />
Mobilitätsberatung der BGW in Anspruch genommen hätten, seien eine Klinik,<br />
deren Parkplätze überlastet gewesen seien, sowie eine Behinderten-<br />
Einrichtung, auf deren Gelände Fußwege zugeparkt seien und gegen die Einbahnstraßen<br />
gefahren werde auf der Suche nach einem Parkplatz.<br />
Die Vorteile für die teilnehmenden Firmen lägen auf der Hand.<br />
Sicherheit: Die Nutzer von öffentlichen Verkehrsmittel seien deutlich sicherer<br />
unterwegs als Autofahrer. Studien belegten, dass das Unfallrisiko im ÖV um bis<br />
zu 20 Mal geringer sei als im Auto. Außerdem erhöhe sich, wie im Beispiel der<br />
Behinderteneinrichtung, die Sicherheit der zu betreuenden Menschen, wenn<br />
nicht mehr gegen die Einbahnrichtung gefahren werde.<br />
Gesundheit: Autofahrer schnitten bei Untersuchungen der psychosomatischen<br />
Belastungen schlechter ab als ÖV-Nutzer. Autofahrer litten häufiger unter<br />
Schlaf- und Konzentrationsstörungen und hätten ein höheres Stressempfinden.<br />
Betriebswirtschaft: Die krankheits- und unfallbedingten Fehlzeiten der Mitarbeiter<br />
verringerten sich durch BMM ebenso wie die Kosten für ein Auto nach<br />
einem Unfall. Die Kosten für die Parklätze ließen sich ebenfalls reduzieren. Indem<br />
der eigene Betriebsstandort aufgrund weniger Staus besser zu erreichen<br />
19
sei, steige auch die Zufriedenheit der Kunden, was wiederum einen Vorteil im<br />
Wettbewerb darstelle.<br />
Umwelt: Emissionen und Lärm verringerten sich. Man brauche zudem weniger<br />
Flächen für Parkplätze. Insgesamt könne man sich mit einer umweltbewussten<br />
Betriebsführung, wozu auch das BMM gehöre, Imagevorteile im Wettbewerb<br />
verschaffen.<br />
Bei den Maßnahmen zur Mobilitätsförderung unterscheidet Welk zwischen<br />
Push- und Pull-Maßnahmen.<br />
Push: Dazu gehörten restriktive Maßnahmen wie Verkehrsberuhigung, Parkraumbewirtschaftung<br />
und Nutzungsbeschränkungen für Stellplätze.<br />
Pull: Dazu zählt Welk konstruktive Maßnahmen wie Anreize zu einer bewussteren<br />
Autonutzung, die Förderung der ÖV-Nutzung, das Bilden von Fahrgemeinschaften,<br />
die Förderung von Car-Sharing und des Fahrradverkehrs.<br />
Die BGW biete interessierten Betrieben eine Einstiegsberatung zum BMM und<br />
für die Verbesserung der Sicherheit auf dem Betriebgelände an. Außerdem erhebe<br />
sie auf Wunsch einer Firma systematisch die Wohndaten der Beschäftigten,<br />
ermittle ihre Verkehrsmittelwahl und untersuche die Verkehrinfrastruktur auf<br />
dem Betriebsgelände, um auf dieser Grundlage die Firma zu beraten. Außerdem<br />
erarbeite die BGW Sicherungsmaßnahmen und schlage Verbesserungsmöglichkeiten<br />
vor.<br />
Die Informationsmaterialien sind bei der BGW kostenlos erhältlich. Zudem verfüge<br />
die BGW unter der Internetadresse www.bgw-online.de über eine Plattform<br />
für Verkehrsexperten.<br />
20
Teil II:<br />
Mobiles München<br />
Beim Workshop „Mobiles München“ haben sich fünf Referenten dezidiert mit<br />
der Verkehrssituation in der bayerischen Landeshauptstadt auseinander gesetzt.<br />
Bernhard Eller und Jens Mühlhaus plädieren in ihren Begrüßungsvorträgen<br />
für „weiche Maßnahmen“, um den Verkehr zu steuern. Beide stellen die Rolle<br />
der Stadt München bei der Umsetzung von BMM heraus.<br />
Dr. Eeva Rantama stellt das Angebot des Referats für Arbeit und Wirtschaft der<br />
Stadt München vor und erläutert die Maßnahmen in drei Pilotunternehmen.<br />
Alexander Freitag stellt die konkrete Situation im Münchner Verkehrsverbund<br />
in einen übergreifenden Kontext aus Möglichkeiten, Defiziten und Forderungen<br />
im <strong>Mobilitätsmanagement</strong>.<br />
Heinz-Jochem Hirschbrunn erläutert die Schwierigkeiten vieler Mitarbeiter des<br />
Bayerischen Rundfunks auf dem Weg zum Standort Freimann und erste Lösungsvorschläge<br />
aufgrund einer Kooperation mit der Technischen Universität.<br />
Im abschließenden Thementalk wurde u.a. die Bereitschaft von Firmenleitungen,<br />
aber auch von Betriebsräten diskutiert, sich konstruktiv an der Planung<br />
eines BMM zu beteiligen.<br />
21
Bernhard Eller<br />
Referat für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München<br />
Jens Mühlhaus<br />
Stadtrat der Grünen in München<br />
Einführung<br />
Bernhard Eller weist in seiner Begrüßung darauf hin, dass Mobilitätsberatung<br />
in München im Rahmen des Forschungsprojekts „Mobinet“ seit rund fünf Jahren<br />
angeboten werde. Dabei werde vor allem der Aspekt der so genannten weichen<br />
Faktoren berücksichtigt. Man versuche also über den Weg der Beratung das<br />
Bewusstsein für eine umweltschonende Mobilität zu verbessern. So wolle man<br />
wegkommen von den bisher favorisierten „harten Maßnahmen“ der Verkehrssteuerung,<br />
etwa dem Bau neuer Straßen.<br />
Mit Hilfe der Mobilitätsberatung versuche die Landeshauptstadt, den Unternehmen<br />
Informationen an die Hand zu geben, um mit oft beklagten vermeintlichen<br />
Problemen wie der Stellplatzbeschränkung zurecht zu kommen. Eller betont<br />
abschließend, dass im Rahmen der Mobilitätsberatung und des betrieblichen<br />
<strong>Mobilitätsmanagement</strong>s die Arbeitnehmer „wichtige Verbündete“ seien, um<br />
letztlich auch bei den Arbeitgebern eine Veränderung ihres Mobilitätsverhaltens<br />
zu bewirken.<br />
Jammern auf hohem Niveau<br />
Der Grünen-Stadtrat Jens Mühlhaus betont, dass München sich zwar mit einer<br />
Menge von Verkehrsproblemen quäle, dass es sich dabei aber auch um „Jammern<br />
auf hohem Niveau“ handle. Die bayerische Landeshauptstadt verfüge über<br />
eines der besten Nahverkehrssysteme in Deutschland und über ein hervorragendes,<br />
bestens gewartetes Straßennetz.<br />
Dennoch belaste vor allem der tägliche Pendlerverkehr die Stadt sehr stark.<br />
Dabei sei zu beobachten, dass die täglichen Spitzen im Berufsverkehr immer<br />
breiter würden und sich die morgendliche Rush Hour inzwischen von sechs bis<br />
zehn Uhr hinziehe.<br />
Verstopfte Straßen seien ein Problem für Firmen, die dadurch Geld verlören,<br />
aber auch mit Imageproblemen zu kämpfen hätten, wenn sich durch den Betriebsverkehr<br />
etwa Nachbarn gestört fühlten. Für die Arbeitnehmer bedeute der<br />
dichte Verkehr nicht nur enormen Zeitverlust, sondern auch Stress. Der tägliche<br />
Stau koste den Arbeitnehmer Freizeit und Familienleben.<br />
Diese Probleme seien jedoch nicht durch Infrastrukturmaßnahmen und viel<br />
Geld zu lösen. In einer Stadt wie München sei der Platz begrenzt, man könne<br />
nicht immer neue U-Bahnen bauen. Mühlhaus ruft dazu auf, verstärkt auf „soft<br />
policies“ zu setzen, sprich: auf MM und BMM. „Das Potenzial ist sehr groß.“ Es<br />
seien 5 bis 12 Prozent des Gesamtverkehrsaufkommens auf diese Weise zu<br />
reduzieren. München liege in diesem Bereich weit hinter anderen Regionen und<br />
Ländern, wie etwa Holland, Kalifornien, der Schweiz oder Nordrhein-Westfalen.<br />
22
Positiv sei, dass die Stadt München das Förderprogramm für das BMM vor kurzem<br />
einstimmig verlängert habe. Innerhalb der Verwaltung sei das BMM im Referat<br />
für Arbeit und Wirtschaft angesiedelt.<br />
Auch in der Zukunft bleibe MM ein zentrales Thema. Während man große Verkehrsprojekte<br />
„beerdigen“ müsse, ließe sich „mit wenig Geld viel bewegen“, etwa<br />
im Radverkehr. <strong>Clever</strong>e Mobilitätsideen müssten auch in kleinere Betriebe<br />
hinein getragen werden. In Gewerbegebieten beispielsweise könnten sich mehrere<br />
kleine Firmen zusammenschließen, um gemeinsam sinnvolle Konzepte<br />
umzusetzen. Der zukünftige Stellenwert des BMM hänge stark von der Kooperationsbereitschaft<br />
der einzelnen Unternehmen ab.<br />
23
Dr. Eeva Rantama<br />
Referat für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Mobilitätsmanagement</strong> –<br />
ein Angebot für Münchner Unternehmen<br />
Beim BMM handle es sich um ein „weiches“ Instrument einer nachhaltigen Verkehrsbeeinflussung.<br />
Es müsse angebotsorientiert sein und auf Faktoren wie<br />
Information, Organisation und Kommunikation zielen. Seitens der Stadt München<br />
werde BMM mit dem Förderprogramm „Mobilitätsberatung für Münchner<br />
Unternehmer“ versucht voranzubringen.<br />
Ziel der Stadt sei es, eine effiziente, umwelt- und sozialverträgliche Abwicklung<br />
des Verkehrs zu fördern sowie die Mobilitätsbedürfnisse des Einzelnen und die<br />
Mobilitätsansprüche der Wirtschaft zu sichern. Dabei nehme sich die Stadt aller<br />
Verkehrsströme an, die von Unternehmen ausgehen, also sowohl des Personenverkehrs<br />
(Berufsverkehr, Dienst- und Geschäftsreisen, Kundenverkehr), als<br />
auch des Güterverkehrs (Zulieferung, Produktions- und Auslieferverkehr, Entsorgung).<br />
Innerhalb des Förderprogramms biete man externe Beratungen ebenso<br />
an wie Schulungen und die Umsetzung erster Maßnahmen im Unternehmen.<br />
Erwartungen an die PilotprojekteAn die derzeit laufenden Pilotprojekte habe<br />
man bestimmte Erwartungen: Die Stadt München erhoffe sich Erkenntnisse zur<br />
Methodik, man wolle geeignete Handlungsansätze herausfinden, Nutzen für<br />
das Unternehmen sowie positive Auswirkungen auf den Verkehr in München<br />
nachweisen. Schließlich erwarte man eine Antwort auf die Frage: Wird das Ziel<br />
der Stadt München, die Förderung einer effizienten, umwelt- und sozialverträglichen<br />
Abwicklung von Verkehr ohne Beeinträchtigung der Mobilitätsbedürfnisse<br />
und Mobilitätserfordernisse erreicht?<br />
Eeva Rantama zeigt fünf verschiedene Handlungsfelder im Rahmen des BMM<br />
auf. Den Umweltverbund versuche man zu fördern etwa mittels Jobticket, geschützter<br />
Fahrradabstellplätze oder durch „Call a Bike“. Den motorisierten Individualverkehr<br />
versuche man zu reduzieren, indem man Fahrgemeinschaften<br />
im Intranet der Firmen vermittle. Mittels sinnvoller Arbeitsorganisation, etwa<br />
durch Videokonferenzen oder Telearbeit, lasse sich ebenfalls Individualverkehr<br />
vermeiden. Dasselbe gelte für das Instrument der Mitarbeiter-Information,<br />
etwa mittels elektronischer Auskünfte über das ÖPNV-Angebot in der Stadt.<br />
Schließlich lasse sich auch das Geschäftsreisemanagement verbessern, indem<br />
man für Kurzstrecken etwa Dienstfahrräder bereitstelle oder die Fahrer<br />
schule, spritsparender zu fahren.<br />
Ein Unternehmen, das BMM betreibe, könne auf vielfältige Weise davon profitieren:<br />
Kosten würden gespart, der Betrieb sei besser zu erreichen, die Umwelt<br />
werde geschont, das Image des Unternehmens werde verbessert und die Mitarbeiter<br />
seien besser motiviert.<br />
24
Drei Pilotunternehmen<br />
In München werde in drei Pilotunternehmen BMM derzeit versucht zu realisieren:<br />
Beim Bayerischen Rundfunk, bei der HypoVereinsbank und im städtischen<br />
Krankenhaus Schwabing.<br />
Bei der HypoVereinsbank seien drei Standorte einbezogen. Das Unternehmen<br />
habe nachhaltige Kriterien in die „Travel Policy“ aufgenommen, wie etwa die<br />
Reduzierung von Flugreisen, und die verstärkte ÖPNV-Nutzung am Zielort. Es<br />
würden Video- und Telefonkonferenzen stärker genutzt. Die Fahrer des Unternehmens<br />
würden geschult und im Rahmen von Wettbeweben zu spritsparendem<br />
Fahren animiert.<br />
Beim Bayerischen Rundfunk beteilige sich der Standort Freimann mit rund<br />
1850 Mitarbeiter, wozu auch die Beschäftigten des Instituts für Rundfunktechnik<br />
gehören, an dem Pilotprojekt. Das „Call a Bike“-Angebot für Mitarbeiter sei verbessert<br />
worden, man habe durch die Verlegung einer Buslinie die Anbindung an<br />
die U-Bahn in Freimann verbessert sowie die Mitarbeiter im Infomobil der MVG<br />
über ihre Mobilitätsmöglichkeiten beraten. (Siehe dazu auch den Vortrag von<br />
Heinz-Jochem Hirschbrunn.)<br />
Das Städtische Krankenhaus Schwabing habe übertragbare Isar-Cards für<br />
ihre Tages- und Dialysepatienten erworben. Zudem werde nun verstärkt über<br />
das ÖPNV-Angebot informiert, indem man die Fahrpläne in der Eingangshalle<br />
und in der Notaufnahme aushänge. Mit der Teilnahme an der AOK-Aktion „Mit<br />
dem Rad zur Arbeit“ wolle man das Fahrradfahren gezielt fördern. Zudem biete<br />
das Krankenhaus die Vermittlung von Fahrgemeinschaften im Intranet an.<br />
Auswirkungen noch nicht messbar<br />
Rantama zieht erste Ergebnisse der Pilotprojekte aus kommunaler Sicht. Es<br />
seien bisher noch keine Auswirkungen auf den Verkehr messbar, mittelfristig<br />
erwarte man sich aber Verbesserungen. München stehe dabei vor dem Problem,<br />
dass aufgrund der „hervorragenden Infrastruktur“ der Stadt das Potenzial<br />
an Verbesserungen recht gering sei, so Rantama. Außerdem sei zu bebachten,<br />
dass sich Unternehmen nicht unbedingt verantwortlich fühlten für einen umweltschonenden<br />
Verkehr.<br />
Es sei dennoch eine unternehmensspezifische Nachfrage zu beobachten nach<br />
Angeboten des ÖPNV, bestimmten Mobilitätsdienstleitungen, Spielräumen der<br />
Flächennutzung und Maßnahmen zur Kostensenkung im Betrieb. Allerdings sei<br />
die Kostenakzeptanz der Betriebe für entsprechende Maßnahmen sehr gering.<br />
Als Fazit betont Eeva Rantama, dass BMM als flankierende Maßnahme der<br />
Verkehrspolitik weiter vorangebracht und gefördert werden müsse.<br />
25
Alexander Freitag<br />
Geschäftsführer des Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes (MVV)<br />
Der ÖV als Partner im <strong>Mobilitätsmanagement</strong><br />
Alexander Freitag plädiert für einen „ganzheitlichen Ansatz“ im <strong>Mobilitätsmanagement</strong>.<br />
Während der Begriff des Ganzheitlichen in einer „Schlagwort-<br />
Hitparade“ in Politik und Wissenschaft ganz oben stehe, werde er gerade im<br />
Bereich des ÖPNV zu selten realisiert. Noch immer bestimme Kirchturmdenken<br />
den ÖPNV, mit dem Ergebnis, dass Bus-Linien an den Grenzen der Kommunen<br />
angebrochen würden. Auch im Großraum München müsse man endlich systematisch<br />
denken. „Es geht um ein vernünftiges Miteinander.“<br />
Noch immer gelte der ÖV als Verkehrsmittel für die ganz Jungen und die Alten<br />
sowie für die sozial Schwachen. Dennoch erreiche der ÖV im „Modal Split“ der<br />
Verkehrsträger innerhalb der Münchner Innenstadt einen Anteil von rund 80<br />
Prozent. Freitag weist auch darauf hin, dass die in München praktizierte Verbundidee<br />
nicht selbstverständlich sei, weder in Deutschland, noch in Österreich<br />
oder der Schweiz. Die Idee verbreite sich allerdings immer weiter: Vor kurzem<br />
hätten sich Verkehrsexperten aus der Lombardei und aus China bei ihm gemeldet<br />
und großes Interesse an Informationen zum MVV geäußert.<br />
Der ÖV sei innerhalb des MM ein „gleichwertiger Partner“. Die Vorteile des ÖV<br />
im Rahmen des MM lägen nicht nur im ökologischen Bereich. Öffentlich fahren<br />
sei auch betriebswirtschaftlich sinnvoll und stelle einen bedeutenden Standortfaktor<br />
für die Region München dar.<br />
Vermeiden, verlegen, lenken<br />
Die Ziele des MM skizziert Freitag mit drei Begriffen: Vermeiden, verlegen, lenken.<br />
Es müsse ins Bewusstsein der Menschen dringen, dass man zum Zigaretten-Holen<br />
nicht das Auto brauche. Verlegen müsse man den Verkehr grade im<br />
Gütertransport-Sektor stärker auf die Schien, um zu vermeiden, dass in absehbarere<br />
