Treffpunkt.Bau 4/2015
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NEWSPOINT<br />
Gesetzliche Renten und betriebliche Altersversorgung<br />
DETLEF GOTTWALD<br />
Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und Soziales, begrüßte die Teilnehmer<br />
des Symposiums.<br />
Podiumsdiskussion mit (v.l.n.r.) Dietmar Schäfers (IG BAU), Prof. Dr. Heinz-Dietrich<br />
Steinmeyer (Universität Münster), Frank Dupré (ZDB) und Andreas<br />
Schmieg (HDB).<br />
SOKA<br />
In Berlin fand zum sechsten<br />
Male das von SOKA-BAU organisierte<br />
Symposium der Tarifvertragsparteien<br />
statt. In diesem<br />
Jahr drehte es sich um das<br />
Thema „Gesetzliche Renten und<br />
betriebliche Altersversorgung<br />
im Kontext der <strong>Bau</strong>wirtschaft“.<br />
Mehr als 100 Experten aus Politik,<br />
Wirtschaft und der Rechtswissenschaft<br />
diskutierten dabei<br />
neueste Entwicklungen in der<br />
Altersvorsorge.<br />
Wolfgang Koberski, Vorstandsmitglied<br />
von SOKA-BAU, wies<br />
in seiner Eröffnungsrede darauf<br />
hin, dass die <strong>Bau</strong>wirtschaft mit<br />
der Einführung der arbeitgeberfinanzierten<br />
Rentenbeihilfe<br />
vor fast 60 Jahren bereits eine<br />
Versorgungslücke der Beschäftigten<br />
geschlossen habe und<br />
damit Vorreiter bei der Entwicklung<br />
der betrieblichen Altersversorgung<br />
(bAV) gewesen sei. Zusätzliche<br />
Bedeutung erhielte die<br />
bAV heute als mögliches Mittel<br />
gegen den Fachkräftemangel,<br />
da sie die Attraktivität eines Arbeitgebers<br />
erhöht.<br />
Die Bundesministerin für Arbeit<br />
und Soziales Andrea Nahles<br />
stellte in ihrer Begrüßung<br />
heraus, dass sich die Sozialkassenverfahren<br />
in der <strong>Bau</strong>wirtschaft<br />
als solidarisches System<br />
zur Absicherung individueller<br />
Risiken bewährt haben. In der<br />
übrigen Wirtschaft müsste die<br />
Verbreitung der betrieblichen<br />
Altersvorsorge allerdings noch<br />
gestärkt werden – insbesondere<br />
bei kleineren Betrieben.<br />
Hans-Ludwig Flecken, Abteilungsleiter<br />
im Bundesministerium<br />
für Arbeit und Soziales,<br />
stellte daran anknüpfend die<br />
aktuellen Reformvorhaben in<br />
der Rentenpolitik vor. Auf der<br />
Grundlage des geplanten neuen<br />
Paragrafen 17b des Betriebsrentengesetzes<br />
(BetrAVG) könnten<br />
die Tarifpartner tarifvertraglich<br />
gemeinsame Einrichtungen<br />
gründen, ohne Einstandspflicht<br />
des Arbeitgebers („Pay and Forget“),<br />
wenn der Pensionsfonds<br />
bzw. die Pensionskasse Mitglied<br />
im Pensionssicherungsfonds<br />
wird.<br />
Darüber hinaus wird im Fall der<br />
Schaffung einer gemeinsamen<br />
Einrichtung mit der reinen Beitragszusage<br />
eine neue Form<br />
der Versorgungszusage ermöglicht.<br />
Um die Verbreitung der<br />
bAV in kleinen Unternehmen zu<br />
steigern, besteht zusätzlich die<br />
Option der Allgemeinverbindlicherklärung.<br />
Frau Dr. Ritzberger-Moser vom<br />
österreichischen Bundesministerium<br />
für Arbeit, Soziales und<br />
Konsumentenschutz stellt mit<br />
der Schwerarbeitspension und<br />
dem Überbrückungsgeld zwei<br />
