Dokument 1.pdf - epub @ SUB HH - Universität Hamburg
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Auch wenn der Wald erst nach einigen<br />
Jahrzehnten nachgewachsenen war,<br />
wurde der Turm bereits in den Fünfziger<br />
Jahren wieder ein beliebtes Ausflugsziel.<br />
1956 bekam der „Dickkopp“<br />
mit der Schule am Richard-Linde-Weg<br />
einen neuen Nachbarn. Allerdings<br />
führte man die neue B5 am Geesthang<br />
entlang durch die Sander Tannen und<br />
schnitt das Waldgebiet in zwei Teile.<br />
Auf der einen Seite stand nun das Wasserwerk,<br />
auf der anderen Seite der neuen<br />
Verkehrsader der Wasserturm.<br />
In Mai 1961 zog ein neuer Pächter ein.<br />
Willy Schmidt, ein ehemaliger Zirkusartist<br />
und Schausteller, renovierte die<br />
Warten auf das nächste Konzert: Gäste am Sander Dickkopp. Foto: Zeddies.<br />
Gaststätte. Er kaufte zwei Shetland-<br />
Ponys, auf denen Kinder um den Turm<br />
reiten konnten, bewirtete unter der Woche<br />
Schulklassen und am Wochenende<br />
Ausflügler. Nach und nach schuf sich<br />
Schmidt einen kleinen Zoo: Zwergziegen,<br />
Esel, Hühner, sogar einen Papageien<br />
kaufte er. Zehn Jahre später hatte<br />
er über dreißig Tiere.<br />
1972 legten die Wasserwerke den Turm<br />
still. Mittlerweile sorgten starke Pumpen<br />
für gleichmäßigen Druck in den Leitungen,<br />
und der Wasserturm war überflüssig.<br />
Mehrere Jahre später setzte<br />
sich Willy Schmidt aus Altersgründen<br />
zur Ruhe. Die <strong>Hamburg</strong>er Wasserwerke<br />
verkauften den Turm an den <strong>Hamburg</strong>er<br />
Staat, der wiederum die Sprinklerhof<br />
AG mit der Verwaltung beauftragte.<br />
Neue Wirte zogen ein, eine Diskothek,<br />
Spielautomaten und andere nächtliche<br />
Zerstreuungen, aber keiner hielt sich<br />
lange. 1978 zog der letzte Gastwirt aus.<br />
Der „Sander Dickkopp“ verkam.<br />
1984 wurden Mitglieder der Initiative<br />
zur Erhaltung historischer Bauten in<br />
Bergedorf e. V. auf den miserablen Zustand<br />
des Turms aufmerksam. Zunächst<br />
waren es nur eingeschlagene Fenster,<br />
aber bei einer Begehung im Herbst des<br />
Jahres zeigte sich das ganze Ausmaß<br />
der Schäden: Durchbrochene Wände,<br />
die Einrichtung zerstört, verrottete Fußböden<br />
und Nässe. Im Turmkopf nistete<br />
ein Taubenschwarm.<br />
Die Initiative gründete die Kulturgenossenschaft<br />
Wasserturm, um den „Dickkopp“<br />
zu erhalten. Die Genossenschaft<br />
pachtete den Turm unter der Bedingung,<br />
wieder eine Gaststätte einzurichten.<br />
Die drei anderen Stockwerke konnten<br />
für Ausstellungen und ähnliche<br />
Zwecke genutzt werden. Zum 1. Januar<br />
1985 begann die Renovierung. Um die<br />
dreißig Leute arbeiteten in ihrer Freizeit<br />
im Turm, Arbeitsmaterialien kamen<br />
überwiegend durch Sachspenden zusammen.<br />
Die Kulturgenossenschaft brauchte ein<br />
halbes Jahr für die Renovierung, dann<br />
öffnete wieder eine Gaststätte. In den<br />
oberen Geschossen entstanden Büros<br />
und Ausstellungsräume. Das Stadtteilkulturreferat<br />
der <strong>Hamburg</strong>er Kulturbehörde<br />
finanzierte eine Reihe von Musikveranstaltungen<br />
und half bei der<br />
Einrichtung des dritten und vierten<br />
Stocks. Konzerte wie das der international<br />
bekannten „Edgar Broughton<br />
Band“ lockten bis zu 2 000 Besucher<br />
zum Turm.<br />
Die Restaurierung des Turms ging während<br />
der achtziger Jahre weiter. Bereits<br />
Ende 1985 bemühte sich die Kulturgenossenschaft<br />
darum, den Turm<br />
unter Denkmalschutz zu stellen, stieß<br />
aber bei der Finanzbehörde auf Widerstand<br />
– wegen der zu erwartenden Kosten.<br />
Die Stadt war nicht bereit, die Grundinstandsetzung<br />
des alten Wasserturms<br />
zu bezahlen. Die hätte damals etwa eine<br />
Million Mark gekostet. Also wurde ein<br />
Käufer gesucht, der bereit war, sich gegen<br />
einen symbolischen Kaufpreis zur<br />
Sanierung innerhalb von zwei Jahren zu<br />
verpflichten. Die Kulturgenossenschaft<br />
bewarb sich, stieß aber bei der damaligen<br />
Chefin des Bezirksamtes, Christine<br />
Steinert, auf Ablehnung. Der Verkauf<br />
zog sich über Jahre hin. Zeitweise<br />
stand sogar der Abriß zur Debatte, obwohl<br />
die Lohbrügger dagegen waren.<br />
Eine Bürgerinitiative bündelte die Proteste<br />
und wollte den Turm sogar kaufen,<br />
kam aber nicht zum Zuge.<br />
1994 bekam schließlich der Autohändler<br />
Peter Schwalm den Zuschlag. Er<br />
übernahm den Turm zum Preis von einer<br />
Mark und gegen viele Sicherheiten.<br />
Er bewohnt heute die vier oberen Stockwerke<br />
des Turms. 1995 stellte man den<br />
Turm unter Denkmalschutz. Schwalm,<br />
der den Turm zunächst hatte erweitern<br />
wollen, ließ ihm das bekannte Aussehen.<br />
Zur Kneipe kam ein Biergarten mit<br />
250 Plätzen hinzu.<br />
Inzwischen ist der „Sander Dickkopp“<br />
nicht mehr Brennpunkt lokalpolitischer<br />
Auseinandersetzungen, sondern ein<br />
normales Ausflugsziel. Alle zwei Monate<br />
veranstaltet die Lohbrügger CDU<br />
ihren „Talk im Turm“ zu aktuellen politischen<br />
Fragen. Bands wie die „Crazy<br />
Crackers“, „Casablanca“, „Gateway“,<br />
„Zeitsprung“ und viele andere sorgen<br />
bei Freiluft-Konzerten für Stimmung.<br />
Der Text beruht auf Artikeln aus der Tagespresse<br />
und aus dem Aufsatzband<br />
„Wasser für Sande“ aus dem Jahre<br />
1987, beides zur Verfügung gestellt von<br />
Heike Susanne Zeddies.<br />
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