Zeit die rechten Autobahnspuren komplett von Lastwagen blockiert seien.<br />
Lenken könne man die Verkehrsströme, indem man sich auf intelligente<br />
Lösungen konzentriere. So sei es nicht mehr sinnvoll, für viel Geld immer neue<br />
U-Bahnlinien zu bauen. Statt dessen müssten vorhandene Systeme intelligent<br />
erweitert oder weiterentwickelt werden. Ein Beispiel dafür seien elektronische<br />
Informationssysteme für Fahrgäste. Im Internet werde mit EFA bereits ein solches<br />
System angeboten. Demnächst könnten Fahrgäste auch über ihr Handy<br />
wichtige Informationen wie Fahrpläne oder Verspätungen abrufen.<br />
Freitag fordert die Verkehrsunternehmen, die Partner in Verbünden wie dem<br />
MVV seien, auf, in ihrem Denken „nicht in die Steinzeit“ zurückzufallen. Speziell<br />
in München sei der MVV nach außen in der Vergangenheit einheitlicher aufgetreten,<br />
was vor allem an der verstärkten und individuellen Öffentlichkeitsarbeit<br />
der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) und der S-Bahn liege.<br />
Mehr Kombitickets<br />
Der MVV habe bisher rund 30.000 Jobtickets verkauft. Nun gelte es, die Kombiticket-Idee<br />
zu erweitern, etwa für den Besuch von Fußball-Spielen des FC Bay-<br />
26
ern München und des TSV 1860 München. Freitag: „Es wäre fatal, wenn dies<br />
nicht gelinge würde.“ Mit einem Anteil von zwei Prozent Gesamtumsatz liege<br />
der MVV im Kombiticketbereich aber schon jetzt bundesweit an der Spitze.<br />
Das neue City-Ticket der Deutschen Bahn, das künftig eine Benutzung des ÖV<br />
mit einem DB-Fernzug-Ticket in zahlreichen großen Städten erlaube, bezeichnet<br />
Freitag als „ersten Schritt auf einem langen Weg“, jedoch noch nicht als<br />
ausreichend.<br />
Bundesweit bestehe noch Harmonisierungsbedarf der Verkehrsverbünde auf<br />
den Feldern der ÖV-Nutzungsbedingungen, was sich derzeit etwa in unterschiedlichen<br />
Altersgrenzen ausdrücke. Auch beim „Electronic Ticketing“ bestehe<br />
dieser Harmonisierungsbedarf.<br />
Bessere Anschlüsse durch Telematik<br />
Hoffnung setzt Freitag in den Ausbau der Telematik. Es müsse möglich sein,<br />
dass ein Busfahrer über die Verspätung einer S-Bahn informiert werde, so dass<br />
er warten und so den Anschluss für die Fahrgäste gewährleisten könne. Von<br />
der Telematik verspricht sich Freitag auch eine geringere Anfälligkeit der so<br />
genannten Stammstrecke der Münchner S-Bahn durch den Innenstadttunnel.<br />
Diese Strecke sei sehr störanfällig, was durch die bevorstehende größere Taktdichte<br />
noch gesteigert werde. Mit einer funktionierenden Telematik aber sei es<br />
möglich, nach einem Störfall künftig schon nach drei statt nach sechs Stunden<br />
in den Regelbetrieb zurückzukehren.<br />
Ausgebaut werden müsse auch das Bahn & Bike-System. Das neue Fahrradparkhaus<br />
am Münchner U-Bahnhof Kieferngarten sei ein erster Schritt. Dagegen<br />
herrsche am Hauptbahnhof immer noch „Chaos“, weil mangels geeigneter<br />
Abstellmöglichkeiten die Fahrräder wild durcheinander stünden. Zudem benutze<br />
kaum ein Fahrgast sein teures Rad auf dem Weg zum Bahnhof, weil er fürchten<br />
müsse, dass es gestohlen werde. Die Zahl der Rad-Stellplätze an MVV-<br />
Haltestellen müsse von 40.000 auf 55.000 erweitert werden.<br />
27
Heinz-Jochem Hirschbrunn<br />
Leiter der Hauptabteilung Allgemeine Dienste beim Bayerischen Rundfunk<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Mobilitätsmanagement</strong><br />
beim Bayerischen Rundfunk<br />
Der Bayerische Rundfunk (BR) ist auf drei Standorte in München verteilt: Auf<br />
den Rundfunkplatz in der Innenstadt beim Hauptbahnhof, auf die Medienallee in<br />
Unterföhring und das Gelände in Freimann.<br />
Letzteres liege verkehrstechnisch „sehr ungünstig“ im Landschaftsschutzgebiet<br />
des Englischen Gartens, betont Heinz-Jochem Hirschbrunn. Seit 1960 habe<br />
sich das Betriebsgelände dort nach und nach entwickelt, derzeit arbeiteten etwa<br />
1400 Beschäftigte in Freimann. Dies entspreche einem Drittel der gesamten<br />
BR-Belegschaft. Wegen der schlechten ÖPNV-Anbindung sei der Anteil des<br />
Individual-Verkehrs sehr hoch. Zudem trage der Schichtbetrieb über 24 Stunden<br />
dazu bei, dass die meisten Mitarbeiter mit dem eigenen Auto kämen. Nur<br />
so sei für viele gewährleistet, auch nachts noch sicher nach Hause zu kommen.<br />
Dies führe mittlerweile dazu, dass das Gelände um den BR-Standort herum im<br />
Individualverkehr ersticke, wozu neben den Mitarbeitern u.a. auch die zahlreichen<br />
Produktionsbewegungen, die Lastwagen und Lieferfahrzeuge beitrügen.<br />
„Verkehr(t) in Freimann“<br />
Man sei das Verkehrsproblem bisher nie grundsätzlich angegangen, habe sich<br />
statt dessen damit zu behelfen versucht, den vielen Freien Mitarbeitern des<br />
Senders keine Einfahrterlaubnis mehr für das Betriebsgelände auszustellen.<br />
Erst ein Seminar-Projekt der Technischen Universität (TU) München mit dem<br />
Titel „Verkehr(t) in Freimann“ habe zu einer systematischeren Herangehensweise<br />
an das Problem geführt.<br />
Studenten hätten vor dem Einfahrttor die Kennzeichen der Autos registriert, um<br />
so auf die Wohnorte der Mitarbeiter zu schließen. Zugleich seien nach Absprache<br />
mit dem Betriebsrat Fragebögen an die Beschäftigten verteilt worden, um<br />
eine ausreichende statistische Grundlage für die Ist-Analyse zu gewinnen.<br />
Fragebögen an die Mitarbeiter<br />
Die Befragung der Mitarbeiter habe, wie erwartet, ergeben, dass die ÖPNV-<br />
Anbindung des Geländes schlecht sei, dass der Werkbus zu selten verkehre.<br />
Bei der Befragung sei aber auch der Wunsch der Mitarbeiter nach mehr Parkplätzen<br />
zum Ausdruck gekommen – was man jedoch seitens des BR nicht anstrebe,<br />
so Hirschbrunn.<br />
Im Rahmen eines Workshops seien dann vier Themen detailliert diskutiert und<br />
untersucht worden: Die bisher schlechte Wegeanbindung des BR-Geländes,<br />
eine verstärkte Fahrradnutzung auf dem Weg zur Arbeit und nach Hause, ein<br />
besseres ÖPNV-Angebot sowie das Anrufsammeltaxi.<br />
Pilotprojekt mit „Call a Bike“<br />
In Zusammenarbeit mit dem örtlichen Bezirksausschuss habe man das Problem<br />
der fehlenden Radweganbindung diskutiert. Ergebnis sei gewesen, dass eine<br />
28
Unterführung am S-Bahnhof Freimann fehle, die den Radlern einen direkten<br />
Weg zum BR ermöglichen würde. In Kooperation mit „Call a Bike“ der Deutschen<br />
Bahn habe der BR ein Pilotprojekt gestartet. Während die Nutzung der<br />
„Call a Bike“-Räder normalerweise nur innerhalb des Mittleren Rings möglich<br />
ist, sei für BR-Mitarbeiter eine Ausnahmeregelung seit Mai 2003 in Kraft. Um<br />
eine bessere ÖV-Anbindung zu erreichen, setze man auf eine Verbesserung<br />
des Werkbusverkehrs. Zudem habe man in Zusammenarbeit mit der Münchner<br />
Verkehrsgesellschaft (MVG) erreicht, dass seit Juni 2003 die morgendliche und<br />
nachmittägliche Bus-Anbindung des Geländes verbessert worden sei. Statt bisher<br />
zwei Busse verkehrten seither sieben. Zu Aktivitäten beim vierten Punkt,<br />
der Einführung von Anruf-Sammeltaxis, sei man bisher noch nicht gekommen.<br />
29
Thementalk:<br />
Gut für die Umwelt – gut für die Kosten?<br />
Podiumsteilnehmer: Heinz-Jochem Hirschbrunn (Bayerischer Rundfunk),<br />
Klaus Schäfer-Breede (Büro für Verkehrsökologie, Bremen), Matthias Knobloch<br />
(ACE), Moderation: Martin Schreiner (Mobilitätsmanager SSP Consult, ab<br />
1.12.2003: Kommunaler Mobilitätsmanager, Stadt München).<br />
Moderator Martin Schreiner stellt zu Beginn der Diskussion die These in den<br />
Raum, dass Betriebe in der Regel nicht so erpicht darauf seien, sich einer Mobilitätsberatung<br />
zu unterziehen. Dem stimmt Heinz-Jochem Hirschbrunn zu: Auch<br />
der BR habe nicht geplant, seine Verkehrsprobleme extern lösen zu lassen.<br />
Dann aber seien die TU und der örtlich Bezirksausschuss auf den BR zugekommen,<br />
mit dem Ergebnis, dass sich dieser dann doch bereit erklärt habe. Auf<br />
die Frage nach der Zusammenarbeit zwischen einer Betriebsleitung und dem<br />
Betriebsrat antwortet Hirschbrunn, dass dies im Falle des BR „relativ schwierig“<br />
gewesen sei. Dennoch habe sich der Betriebsrat „nicht total verweigert“, wenn<br />
man das Vorhaben auch kritisch hinterfragt habe. Generell habe der Konflikt<br />
bestanden einerseits zwischen dem wissenschaftlichen Anspruch und dem methodischen<br />
Vorgehen der TU-Studenten, die eine Fragebogenaktion durchführten,<br />
und anderseits den Urängsten der Gewerkschaften, dass dies der Arbeitgeber<br />
zum Anlass für Ausspionieren nehme könne. Unter diesen Ängsten hätten<br />
die Ergebnisse der Befragung „etwas gelitten“.<br />
Matthias Knobloch vom ACE räumt ein, dass für den DGB das BMM ein „Nebenthema“<br />
sei. Man stehe mit der Diskussion innerhalb der Gewerkschaften<br />
ganz am Anfang. Derzeit sei man mit dem Sammeln von Ideen vor Ort beschäftigt,<br />
um diese im Internet-Portal www.clever-pendeln.de publik zu machen. So<br />
wollten DGB und ACE als Kommunikatoren in diesem Bereich agieren.<br />
Nachbarstädte in Pendler-Konzepte einbeziehen<br />
Ein Besucher appelliert, die Diskussion um das MM nicht nur auf den Raum<br />
München zu beschränken, sondern auch die benachbarten Städte wie Augsburg,<br />
Rosenheim und Ingolstadt mit einzubeziehen. Er verweist auf das Augsburger<br />
Beispiel, wo die Straßenbahn seit Jahren im 5-Minuten-Takt verkehre,<br />
während man bei der Münchner S-Bahn um die Einführung des 10-Minuten-<br />
Taktes ringe. Bernhard Eller vom Referat für Arbeit und Wirtschaft der Stadt<br />
München erwidert, dass nicht die Stadt für die S-Bahn verantwortlich sei, sondern<br />
die Deutsche Bahn. Er plädiert ebenfalls dafür, „über den Tellerrand hinaus<br />
zu schauen“ und Nachbarstädte mit einzubeziehen. Dennoch seien Förderprogramme<br />
der Stadt München ausschließlich für ortsansässige Firmen gedacht.<br />
Laut Klaus Schäfer-Breede kämen die Betriebe selbst „zu selten“ von selbst auf<br />
den Gedanken, sich des BMM anzunehmen. Sein Büro, das BVÖ in Bremen,<br />
habe viele Kunden allein aus dem Grund, weil diese für die Beratung nichts<br />
zahlen müssten, da es sich um Förderprojekte der öffentlichen Hand handle.<br />
Diese, so Schäfer-Breede, seien dann aber oft „nicht die effizientesten Projekte“.<br />
Müsse eine Firma dafür bezahlen, sei der Anreiz größer, sich ernsthaft da-<br />
30
mit auseinander zu setzen. Schäfer-Breede ermahnt die Politik, bessere Rahmenbedingungen<br />
für das BMM zu schaffen.<br />
BMM noch kein Selbstläufer<br />
Schäfer-Breede plädiert für die Mund-zu-Mund-Propaganda: Gute Ideen müssten<br />
von Firma zu Firma weiter gegeben werden. Dies sei wirkungsvoller als der<br />
erhobene Zeigefinger von oben. Bisher sei aber festzustellen, dass sich das<br />
BMM noch nicht zum Selbstläufer entwickelt habe. Kritisch merkt er an, dass im<br />
Rahmen des BMM-Marketings die ökonomischen Potenziale für Betriebe noch<br />
nicht ausreichend herausgestellt worden seien. Man müsse etwa stärker betonen,<br />
dass eine Firma mit der Optimierung ihres Fuhrparks viel Geld sparen<br />
könne. „Darüber wird zu wenig geredet.“ Zugleich sei manchmal aber auch zuviel<br />
versprochen worden. So dürfe man nicht glauben, dass ein paar hundert<br />
Teilnehmer an einem Fahrgemeinschaftspool ausreichen würden. Es sei das<br />
Erreichen einer so genannten kritischen Masse nötig, die dafür bei etwa 6000<br />
Teilnehmern liege. Und die dürften auch nicht über eine ganze Stadt verteilt<br />
wohnen, sondern müssten sich beispielsweise auf den Süden der Stadt begrenzen.<br />
Schäfer-Breede sieht die Betriebe in der Verantwortung für das BMM,<br />
schließlich erzeugten sie auch einen Großteil des Verkehrs.<br />
Schäfer-Breede macht sich stark dafür, dass die Ideen des BMM „endlich in den<br />
Alltag überführt werden“. Das BMM dürfe nicht ständig auf Projekt-Ebene ablaufen,<br />
hinter der meist ein EU-Projekt stecke. Vielmehr müsse BMM als Dienstleistung<br />
etabliert werden. Auch seien nicht in jedem Betrieb aufwändige Mitarbeiterbefragungen<br />
nötig. Viele Informationen könne man bereits aus den<br />
Stammdaten der Beschäftigen gewinnen. Zu viele Befragungen könnten das<br />
Thema in den Betrieben „verschleißen“, mit dem Ergebnis, dass sich die Belegschaft<br />
der Idee verschließe.<br />
Stellenwert der Telearbeit<br />
Auf die Frage von Moderator Schreiner nach dem Stellenwert der Telearbeit im<br />
BR antwortet Hirschbrunn, dass die BR-Mitarbeiter bisher noch nicht von zu<br />
Hause aus auf die Haustechnik zugreifen könnten. Außerdem lebe ein Medienbetrieb<br />
wie der BR stark von der internen Kommunikation, die durch Telearbeit<br />
nicht gerade gefördert werde. Deshalb sei der BR für dieses Vorhaben wohl<br />
nicht der geeignete Betrieb. Schäfer-Breede warnte ebenfalls davor, zu sehr auf<br />
Telearbeit zu setzen. Dazu komme, dass dies kein Verkehrsthema sei. Sinnvoller<br />
sei, sich innerhalb eines Betriebs statt dessen auf die Frage der Auto-<br />
Stellplätze zu konzentrieren.<br />
31
Teil III:<br />
Mobiles Mainz<br />
Beim Workshop „Mobiles Mainz“ beleuchteten sechs Referenten die Situation<br />
von Berufspendlern in Mainz aus jeweils ihrer Sicht.<br />
Der Mainzer Umweltreferent Wolfgang Reichel betont in seiner Einführung,<br />
dass man das Auto nicht verteufeln dürfe. Wichtig sei vielmehr, den Bürger ausreichend<br />
Informationen über umweltfreundliche Mobilität an die Hand zu geben.<br />
Sascha Müller stellt das „Pendlernetz“ vor, das er zu den wichtigsten BMM-<br />
Projekten im Rhein-Main-Gebiet rechnet. Im Gegensatz zu vielen bereits vorhandenen<br />
Insellösungen biete es den Vorteil, eine ganze Region mit mehreren<br />
Millionen potenziellen Nutzern zu umfassen.<br />
Thomas Pensel erläutert die Bemühungen der Stadt Mainz, ihre Mitarbeiter,<br />
die im zentral gelegenen Stadthaus arbeiten, zum Umsteigen auf den ÖPNV zu<br />
bewegen. Im Zentrum der städtischen Aktivitäten stehe die Mobilitätsbefragung<br />
der Bediensteten.<br />
Mit den Problemen der Erschließung der Fläche durch den ÖPNV setzt sich<br />
Jochen Erlhof auseinander. Als positives Beispiel für ein BMM stellt er die Kooperation<br />
der Mainzer Verkehrsgesellschaft mit der Uniklinik und der städtischen<br />
Parkhausgesellschaft vor.<br />
Am Beispiel der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit erläutert Norbert<br />
Sanden das Projekt Bike + Business. Er betont die Notwendigkeit, Freude am<br />
Radfahren zu vermitteln.<br />
Eckhard Wolf stellt das Pilotprojekt Mobilitätsberatung bei der Allianz AG in<br />
Frankfurt nach deren Umzug an einen neuen Standort vor.<br />
Der abschließende Thementalk dreht sich um Fragen wie der Erschließung<br />
ländlicher Gebiete durch den ÖPNV oder den Druck, den Unternehmen benötigen,<br />
um von sich aus ein BMM anzupacken.<br />
32
Wolfgang Reichel<br />
Umweltreferent der Stadt Mainz<br />
Einführung<br />
Der Mainzer Umweltreferent Wolfgang Reichel stellt den Workshop „Mobiles<br />
Mainz“ und die Ziele des BMM in den Kontext der Klimapolitik. Er kritisiert, dass<br />
man einerseits bis 2010 zwar die CO2-Emissionen halbieren wolle, man dabei<br />