Vorruhestandsregelungen für<br />
Beschäftigte mit harter körperlicher<br />
Arbeit vor. Letzteres wird<br />
als Branchenlösung in der <strong>Bau</strong>wirtschaft<br />
aus Zuschlägen im<br />
Umlageverfahren finanziert. Da<br />
das Überbrückungsgeld erst zu<br />
Jahresbeginn gestartet ist, können<br />
allerdings noch keine belastbaren<br />
Aussagen hinsichtlich<br />
der Inanspruchnahme getroffen<br />
werden. Frau Prof. Schlewing,<br />
Richterin am Bundesarbeitsgericht,<br />
erläuterte aktuelle Urteile<br />
zur betrieblichen Altersversorgung.<br />
In vielen Fällen von Altersabstandsfragen<br />
– also Beschränkungen<br />
des Anspruchs<br />
auf Leistungen aus der bAV nach<br />
Alter und Wartezeit – wurde in<br />
jüngsten Urteilen kein Verstoß<br />
gegen das Diskriminierungsverbot<br />
festgestellt.<br />
Verbreiterung<br />
der Altersvorsorge<br />
Grundsätzlich müssten die festgelegten<br />
Altersgrenzen aber angemessen<br />
sein.<br />
Prof. Rolfs von der Universität<br />
Köln unterzog den Vorschlag<br />
des BMAS für den Paragraphen<br />
17b BetrAVG noch einmal einer<br />
kritischen Betrachtung.<br />
Die Möglichkeit der reinen Beitragszusage<br />
hält Prof. Rolfs als<br />
Differenzierung im Sinne der<br />
Tarifautonomie für angemessen<br />
und auch mit dem allgemeinen<br />
Gleichheitsgrundsatz vereinbar.<br />
Jean-Baptiste Abel vom Deutschen<br />
Gewerkschaftsbund sowie<br />
Alexander Gunkel von der<br />
Bundesvereinigung der Deutschen<br />
Arbeitgeberverbände<br />
sprachen sich in einer anschließenden<br />
Diskussionsrunde für<br />
bessere Rahmenbedingungen<br />
für die bAV, insbesondere eine<br />
stärkere steuerliche Förderung,<br />
aus.<br />
In der abschließenden Podiumsdiskussion<br />
forderte Dietmar<br />
Schäfers, Stellvertretender<br />
Bundesvorsitzender der IG BAU,<br />
vor dem Hintergrund des drohenden<br />
Fachkräftemangels in<br />
der <strong>Bau</strong>wirtschaft einen flexiblen<br />
Übergang in den Ruhestand,<br />
bei dem die Arbeitszeit<br />
evtl. verkürzt wird und/oder die<br />
Beschäftigten in einer anderen<br />
Funktion im Betrieb verbleiben.<br />
Andreas Schmieg, Vizepräsident<br />
des Hauptverbandes der Deutschen<br />
<strong>Bau</strong>industrie, sprach sich<br />
ebenfalls dafür aus, die physische<br />
Belastung im späteren Erwerbsleben<br />
zu verringern und<br />
mit entsprechender Prävention<br />
dem vorzeitigen Ausscheiden<br />
aus dem Erwerbsleben entgegenzuwirken.<br />
Frank Dupré, Vizepräsident des<br />
Zentralverbandes des Deutschen<br />
<strong>Bau</strong>gewerbes, sprach<br />
sich zur Erhöhung des Verbreitungsgrades<br />
der betrieblichen<br />
Altersversorgung für eine deutliche<br />
Anhebung des Dotierungsrahmens<br />
für steuer- und<br />
sozialversicherungsfreie Beitragszahlungen,<br />
und zwar auf<br />
8 % der Beitragsbemessungsgrenze,<br />
aus, und machte deutlich,<br />
dass das österreichische<br />
Modell eines Überbrückungsgeldes<br />
Fehlanreize schaffe; auch<br />
für ältere Arbeitnehmer müsse<br />
sich Arbeiten mehr lohnen als<br />
Nichtarbeit.<br />
[ 30 ] 04.<strong>2015</strong> . TREFFPUNKT BAU NEWSPOINT