aber andererseits die Emissionen des Verkehrs bisher nicht oder zu wenig berücksichtigt<br />
habe. Deshalb müsse man nun „zwangsläufig auch den Verkehr ins<br />
Visier nehmen“.<br />
Die Sperrung von Straßen sei in diesem Zusammenhang eher als symbolischer<br />
Akt zu verstehen, der zudem heftige Widerstände auslöse. Man dürfe auch<br />
nicht mit dem Finger „auf das böse Auto zeigen“, vielmehr müsse man die Menschen<br />
„dort abholen, wo sie stehen“.<br />
Er plädiert dafür, die Möglichkeiten des BMM und den Bedarf daran auszuloten<br />
und dann den Bürgern bessere Informationen über eine umweltschonende Mobilität<br />
an die Hand zu geben. Noch fehlten diese oft – zum Beispiel Informationen<br />
über konkrete, umsetzbare Maßnahmen im Betrieb. Besonders wichtig sei<br />
dabei der Kontakt der Akteure untereinander und der Austausch der bereits<br />
vorhandenen Informationen. Nur so könne dieser Prozess ein „Selbstläufer“<br />
werden.<br />
33
Sascha Müller<br />
IVM Vorbereitungsgesellschaft mbH<br />
IVM – die Organisation für integriertes Verkehrsmanagement<br />
in der Rhein-Main-Region<br />
Bei der IVM handelt es sich um die Organisation für integriertes<br />
Verkehrsmanagement in der Rhein-Main-Region. Die 2002 gegründete IVM<br />
solle 2005 von einer Vorbereitungsgesellschaft in eine normale GmbH<br />
umgewandelt werden, so Sascha Müller.<br />
Die Gründung der IVM sei vor dem Hintergrund ständig steigender Verkehrsprobleme<br />
in der Rhein-Main-Region erfolgt. Zudem sei bislang ein fehlendes<br />
Regionalbewusstsein zu beobachten. Es gebe kaum integrierte Ansätze in der<br />
Verkehrsplanung, zudem sei der Informations- und Datenaustausch mangelhaft.<br />
Bei der IVM handelt es sich um eine landesübergreifende Organisation, mit den<br />
Bundesländern Hessen und Rheinland-Pfalz als Gesellschafter. Daneben sind<br />
sieben Landkreise, acht Städte sowie der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV)<br />
Gesellschafter.<br />
Mit der IVM wolle man eine dauerhafte Mobilität sichern, die Standortqualität<br />
und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Region verbessern, indem sie gut erschlossen<br />
werde und erreichbar bleibe. Man wolle die vorhandenen Ressourcen<br />
schonen und sich den Gestaltungsspielraum vor Ort erhalten, also keine<br />
Zuständigkeiten an andere politische Ebenen oder Organisationen abgeben.<br />
IVM-Philosophie<br />
Die IVM-Philosophie skizziert Müller mit den Begriffen Koordinator und Partner,<br />
Moderator und Mediator, Dienstleister und Motivator („Kümmerer“).<br />
Zu den Projekten und Tätigkeitsfeldern der IVM zählten eine ganze Reihe von<br />
Aufgaben. Dazu gehöre zu Beginn eine Bestandsaufnahme und Analyse der<br />
aktuellen Situation, sowie die Gestaltung des Internetauftritts<br />
www.ivm-rheinmain.de, die Organisation des Pendlernetzwerks und die Koordinierung<br />
des Verkehrs im Rhein-Main-Gebiet während der Fußball-WM 2006. Im<br />
Zentrum der IVM-Aufgaben stehe das Datenmanagement. Dazu kämen das<br />
Infrastrukturmanagement, die Verkehrslenkung und -information sowie Begleitmaßnahmen<br />
wie das Anstoßen von Forschungsvorhaben oder der Praxistest<br />
von Verkehrstelematik.<br />
Pendlernetz<br />
Zu den wichtigsten Projekten der IVM gehöre das Internetportal „Pendlernetz“.<br />
Damit wolle man einen Mitfahrservice für Alltags- und Berufspendler anbieten.<br />
Im Gegensatz zu den bereits zahlreich vorhandenen, teilweise schon veralteten<br />
„Insellösungen“ für ein sehr begrenztes Gebiet und relativ wenige potenzielle<br />
Mitfahrer, wie es etwa die Stadt Mainz für ihre Mitarbeiter anbiete, erreiche man<br />
mit dem Pendlernetz die 1,5 Millionen Pendler im Rhein-Main-Gebiet. Müller<br />
betont, dass der Anbieter einer solchen Mitfahrbörse seriös arbeiten müsse, da<br />
die Nutzer persönliche Daten bei der Registrierung preisgeben müssten. Bei<br />
34
der IVM sei dies gewährleistet. Der Vorteil des Pendlernetzes liege im leichten<br />
Zugang für alle, da es bequem über zahlreiche andere Mobilitätsseiten wie etwa<br />
die des RMV zu erreichen sein solle. Als Nutzer benötige man nur wenige Minuten,<br />
um seine Daten einzugeben, auch die Pflege sei sehr einfach zu handhaben.<br />
Aufgrund der Bevölkerungsdichte im Rhein-Main-Raum werde man ohne<br />
Probleme die so genannte kritische Masse erreichen, ab der ein solches Angebot<br />
erst Sinn Mache. Für Fahrer und Mitfahrer sei das Angebot kostenlos.<br />
Als Beispiel für die Funktionalität nennt Müller das Pendlernetz Stuttgart. Wie<br />
dort wolle man im Hintergrund der Suchfunktion auch einen ÖPNV-Fahrplan<br />
laufen lassen. Sollte kein Fahrer oder Mitfahrer gefunden werden, könne sich<br />
der Interessent den entsprechenden Fahrplan für Bus und Bahn anzeigen lassen<br />
– als weitere umweltschonende Alternative zur Fahrt mit dem eigenen Auto.<br />
Die Vorteile<br />
Ein funktionierendes Pendlernetz habe zahlreiche Vorteile für die Region, so<br />
Müller. Es reduziere vor allem die Staus. Gelänge es, die durchschnittlich Besetzung<br />
eines Pkw von statistisch 1,1 Personen auf 1,4 zu erhöhen, würde sich<br />
die Reisezeit im morgendlichen Berufspendlerverkehr um durchschnittlich zehn<br />
Minuten verringern, was einer Zeitersparnis von 20 Prozent entspräche. Dies<br />
habe eine wissenschaftliche Untersuchung ergeben. Im Vergleich zu Insellösungen<br />
spare man mit einem groß angelegten und vernetzten Pendlernetz Kosten.<br />
Ein weiterer Vorteil des Projekts sei, dass im Rhein-Main-Raum grundsätzlich<br />
Interesse zahlreicher möglicher Partner bestehe.<br />
Die Frage, ob solch ein Angebot tatsächlich auf Nachfrage stößt, werde unterschiedlich<br />
beantwortet. Während etwa laut einem Bericht von „Auto-Bild“ rund<br />
80 Prozent der Befragten eine Fahrgemeinschaft ablehnten – teils grundsätzlich,<br />
teils, weil man keinen geeigneten Mitfahrer habe –, habe eine Untersuchung<br />
von „Uniroyal“ ein positiveres Ergebnis gebracht. Demnach seien dem<br />
Mitfahren mehr als 40 Prozent positiv eingestellt, etwa genauso vielen stünden<br />
dem Thema neutral gegenüber. Nur 15 Prozent der Befragten sei laut „Uniroyal“<br />
das Mitfahren generell unangenehm.<br />
Wissenschaftliche Untersuchung fehlt<br />
Mit dem Start des Pendlernetzes sei im Mai 2004 zu rechnen. Müller räumt auf<br />
die Frage eines Workshop-Besuchers ein, dass vergleichbare Internet-<br />
Angebote bisher noch nicht fundiert wissenschaftlich untersucht worden seien.<br />
So sei bisher nur bekannt, welche Zugriffszahlen die Internetseiten hätten, nicht<br />
aber, wie viele Gemeinschaftsfahrten tatsächlich zustande gekommen seien. Er<br />
plädiert dafür, auch dies möglichst bald zu untersuchen.<br />
35
Thomas Pensel<br />
Umweltamt der Stadt Mainz<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Mobilitätsmanagement</strong> als städtische Aufgabe<br />
Die Stadt Mainz sei sich ihrer Vorbildfunktion für andere Betriebe und Behörden<br />
bewusst, erklärt Thomas Pensel. Deshalb engagiere sich die Stadt auch im Bereich<br />
des BMM. Dies sei ein aktiver Beitrag zum Umweltschutz. Auch aus diesem<br />
Grunde habe man bereits 1992 eine Dienstvereinbarung mit den städtischen<br />
Mitarbeitern getroffen, in der man eine „restriktive Bewirtschaftung“ des<br />
städtischen Parkplatzangebots festgeschrieben habe. So wolle man den Pendlerverkehr<br />
reduzieren und bei den Mitarbeitern einen Prozess des Umdenkens<br />
in Gang setzen. Ziel sei es, dass möglichst viele Beschäftigte ihr Verhalten änderten<br />
und auf dem Weg zur Arbeit das umweltschonendste Verkehrsmittel bevorzugten.<br />
Dabei gelte es, die Akzeptanz des Jobtickets zu erhöhen.<br />
Kein Anspruch der Mitarbeiter auf kostenlosen Parkplatz<br />
Die Dienstvereinbarung schreibe u.a. vor, dass die Mitarbeiter keinen Anspruch<br />
auf einen kostenlosen Parkplatz hätten. Einen Parkplatz in einem Dienstgebäude,<br />
in dem die Stadt einen Parkplatz anmieten müsste, könne man nur benutzen,<br />
wenn man ein Jobticket besitze. Eine kostenlose Parkberechtigung werde<br />
aber nur dann vergeben, wenn der Pkw des Mitarbeiters dienstlich anerkannt<br />
sei und man mehr als 750 Kilometer pro Jahr damit dienstlich zurücklege. Städtische<br />
Mitarbeiter, die innerhalb eines festgelegten Bereichs der Innenstadt<br />
wohnten, hätten generell keinen Anspruch auf eine Parkberechtigung.<br />
Die Einnahmen aus der Bewirtschaftung des städtischen Parkraums flössen in<br />
die Finanzierung des Job-Tickets. Pensel bedauert, dass bislang das Jobticket<br />
nur für den Bereich der Mainzer Verkehrsgesellschaft MVG zur Verfügung stehe.<br />
Entsprechende Verhandlungen mit dem Verkehrsverbund im Umland, dem<br />
Rhein Nahe Nahverkehrsverbund RNN, liefen aber.<br />
Im Zentrum der BMM-Bemühungen der Stadt Mainz stünde die Mobilitätsbefragung<br />
und -beratung der Mitarbeiter im Stadthaus. Dieses sei aufgrund der Citylage<br />
sehr gut an den ÖV angebunden. Bislang sei deren Mobilitätsverhalten<br />
noch nicht abschließend untersucht, man wisse aber, dass von den 560 dort<br />
Beschäftigten 289 ein Jobticket besäßen, also mehr als die Hälfte. Die bevorstehende<br />
Befragung solle helfen, Verbesserungspotenziale zu erschließen und<br />
Fragen zu Hinderungsgründen für eine nachhaltige Mobilität zu beantworten.<br />
An der Befragung seien auch die MVG sowie der städtische Radfahrbeauftragte<br />
beteiligt.<br />
Erste Erkenntnisse über das Mobilitätsverhalten<br />
Erste Erkenntnisse über das Mobilitätsverhalten der Stadthaus-Beschäftigten<br />
lägen jedoch bereits vor. So sei festzustellen, dass die Nutzung des Fahrrads<br />
für den Weg zur Arbeit mit zunehmender Distanz abnehme, während gleichzeitig<br />
die des Autos zunehme. Bei allen vier abgefragten Entfernungsstufen (bis 5<br />
Kilometer, zwischen 5 und 10, zwischen 10 und 20, über 20 Kilometer) nutzten<br />
die meisten Mitarbeiter den motorisierten Umweltverbund, also etwa Busse oder<br />
Bahnen, oder eine Mitfahrgelegenheit.<br />
36
Auf die Frage, ob man sich einen Verzicht auf das eigene Auto für den Weg zur<br />
Arbeit vorstellen könne, falls man es bisher benutzt habe, hätten knapp 40 Prozent<br />
der Befragten mit ja geantwortet. Gut 45 Prozent aber lehnten einen Pkw-<br />
Verzicht ab. Befragt nach den Hinderungsgründen, Mitfahrgemeinschaften zu<br />
bilden, hätten nur 17,5 Prozent geantwortet, dass sie keine solchen Gründe<br />
sähen. 60 Prozent aber hätten angegeben, dass sie aufgrund variierender Arbeitszeiten<br />
und der gewünschten Flexibilität keine Fahrgemeinschaften bilden<br />
wollten.<br />
Mitfahrbörse im Intranet<br />
Mittlerweile sei auch eine Mitfahrbörse im Intranet der Stadt eingerichtet, mit<br />
deren Hilfe sich städtische Mitarbeiter zu Fahrgemeinschaften zusammenschließen<br />
könnten.<br />
Zusammenfassend stellt Thomas Pensel fest, dass das Mobilitätsverhalten der<br />
städtischen Mitarbeiter im Stadthaus bereits „vielfach umweltkonform“ sei. Doch<br />
obwohl der Anteil der Pkw-Nutzer relativ gering sei, bestehe noch ein großes<br />
Potenzial, die Auto-Nutzer für den ÖV zu gewinnen. Die Auswertung der Befragung<br />
werde den Verkehrsbetrieben und dem städtischen Fahrradbeauftragten<br />
zur Verfügung gestellt, um die enthaltenen Anregungen umzusetzen. Der Stadt<br />
liege vor allem daran, die Vorteile des Umweltverbundes herauszuarbeiten.<br />
Schließlich fördere die Innenstadtlage zusammen mit der restriktiven Parkraumbewirtschaftung<br />
die Nutzung des Umweltverbundes.<br />
37
Jochen Erlhof<br />
Geschäftsführer Mainzer Verkehrsgesellschaft MVG<br />
Der ÖPNV als Akteur der nachhaltigen Mobilitätsgestaltung<br />
Die MVG sei der Akteur im Rahmen des MM in der Region Mainz, betont Jochen<br />
Erlhof. Im Jahr befördere man rund 42 Millionen Fahrgäste, pro Tag seien<br />
es durchschnittlich rund 150.000. Erlhof: „Wir sind der wichtigste Akteur im<br />
Nahverkehr – aber nicht der einzige.“<br />
Der MVG-Geschäftsführer bedauert, dass die allgemeine Entwicklung, belegt<br />
durch statistische Zahlen, gegen den ÖPNV gelaufen sei. So sei die Zahl der<br />
Autos seit 1960 von damals 20.000 auf heute 110.000 gestiegen, und das, obwohl<br />
die Einwohnerzahl von Mainz (Hauptwohnsitze) in den vergangenen 20<br />
Jahren sehr stabil bei etwa 180.000 geblieben sei. Noch dramatischer sei die<br />
Pkw-Zunahme im Mainzer Umland. Dies gehe einher mit dem Abwandern vieler<br />
Betriebe aus dem Zentrum der Stadt an die Peripherie. Für ein Verkehrsunternehmen<br />
sei die Fläche aber deutlich schwieriger zu erschließen als ein Zentrum.<br />
Die Betriebe im Stadtgebiet Mainz zählten etwa 100.000 Beschäftigte, von denen<br />
nur noch etwa 40 Prozent in Mainz selbst wohnten. 60 Prozent pendelten<br />
täglich aus dem Umland nach Mainz. Zugleich verließen etwa 25.000 Mainzer<br />
täglich die Stadt auf dem Weg zur Arbeit außerhalb der Stadtgrenzen. Dies habe<br />
in den vergangenen Jahren zu einer Verdoppelung des Verkehrsaufkommens<br />
an großen Ein- und Ausfallstraßen geführt.<br />
Trennung zwischen inner- und außerstädtischem ÖPNV ein Nachteil<br />
Die bisherige „harte Trennungslinie“ zwischen innerstädtischem und regionalem<br />
ÖV sei ein weiterer struktureller Nachteil des ÖV im Vergleich zum Individualverkehr.<br />
Um den ÖV zu fördern, plädiert Erlhof für die Realisierung eines Maßnahmenbündels.<br />
So sei immer wieder ein Informationsdefizit bei potenziellen<br />
ÖPNV-Kunden festzustellen. Viele wüssten noch immer nicht, wie gut der Nahverkehr<br />
in den Städten bereits funktioniere. So habe sich bei der Einführung<br />
des Jobtickets gezeigt, dass vielen Beschäftigten zahlreiche Verbindungen<br />
nicht bekannt seien. Auch ein größeres Angebot an Kombitickets, sowohl für<br />
Tages- wie für Wochenveranstaltungen, sei anzustreben.<br />
Ein wichtiger Faktor sei das Jobticket und seine Gestaltung für die spezifischen<br />
Gegebenheiten eines Betriebs. Es lebe von der Gegenfinanzierung und den<br />
Zuschüssen der Arbeitsgeber, aber auch von der besseren Auslastung der Verkehrsmittel,<br />
die dadurch wirtschaftlicher betrieben werden könnten. Indem man<br />
künftig mit den Umland-Verkehrsbetrieben kooperieren, wolle man eine Zwei-<br />
Klassen-Gesellschaft vermeiden: Hier Beschäftigte, die in den Genuss eines<br />
Jobtickets kommen, dort solche ohne diese Möglichkeit, weil es der Arbeitgeber<br />
nicht anbiete.<br />
BMM in der Uniklinik<br />
Als Beispiel für ein BMM nennt Erlhof die Kooperation der MVG mit der Uniklinik<br />
Mainz und der städtischen Parkhausgesellschaft. Zusammen habe man die<br />
38
Parkraumbewirtschaftung an der Uniklinik und das Jobticket eingeführt. Dieses<br />
Ticket werde teilweise aus den Erlösen der Parkraumbewirtschaftung finanziert.<br />
Inzwischen habe man bereits über 1000 Jobtickets an Klinik-Mitarbeiter verkauft<br />
und dabei kaum Abmeldungen bisheriger Jahreskartenbesitzer registriert. Das<br />
heiße, die Aktion habe der MVG zahlreiche neue Kunden gebracht. Die 1000<br />
Jobtickets seien auch deshalb ein Erfolg, weil viele Mitarbeiter wegen ihrer Arbeitszeiten<br />
gar nicht auf den ÖV umsteigen könnten. Und weil etwa 20 Prozent<br />
von ihnen so nah an der Klinik wohnten, dass sie keinen ÖV benötigten. Derzeit<br />
sei man dabei, die Kooperation genau auszuwerten.<br />
Auf eine entsprechende Frage eines Besuchers erklärt Erlhof, dass es die Entwicklung<br />
der Siedlungsstruktur dem Nahverkehr nicht einfacher gemacht habe.<br />
Gerade die Beschäftigen in einem großflächigen Gewerbegebiet ließen sich nur<br />
schwer für Busse und Bahnen gewinnen, was an ihren unterschiedlichen Arbeitszeiten<br />
liege, aber auch am meist großen Parkplatzangebot in neuen Gewerbegebieten.<br />
Er plädiert dafür, dass sich mehrere kleine Betriebe in solchen<br />
Gebieten zusammen schließen, um gemeinsam eine größere Zahl von Jobtickets<br />
für ihre Mitarbeiter zu erwerben.<br />
39
Norbert Sanden<br />
Geschäftsführer ADFC Landesverband Hessen<br />
Projekt Bike + Business: Auf dem Rad zur GTZ<br />
Das Projekt Bike + Business (B+B) wurde 2002 vom Landesverband Hessen<br />
des ADFC initiiert. Man wolle einen Beitrag dazu leisten, Berufspendler zum<br />
Umsteigen vom Auto aufs Fahrrad zu motivieren und so den Radverkehrsanteil<br />
am Modal-Split des Berufsverkehrs zu fördern. Die Besonderheit des B+B-<br />
Projekts sei die Verknüpfung der Interessen der radelnden Mitarbeiter mit denen<br />
ihrer Firmen, erläutert Norbert Saden.<br />
Konzeptioneller Rahmen des Projekts sei der nationale Radverkehrsplan für die<br />
Jahre 2002 bis 2012. In diesem Zeitraum strebe die Bundesregierung eine Verdopplung<br />
des Radverkehrsanteils auf 25 Prozent an. Das Fahrrad solle als Verkehrsmittel<br />
etabliert, der Radverkehr in die Verkehrsplanung integriert und die<br />
Rahmenbedingungen optimiert werden.<br />
Das B+B-Projekt erstrecke sich auf den Ballungsraum Frankfurt, wo aufgrund<br />
der hohen Bevölkerungs- und Arbeitsplatzdichte das Substitutionspotenzial des<br />
Fahrrads als besonders hoch eingeschätzt werde.<br />
Aus Freude aufs Rad<br />
Großen Wert müsse innerhalb des Projekts auf die Kommunikation gelegt werden<br />
und darauf, Fahrradfahren schmackhaft zu machen. Norbert Sanden:<br />
„Fahrradfahren fängt im Kopf an.“ Die Menschen sollten nicht unter Zwang aufs<br />
Rad umsteigen, sondern aus Freude.<br />
Dieses Prinzip gelte auch für das B+B-Projekt, das sich auf den Berufsverkehr<br />
konzentriere. Der Projektgruppe gehörten, neben dem ADFC-Landesverband<br />
Hessen, der Planungsverband Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main, das hessische<br />
Wirtschaftsministerium, der Rhein-Main-Verkehrsverbund RMV, die Stadt<br />
Eschborn und die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) an. Man<br />
sei zuversichtlich, auch den Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport bald noch<br />
mit ins Boot zu holen.<br />
Das Konzept, den Radverkehr auf dem Weg zur Arbeit und nach Hause zu fördern,<br />
bringe vielfältige Nutzen für alle Akteure mit sich. Die Erfahrung zeige,<br />
dass jeder das Radfahren bald als Genuss und Privileg auffasse und sich sein<br />
persönliches Wohlbefinden steigere. Man sei insgesamt mobiler und spare Kosten<br />
für Auto und Benzin. Für die Betriebe wirke es sich positiv aus, weil die Mitarbeiter,<br />
die sich durch Radfahren fit hielten, seltener wegen Krankheit ausfielen<br />
und sich ihre Leistungsbereitschaft erhöhe. Eine Firma spare Kosten für<br />
Parkplätze und könne zugleich ihr Image als umweltbewusstes Unternehmen<br />
verbessern.<br />
Pilotprojekt mit der GTZ<br />
In einem Pilotprojekt sei B+B mit der GTZ in Eschborn angelaufen. Das privatwirtschaftlich<br />
organisierte Bundesunternehmen, das im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit<br />
tätig ist, beschäftige rund 1000 Mitarbeiter, die meist über<br />
ein hohes Ausbildungsniveau verfügten. Begonnen habe das Projekt mit<br />
40
einer Einladung zu einer Projektgruppe und Fachgesprächen mit Mitarbeitern.<br />
Man habe Anregungen gesammelt und ein Gutachten erstellt. Schließlich seien<br />
auch Kontakte zur Stadt Eschborn und zum RMV geknüpft worden.<br />
Innerhalb des Betriebs habe man das infrastrukturelle Optimierungspotenzial<br />
herausgearbeitet, etwa die Installation von Duschen, mehr Spinde für radelnde<br />
Mitarbeiter oder bessere Fahrradabstellmöglichkeiten. Es habe eine Betriebsversammlung<br />
zum Projekt stattgefunden. Man habe die Fahrradabstellanlagen<br />
verbessert, einen Projekt-Ansprechpartner im Betrieb benannt, im Intranet spezielle<br />
Biker-Seiten eingerichtet, beteilige sich an der Radverkehrsplanung der<br />
Stadt Eschborn und unterstütze die Mitarbeiter bei ihren Forderungen gegenüber<br />
Kommunen, die Rahmenbedingungen des Radverkehrs zu verbessern.<br />
Interessierte Mitarbeiter träfen sich einmal monatlich zum Biker-Lunch, firmenintern<br />
gebe es Fahrrad-Info-Mailings zu aktuellen Themen.<br />
Kooperation mit T-Com<br />
Im Rahmen der Zusammenarbeit mit T-Com am Standort Eschborn konzentriere<br />
sich das Unternehmen darauf, die bereits vorhandene Radler-Infrastruktur<br />
besser an die Mitarbeiter zu kommunizieren und auf diesem Wege für das Radfahren<br />
zu werben. In einem Faltblatt werden die geschützten und sicheren Abstellmöglichkeiten<br />
ebenso herausgestellt wie die bereits vorhandenen Duschen<br />
und Spinde.<br />
Radverkehrkonzept der Stadt Eschborn<br />
Die Stadt Eschborn wiederum, in der 20.000 Menschen leben und 30.000 arbeiten,<br />
habe ein innerörtliches Radverkehrskonzept erstellt und kümmere sich verstärkt<br />
um die Reinigung und Wartung von Radwegen. Zudem beteilige sich die<br />
Stadt am B+B-Projekt.<br />
Der RMV arbeite an der fahrradgerechten Modernisierung der Bahnhöfe in<br />
Eschborn und verbessere die Mitnahmemöglichkeiten von Fahrrädern im Berufsverkehr.<br />
Zudem sollten abschließbare Fahrradboxen aufgestellt werden.<br />
Der Planungsverband Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main beziehe den Radverkehr<br />
in die regionale Flächennutzungsplanung ein und wolle eine überörtliche<br />
Koordination der Radverkehrsplanung einrichten.<br />
In den nächsten Schritten möchte der ADFC die Projektgruppenstruktur optimieren,<br />
Unternehmen und Verwaltungen, die bereits Interesse an einer Teilnahme<br />
gezeigt hätten, ansprechen sowie weitere Betriebe als Teilnehmer gewinnen.<br />
41
Eckhard Wolf<br />
Umweltbeauftragter Allianz Versicherungs AG, Frankfurt/Main<br />
Pilotprojekt Mobilitätsberatung<br />
Die Allianz AG habe bis Mai 2002 in zentraler Innenstadt-Lage in Frankfurt residiert,<br />
damals mit rund 1500 Mitarbeitern an diesem Standort. Nach dem Umzug<br />
auf die andere Main-Seite an den Theodor-Stern-Kai sei die Zahl der Beschäftigten<br />
am neuen Standort auf rund 2400 gestiegen. Dort gebe es, im Vergleich<br />
zu früher, eine „wesentlich schlechtere Anbindung“ mit öffentlichen Verkehrsmitteln,<br />
so Eckhard Wolf. In den Neubau habe man eine Tiefgarage mit 600 Stellplätzen<br />
integriert und dafür 720 Parkberechtigungen vergeben. Derzeit stünden<br />
etwa 30 Mitarbeiter auf der Warteliste für einen Stellplatz. Für einen Mitarbeiter<br />
kostet der Platz 40 Euro Monatsmiete. Der Platz werde mit demselben Betrag<br />
von der Firma subventioniert.<br />
In der Tiefgarage befänden sich auch 60 Fahrradabstellplätze. Wolf kritisierte<br />
jedoch, dass die Rad-Ständer viel zu eng angebracht seien, so dass man dort<br />
maximal 40 Fahrräder unterbringe. Positiv sei hingegen, dass für Radler nun<br />
auch Spinde und Duschen vorhanden seien.<br />
Mobilitätsberatung für Mitarbeiter sei bisher „kein Thema“ gewesen, so Wolf. Es<br />
sei „lasch gehandhabt“ worden und werde noch immer weder von der Geschäftsleitung<br />
noch vom Betriebsrat aktiv gefördert. Nach dem Umzug im Jahr<br />
2002 habe man aber Kontakt zur lokalen Nahverkehrsgesellschaft aufgenommen,<br />
um eine Mobilitäts-Beratung der Mitarbeiter vorzubereiten.<br />
Jobticket spielt keine Rolle<br />
Zudem habe man auf anonymisierten Listen die Wohnorte und die Arbeitszeiten<br />
der Beschäftigten erfasst. Von den 2400 Fragebögen seien mehr als 30 Prozent<br />
ausgefüllt und abgegeben worden. Diese seien der Nahverkehrsgesellschaft<br />
zur Auswertung übergeben worden, ein Ergebnis liege aber noch nicht vor. Dies<br />
solle Grundlage eines Pilotprojekts zur Mobilitätsberatung mit der Allianz am<br />
Standort Frankfurt sein. Das Jobticket spiele in diesem Rahmen aber keine Rolle,<br />
so Wolf, da es von der Geschäftsleitung abgelehnt und auch seitens der<br />
Verkehrsgesellschaft als wenig attraktiv dargestellt werde.<br />
Man betreibe nun verstärkt interne Öffentlichkeitsarbeit im Betrieb im Rahmen<br />
des BMM, so Wolf. So ermuntere er selbst die neuen Azubis, nicht mit dem Auto<br />
ins Büro zu fahren. Auch das Dienstreisemanagement werde nun nach ökologischen<br />
Gesichtspunkten überarbeitet.<br />
42
Thementalk:<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Mobilitätsmanagement</strong>: Gut für die Umwelt –<br />
gut für die Kosten?<br />
Podiumsteilnehmer: Klaus Schäfer-Breede (Büro für Verkehrsökologie, Bremen),<br />
Lars Welk (Berufsgenossenschaft für Gesundheit und Wohlfahrtspflege,<br />
Hamburg), Norbert Sanden (ADFC Hessen), Eckhard Wolf (Allianz, Frankfurt),<br />
Christian Siemer (Rhein Nahe Verkehrsverbund, RNN), Moderation: Andreas<br />
Fuchs (SWR Fernsehen)<br />
Zu Beginn der Diskussion skizziert Christian Siemer, Geschäftsführer des RNN,<br />
seinen Standpunkt zum BMM. Der 1999 gegründete RNN sei in einem Gebiet<br />
von 2900 Quadratkilometer Fläche mit einer Million Einwohnern tätig, das überwiegend<br />
ländlich strukturiert sei. Der Berufsverkehr mache 18 Prozent des<br />
Fahrgastaufkommens aus. Siemer ruft die Betriebe dazu auf, selbst die Initiative<br />
zu ergreifen: „Das Engagement muss von den Unternehmen ausgehen.“ Der<br />
RNN versuche zugleich aber auch, solche Jahrestickets den Firmen schmackhaft<br />
zu machen. Je weiter der ÖPNV aber in der Fläche stattfinde, desto<br />
schwieriger seien die Beschäftigen als Fahrgäste zu gewinnen. Deshalb konzentriere<br />
sich der RNN vorerst auf Mittelstädte. „Es wird ein schwieriges Geschäft“,<br />
so Siemer.<br />
Politischer Druck auf die Betriebe nötig<br />
Auf die Frage des Moderators Andreas Fuchs, wie viel Druck die Betriebe<br />
bräuchten, um sich stärker im BMM zu engagieren, antwortet Klaus Schäfer-<br />
Breede: Politik müsse einen stärkeren „Aufforderungscharakter“ haben. Politik<br />
dürfe durchaus „ein bisschen Druck ausüben“, ohne dadurch undemokratisch<br />
zu werden.<br />
Laut Thomas Pensel seien die Betriebe in Bezug auf die Teilnahme am BMM<br />
„zurückhaltend“, die Resonanz sei „relativ gering“. Er plädiert dafür, stärkere<br />
Anreize für ein Jahresticket-Abo zu schaffen, etwa die Koppelung mit einem<br />
Tageszeitungs-Abo oder einem Car-Sharing-Angebot.<br />
Bessere Auswertung der Projekte<br />
Ein Besucher betont den kontinuierlichen Charakter des BMM für ein Unternehmen<br />
und plädiert dafür, die Projekte besser auszuwerten. Nur so könne den<br />
Betrieben vermittelt werden, welchen Vorteil sie für den Einsatz von Zeit und<br />
damit Geld hätten. Lars Welk räumt ein, dass es bei der BGW solche eine systematische<br />
Nachbetrachtung noch nicht stattfinde.<br />
Schäfer-Breede warnt davor, Unternehmen mit wissenschaftlichen Ansätzen im<br />
Rahmen von BMM-Projekten zu überfordern. Für ihn sei das Aufstoßen der Tür<br />
eines Betriebs wesentlich wichtiger. Bedauerlich sei dennoch, dass die Erfolgskontrolle<br />
oft nicht möglich sei. Er weist auch darauf hin, dass viele Ergebnisse<br />
von BMM-Projekten verschwiegen würden – der Grund: „Es gibt nicht viele Erfolgsstorys.“<br />
Er plädiert dafür, in der Werbung für BMM mehr Gewicht auf die<br />
ökonomischen Vorteile zu legen, nicht nur auf die ökologischen.<br />
43
Auf die Frage des Moderators, was Kommunen zur Förderung des BMM tun<br />
könnten, antwortet Schäfer-Breede mit einem Beispiel aus München: Dort werde<br />
demnächst die Stelle eines Mobilitätsmanagers in der Stadtverwaltung besetzt.<br />
In Nottingham etwa hätten Unternehmer Clubs gegründet, in denen sie<br />
sich regelmäßig über das MM austauschten. Ihren Ausgangspunkt hätten diese<br />
informellen Treffen im Engagement der Stadtverwaltung. Schäfer-Breede betont,<br />
dass die BMM-Idee ein „Zugpferd“ brauche, am besten ein großes, bekanntes<br />
Unternehmen. Wenn dieses mit gutem Beispiel vorangehe, verbreite<br />
sich die Idee von oben nach unten, von den großen zu den kleinen Betrieben.<br />
Umsteigen muss Spaß machen<br />
Norbert Sanden betont, wie wichtig es sei, dass das Umsteigen vom Auto auf<br />
ein umweltfreundliches Verkehrsmittel, etwa das Fahrrad, Spaß mache. „Das<br />
Umsteigen fällt vielen schwer.“ Er verweist auf die Aktion des ADFC in Bayern<br />
„Mit dem Fahrrad zur Arbeit“. Solche Aktionen mit Event-Charakter seien erfolgversprechend,<br />
weil sie Spaß machten.<br />
44
Teil IV:<br />
Mobile Zukunft –<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Mobilitätsmanagement</strong> in der Region Stuttgart<br />
Fünf Referenten setzten sich mit den Verkehrsproblemen und möglichen Lösungsansätzen<br />
in der Region Stuttgart auseinander.<br />
Walter Rogg betont in seiner Einführung, dass die Wirtschaft die Verkehrsprobleme<br />
im Raum Stuttgart als größtes Standortrisiko ansehe.<br />
Das <strong>Mobilitätsmanagement</strong> im Land Baden-Württemberg stellt Bernd Pfeifle<br />
vor. Zu dessen Standbeinen gehörten die Vernetzung der Verkehrsträger, Mobilitätsprogramme<br />
wie der Mitfahrservice M21, Verkehrsvorhersagen und die Erhebung<br />
flächendeckender Verkehrsdaten.<br />
Dirk Vallée gibt einen umfassenden Überblick über die Gegebenheiten in der<br />
Mobilitätsregion Stuttgart. Er plädiert dabei für regionale Ansätze und bezieht<br />
die Bedeutung der Siedlungsstruktur für das Verkehrsaufkommen in seine Analyse<br />
mit ein.<br />
Holger Bach erläutert die Notwendigkeit für die Wirtschaftsförderung, sich im<br />
Bereich des BMM zu engagieren. Er spricht sich dafür aus, bei der Vielzahl der<br />
Akteure dem Bürger nur einen Ansprechpartner zu präsentieren.<br />
In einer „Milchmädchenrechnung“ rechnet Witgar Weber vor, dass das tägliche<br />
<strong>Pendeln</strong> zum Arbeitsplatz mit dem Auto wesentlich kostenintensiver sei als die<br />
Fahrt mit Bus oder Bahn.<br />
Im Thementalk wird u.a. Kritik laut an der Mitfahrvermittlung M21, aber auch<br />
am Desinteresse des DaimlerChrysler-Konzerns an einem BMM. Ein Tenor ist,<br />
dass ein Unternehmen nicht die Mitarbeiter, die das Auto nutzten, einseitig bezuschussen<br />
und damit bevorzugen dürfe.<br />
45
Dr. Walter Rogg<br />
Wirtschaftsförderung Region Stuttgart<br />
Einführung<br />
Walter Rogg weist darauf hin, dass Stuttgart weltweit einer der bedeutendsten<br />
Standorte der Automobilproduktion sei. Das gelte sowohl für den Fahrzeugbau<br />
als auch beispielsweise für Forschungseinrichtungen im Bereich der Mobilität.<br />
Dabei wachse die Zahl und die Vielfalt der Firmen in diesem Sektor ständig.<br />
Dieser hohen Bedeutung stünden die täglichen Verkehrsprobleme im Großraum<br />
Stuttgart gegenüber. Die Staus auf den Straßen verursachten nicht nur einen<br />
hohen materiellen Schaden, sie beeinflussten auch die Wahrnehmung Stuttgarts<br />
als Wirtschaftsstandort negativ. Rogg betont, dass die Wirtschaft die Verkehrsprobleme<br />
als Standortrisiko Nummer ein ansehe. Schließlich sei Mobilität<br />
„die Basis eines jeden Unternehmens“.<br />
Um sinnvolle und nachhaltige Mobilität zu fördern, habe die Wirtschaftsförderung<br />
Region Stuttgart GmbH vor kurzem ein eigenes Mobilitäts-Büro geschaffen.<br />
46
Dr. Bernd Pfeifle<br />
Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg<br />
<strong>Mobilitätsmanagement</strong> in Baden-Württemberg<br />
Bernd Pfeile erklärt, dass es sich beim BMM aus Landessicht um ein wichtiges<br />
Thema handle. <strong>Mobilitätsmanagement</strong> sei kein Selbstzweck, sondern notwendig<br />
aufgrund der gravierenden Verkehrsprobleme auf dem Fernstraßennetz, in<br />
den Ballungsräumen und Städten. Diese Verkehrsprobleme bedeuteten nicht<br />
nur eine Qualitätseinbuße für die Pendler, sondern hätten wesentliche Auswirkungen<br />
auf Umwelt und Wirtschaft.<br />
Die Prognosen zum Generalverkehrsplan Baden-Württemberg, zum Bundesverkehrswegeplan<br />
2003 und zum Regionalverkehrsplan der Region Stuttgart<br />
gingen von einer weiteren Zunahme der Verkehrsleistung im Personen- und<br />
Güterverkehr bis zum Jahr 2010/2015 aus. Laut Shell-Prognose 2020 und einer<br />
Studie des ADAC scheine allerdings eine Trendwende ab 2010/2015 erreicht zu<br />
sein und die Verkehrsleistung im Personenverkehr langsam abzunehmen. Als<br />
Ursache hierfür würden vor allem die zurückgehenden Bevölkerungszahlen<br />
angeführt.<br />
Notwendig sei aber weiterhin ein leistungsgerechter Ausbau der Verkehrsinfrastruktur<br />
und die optimale Nutzung der Verkehrsträger. Die Logistikbranche zeige,<br />
dass Optimierungsmöglichkeiten in den letzten Jahren bereits genutzt worden<br />
seien.<br />
<strong>Mobilitätsmanagement</strong> in einem umfassenden und nachhaltigen Sinn bedeute<br />
Verkehrsvermeidung wo möglich und die Entwicklung von Strategien zur Beeinflussung<br />
der Verkehrsnachfrage (z.B. die Unterstützung von Fahrgemeinschaften<br />
oder die Optimierung von Lieferverkehren).<br />
Vernetzung der Verkehrsträger<br />
Verkehrsreduzierung gerade im Fernverkehr sei auch durch die optimierte Nutzung<br />
und Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger anzustreben. Im Personenverkehr<br />
habe das Land mit der Einführung des integralen Taktfahrplans<br />
seit 1996 eine Erhöhung der Fahrgastzahlen um rund 30 Prozent erreicht.<br />
Wesentliche Elemente für das Land seien die Kontakte zu Firmen, zu IHK’s, zu<br />
Universitäten und Forschungsinstituten im Verkehrsbereich, zu Verbänden und<br />
Kommunen. Es sei wichtig, Forschungs- und Umsetzungsprojekte im Bereich<br />
<strong>Mobilitätsmanagement</strong> zu fördern. Dabei dürfe man sich von diesen Projekten<br />
jedoch keine Lösung aller Verkehrsprobleme erhoffen. Realistische Prognosen<br />
über Verlagerungs- und Entlastungswirkungen seien notwendig.<br />
Mit Mobilitätsprojekten wie STORM und dem bereits abgeschlossenen Projekt<br />
MOBILIST oder der Integrierten Verkehrsleitzentrale der Stadt Stuttgart werde<br />
eine bessere Information über die Verkehrsmittel (z.B. Fahrplandaten) und eine<br />
Vernetzung der Verkehrsmittel im IV und ÖV angestrebt. Dies erfordere Daten<br />
zu den aktuellen und den Prognoseverkehrslagen, um so vor Fahrtantritt eine<br />
Entscheidungsgrundlage zur Fahrtroute und eventuell zum günstigsten Verkehrsmittel<br />
zu erhalten. <strong>Mobilitätsmanagement</strong> solle Informationen möglichst<br />
47
vor Fahrtantritt liefern, um entsprechend disponieren zu können. Ein Ersatz für<br />
mangelnde Verkehrsinfrastruktur könne das MM nicht leisten, es könne aber zu<br />
einer optimierten Nutzung der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur beitragen.<br />
Deshalb habe sich das Land für den Ausbau der dringend notwendigen Straßen-<br />
und Schienenprojekte in Baden-Württemberg im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans<br />
2003 eingesetzt.<br />
Aufbau einer Straßenverkehrszentrale<br />
Wegen der Finanzknappheit der öffentlichen Kassen plädiert Pfeifle dafür, zusätzlich<br />
andere Wege und Mittel zu finden, um die vorhandene Verkehrsinfrastruktur<br />
bestmöglich zu nutzen. Das Land habe sich deshalb zum Aufbau einer<br />
Straßenverkehrszentrale entschlossen. Ziel dieser sei, Verkehrsinformationen<br />
und -prognosen für das Fernstraßennetz zu geben, um den Verkehrsteilnehmern<br />
die bestmögliche Routenplanung zu ermöglichen.<br />
Mit dem Mobilitätsinformationsnetzwerk (MOBIN) Baden-Württemberg gehe<br />
das Land neue Wege. Mit MOBIN sollten die Verkehrsdaten in der Fläche, d.h.<br />
auch bei den Kommunen erschlossen werden, um damit verlässlichere und umfassendere<br />
Verkehrsinformationsdienste zu ermöglichen. MOBIN sei ein erster<br />
Schritt, bei dem das Land die Kommunen bei der Erhebung und Auswertung<br />
ihrer Verkehrsdaten unterstütze.<br />
Mit der elektronischen Fahrplanauskunft Baden-Württemberg für den ÖV<br />
(www.efa-bw.de) habe man einen großen Erfolg erzielt. 15 Mio. Fahrplanauskünfte<br />
im Jahr 2001 belegten die hohe Akzeptanz und die benutzerfreundliche<br />
Reiseplanung mit EFA. Die gesamte Reise mit allen Umsteigebeziehungen<br />
werde für ganz Deutschland und mittlerweile auch das benachbarte Ausland<br />
angeboten. Pfeifle: „Ich persönlich bin immer wieder begeistert, wie einfach und<br />
schnell die Fahrten geplant sind.“<br />
Der Mitfahrservice M 21 sei ein gemeinsames Projekt von DaimlerChrysler<br />
und dem Land. Leitgedanke sei gewesen, dass die nutzerfreundliche Bildung<br />
von Fahrgemeinschaften, gerade in größeren Unternehmen oder Verwaltungen,<br />
mit geeigneten Mitteln gefördert werde, um Verkehr zu den morgendlichen und<br />
abendlichen Spitzenverkehrszeiten zu reduzieren. Es sei von vornherein klar<br />
gewesen, dass dies nur ein Element sei, um Verkehr zu vermeiden.<br />
Beratung für Kommunen<br />
Im Rahmen der Mobilitätsberatung in Kommunen würden Verkehrsexperten<br />
die Gemeinden im Hinblick auf Verkehrsabläufe beraten und Modelle zur Verkehrsvermeidung<br />
und Stärkung des ÖPNV erarbeiten.<br />
Als letztes der beispielhaft ausgewählten Mobilitätsprojekte nennt Pfeifle das<br />
<strong>Mobilitätsmanagement</strong>programm in Unternehmen. Dieses Programm habe<br />
das Land in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft bereits 1998 entwickelt. Es gehe<br />
auf die speziellen Erfordernisse der Firmen aber auch die Chancen und<br />
Möglichkeiten ein, das Thema Mobilität bewusst anzugehen.<br />
Die Straßenverkehrszentrale Baden-Württemberg solle insgesamt aus drei<br />
Bausteinen bestehen: Der erste Baustein werde die Überwachung der verschiedenen<br />
Betriebsanlagen beinhalten. Mit den Strecken- und Netzbeeinflussungsanlagen<br />
sei allein dieser Teil technisch sehr anspruchsvoll, wie die Erfahrung<br />
in Hessen, NRW und Bayern zeigten.<br />
48
Verkehrsvorhersagen<br />
Als zweiter Baustein solle die „Verkehrsvorhersage“ entstehen, mit der die jeweils<br />
aktuelle Verkehrslage im Autobahn-Netz erfasst werde. Auch Störfälle wie<br />
Staus und Unfälle sollten erfasst werden können. Mit Hilfe einer verkehrlichen<br />
Simulation sollten dann Kurzfrist-Verkehrsprognosen erstellt werden. Diese<br />
würden benötigt, um vor Fahrtantritt oder während der Fahrt noch ausreichend<br />
Zeit zur Entscheidung über die Fahrtroute zu haben. Mit dem vergleichsweise<br />
neuen Instrument der Verkehrssimulation sollten auch Langfrist-<br />
Verkehrsprognosen erstellt werden. Hierdurch solle auf der Grundlage von<br />
Ganglinien die Möglichkeit gegeben werden, sich über die Verkehrssituation<br />
während der nächsten zwei, zwölf oder eventuell 24 Stunden zu informieren.<br />
Pfeifle: „Diese Informationen sind natürlich immer ungenauer, je größer der<br />
Prognosezeitrahmen ist.“<br />
Die Ergebnisse der Verkehrsvorhersage sollten dann über verschiedene Medien<br />
(Internet, Intranet, Rundfunk, private Verkehrsdienste) an die Verkehrsteilnehmer<br />
weitergegeben werden. In einer weiteren Stufe solle ein Management<br />
erfolgen. Dies bedeute, dass in Kooperation mit Kommunen, der Polizei und<br />
den Verkehrsbehörden jeweils auf bestimmte Verkehrssituationen abgestimmte<br />
Verkehrssteuerungen empfohlen und geschaltet werden könnten, um den Verkehr<br />
optimiert zu steuern. Auch dieser Teil sei insbesondere wegen der Datenerfassung,<br />
des Datenaustauschs und der Abstimmung von Verkehrssteuerungen<br />
in der Umsetzung schwierig. In allen Fällen sei die Erhebung von Verkehrsdaten<br />
Voraussetzung für eine Verkehrsinformation und Prognose.<br />
Bei der Erfassung der Verkehrsdaten habe das Land mit dem Projekt Mobilitätsinformationsnetzwerk<br />
Neuland betreten. Neuland, weil das Land hier als<br />
Initiator auftrete, um die Kommunen zu unterstützen, ihre Verkehrsdaten zu erfassen<br />
und nutzbringend auszuwerten. Hierzu seien in einem ersten Aufruf die<br />
zwanzig größten Kommunen des Landes eingeladen worden, sich zu beteiligen.<br />
Ziel sei es, das „Datenloch“ in der Fläche außerhalb der Autobahnen zumindest<br />
zum Teil zu schließen. Die Resonanz auf dieses Projekt sei sehr gut. Sicherlich<br />
auch deshalb, weil den Kommunen die Möglichkeit geboten werde, mit Unterstützung<br />
des Landes die entsprechende Hard- und Software aufzubauen.<br />
Flächendeckende Verkehrsdaten<br />
Grundsätzlich würden Verkehrsdaten auch von den großen Städten für ihre jeweiligen<br />
Verkehrszentralen (IVLZ Stuttgart, Berlin, München, Frankfurt) erhoben<br />
und zudem von den privaten Verkehrsdiensten. Die privaten Verkehrsdienste<br />
hätten ebenfalls großes Interesse an flächendeckenden Verkehrsdaten, um ihren<br />
Kunden eine optimale dynamische Verkehrsführung anzubieten. Mit MOBIN<br />
habe das Land eine Brücke zu den privaten Verkehrsdiensten geschaffen, indem<br />
die DDG (Gesellschaft für Verkehrsdaten) die Verkehrsdaten zur Nutzung<br />
erhalten werde und so auch die privaten Verkehrsdienste daran partizipieren<br />
könnten.<br />
Ein anderes Standbein im Bereich des <strong>Mobilitätsmanagement</strong>s im ÖV sei die<br />
Elektronische Fahrplanauskunft Baden-Württemberg (EFA). Das Land habe<br />
sich als einer der Ersten auf dieses Thema eingelassen und bereits 1995 EFA<br />
nutzerfreundlich realisiert. Das Gebiet, das mit EFA abgedeckt werde, sei kontinuierlich<br />
ausgebaut worden. So könne heute eine Fahrt von Haltestelle zu Haltestelle<br />
oder zu den jeweiligen Hausadressen einschließlich Fußweg mit Bahn<br />
49
und Bus abgefragt werden. Über die jeweiligen Umgebungspläne, Stadtpläne<br />
und sämtliche Umsteigebeziehungen lasse sich eine Fahrt vorab schnell und<br />
am PC planen. Zusätzlich könnten die Fahrzeiten des ÖV rund um die Uhr telefonisch<br />
über ein Call-Center abgefragt werden.<br />
Der Mitfahrservice M 21, gemeinsam von DaimlerChrysler und dem Land realisiert,<br />
biete die Möglichkeit, über Internet oder Telefon (mit Sprachcomputer<br />
automatisiert) jeweils Fahrgemeinschaften zu bilden. Das System sei sehr komfortabel<br />
und leistungsfähig. Die bisherige Erfahrung zeige aber, dass dies nicht<br />
ausreiche. Voraussetzung für einen Erfolg des Systems sei die Nutzung von<br />
möglichst vielen Teilnehmern, um ein ausreichendes Mitfahrangebot entstehen<br />
zu lassen. Dies sei bisher nicht erreicht worden. Pfeifle: „Es scheint, dass der<br />
persönliche Komfort bisher höher eingestuft wird als die Möglichkeiten der Kosteneinsparung<br />
für die tägliche Fahrt zur Arbeit.“ Ähnliche Erfahrungen mache<br />
auch das Angebot „Pendlernetz“ der Stadt Stuttgart. Es bleibe abzuwarten, ob<br />
eventuell weiter steigende Kosten die Attraktivität dieser bestehenden Systeme<br />
erhöhen würden.<br />
Mit der Mobilitätsberatung werde ein „erfolgreiches Projekt“ des Landes, „Mobiles<br />
Schopfheim“, fortgesetzt. Bei diesem Projekt seien bereits 1996 die Möglichkeiten<br />
umgesetzt worden, einen Wandel des Verkehrsverhaltens weg vom<br />
Auto, hin zu ÖV und Fahrrad zu fördern. Die Projektergebnisse seien veröffentlicht<br />
und den Kommunen zugänglich gemacht worden. Als Folgeprojekt fördere<br />
das Land nun eine individuelle Beratung und die Erstellung von Grobkonzepten<br />
für <strong>Mobilitätsmanagement</strong> in den Kommunen.<br />
Ein Verbund und die Kooperation verschiedener Akteure im Bereich <strong>Mobilitätsmanagement</strong><br />
werde von Seiten des Landes unterstützt. Deshalb habe das Land<br />
auch das vom BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) geförderte<br />
Projekt MOBILIST unterstützt. Die im Rahmen von MOBILIST erzeugten Ergebnisse<br />
trügen dazu bei, dass die Integrierte Verkehrsleitzentrale der Stadt<br />
Stuttgart weiter ausgebaut werden könne und bis zur Fußball-WM 2006 neue<br />
Dienste realisiert werden sollten.<br />
Auch bei dem vom BMBF neu aufgelegten bundesweiten Forschungsvorhaben<br />
„Verkehrsmanagement 2010“ werde das Land mit dabei sein und sich an dem<br />
Antrag für das Projekt MOBI-Regio Stuttgart beteiligen.<br />
<strong>Mobilitätsmanagement</strong>-Programme in Unternehmen<br />
Von Seiten des Landes sei dieses Projekt im Rahmen der Umweltpartnerschaft<br />
mit Vertretern von Unternehmen, IHK’s, Kommunen, Naturschutz und Verkehrsverbünden<br />
durchgeführt worden. Bereits Ende 1998 habe man eine Broschüre<br />
veröffentlicht.<br />
Unternehmen hätten die Möglichkeit zur Verringerung von Betriebskosten, die<br />
Verbesserung des Umweltimages der Firma als zusätzlichem Werbeträger und<br />
die Möglichkeit, durch attraktive ÖPNV-Angebote und eventuell Fahrtkostenzuschüsse<br />
die Mitarbeiter zu fördern. Das Thema Parkraummanagement sei für<br />
all diejenigen Firmen von Interesse, die entweder keine ausreichende Zahl von<br />
Stellplätzen für ihre Mitarbeiter anbieten könnten oder ihre Zahl verringern wollten,<br />
um zusätzliche Betriebsflächen auf dem Firmengelände verfügbar zu machen.<br />
Hier könnten durch ein Parkraummanagement und eine eventuelle Verlagerung<br />
auf den ÖPNV neue Nutzungsmöglichkeiten erschlossen werden. In<br />
50
diesem Zusammenhang seien die Förderung von Fahrgemeinschaften und<br />
Radverkehr, spezielle Anreize zur Nutzung des ÖPNV und verbesserte Information<br />
zum ÖPNV zu nennen.<br />
Weitere Einsparpotenziale könnten durch die Schulung der Mitarbeiter für eine<br />
spritsparende Fahrweise und durch den Einsatz von Routenplanern und Navigationssystemen<br />
genutzt werden. Hier seien Einsparpotenziale von 10 bis 30<br />
Prozent möglich. Um all diese Themen und Bereiche rund um das <strong>Mobilitätsmanagement</strong><br />
im Unternehmen zu erfassen, auf Kosten und Nutzen zu prüfen<br />
und eventuell umzusetzen, empfehle sich, einen Mitarbeiter oder ein Team mit<br />
diesem Thema zu beauftragen.<br />
Aus den Erfahrung dieses Landesprojekts habe sich gezeigt, dass es sinnvoll<br />
sei, die Erfahrung anderer Betriebe in diesem Bereich zu nutzen und Kontakt<br />
mit den für ÖPNV zuständigen Behörden (Landratsamt, Verkehrsunternehmen),<br />
den IHK’s, Verkehrs-Clubs (ACE, ADAC, VCD) und Kommunen aufzunehmen.<br />
Ausblick<br />
Zusammenfassend stellt Pfeifle fest: <strong>Mobilitätsmanagement</strong> sei ein vielschichtiges<br />
Thema mit Handlungsmöglichkeiten auf verschiedenen Ebenen. Der Aufbau<br />
von Verkehrszentralen sei aufwändig und komplex, da umfassende Verkehrsdaten<br />
erhoben und ausgewertet werden müssten, entsprechende Medien<br />
zur Information angeschlossen und für ein Management einvernehmliche Steuerungsstrategien<br />
mit den Beteiligten definiert und abgestimmt werden müssen.<br />
Ein leistungsgerechter Ausbau der Verkehrsinfrastruktur lasse sich durch Verkehrszentralen<br />
nicht ersetzen. Hier seien realistische Einschätzungen und keine<br />
überzogenen Erwartungen notwendig. Eine optimierte Nutzung der bestehenden<br />
Verkehrsinfrastruktur und Information der Verkehrsteilnehmer könne aber<br />
erreicht werden. Das Ziel von <strong>Mobilitätsmanagement</strong> sei auch eine Umorientierung<br />
des Verkehrsverhaltens hin zu umweltverträglicheren Alternativen.<br />
51
Dr. Dirk Vallée<br />
Verband Region Stuttgart<br />
Verkehr in der Region Stuttgart – Stand und Ausblick<br />
Dirk Vallée betont, dass die Lösung von Verkehrsproblemen für einen exportorientierten<br />
Wirtschaftsstandort wie der Region Stuttgart von besonderer Bedeutung<br />
sei. Die Wirtschaft sehe das Verkehrsproblem als Standortrisiko Nummer<br />
eins, noch vor dem hohen Lohnniveau oder dem Fachkräftemangel.<br />
Eine wesentliche Aufgabe sei, die Ziele, die Randbedingungen und die Einzelbeiträge<br />
so darzustellen, dass ein schlüssiges und umsetzbares Gesamtbild<br />
entstehe. Der 2001 beschlossene Regionalverkehrsplan für die Region Stuttgart<br />
liefere dazu wesentliche Grundlagen und Lösungsvorschläge. Das Oberziel der<br />
Mobilitätsentwicklung in der Region bestehe in der Schaffung einer nachhaltigen,<br />
sozial- und umweltverträglichen Mobilität.<br />
Die Region Stuttgart<br />
In der Region Stuttgart leben 2,6 Millionen Menschen, rund ein Viertel der Bevölkerung<br />
Baden-Württembergs. Mit der Einwohnerdichte von 720 Einwohnern<br />
pro Quadratkilometer sei die Region einer der am stärksten verdichteten Ballungsräume<br />
in der Bundesrepublik und eine der sechs europäischen Metropolregionen<br />
in Deutschland. Die Einwohnerdichte schwanke zwischen 2800<br />
EW/km² in Stuttgart und 400 EW/km² im Landkreis Göppingen, der neben dem<br />
Rems-Murr-Kreis der am geringsten verdichtete Landkreis sei. Zur Region gehörten<br />
die Landeshauptstadt Stuttgart sowie die Landkreise Ludwigsburg, Böblingen,<br />
Esslingen, Göppingen und der Rems-Murr-Kreis – insgesamt 179 Städte<br />
und Gemeinden zwischen 2500 und 570.000 Einwohnern.<br />
In der Region Stuttgart würden laut Vallée 30 Prozent der Wirtschaftsleistung<br />
und 50 Prozent der Exportleistung Baden-Württembergs erbracht. Seit 1994<br />
gebe es mit dem Verband Region Stuttgart und seiner direkt gewählten Regionalversammlung<br />
eine eigene politische Organisation – mit Modellcharakter für<br />
andere Regionen in Land und Bund, so Vallée. Sein Aufgabenkatalog umfasse<br />
wichtige Zukunftsaufgaben, darunter auch den Verkehr mit der Regionalverkehrsplanung<br />
und der Trägerschaft wichtiger Teile des ÖPNV, u.a. die S-Bahn.<br />
Der Verband Region Stuttgart sei zentraler Impulsgeber, Ansprechpartner und<br />
Projektträger der Region rund um die Landeshauptstadt.<br />
Regionales Management für regionale Probleme<br />
Vallée betont, dass die Menschen regional lebten. Sie wohnten im Remstal,<br />
arbeiteten im Neckartal oder auf den Fildern, und gingen ihren Freizeitaktivitäten<br />
auf der Schwäbischen Alb oder in Stuttgart nach. Dabei träfen die administrativen<br />
Strukturen an vielen Punkten auf das Lebensumfeld der Menschen. So<br />
erleichtere z.B. die Integration des gesamten ÖPNV im VVS wesentlich die ÖV-<br />
Nutzung. Trotzdem gebe es viele Stellen, wo das Management der öffentlichen<br />
Aufgaben den Bedürfnissen der Menschen noch nicht optimal angepasst sei.<br />
Die Regionalplanung müsse mit den Lebensverhältnissen der Menschen beginnen,<br />
mit ihren täglichen Bedürfnissen. Die Diskussion müsse mit Begriffen ge-<br />
52
führt werden wie: Wettbewerb der Standorte; Globalisierung der Wirtschaft; Flächenverbrauch<br />
und Zersiedelung; neue Konzepte für eine umweltverträgliche<br />
Mobilität; nachhaltige Finanzierbarkeit des ÖPNV; Kostenoptimierung öffentlicher<br />
Einrichtungen; letztlich einem regionalem Management für regionale Probleme.<br />
Herausforderungen<br />
Der langfristig andauernde Anstieg der Bevölkerung sei begleitet worden von<br />
einer überproportionalen Flächenversiegelung. In den 35 Jahren von 1965 bis<br />
2000 habe die Bevölkerung in der Region Stuttgart um 23 Prozent zugenommen,<br />
von 2,13 auf 2,61 Millionen. Die Siedlungsflächen hätten sich in dieser<br />
Zeit um 88 Prozent vergrößert. Gleichzeitig erlebe man eine Zunahme der Verkehrsbewegungen<br />
und der zurückgelegten Entfernungen. Die Anzahl der in der<br />
Region Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge habe sich in den letzten 25 Jahren<br />
von 826.000 auf 1,71 Millionen im Jahr 2000 mehr als verdoppelt.<br />
Die öffentlichen Haushalte würden immer stärker belastet, auch durch den Bau<br />
und Unterhalt von Infrastruktur. Der prognostizierte Rückgang der Bevölkerung<br />
werde diese Probleme verschärfen. Außerdem steige die Umweltbelastung,<br />
signalisiert durch steigende Ozonwerte und die Zunahme des CO2-Anteils in<br />
der Atmosphäre. Allein in den zwölf Jahren von 1985 bis 1996 habe der CO2-<br />
Ausstoß, bedingt durch den motorisierten Individualverkehr, landesweit um<br />
37 Prozent zugenommen. Verstärkt worden seien diese Effekte durch eine zunehmende<br />
Flächenversiegelung.<br />
Auch wenn auf den ersten Blick nicht offensichtlich sei, was diese Dinge mit<br />
dem betrieblichen <strong>Mobilitätsmanagement</strong> zu tun hätten, so bildeten sie doch<br />
den Hintergrund für Handlungsmöglichkeiten. Daher sei eine integrative Betrachtung<br />
von Siedlung, Landschaft und Infrastruktur erforderlich.<br />
Vallée plädiert für ein regionales Management, das alle Politikbereiche und<br />
Fachdisziplinen umfasse, welche die Standortqualität ausmachten. Es müssten<br />
folgende Themen ineinander greifen:<br />
• regionales Management für die Planung und Entwicklung von Wohnen,<br />
Gewerbe und die Freiräume;<br />
• regionales Management für die Wirtschaft;<br />
• regionales Management für den Verkehr;<br />
• agieren auf der europäischen Ebene;<br />
• und das alles unter Berücksichtigung der Wünsche und Bedürfnisse der<br />
hier lebenden Menschen, um ein regionales Bewusstsein zu schaffen.<br />
Regionales Management für den Verkehr<br />
Eine funktionsfähige Verkehrsinfrastruktur sei wichtig für einen prosperierenden<br />
Wirtschaftsstandort. In der Region Stuttgart würden die Verkehrsprobleme und<br />
die nicht ausreichende Leistungsfähigkeit der Infrastruktur sowohl von der Wirtschaft<br />
als auch von der Bevölkerung als Problem Nr. 1 gesehen.<br />
Ein zukunftsfähiges Konzept für die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur der<br />
Region Stuttgart könne aber nicht in der Aneinanderreihung von 179 Insellö-<br />
53
sungen in 179 Kommunen entstehen. Täglich pendelten rund 700.000 Personen<br />
über Gemeindegrenzen, knapp 200.000 davon nutzten den ÖPNV.<br />
Anhand einiger Beispiele zeigt Vallée, warum aus seiner Sicht heute regionale<br />
Lösungen erforderlich seien, um eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen und<br />
im internationalen Standortwettbewerb zu bestehen, und welchen Beitrag organisatorische<br />
Konzepte wie ein BMM leisten könnten.<br />
1. Eine Addition 179 lokaler Forderungen nach Ortsumgehungen sei<br />
keine Antwort auf eine Verdoppelung der zugelassenen Kraftfahrzeuge in den<br />
letzten 25 Jahren und schon gar nicht auf die prognostizierte Verkehrszunahme<br />
von weiteren 12 Prozent bis 2010. Solche Maßnahmen wären weder ökologisch<br />
noch ökonomisch verträglich.<br />
2. Es brauche ein regionales Konzept, weil die Verkehrsbewegungen<br />
nicht an Stadt- oder Kreisgrenzen halt machen. Hinzu komme der überregionale<br />
und internationale Durchgangsverkehr, der auf den Transitrouten dieselben<br />
Probleme verursache. Hier sei ein regionales Verkehrskonzept wie der Regionalverkehrsplan<br />
ein geeignetes Instrument.<br />
3. Auf der Grundlage des Regionalverkehrsplanes arbeite man an einer<br />
Ergänzung des radial auf Stuttgart zulaufenden S-Bahn-Netzes durch Tangentialstrecken.<br />
Jährlich realisiere der ÖPNV in der Region Stuttgart rund 303 Millionen<br />
Personenfahrten. Die Prognosen des Regionalverkehrsplans wiesen bis<br />
2010 ein Plus von zehn bis zwölf Prozent Verkehrsbewegungen aus, die zurückgelegten<br />
Entfernungen wüchsen. Dabei bilde die S-Bahn mit täglich mehr<br />
als 300.000 Benutzern das Rückgrat des ÖV im VVS.<br />
4. Im Zusammenhang mit Stuttgart 21 habe man Perspektiven für den regionalen<br />
Schienenpersonennahverkehr entwickelt. Nur so und durch den weiteren<br />
S-Bahn-Ausbau sei zu erreichen, dass auch der ÖPNV an den zukünftigen<br />
Verkehrszuwächsen partizipiere und der Modal-Split gehalten werde.<br />
5. Man brauche eine Einbindung in das europäische Hochgeschwindigkeitsschienennetz.<br />
Dafür ist die Neubaustrecke Stuttgart–Ulm als Teil der Magistrale<br />
von Paris über München nach Budapest notwendig.<br />
Mehrschichtiger Ansatz nötig<br />
Um dem Problem des anhaltenden Verkehrszuwachses zu begegnen, bedürfe<br />
es eines mehrschichtigen Ansatzes. Hierzu habe der Regionalverkehrsplan<br />
Möglichkeiten und Wirkungen aufgezeigt. Neben dem notwendigen Ausbau der<br />
ÖV- und der Straßeninfrastruktur seien auch eine Reihe von Begleitmaßnahmen<br />
wie z.B. organisatorische Maßnahmen und Verkehrsmanagement erforderlich,<br />
weil ein dem ungebremsten Bedarf folgender Infrastrukturausbau nicht bezahlbar<br />
und ökologisch nicht zu verantworten sei. Allein für die dringendsten<br />
Ausbaumaßnahmen im regionalen ÖV bestehe bis 2010 ein Finanzbedarf von<br />
rund 1 Mrd. Euro sowie im Straßenbau von 1,5 Mrd. Euro.<br />
Die wichtigsten Infrastrukturprojekte für die Region seien Stuttgart 21, der<br />
Ausbau des S-Bahn-Netzes, die Ausbauten der A 8 zwischen Leonberg und<br />
Pforzheim sowie am Albaufstieg und der A 81 zwischen Böblingen und Sindelfingen<br />
sowie die Neubauten der B 10 in Stuttgart und bei Göppingen, der B 14<br />
von Winnenden nach Backnang, den Filder-Aufstieg der B 312 in Stuttgart, die<br />
B 464 zwischen Böblingen und Renningen und die Nord-Ost-Umfahrung.<br />
54
Weil aber damit allein die Probleme nicht lösbar seien, brauche es auch Maßnahmen<br />
des Verkehrsmanagements, im Regionalverkehrsplan die so genannten<br />
organisatorischen, ordnungs- und preispolitischen Maßnahmen. Die wichtigsten<br />
Maßnahmen des Verkehrsmanagements sind für Vallée ein regional<br />
abgestimmtes Parkraumkonzept, eine regionale Verkehrsleitzentrale, ein regionales<br />
Logistik-Konzept sowie eine bessere Vernetzung von ÖV und IV.<br />
In den Untersuchungen zum Regionalverkehrplan habe sich gezeigt, dass mit<br />
gut einem Viertel aller Wege ein großer Teil dem sogenannten Freizeitverkehr<br />
zuzuordnen sei. Ein weiterer wesentlicher Wegezweck seien mit knapp einem<br />
Drittel die Wege von und zur Arbeit. Des weiteren würden die Wege in Ausübung<br />
des Berufes, zur Ausbildung und zum Einkaufen unterschieden. Ein wesentlicher<br />
Trend sei, dass die Freizeitwege einen starken Zuwachs erfahren<br />
würden, was angesichts der zunehmenden Arbeitszeitverkürzung auch plausibel<br />
sei. Insgesamt sei festzustellen, dass die Anzahl der Verkehrsbewegungen<br />
bis 2010 um ca. zwölf Prozent spürbar steigen würden, und die Wege auch länger<br />
würden.<br />
Routinewege vs. unregelmäßige Fahrten<br />
Hinsichtlich des Ziels, den Verkehr möglichst umweltfreundlich abzuwickeln,<br />
gebe es zwischen den einzelnen Wegezwecken einen wesentlichen Unterschied.<br />
Während die Wege zur Arbeit, zur Ausbildung und im wesentlichen<br />
auch zum Einkaufen tägliche Routinewege seien, seien Dienstfahrten und Freizeitwege<br />
eher unregelmäßig.<br />
Insofern sei es auch leichter möglich, bei den regelmäßigen Wegen mit Maßnahmen<br />
zur Stärkung des ÖV anzusetzen, weil die Verkehrsteilnehmer sich<br />
z.B. Takte einprägen könnten, man mit Monatskarten etwas erreichen oder mit<br />
Parkraumrestriktionen, Fahrgemeinschaften und Werbemaßnahmen gezielt<br />
agieren könne. Dieses sei bei unregelmäßigen Wegen sehr viel schwieriger.<br />
Deshalb müssten umso intensiver Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung, zur<br />
Verkehrsinformation (Mobilitätszentralen) aber auch zu Verbesserungen des<br />
ÖPNV-Angebots in nachfrageschwächeren Zeiten und mit attraktiven Tarifen<br />
außerhalb der Hauptverkehrszeiten eingesetzt werden. Nur so sei es möglich,<br />
den Modal-Split zugunsten umweltfreundlicher Verkehrsmittel zu ändern. Festzustellen<br />
sei, dass auch langfristig vier Hauptursachen ein kontinuierliches Verkehrswachstum<br />
begründeten, nämlich:<br />
1. Die Siedlungsentwicklung: Die Menschen zögen den günstigen Bauplätzen<br />
hinterher. Dies ließe sich durch Regionalplanung moderieren, aber nicht<br />
stoppen. Auch könne nur eine abgestimmte Flächennutzungsplanung oder sogar<br />
ein regionaler Flächennutzungsplan dem entgegenwirken.<br />
2. Die Diversifikation der Wirtschaft nehme weiter zu: Arbeitsteilung, Reduzierung<br />
der Fertigungstiefe, Spezialisierung führten zu einer größeren Leistungsfähigkeit<br />
der Wirtschaft, sie verursachten aber auch mehr Verkehr. Dies<br />
sei wesentlich für die weitere gewerbliche Entwicklung und habe Auswirkungen<br />
auf alle Lebensbereiche. Insofern bedürfe es dringend Maßnehmen für eine<br />
bessere Koordination der Logistikprozesse.<br />
3. Berufliche Flexibilität fordere auch von Hochqualifizierten häufig einen<br />
Jobwechsel. Nicht jedes Mal führe dies zu einem Wohnungswechsel. Das Ergebnis<br />
sei mehr Verkehr.<br />
55
4. Durch wachsenden Wohlstand sei Mobilität, insbesondere Automobilität,<br />
für alle immer besser bezahlbar. Immer mehr alltägliche Verrichtungen würden<br />
über größere Entfernungen verwirklicht.<br />
Um dieses Verkehrswachstum zu bewältigen, brauche man neben einer guten<br />
Infrastruktur als hartem Standortmerkmal auch organisatorische Maßnahmen<br />
im Verkehr und vor allem einen finanzierbaren ÖV. Dieser müsse die Hauptlast<br />
der Pendlerbewegungen übernehmen, um auf den Straßen die Kapazitäten für<br />
den nicht verlagerbaren Teil des Straßenverkehrs zu schaffen. Dort könne dann<br />
u.a. durch den Einsatz des betrieblichen <strong>Mobilitätsmanagement</strong>s eine weitere<br />
Entlastung bei der Fahrzeugzahl durch Steigerung der Insassenzahl erreicht<br />
werden. Im Durchschnitt säßen in vier Autos nur fünf Personen.<br />
Ein weiterer Ansatz sei ein regionales Verkehrsmanagement, was im Raum<br />
Stuttgart mit dem Projekt „Mobilist“, dem Konzept für die Weiterentwicklung von<br />
der Automobilregion zur Mobilitätsregion, umgesetzt werde. Dazu habe man in<br />
der Region ein Netzwerk aus 44 Unternehmen, zehn Hochschulinstituten der<br />
Unis Stuttgart und Tübingen und mehrere öffentlicher Körperschaften gebildet.<br />
Ziel sei es, auf folgenden Feldern zu kooperieren:<br />
• verbesserte und frühzeitige Information über die Region, insbesondere<br />
Staubildungen und Alternativen im ÖV;<br />
• verbesserte Übergänge zwischen ÖV und IV;<br />
• Koordination von Siedlungs- und Verkehrsentwicklung<br />
Im Rahmen des Projektes Mobilist habe man wertvolle Ergebnisse über Machbares<br />
und die Wirkungsmöglichkeiten gewonnen. Man bemühe sich derzeit um<br />
ein Anschlussprojekt, um die gewonnenen Erkenntnisse auch umzusetzen.<br />
Regionales Management für Planung und Entwicklung<br />
Ein weiterer wesentlicher Ansatzpunkt sei die Steuerung der Siedlungsentwicklung,<br />
denn der Verkehr sei Folge der Siedlungsentwicklung. Insofern müsse<br />
man auch dort ansetzen, um die Folgenbewältigung umfassend in Angriff zu<br />
nehmen.<br />
Wie bereits dargestellt, sei die Region Stuttgart hochverdichtet. Die Menschen<br />
in der Region nähmen pro Kopf immer mehr Fläche in Anspruch, was sowohl<br />
für die Fläche pro Arbeitsplatz, vor allem im produzierenden Gewerbe, als auch<br />
für das Wohnen gelte.<br />
Es sei nötig, die innerregionalen Wanderungen zu steuern, damit der Wettbewerb<br />
um billige Bauplätze für Wohnen und Gewerbe nicht zu Lasten der Freiräume<br />
geführt werde. Hierzu sehe der Regionalplan für die Region Stuttgart<br />
eine quantitative Steuerung vor, in der auch die Stadt-Umland-Problematik eine<br />
Rolle spiele. Aber über allem stehe, dass eine Metropolregion einen leistungsfähigen<br />
Kern mit einer funktionierenden Verkehrsinfrastruktur benötige. Wenn<br />
die bisherigen Trends der Randwanderung sich fortsetzten, führe das zu<br />
zusätzlichen Belastungen der Verkehrsinfrastruktur.<br />
Die Veränderung des Altersaufbaus der Bevölkerung mit weniger jungen und<br />
mehr alten Leuten habe neben den Konsequenzen für die Sozialsysteme eine<br />
Reihe praktischer Auswirkungen auf die Infrastruktur:<br />
• die Auslastung von Kindergärten und Schulen sinke;<br />
56
• die soziale Infrastruktur sei nur bei einer Mindestkonzentration langfristig<br />
tragfähig;<br />
• im Handel führten die Konzentrationstendenzen zu eine Ausdünnung<br />
der Versorgungsmöglichkeiten, auch hier seien langfristig Mindestkonzentrationen<br />
nötig;<br />
• wenn weiter auf der Grünen Wiese Neubau betrieben werde, müsse<br />
man sich fragen, wer nach 2020 in den bestehenden Wohnungen leben oder<br />
die Gewerbeflächen nutzen solle.<br />
Die genannten Aspekte ließen nur einen Schluss zu: langfristig sei nur eine Innenentwicklung<br />
und Bündelung in Schwerpunkten tragfähig, und zwar für Wohnen<br />
und Gewerbe. Dazu sehe der Regionalplan insgesamt 36 Schwerpunkte für<br />
Wohnen und 26 Schwerpunkte für Gewerbe vor. Diese seien dem Leitbild der<br />
dezentralen Konzentration folgend entlang der ÖV-Achsen zugeordnet.<br />
Siedlungsschwerpunkte und Freiflächen<br />
Die Antwort der Regionalplanung auf diese Entwicklungen seien die Freiflächensicherung<br />
durch regionale Grünzüge, Grünzäsuren und Vorrangflächen für<br />
die Landwirtschaft, die Weiternutzung und Aufwertung von Bestandsflächen<br />
und die Bildung von Siedlungsschwerpunkten für Wohnen und Arbeiten.<br />
Ohne regionale Grünzäsuren und Grünzüge gäbe es heute schon ein durchgehendes<br />
Siedlungsband zwischen Geislingen im Südosten der Region über<br />
Göppingen, Esslingen, Stuttgart, Ludwigsburg bis hin nach Bietigheim-<br />
Bissingen im Nordwesten – eine Distanz von mehr als 90 Kilometern.<br />
Für die weitere Siedlungsentwicklung setze man auf die Ausweisung von Siedlungsschwerpunkten.<br />
Zur Schwerpunktbildung gehörten dabei insbesondere die<br />
Schaffung gemeindeübergreifender Gewerbegebiete. Es sei eine wesentliche<br />
Aufgabe des Verbandes, diese interkommunalen Gewerbegebiete zu fördern<br />
und voranzubringen.<br />
Freiflächensicherung und regionale Landschaftsparks<br />
Der Verband Region Stuttgart schaffe regionale Planungsgrundlagen für<br />
Investitionen in Wohnen, Gewerbegebiete, Verkehr, Wirtschaft und<br />
Infrastruktur. Bei einer Reihe von Projekten investiere er selbst: Stuttgart 21, die<br />
neue Messe, Schienenbauwerke für den regionalen Schienenverkehr und<br />
(mittelbar) durch Zuschüsse für interkommunale Gewerbegebiete. Damit allein<br />
werde allerdings noch keine Lebensqualität geschaffen. Es bedürfe auch der<br />
Schaffung von Naherholungsmöglichkeiten und der Sicherung der Freiräume.<br />
Auch dies sei zwingender und integrativer Bestandteil einer nachhaltigen<br />
Entwicklung.<br />
Der Landschaftspark sei die Antwort des Verbandes auf die zunehmende Verdichtung<br />
der Region. Er bedeute Planung und Investition in die Gestaltung der<br />
verbliebenen Freiräume. Die Landschaft sei einer der wesentlichen weichen<br />
Standortfaktoren. Man wolle die Eigenarten und Qualitäten der jeweiligen Teilräume<br />
der Region unter Einbeziehung der Natur- und Kulturdenkmäler verdeutlichen.<br />
Dabei gehe es darum, die vorhandenen Nutzungen wie z.B. die Land-<br />
und Forstwirtschaft weiterhin zu ermöglichen und mit anderen Bedürfnissen wie<br />
z.B. der Naherholung zu verbinden. Die Alternative sei die Wochenendfahrt<br />
zum Bodensee, die langfristig noch mehr Verkehrsprobleme hervorrufe.<br />
57
Leider, so Vallée, fehle dem Verband bisher die Möglichkeit, neben der gesetzlich<br />
vorgeschriebenen Planung auch selbst die Umsetzung zu besorgen. Um<br />
hier einen Schritt weiter zu kommen, habe der Verband einen Wettbewerb ausgelobt,<br />
in dem Best-Practice-Beispiele konkreter Ausführungsplanungen und<br />
Umsetzungen prämiert werden sollten. Man erhoffe sich davon, der Idee neuen<br />
Antrieb zu geben und eine schnelle Umsetzung in kleinen Häppchen auch ohne<br />
regionale Zuständigkeit zu befördern.<br />
Fazit<br />
Im Rahmen des regionalen Managements müssten laut Vallée die Bereiche<br />
Siedlungsflächen, Verkehr, Freiräume und Wirtschaftsförderung bzw. Standortmarketing<br />
gemeinschaftlich betrieben und aufeinander abgestimmt werden.<br />
Dazu trügen insbesondere bei:<br />
• Eine Weiterentwicklung der Raum- und Regionalplanung sowie ihrer Instrumente<br />
hin zu einer regionalen Flächennutzungsplanung, die eine Angebotsplanung<br />
für die Kommunen erlaube, aber der Suburbanisierung und den daraus<br />
entstehenden Verkehrsproblemen Einhalt gebiete.<br />
• Eine konsequente Umsetzung der überörtlichen Landschaftsplanung zur<br />
Sicherung des vorhandenen abwechselungsreichen Naturraumes. Hier gelte es<br />
besonders, die Qualitäten des Naherholungsraum herauszustellen, um auch die<br />
weichen Standortfaktoren zu unterstreichen.<br />
• Die Schaffung eines optimalen ÖPNV möglichst aus einer Hand, mit einer<br />
sehr guten Verknüpfung und Vernetzung zum Individualverkehr, einer sehr<br />
guten Information der Kunden und potenziellen Kunden sowie Maßnahmen zur<br />
Bewusstseinsbildung.<br />
58
Holger Bach<br />
Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Mobilitätsmanagement</strong><br />
aus Sicht der Wirtschaftsförderung<br />
Ziel des <strong>Mobilitätsmanagement</strong>s (MM) müsse sein, den Verkehr effizient sowie<br />
umwelt- und sozialverträglich abzuwickeln. Dabei müsse man alle Verkehrsströme<br />
im Auge haben. Beim Personenverkehr seien das der Berufsverkehr,<br />
Geschäfts- und Dienstreisen sowie der Kundenverkehr. Beim Güterverkehr seien<br />
das der Zuliefer-, Produktions- und Auslieferverkehr sowie die Entsorgung.<br />
MM basiere auf Information, Kommunikation, Organisation und Koordination, so<br />
Holger Bach.<br />
Beim MM handle es sich nicht um ein klassisches Dienstleistungsangebot. Aufgrund<br />
der Vielzahl möglicher Partner im MM müsse man darauf achten, dass<br />
aus diesem Netzwerk einheitliche Ansprechpartner für die Bürger hervorgingen.<br />
Zwischen zwei Standbeinen des MM sei zu unterscheiden. Hier die städtische<br />
bzw. regionale Ebene mit Kommunen, Verkehrsunternehmen und -verbünden<br />
sowie Privatpersonen. Dort die Standort-bezogene Ebene mit Unternehmen,<br />
Verwaltungen, Schulen, Freizeiteinrichtungen und dem Einzelhandel.<br />
Bedeutung des Marketings<br />
Bach stellt die Bedeutung des Marketings im Rahmen des MM heraus. Marketing<br />
müsse Angebot und Nachfrage miteinander verbinden, müsse Produkte<br />
nachhaltiger Mobilität an die Probleme anpassen und umgekehrt das Wissen<br />
der Bürger um die Angebote verbessern. Zugleich müsse Marketing Mitarbeiter<br />
und Unternehmen, die sich für nachhaltige Mobilität interessierten, mit den Anbietern<br />
der entsprechenden Dienstleistungen in Kontakt bringen.<br />
Marketing müsse auch dafür sorgen, dass das Wissen um sinnvolle Konzepte,<br />
die Informationen darüber und die entsprechenden Angebote den Unternehmen,<br />
privaten Haushalten oder verschiedenen Firmen, die sich etwa in einem<br />
Industriegebiet angesiedelt haben, vermittelt werde. Kurzum: Marketing müsse<br />
alle potenziellen Akteure im MM zusammenbringen.<br />
Als Ziele der Wirtschaftsförderung im Bereich des MM nennt Bach sechs Punkte:<br />
Man müsse MM praktizieren, Kompetenzen aufbauen, Vorbildfunktion wahrnehmen<br />
und demonstrieren, Kooperationen eingehen, unternehmensübergreifende<br />
Prozesse organisieren sowie Anstöße geben und gute Beispiele verbreiten.<br />
Die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH sei in der Stadt Stuttgart<br />
selbst sowie in den Landkreisen Ludwigsburg, Rems-Murr, Göppingen, Esslingen<br />
und Böblingen aktiv. In den 179 Städten und Gemeinden lebten rund 2,6<br />
Millionen Menschen.<br />
59
Dr. Witgar Weber<br />
Geschäftsführer des Verkehrs- und Tarifverbundes Stuttgart (VVS)<br />
Der ÖPNV als Akteur der nachhaltigen Mobilitätsgestaltung<br />
Beim Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) handle es sich um den größten<br />
und mit 25 Jahren ältesten Verbund in Baden-Württemberg. Im Verbundraum<br />
lebten 2,3 Millionen Einwohner, er umfasst die Stadt Stuttgart sowie die<br />
Landkreise Ludwigsburg, Böblingen, Esslingen und den Rems-Murr-Kreis. An<br />
ihm seien 40 Verkehrsunternehmen beteiligt. Witgar Weber versteht den VVS<br />
als „gemeinsame einheitliche Betriebsoberfläche“ der Partner. Der VVS weise<br />
einen Kostendeckungsgrad von 52,2 Prozent auf, der Rest werde von der öffentlichen<br />
Hand finanziert.<br />
Der Berufsverkehr habe mit etwa einem Drittel des Verkehrsaufkommens einen<br />
hohen Stellenwert innerhalb des VVS, da er einen bedeutenden Markt darstelle.<br />
So lege laut einer IHK-Untersuchung jedes zweite Unternehmen großen Wert<br />
auf eine gute ÖV-Anbindung. Für Berufspendler biete der VVS das Firmenticket<br />
an, das 1992 eingeführt worden sei. Derzeit habe man über 50.000 Kunden in<br />
rund 350 Firmen. Den Firmen biete man einen Mengenrabatt an.<br />
„Milchmädchenrechnung“<br />
Der oft geäußerten Kritik, dass der VVS zu teuer sei, begegnet Weber mit einer,<br />
wie er es nennt, „Milchmädchenrechnung“. Vergleiche man die Kosten für ein<br />
Auto mit denen für ein Firmenticket, schneide der ÖV in fast allen Entfernungskategorien<br />
deutlich besser ab. Und das, obwohl bei den Autokosten Fixkosten<br />
wie Steuer und Versicherung und Ausgaben für Parkplätze etc. nicht eingerechnet<br />
seien. Lediglich die Betriebs- und Werkstattkosten und das Benzin habe<br />
man bei diesem Vergleich berücksichtigt. Als Grundlage habe man einen<br />
VW Golf mit einer Jahresfahrleistung von 15.000 Kilometern genommen. Lediglich<br />
einen „Schönheitsfehler“ weise der Vergleich auf: In der Distanz bis sechs<br />
Kilometer sei das Auto bei dieser Rechnung etwas günstiger. Dennoch könne<br />
man bei größeren Entfernungen bis zu 1300 Euro pro Jahr mit einem Firmenticket<br />
sparen.<br />
Der VVS-Chef räumte ein, dass man das Firmenticket dennoch noch verbessern<br />
müsse. So sei es sinnvoll, das Ticket nicht nur zweimal im Jahr anzubieten,<br />
sondern regelmäßig unterm Jahr zu verkaufen, um einem Beschäftigten<br />
nach einem Arbeitsplatzwechsel den Erwerb zu ermöglichen. Zu überlegen sei<br />
auch, ob eine monatliche statt der bisher jährlichen Abbuchung des Ticketpreises<br />
nicht kundenfreundlicher sei.<br />
Der VVS biete darüber hinaus für Firmen und Pendler eine Firmenberatung im<br />
Haus an, ein kostenloses Schnupperticket sowie das Erstellen eines persönlichen<br />
Fahrplans für einen Pendler. Ein Anreiz für den Kauf eines Jahrestickets<br />
sei auch das Bonusheft des VVS mit Gutscheinen etwa für verbilligte Eintritte.<br />
60
Thementalk:<br />
Gut für die Umwelt – gut für die Kosten?<br />
Podiumsteilnehmer: Willi Loose (Öko-Institut Freiburg), Werner Ollechowitz<br />
(Bausparkasse Schwäbisch-Hall), Klaus Schäfer-Breede (Büro für Verkehrsökologie,<br />
Bremen), Siegfried Deuschle (Betriebsrat Daimler Chrysler, Sindelfingen),<br />
Petra Bodzian (debitel, Stuttgart), Moderation: Hermann Abmayr (Journalist,<br />
Stuttgart)<br />
Zu Beginn der Diskussion berichtet Willi Loose vom Freiburger Öko-Institut von<br />
seinen Erfahrungen mit einem BMM-Konzept für den Standort Untertürkeim des<br />
DaimlerChrysler-Konzerns. Damit war sein Institut beauftragt worden. Am<br />
Standort arbeiteten 19.200 Beschäftigte, deren täglicher Arbeitsweg eine enorme<br />
Verkehrsbelastung darstelle. Bei einer durchschnittlichen Entfernung vom<br />
Werk von 17,8 Kilometer würden jeden Tag rund 680.000 Personenkilometer<br />
zurückgelegt. 60 Prozent der Mitarbeiter kämen mit dem Auto zur Arbeit.<br />
„Nachhilfeunterricht nötig“<br />
Im Widerspruch zu Klaus Schäfer-Breede (siehe dazu den Vortrag von Klaus<br />
Schäfer-Breede) erklärt Loose, dass große Konzerne wie DaimlerChrysler das<br />
BMM nicht weitgehend selbst umsetzen könnten. Zwar seien sie in der Lage,<br />
das Konzept zu planen, aber nicht, einer anderen, nachhaltigen Mobilität das<br />
nötige positive Image zu verschaffen. Loose: „Es ist sehr viel Nachhilfeunterricht<br />
nötig.“ Hingegen gibt Loose Schäfer-Breede Recht bei der Forderung, die<br />
Stellplätze als „Stellschraube“ im BMM zu nutzen. Auch er stellt einen direkten<br />
Zusammenhang her zwischen der Zahl der Stellplätze und der Verkehrsmittelwahl<br />
der Beschäftigten: Je weniger Parkplätze auf dem Firmengelände vorhanden<br />
seien, desto mehr Mitarbeiter kämen in Fahrgemeinschaften, mit dem ÖV<br />
oder nutzten Park&Ride-Möglichkeiten.<br />
Ein Stellplatz in einem Parkhaus auf dem DaimlerChrysler-Gelände koste rund<br />
900 Euro, so Lose. Im Durchschnitt gebe der Konzern also 400 Euro pro Jahr<br />
und Beschäftigten für Parkplätze aus – eine betriebliche Förderung, die nur Autofahrern,<br />
nicht aber ÖV-Nutzern oder Radlern zu Gute komme. Dies sei nicht<br />
gerecht.<br />
Mitfahrvermittlung M21 an der Klientel vorbei<br />
Loose betonte, dass alle BMM-Konzepte auf gesellschaftliche Grundbedürfnisse<br />
nach Flexibilität und Zuverlässigkeit eingehen müssten. So sei die Mitfahrvermittlung<br />
unter dem Titel „M21“ an der Klientel vorbeigegangen, weil das<br />
Konzept täglich wechselnde Mitfahrer vorsehe. Dies sei ein „fundamentales<br />
Hemmnis“. Auch das Firmenticket werde als „zu unflexibel“ und „zu starr“ kritisiert.<br />
Loose schlägt vor, dass man das Firmenticket auch für mehrere Monate<br />
beim VVS hinterlegen können sollte, etwa im Sommer, wenn man mit dem Rad<br />
fahre. Dafür sollte man Geld gutgeschrieben bekommen.<br />
Werner Ollechowitz von der Bausparkasse Schwäbisch-Hall erläutert die Erfahrungen<br />
seiner Firma mit dem BMM, das seit Jahren praktiziert werde. Mitte/Ende<br />
der 80er Jahre habe es für die 3200 Mitarbeiter, von denen etwa 2600<br />
mit dem Auto ins Büro gefahren seien, zu wenig Stellplätze gegeben. Daraufhin<br />
61
habe sich die Firma zu einer Kooperation mit dem ÖPNV-Anbieter entschlossen,<br />
so dass künftig der Betriebsausweis als Fahrschein gegolten habe. Den<br />
Individualverkehr habe man laut Ollechowitz nicht ausgespart, aber die Parkberechtigungen<br />
differenziert verteilt: An Fahrgemeinschaften und an Mitarbeiter,<br />
die weit entfernt wohnten, seien die Berechtigungen zuerst vergeben worden.<br />
Mitarbeiter, die in einem Umkreis von bis zu zwei Kilometern vom Betrieb wohnten,<br />
habe man grundsätzlich keine Parkberechtigung mehr erteilt. Bei Zuwiderhandlungen<br />
habe man sogar Strafmandate verteilt, die vom Gehalt abgezogen<br />
und später für einen sozialen Zweck gespendet worden seien. Seit der Einführung<br />
des Jahrestickets im Jahr 2002 übernehme die Bausparkasse zu 100 Prozent<br />
die Kosten für das Ticket, so dass die ÖV-Nutzung für die Mitarbeiter weiterhin<br />
kostenlos sei.<br />
Betriebsrat und Mitarbeiter stehen zum BMM<br />
Die Vorteile der Regelung seien, so Ollechowitz, dass man keine weiteren<br />
Parkplätze schaffen müsse, Betriebsrat wie Mitarbeiter hinter dem Konzept<br />
stünden und dass das örtliche ÖPNV-Unternehmen mit einer Grundauslastung<br />
kalkulieren könne. Nachteilig sei lediglich der erhöhte administrative Aufwand<br />
seit Einführung des Jahrestickets. Als Fazit nennt Ollechowitz ein paar aktuelle<br />
Zahlen: Von den jetzt 3500 Mitarbeitern hätten 2200 das Jobticket, von denen<br />
es 1500 regelmäßig nutzten.<br />
Siegfried Deuschle, Betriebsrat bei DaimlerChrysler in Sindelfingen, berichtet<br />
von seinen Erfahrungen mit dem BMM. Das Werk habe einen sehr großen Einzugsbereich,<br />
der bis zum Bodensee reiche. Rückgrat des Berufsverkehrs seien<br />
die Schichtbusse, die von 800 Mitarbeitern, viele davon aus dem Schwarzwald,<br />
genutzt würden. Die Tendenz der Nutzung sei aber sinkend, da aufgrund der<br />
zunehmenden Gleitzeit einheitliche Dienstzeiten seltener würden.<br />
Die vom Betriebsrat initiierte Mitfahrbörse habe – ebenfalls wegen der Gleitzeit<br />
– wenig Erfolg. Wer eine Mitfahrgelegenheit suche, wolle jeden Tag mit demselben<br />
Kollegen fahren, nicht mit wechselnden. Dies sei ein Grund, so<br />
Deuschle, warum das M21-Konzept gescheitert sei. Dieses habe die „Dynamisierung<br />
von Fahrgemeinschaften“ vorgesehen. Vor allem Frauen aber wollten<br />
ihren Mitfahrer kennen. Der Misserfolg zeige sich an den Zahlen. Gerade einmal<br />
400 Mitarbeiter von 42.000 hätten bei M21 mitgemacht. Entstanden seien<br />
dabei nur vier bis acht Fahrgemeinschaften täglich.<br />
Laut Deuschle gebe es rund 14.000 Stellplätze rund um das Sindelfinger Werk.<br />
Noch weigere sich das Unternehmen, die Ersparnisse bei der Streichung eines<br />
Parkplatzes in einen Topf zu tun, aus dem dann teilweise das Firmenticket finanziert<br />
werde.<br />
Erfahrungen bei debitel<br />
Petra Bodzian von debitel berichtet über ihre Erfahrungen mit der ÖPNV-<br />
Nutzung der Mitarbeiter. Bis vor eineinhalb Jahren habe man am Standort im<br />
Fasanenhof in Stuttgart eine sehr schlechte ÖPNV-Anbindung gehabt. Die habe<br />
zur Folge gehabt, dass die meisten Mitarbeiter mit dem Auto gekommen seien,<br />
für 1200 Beschäftigte aber nur 500 Parkplätze vorhanden gewesen seien. Auch<br />
Gespräche mit dem VVS hätten zu keiner Verbesserung des Angebots geführt,<br />
so Bodzian. Vom Hauptbahnhof bis zum Fasanenhof habe man viermal umsteigen<br />
müssen.<br />
62
Bei der Wahl des neuen Standorts habe das Unternehmen deshalb sehr auf<br />
eine gute Anbindung für die Mitarbeiter geachtet. Dies sei in einem Industriegebiet<br />
in Vaihingen nun auch gegeben, da es an der A 8 und der A81 liege. Die<br />
Mitarbeiter seien darüber „sehr glücklich“. Es habe im Betrieb keine Diskussionen<br />
über die Anmietung bzw. den Bau sehr vieler Parkplätze gegeben. Dies sei<br />
selbstverständlich gewesen. Eine Stadtbahnhaltestelle sei nicht weit entfernt, es<br />
nutzten aber nur zehn Prozent der Mitarbeiter das Firmenticket.<br />
Es seien so viele Parkplätze geschaffen worden, dass inzwischen sogar zahlreiche<br />
leer stünden, so Bodzian. debitel verlange keine Stellplatzgebühr von<br />
den Mitarbeitern und fördere umgekehrt auch nicht die Nutzung des ÖV.<br />
„Autofahrer nicht einseitig bezuschussen“<br />
Dies veranlasst Deuschle zur Bemerkung, dass solch eine Regelung eine<br />
Gleichheitsdebatte auslösen müsste. „Es kann nicht sein, dass Autofahrer einseitig<br />
bezuschusst werden.“ Bei DaimlerChrysler jedoch trage nicht einmal der<br />
Betriebsrat als Ganzes zu mehr Gleichberechtigung bei. Dabei müsse der Anreiz<br />
zum Umsteigen vom Auto auf umweltschonendere Verkehrsmittel über das<br />
Geld geschehen. „Moralische Appelle reichen nicht.“ Deuschle weist darauf hin,<br />
dass die Reduzierung der Parkplätze auch finanzielle Vorteile für das Unternehmen<br />
mit sich brächten, gerade am Standort Sindelfingen. Dort habe man<br />
Platzprobleme, die so zumindest teilweise gelindert werden könnten.<br />
Laut Loose sei am DaimlerChrysler-Standort Untertürkeim der vom Öko-Institut<br />
erarbeiteter Maßnahmenkatalog nicht umgesetzt worden, im Gegenteil: Kurze<br />
Zeit später habe man aus dem angrenzenden Ackerland Parkplätze gemacht,<br />
um auf den ehemaligen Stellplätzen das Werk zu erweitern. Dies seien keine<br />
rationalen Entscheidungen gewesen, sondern sei auf das Image von Autobauern<br />
zurückzuführen.<br />
Einführung des Jobtickets „sehr, sehr schwer“<br />
Der Tarifchef des VVS, Hans-Georg Glaser, erinnert daran, dass sich sein Verbund<br />
1992 „sehr, sehr schwer“ getan habe bei der Einführung des Jobtickets.<br />
Viele Firmen hätten sich geweigert, die Verteilung an die Mitarbeiter abzuwickeln.<br />
Er verweist auf das aus seiner Sicht positive Modell in Hamburg, wo die<br />
Firmen von sich aus auf den dortigen Verbund zugegangen seien und das Jobticket<br />
gefordert hätten. So habe der Verbund die Firmen zur Mitarbeit zwingen<br />
können.<br />
Mathias Knobloch vom ACE erinnert daran, dass in Hamburg der ACE den Vertrieb<br />
von Jobtickets an Firmen mit weniger als 100 Mitarbeitern übernommen<br />
habe. Dies führe dort zu einer Win-Win-Situation auf drei Seiten: Beim Verbund,<br />
bei der Firma und beim ACE als Vertriebspartner.<br />
Klaus Schäfer-Breede vom Büro für Verkehrsökologie erklärt, dass für Unternehmen<br />
weniger der Umweltschutz eine Triebfeder bei der Umsetzung eines<br />
BMM sei, sondern der Imagegewinn. Loose verweist dabei auf die Auto-<br />
Umweltliste des Verkehrsclub Deutschland, die jährlich Autos nach ökologischen<br />
Gesichtspunkten bewertet. Dort komme ein Porsche-Fahrzeug zwar nie<br />
in die Wertung, jedoch schneide das Porsche-Werk bei der Bewertung der Hersteller<br />
immer sehr gut ab. Dies wiederum werde vom Unternehmen als Werbeargument<br />
benutzt.<br />
63
Deuschle erklärt abschließend, dass wohl erst der Leidensdruck sehr hoch sein<br />
müsse, ehe man bei der Verkehrsmittelwahl umdenke oder als Betrieb das<br />
BMM fördere. Er sagt, dass sich irgendwann der Dauerstau in der Stuttgarter<br />
Region negativ auf die Verkaufszahlen auswirken könne, denn wenn ein Fahrzeug<br />
ein „Stehzeug“ sei, sei dies kein gutes Verkaufsargument.<br />
64
Verzeichnis und Adressen der Referenten<br />
Matthias Knobloch Vorstandsreferent Verkehr<br />
ACE Auto Club Europa e.V. , Verbindungsbüro Berlin<br />
Märkisches Ufer 28, 10179 Berlin<br />
matthias.knobloch@ace-online.de<br />
Bernhard Eller Referat für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt<br />
München<br />
Herzog-Wilhelm-Strasse 15, 80331 München<br />
bernhard.eller@muenchen.de<br />
Erwin Rumpel DGB München<br />
Schwanthaler Strasse 64, 80336 München<br />
erwin.rumpel@dgb.de<br />
Jens Mühlhaus Fraktion Die Grünen im Münchner Stadtrat<br />
Landeshauptstadt München, 80313 München<br />
jens.muehlhaus@greencity.de<br />
Alexander Freitag Geschäftsführer<br />
Münchner Verkehrs- und Tarifverbund GmbH (MVV)<br />
Thierschstrasse 2, 80538 München<br />
Dr. Thomas Zängler Lehrstuhl für Wirtschaftslehre des Haushalts<br />
TU München<br />
Weihenstephaner Steig 17-19, 85350 Freising<br />
zaengler@wzw.tum.de<br />
Dr. Eeva Rantama Referat für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt<br />
München<br />
Herzog-Wilhelm-Strasse 15, 80331 München<br />
Klaus Schäfer-Breede Büro für Verkehrsökologie<br />
Langemarckstr. 250, 28199 Bremen<br />
Klaus.SchaeferBreede@buero-fuer-verkehrsoekologie.de<br />
H.-Jochem Hirschbrunn Rundfunkplatz 1, 80300 München<br />
hj.hirschbrunn@br-net.de<br />
Martin Schreiner Landeshauptstadt München<br />
Kreisverwaltungsreferat<br />
KVR III/124 (<strong>Mobilitätsmanagement</strong>)<br />
martin.schreiner@muenchen.de<br />
Wolfgang Reichel Dezernent für Umwelt, Grün, Tiefbau, Entwässerung,<br />
Entsorgung, Brandschutz und Stadtsanierung<br />
Stadt Mainz<br />
Jockel-Fuchs-Platz 1, 50116 Mainz<br />
Edmund Flößer Klimabündnis e.V.<br />
Galvanistrasse 28, 60486 Frankfurt<br />
e.floesser@klimabuendnis.org<br />
Sascha Müller IVM-Vorbereitungsgesellschaft<br />
Alte Bleiche 4, 65719 Hofheim a.T.<br />
s.mueller@ivm-rheinmain.de<br />
65
Jochen Erlhof Geschäftsführer<br />
Mainzer Verkehrsgesellschaft MVG<br />
Mozartstraße 8, 55 118 Mainz<br />
Thomas Pensel Umweltamt Stadtverwaltung Mainz<br />
Geschwister-Scholl-Str. 4, 55131 Mainz<br />
thomas.pensel@stadt.mainz.de<br />
Lars Welk Berufsgenossenschaft für Gesundheit und Wohlfahrtspflege<br />
(bgw)<br />
Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />
mobilitaetsmanagement@bgw-online.de<br />
Norbert Sanden Geschäftsführer<br />
ADFC Hessen<br />
Eschenheimer Anlage 15, 60318 Frankfurt am Main<br />
buero@adfc-hessen.de<br />
Eckhard Wolf Umweltbeauftragter<br />
Allianz Versicherungs AG<br />
Theodor-Stern-Kai 1, 60596 Frankfurt<br />
Christian Siemer Geschäftsführer<br />
RNN-Rhein-Nahe-Verkehrsverbund<br />
Postfach 16 11, 55209 Ingelheim am Rhein<br />
info@rnn.info<br />
Andreas Fuchs SWR-Fernsehen, Redaktion Auto + Verkehr<br />
Hans-Bredow-Strasse<br />
76530 Baden-Baden<br />
andreas.fuchs@swr.de<br />
Dr. Walter Rogg Geschäftsführer<br />
Wirtschaftsförderung Region Stuttgart<br />
Friedrichstr. 10, 70174 Stuttgart<br />
Dr. Bernd Pfeifle Ministerium für Umwelt und Verkehr des Landes Baden-Württemberg<br />
Kernerplatz 9, 70182 Stuttgart<br />
Dr. Dirk Vallèe Ltd. Technischer Direktor<br />
Verband Region Stuttgart<br />
Kronenstrasse 25, 70174 Stuttgart<br />
Dr. Widgar Weber Geschäftsführer<br />
Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS)<br />
Rotebühlstraße 121, 70178 Stuttgart<br />
Holger Bach Leiter Bereich Mobilitätskluster<br />
Wirtschaftsförderung Region Stuttgart<br />
Friedrichstr. 10, 70174 Stuttgart<br />
hbach@region-stuttgart.de<br />
Herrmann Abmayr Journalist<br />
Buowald 52, 70619 Stuttgart<br />
Abmayr.Ostendmedia@t-online.de<br />
66
Willi Loose Öko-Institut e.V.<br />
Postfach 6226, D-79038 Freiburg<br />
w.loose@oeko.de<br />
Siegfried Deuschle Betriebsrat<br />
DaimlerChrysler Sindelfingen<br />
Siegfried.deuschle@DaimlerChrysler.com<br />
Werner Ollechowitz Personalreferat<br />
Bausparkasse Schwäbisch Hall<br />
Crailsheimer Straße 52, 74520 Schwäbisch Hall<br />
Petra Bodzian Facility Managment<br />
debitel AG<br />
Gropiusplatz 10, 70563 Stuttgart (Vaihingen)<br />
Textdokumentation<br />
Bernd Kastner Journalist<br />
Winzerer Strasse 7, 80797 München<br />
berndkastner@t-online.de<br />
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Internetadressen zum Betrieblichen <strong>Mobilitätsmanagement</strong><br />
Allgemeiner Deutscher Fahrradclub (ADFC)<br />
www.adfc-hessen.de<br />
Auto Club Europa (ACE)<br />
www.ace-online.de<br />
www.clever-pendeln.de<br />
Berufsgenossenschaft für Gesundheit und Wohlfahrtspflege (bgw)<br />
www.bgw-online.de<br />
Büro für Verkehrsökologie (BVÖ), Bremen<br />
buero-fuer-verkehrsoekologie.de<br />
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)<br />
www.bayern.dgb.de<br />
www.mit-dem-rad-zur-arbeit.de<br />
IVM<br />
www.ivm-rheinmain.de<br />
Klimabündnis<br />
www.klimabuendnis.org<br />
www.clever-mobil.org<br />
Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG)<br />
www.mvg-mainz.de<br />
Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV)<br />
www.mvv-muenchen.de<br />
Rhein Nahe Nahverkehrsverbund (RNN)<br />
www.rnn.info<br />
Stadt Mainz<br />
www.mainzverkehr.de<br />
Stadt München, Referat für Arbeit und Wirtschaft<br />
www.muenchen.de<br />
www.wirtschaft.muenchen.de<br />
Technische Universität (TU) München<br />
www.wzw.tum.de/wdh/<br />
Wirtschaftsförderung Region Stuttgart<br />
www.wrs-gmbh.de<br />
www.region-stuttgart.de<br />
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Aktionskoffer zum betrieblichen <strong>Mobilitätsmanagement</strong><br />
Der Aktionskoffer (Preis: 20 Euro) enthält:<br />
• Broschüre (A4) für Unternehmensleitungen und Betriebsräte, pdf-Datei zum<br />
Download (715 KB). Die Broschüre ist beim Klima-Bündnis auch separat erhältlich.<br />
• Flyer zur Information der MitarbeiterInnen, pdf-Datei zum Download (350<br />
KB)<br />
• Leitfaden zur Einführung eines betrieblichen <strong>Mobilitätsmanagement</strong>s mit<br />
Hinweisen zur Vorgehensweise, Strategie, Einbindung von Partnern, Maßnahmen-<br />
und Marketingtipps, Checklisten, Umfragen etc., pdf-Datei zum<br />
Download (89 KB)<br />
• Betriebs-Checkup: Potentialanalyse zum betrieblichen Verkehrsplan, pdf-<br />
Datei zum Download (66 KB)<br />
• Aktionsleitfaden mit Tips für einen Aktionstag bzw. eine Akionswoche, pdf-<br />
Datei zum Download (66 KB)<br />
• CD-ROM mit pdf-Vorlagen aller Dokumente und Druckvorlagen von Mitarbeiter-Flyer<br />
und Plakat, pdf-Datei zum Download (333 KB), zum Selbstdruck<br />
für eigene Aktionen und die Software Umwelt-Kosten-Rechner zur Ermittlung<br />
interner und externer Kosten von Fahrzeugflotten und des Autopendlerverkehrs<br />
für den Betrieb.<br />
• Plakate<br />
Bestelladresse und weitere Informationen<br />
Klima-Bündnis der europäischen Städte<br />
mit indigenen Völkern der Regenwälder / Alianza del Clima e.V.<br />
Galvanistr. 28<br />
D-60486 Frankfurt am Main<br />
Telefon: 69-71 71 39-0<br />
Fax: 69-71 71 39-93<br />
E-Mail: europe@klimabuendnis.org<br />
Internet: www.klimabuendnis.org<br />
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